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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.04.2007
Aktenzeichen: I-3 Sa 3/07
Rechtsgebiete: FGG, AufenthG


Vorschriften:

FGG § 5
AufenthG § 106 Abs. 2 Satz 2
1. Wird in einer Abschiebungshaftsache beim zunächst örtlich zuständigen Amtsgericht K von der Ausländerbehörde ein Haftfortdauerantrag gestellt und gibt das Amtsgericht K deshalb das Verfahren an das Amtsgericht P, in dessen Bezirk die Abschiebungshaft vollzogen wird, ab, so wird die örtliche Zuständigkeit dieses Amtsgerichts - und hiervon abgeleitet die des Landgerichts P als Erstbeschwerdegericht - nicht nur für diesen und weitere Haftverlängerungsanträge begründet, sondern auch für andere künftige Entscheidungen (hier: Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung nach Haftentlassung und Verpflichtung der Behörde zur Auslagenerstattung).

2. Ein nachfolgender - auf einer nicht vertretbaren Auslegung (hier: die Abgabe sei vom Amtsgericht K auf Haftverlängerungsanträge beschränkt worden) beruhender - Verweisungsbeschluss des Landgerichts P an das Landgericht K kann mit Blick auf die zuvor unanfechtbar erfolgte Abgabe durch das Amtsgericht K eine zuständigkeitsbegründende Wirkung nicht entfalten.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Sa 3/07

betreffend die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung/Abschiebung des nigerianischen Staatsangehörigen namens B., geboren 1970 in Osogbo/Nigeria, oder A., geboren am 10. März 1974 in Lagos/Nigeria, zur Zeit in Haft in der Justizvollzugsanstalt Betroffener und Beschwerdeführer,

hier: Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. und von W.

am 27. April 2007

beschlossen:

Tenor:

Als örtlich zuständiges Gericht im Sinne des § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wird das Landgericht P. bestimmt, § 5 FGG.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht K. hat am 18. August 2006 für die Dauer von längstens drei Monaten Abschiebungshaft gegen den Betroffenen angeordnet. Seine sofortige Beschwerde ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben. Auf die sofortige weitere Beschwerde hat der Senat die landgerichtliche Entscheidung wegen Verfahrensfehlern aufgehoben. Am 17. November 2006 wurde der Betroffene aus der Haft entlassen. Zuvor war ein Haftverlängerungsantrag gestellt worden und hatte das Amtsgericht K. mit Beschluss vom 16. November 2006 das Verfahren gemäß § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG an das Amtsgericht P. abgegeben.

Am 25. Januar 2007 hat der Betroffene um Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung sowie eine Auslagenentscheidung zu seinen Gunsten nachgesucht.

Das Amtsgericht P. hat die Akten an das Landgericht K. übermittelt, das diese an das Amtsgericht P. zurückgesandt hat, mit dem Bemerken, bei Antragseingang am 25.01.2007 sei das Verfahren bereits an das Amtsgericht P. abgegeben gewesen, wodurch sich die örtliche Zuständigkeit - auch im Rechtsmittelzug - geändert habe.

Das Landgericht P. hat am 2. April 2004 seine Unzuständigkeit beschlossen und "den Rechtsstreit" an das seiner Meinung nach zuständige Landgericht K. verwiesen. Zu Begründung hat es u. A. ausgeführt, nach dem Wortlaut des Abgabebeschlusses des Amtsgerichts K. vom 16. November 2006 habe sich die Abgabe nur auf künftige Anträge auf Verlängerung der Abschiebungshaft bezogen. Damit seien dem Zusammenhang nach lediglich Entscheidungen über etwaige künftige Anträge auf Verlängerung der Abschiebungshaft gemeint, die jeweils ein selbständiges verfahren nach dem FEVG einleiteten. Der vorliegende Antrag betreffe jedoch die Frage der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Amtsgerichts K., mit dem erstmalig die Abschiebungshaft angeordnet worden sei. Auf die Abgabe dieses selbständigen Verfahrens beziehe sich der Abgabebeschluss nicht.

Das Landgericht K., das sich seinerseits für örtlich unzuständig hält, hat gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG dem Senat die Akten zur Bestimmung des für die Entscheidung über den Antrag des Betroffenen vom 25. Januar 2007 örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt und ausgeführt, es sei schon zweifelhaft, ob eine Abgabe nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG überhaupt zu einer Spaltung der örtlichen Zuständigkeit führen kann. Das Gesetz sage nichts dazu, dass nur das Verfahren über die Fortdauer der Abschiebungshaft abgegeben werden könne. Eine anstehende Entscheidung über die Fortdauer der Abschiebungshaft sei lediglich Voraussetzung für eine Abgabe des gesamten Verfahrens. Darüber hinaus könne in der Abgabeentscheidung des Amtsgerichts K. vom 16. November 2006 eine Beschränkung "nur auf künftige Anträge auf Verlängerung der Abschiebungshaft" nicht gesehen werden.

II.

1.

Der Senat ist gemäß §§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG; 3 Satz 2 FEVG; 5 Abs. 1 Satz 1 FGG zur Entscheidung über den zwischen den Landgerichten K. und P. bestehenden Streit über die örtliche Zuständigkeit berufen, weil gemeinsames oberes Gericht der streitenden Gerichte der Bundesgerichtshof ist und das zuerst mit der Sache befasste Amtsgericht K./Landgericht K. zum Bezirk des OLG Düsseldorf gehört. § 5 FGG ist auch anwendbar, wenn sich Landgerichte als Beschwerdegerichte nicht über die örtliche Zuständigkeit einigen können (KG JFG 20, 118; Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler 15. Auflage 2003 § 5 Rdz. 21).

2.

Als örtlich zuständiges Gericht ist das Landgericht P. zu bestimmen.

a)

Ursprünglich war das Amtsgericht K. für die Anordnung der Abschiebungshaft zuständig als das Gericht, in dessen Bezirk nach Rückführung des Betroffenen aus den Niederlanden das Bedürfnis für die Freiheitsentziehung entstanden ist (§ 4 Abs. 1 FEVG). Hieraus leitet sich die örtliche (Erstbeschwerde-) Zuständigkeit des Landgerichts K., des nach der Gerichtsverfassung übergeordneten Landgerichts, ab (Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler § 19 Rdz. 43).

Nachdem ein Antrag auf Haftfortdauer gestellt worden war, hat das Amtsgericht K. von der Möglichkeit nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG Gebrauch gemacht, wonach das Verfahren an das Gericht abgegeben werden kann, in dessen Bezirk die Abschiebungshaft vollzogen wird. Danach ist nunmehr als Eingangsgericht das Amtsgericht P. und - hiervon abgeleitet - als Erstbeschwerdegericht das Landgericht P. örtlich zuständig. Der Abgabebeschluss nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist bindend, was im Gesetzestext dadurch zum Ausdruck kommt, das das Amtsgericht durch unanfechtbaren Beschluss entscheidet (KG FG-Prax 2006, 280; Senat FGPrax 1995, 168).

b)

Die Bindungswirkung von Abgabebeschlüssen ist auch im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 FGG zu beachten (KG a.a.O.; Senat a.a.O.).

Umstände, die den Abgabebeschluss des Amtsgerichts K. vom 11. November 2006 als unwirksam und deshalb nicht bindend erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung offensichtlich die in § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eingeräumte Verweisungskompetenz überschreiten und deshalb der gesetzlichen Grundlage entbehren würde (KG a.a.O.; BayObLG 1999, 57; Senat a.a.O.). So liegen die Dinge hier aber nicht.

Das Amtsgericht K. hat seine Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht P. nicht auf Entscheidungen über etwaige künftige Anträge auf Verlängerung beschränkt. Damit, dass das Amtsgericht K. die Abgabe mit dem gestellten Fortdauerantrag und dem Aufenthalt des Betroffenen in der JVA begründet, gibt es lediglich die Voraussetzungen des § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthaltsG wieder. Dass § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthaltsG nur eine im Sinne der Auffassung des LG P.s eingeschränkte Abgabe erlaubt, also eine uneingeschränkte Abgabe des Verfahrens verbietet, lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen.

Dies hat zur Folge, dass der - auf einer nicht vertretbaren "Auslegung" beruhende - Verweisungsbeschluss des Landgerichts P. mit Blick auf die zuvor unanfechtbar erfolgte Abgabe durch das Amtsgericht K. keine zuständigkeitsbegründende Wirkung entfalten konnte.

Danach ist nunmehr - abgeleitet von der Zuständigkeit des Amtsgerichts P. als Eingangsgericht - das Landgericht P. als das örtlich zuständige (Erstbeschwerde-) Gericht zu bestimmen.

Ende der Entscheidung

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