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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 21.10.2009
Aktenzeichen: VII-Verg 28/09
Rechtsgebiete: GWB, VOF, AtG, BGB, VOB/A


Vorschriften:

GWB §§ 97 ff.
GWB § 97 Abs. 1
GWB § 97 Abs. 2
GWB § 97 Abs. 7
GWB § 98 Nr. 1
GWB § 98 Nr. 2
GWB §§ 102 ff.
GWB § 107 Abs. 2
GWB § 124 Abs. 2
VOF § 11
AtG § 23 Abs. 1 Nr. 2
AtG § 9 a Abs. 3 S. 1
AtG § 9 a Abs. 3 S. 2
BGB § 278
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 27. Juli 2009 (VK 2-99/09) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 160.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb Ingenieurleistungen für den Schacht Konrad 2, Grubennebenräume, Einlagerungskammern, Transportstrecken, im Verhandlungsverfahren nach der VOF mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb aus. Nach Durchführung des Teilnahmewettbewerbs forderte die Antragsgegnerin u.a. die Antragstellerin und die Beigeladene auf, ein Angebot abzugeben. In dem Aufforderungsschreiben vom 19. Dezember wies die Antragsgegnerin auf Folgendes hin:

"Falls Sie bereit sind, die Leistungen zu übernehmen, werden Sie gebeten, anliegendes Leistungsverzeichnis ausgefüllt und unterschrieben nebst den geforderten Nachweisen (...) einzusenden (...). (...) Ihr Angebot (kann) nur gewertet werden (...), wenn das Leistungsverzeichnis (...) unterschrieben (...) (ist) und sämtliche geforderten Nachweise vorliegen. (...) Gleichzeitig mit Ihrem Angebot, d.h. dem ausgefüllten und unterschriebenen Leistungsverzeichnis, bitten wir um schriftliche Stellungnahme/ Beantwortung der unter Punkt 7 der Leistungsbeschreibung genannten Punkte/ Fragen."

Unter Punkt 7.1 der der Angebotsaufforderung beigefügten Leistungsbeschreibung forderte die Antragsgegnerin:

"(...) Mit dem Angebot sind abzugeben:

- das ausgefüllte und unterschriebene Leistungsverzeichnis gemäß Kapitel 8

- (...)

- eine detaillierte Angebotskalkulation für jede einzelne Position, die im Leistungsverzeichnis aufgeführt ist (...)"

In Kapitel acht hieß es:

" Das Leistungsverzeichnis ist vollständig ausgefüllt und unterschrieben dem Angebot beizufügen. Das Leistungsverzeichnis ist nur in Verbindung mit der Leistungsbeschreibung gültig. Das Leistungsverzeichnis nimmt Bezug auf die in Anhang 1 dargestellte Leistungsmatrix."

In der Leistungsbeschreibung führte die Antragsgegnerin unter Ziff. 5.2 "Sichtung und Auswertung vorhandener Projektunterlagen" aus, dass "bereits während der Angebotsphase die vorhandenen Unterlagen beim AG grob zu sichten" seien und "diese zu Projektbeginn im Hinblick auf eine Relevanz für die weiteren Planungsleistungen auszuwerten" seien.

Die Antragstellerin gab innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot ab. Das Angebot enthielt nur bei 24 der 25 Hauptpositionen und bei 30 der 79 Bedarfspositionen Preisangaben. Mit Schreiben vom 29. Januar 2009, zugegangen am 4. Februar 2009, teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot wegen unvollständiger Preisangaben ausgeschlossen worden sei.

Unter dem 6. Februar 2009 rügte die Antragstellerin den Angebotsausschluss. Am selben Tag übersandte sie ein weiteres Schreiben mit einem ergänzten Angebot, in dem nunmehr alle Positionen der Leistungsbeschreibung bepreist waren.

Die Antragsgegnerin wies die Rüge zurück. Mit Schreiben vom 24. April 2009 setzte sie die Antragstellerin von der geplanten Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen in Kenntnis.

Den daraufhin erhobenen Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 27. Juli 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das Angebot aufgrund seiner Unvollständigkeit rechtmäßig ausgeschlossen worden sei. In der Leistungsbeschreibung sei unmissverständlich ein vollständig ausgefülltes Leistungsverzeichnis gefordert worden. Das Versäumnis der Antragstellerin habe die Antragsgegnerin zu Recht mit dem Ausschluss des Angebots geahndet. Angesichts der in transparenter Form aufgestellten Anforderung hätten die Bieter nicht damit rechnen können, bei Nichterfüllung dieser Voraussetzung im Wettbewerb zu bleiben und umgekehrt darauf vertrauen dürfen, nur mit solchen Bietern zu konkurrieren, die vollständige Angebote fristgerecht eingereicht hatten. Eine dennoch erfolgende Wertung des unvollständigen Angebots der Antragstellerin wäre daher den in § 97 Abs. 1und 2 GWB verankerten und auch im Verhandlungsverfahren nach der VOF Geltung beanspruchenden vergaberechtlichen Geboten der Gleichbehandlung und Transparenz zuwidergelaufen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

Sie macht geltend, dass es für den Ausschluss ihres Angebotes an einer Rechtsgrundlage fehle. Ein zwingender Ausschlussgrund gemäß § 11 VOF sei nicht gegeben. Das Gebot der Gleichbehandlung und Transparenz sei für sich nicht geeignet, als allgemeiner Grundsatz einen zwingenden Ausschluss im VOF-Verfahren zu begründen. Mangels Kodifikation müssten sowohl zwingende wie fakultative Ausschlussgründe von der Vergabestelle selbst in der Ausschreibung konstitutiv begründet werden. Daran fehle es im Streitfall. Es sei bereits nicht in der erforderlichen unmissverständlichen und widerspruchsfreien Form zum Ausdruck gebracht worden, dass sämtliche Positionen unter allen Umständen, so auch von einem vorbefassten Bieter wie der Antragstellerin, zu bepreisen seien.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Entscheidung des Bundeskartellamts, 2. Vergabekammer des Bundes vom 27.07.2009, Az. VK 2- 99/09, aufzuheben,

2. das Vergabeverfahren in den Stand des Verfahrens vor der Angebotsabgabe am 23.01.2009 zurückzuversetzen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren ab diesem Zeitpunkt erneut durchzuführen;

hilfsweise, die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren insgesamt zu wiederholen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbingens, dass das Angebot der Antragstellerin aufgrund der Vielzahl der nicht ausgefüllter Positionen des Leistungsverzeichnisses als unvollständig zu qualifizieren und der Ausschluss des Angebots vergaberechtlich zwingend sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

1.

a) Die ausgeschriebenen Leistungen sind einer Nachprüfung nach den §§ 102 ff. GWB unterworfen. Bereits in der Entscheidung vom 13. August 2007 (VII-Verg 16/07) hat der Senat darauf erkannt, dass es sich bei der Antragsgegnerin um einen öffentlichen Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB handelt, da sie als juristische Person des privaten Rechts zu dem besonderen Zweck gegründet worden ist, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, und eine Stelle, die ihrerseits eine Gebietskörperschaft nach § 98 Nr. 1 GWB ist, über ihre Leitung die Aufsicht ausübt.

Die Antragsgegnerin nimmt im Allgemeininteresse liegende Aufgaben wahr. Sie ist aufgrund des Kooperationsvertrages vom 29. März 1984 mit der Planung und Errichtung der Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle beauftragt. Diese Aufgaben, an deren Erfüllung ein Allgemeininteresse besteht, obliegen aufgrund des § 9 a Abs. 3 S. 1 Atomgesetz (AtG), wonach der Bund Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten hat, dem Bund. Zuständig für ihre Wahrnehmung ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 AtG das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Als "Stellvertreter" des Bundes kann das BfS sich nach § 9 a Abs. 3 S. 2 AtG zur Erfüllung seiner Pflichten Dritter bedienen. In diesem Sinne ist die Antragsgegnerin kraft des erwähnten Kooperationsvertrages als Instrument in die Aufgabenerfüllung eingeschaltet worden. Ihr sind durch privatrechtlichen (Geschäftsbesorgungs-) Vertrag als Erfüllungsgehilfin i.S.v. § 278 BGB die Planung und Errichtung von Anlagen zur Endlagerung von radioaktiven Abfällen übertragen worden. Die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe büßt den ihr zukommenden Charakter nicht dadurch ein, dass sie zur Wahrnehmung einer juristischen Person des Privatrechts, hier der Antragsgegnerin, teilweise überantwortet wird.

Die von der Antragsgegnerin wahrgenommenen Aufgaben sind nichtgewerblicher Art. Dieses Merkmal ist nach dem Wortlaut der Norm auf die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe, nicht jedoch auf die juristische Person bezogen, die die Aufgabe erfüllt. Eine Gewinnerzielungsabsicht der juristischen Person schließt die Nichtgewerblichkeit der Aufgabe nicht per se aus (vgl. Senat, Beschl. v. 30.4.2003 - Verg 67/03, NZBau 2003, 400, 402 mwN). Sie wirkt sich lediglich dahin aus, dass, sofern die juristische Person sich unter den Bedingungen eines entwickelten Wettbewerbs betätigt, Gewinne erzielen will und die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Verluste trägt, die erwerbswirtschaftliche Zielsetzung des Betriebs eine Erfüllung von Aufgaben nichtgewerblicher Art weniger wahrscheinlich werden lässt (vgl. EuGH, Urt. v. 22.5.2003 - C-18/01 - Korhonen, NZBau 2003, 396, 399 Tz. 50 f.). Von einer solchen Sachlage kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, denn die Antragsgegnerin nimmt infolge des Kooperationsvertrages aus dem Jahr 1984 eine vom Bund herbeigeführte, wettbewerblich risikolose Sonderstellung ein. Sie ist ohne Wettbewerber. Allein ihr ist die Aufgabe der Planung und Errichtung von Endlagern für radioaktive Abfälle übertragen. Unabhängig davon stellen Aufgaben, die nicht unter wettbewerblichen Bedingungen erfüllt werden, sondern die der Staat aus Gründen des Allgemeininteresses selbst wahrnimmt oder bei deren Erfüllung er einen entscheidenden Einfluss behalten will, in der Regel im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art dar (vgl. EuGH, Urt. v. 22.5.2003 - C-18/01 - Korhonen, NZBau 2003, 396, 399 Tz. 47 mwN). Auch dies trifft auf den Streitfall zu. Denn der Bund hat kraft seiner Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11.a GG u.a. die Einrichtung von Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle (nebst einer begleitenden Bewachung) in § 9 a Abs. 3 S. 1 AtG zu seiner eigenen Aufgabe gemacht, auf deren ordnungsgemäße Erfüllung er auch dann, wenn dazu Dritte, wie hier die Antragsgegnerin, herangezogen werden, einen entscheidenden Einfluss behalten will und sogar muss. Aufgrund der im Kooperationsvertrag vom 29. März 1984 getroffenen Regelungen untersteht die Leitung der Antragsgegnerin auch der vom BfS ausgeübten Aufsicht des Bundes. Dieses Erfordernis in § 98 Nr. 2 GWB ist dahin zu verstehen, dass aufgrund der Gesamtheit der darüber getroffenen Regelungen eine Aufsicht mit einer Intensität bestehen muss, die es ermöglicht, die Entscheidungen des Beaufsichtigten gerade auch in Bezug auf die Vergabe von Aufträgen tatsächlich zu beeinflussen (vgl. Senat, Beschl. v. 30.4.2003 -Verg 67/03, NZBau 2003, 400, 403 mwN). Im Streitfall belegt schon der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle als Erfüllungsgehilfin in einem der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Bundes unterfallenden Bereich tätig ist, dass ihre Geschäftstätigkeit im genannten Sinn einer Beaufsichtigung durch den Bund unterworfen ist. Im Kooperationsvertrag vom 29.3.1984, den die Antragsgegnerin seinerzeit noch mit der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) als Vorgängerin des BfS abgeschlossen hat, ist ein Aufsichtsrecht in § 12 und § 15 verankert (zu weiteren Einzelheiten der Begründung vgl. Senat a.a.O.).

b) Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat ein durch ihr Angebot belegtes Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag und macht eine Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend. Wäre das Angebot der Antragstellerin wertbar, hätte sie als einer von fünf Bietern durchaus Chancen auf den Zuschlag, so dass die Möglichkeit eines aus dem beanstandeten Angebotsausschluss resultierenden Schadens hinreichend dargetan ist.

c) Die Rügeobliegenheit ist von der Antragstellerin gewahrt worden. Sie hat sich mit Schreiben vom 6. Februar 2009 und damit im Rechtssinne unverzüglich gegen den Ausschluss ihres Angebots gewandt, über den sie die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29. Januar 2009 informiert hatte.

2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.

Die Vergabekammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Angebot der Antragstellerin von der weiteren Wertung auszuschließen war, weil darin wesentliche Preisangaben fehlten.

a) Die Antragstellerin hat bei einer Vielzahl von Positionen des Leistungsverzeichnisses die geforderten Preise nicht eingetragen, obwohl die Antragsgegnerin in den Verdingungsunterlagen eine vollständige Bepreisung sämtlicher Positionen eindeutig und unmissverständlich gefordert hatte.

Sowohl in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots als auch unter Ziff. 7.1 und 8 der dieser beigefügten Leistungsbeschreibung hat die Antragsgegnerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Leistungsverzeichnis von den Bietern auszufüllen und mit dem Angebot abzugeben sei. Bereits die Verwendung des Begriffs "ausfüllen" impliziert, dass die Antragsgegnerin vollständige Angaben erwartete. Eine unmissverständliche Festlegung erfolgte jedenfalls in Ziff. 8 der Leistungsbeschreibung, in der die Antragsgegnerin die Beifügung eines vollständig ausgefüllten Leistungsverzeichnisses ausdrücklich verlangt hat. Auch aus der Formulierung in Ziff. 7.1 der Leistungsbeschreibung, wonach die Vorlage einer detaillierten Angebotskalkulation für jede einzelne im Leistungsverzeichnis aufgeführte Position gefordert war, folgt eindeutig, dass die Bieter aufgefordert waren, ausnahmslos jede Position zu bepreisen. Um von vermeidbaren Wiederholungen abzusehen, wird im übrigen auf die insoweit zutreffende Argumentation der Vergabekammer Bezug genommen.

Abweichend von der Auffassung der Antragstellerin ergeben sich Unklarheiten und Widersprüche im Hinblick auf die Notwendigkeit, sämtliche Positionen zu bepreisen, auch nicht unter Berücksichtigung der in Ziff. 5.2 der Leistungsbeschreibung enthaltenen Anforderung, dass die vorhandenen Unterlagen bereits während der Angebotsphase beim Auftraggeber grob zu sichten seien. Die Antragstellerin konnte daraus nicht den Schluss ziehen, dass sie bereits im Vorfeld der Angebotserstellung prüfen sollte, welche Leistungen sie für notwendig hält und das Leistungsverzeichnis nur in diesem Umfang auszufüllen habe. Die Forderung der Antragsgegnerin nach einer groben Sichtung der Planungsunterlagen bereits in der Angebotsphase sollte sicherstellen, dass die Bieter ihr Angebot in Kenntnis der Komplexität der Anforderungen erstellen. Sie diente dagegen erkennbar nicht dem Zweck, dass die Bieter bereits nach einer nur groben Erstsichtung berechtigt sein sollten, Leistungen auszuscheiden und nicht zu bepreisen. Eine Prüfung der anzubietenden Leistungen auf ihre konkrete Relevanz sollte nach dem eindeutigen Wortlaut erst zu Projektbeginn, d.h. nach der Zuschlagserteilung und damit nach der Angebotsphase durch den obsiegenden Auftragnehmer erfolgen.

Der Umstand, dass die Ausschreibungsunterlagen keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthielten, dass auch vorbefasste Bieter, die infolge der sich aus der Vorbefassung ergebenden Sachkunde in der Lage waren, die Notwendigkeit einzelner Leistungspositionen bereits in der Angebotsphase abschließend zu beurteilen, sämtliche Leistungspositionen - darunter auch die von ihnen als nicht erforderlich bewerteten - bepreisen sollten, begründet ebenfalls nicht die Unklarkeit oder Missverständlichkeit der an das Angebot gerichteten Anforderungen. Da in den Verdingungsunterlagen jegliche Differenzierung zwischen vorbefassten und anderen Bietern fehlt, musste ein verständiger Bieter davon ausgehen, dass im Hinblick auf die an die Angebote gerichteten Anforderungen keinerlei Ausnahmen für einzelne Bieter bestehen sollten. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin als öffentlicher Auftraggeber nicht nur zur Gleichbehandlung der Wettbewerber verpflichtet ist, sondern ein erkennbares Interesse daran hatte, im Hinblick auf die Preise in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote zu erhalten. Da der konkrete Leistungsumfang im Zeitpunkt der Abgabe der Angebote noch nicht feststand, konnte die Antragsgegnerin eine sachgerechte Entscheidung über den Auftragsumfang und die Bewertung der Angebote nur treffen, wenn alle Angebote vollständige Preisangaben enthielten und damit in jeder Hinsicht vergleichbar waren.

b) Die Antragsgegnerin hat das unvollständige Angebot fehlerfrei von der Wertung ausgeschlossen. Zwar ist in der VOF ein mit den §§ 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A vergleichbarer Ausschlusstatbestand nicht enthalten. § 11 VOF bestimmt nur, unter welchen Voraussetzungen Bewerber von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen sind und ist nicht als eine abschließende Regelung betreffend den Ausschluss von Angebot anzusehen. Das Fehlen eines ausdrücklichen Ausschlusstatbestandes führt aber entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht dazu, dass zwingende und fakultative Ausschlussgründe von der Vergabestelle selbst in der Ausschreibung konstitutiv begründet werden müssen. Vielmehr folgt der zwingende Ausschluss formal fehlerhafter Angebote im VOF-Verfahren aus dem in § 97 Abs. 2 enthaltenen Gleichbehandlungs - und Transparenzgebot als tragender Grundlage des Vergaberechts. Eines ausdrücklichen Hinweises in den Verdingungsunterlagen auf diese sich aus der Reichweite und Bedeutung der maßgeblichen vergaberechtlichen Prinzipien ergebende Konsequenz bedarf es nicht. Das Gleichbehandlungsgebot ist unmittelbarer Ausdruck des Art. 3 GG und des Art. 12 EG und damit fundamentaler Prinzipien des Verfassungs- sowie des Europäischen Gemeinschaftsrechts (vgl. Hailbronner in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 97 Rdn. 204). Das aus dem Wesen der EU-Vergaberichtlinie abzuleitende Gleichbehandlungsgebot (vgl. EuGH v. 18.10.2001, Rs. C-19/00 - SIAC Construction) verbietet insbesondere jede Bevorzugung von Unternehmen, etwa durch Berücksichtigung von Angeboten, die den vom Auftraggeber festgelegten Voraussetzungen nicht entsprechen (vgl. EuGH v. 25.04.1996, Rs C-87/94 - Kommission/Belgien). Das in § 97 Abs. 1 GWB enthaltene Gebot der Transparenz ist die logische Fortsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Indem Auftraggeber Transparenz schaffen, gewährlisten sie unverfälschten Wettbewerb und ermöglichen so die Verwirklichung der Gleichbehandlung (vgl. Dreher in Dreher/Stockmann, Kartellvergaberecht, § 97 GWB Rdn. 7). Verzichtet die Vergabestelle gegenüber einzelnen Bietern auf die Einhaltung bestimmter bekannt gemachter Standards, ohne die Anforderungen an alle Angebote in transparenter und diskriminierungsfreier Weise geändert zu haben, verstößt sie gegen das Transparenzgebot.

Dem durch das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot begründeten Ausschluss unvollständiger Angebote im VOF-Verfahren steht der Grundsatz der weitgehend freien Verhandelbarkeit von Angeboten freiberuflicher Leistungen nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auch im Verhandlungsverfahren nach der VOB/A, dessen Wesensmerkmal die Verhandlung des Auftraggebers mit den Bietern über den Auftragsinhalt ist, die Anforderungen der Ausschreibungsunterlagen an die Angebote verbindlich (vgl. Urt. v. 01.08.2006, X ZR 115/04, NZBau 2006, 797 f.). Der vom Bundesgerichtshof für ein Verhandlungsverfahren nach der VOB/A aus dem Gleichheits - und Transparenzgebot abgeleitete Grundsatz der Verbindlichkeit von Anforderungen, der den Ausschluss von Angeboten, die diese Anforderungen nicht erfüllen, zur Folge hat, beansprucht Geltung auch in einem Verhandlungsverfahren nach der VOF. Dass dort über freiberufliche Leistungen verhandelt wird, vermag unterschiedliche Rechtsfolgen bei der Behandlung unvollständiger Angebote nicht zu rechtfertigen.

Eine Wertung des unvollständigen Angebots oder eine Berücksichtigung der nach Ende der Angebotsfrist vorgenommenen Ergänzungen wäre daher mit dem Gleichheits- und dem Transparenzgebot unvereinbar gewesen, so dass der Ausschluss zu Recht erfolgte.

c) Eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof ist weder im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 28. Februar 2006 noch im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom 17. Mai 2006 veranlasst.

Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Vorlagepflicht nach § 124 Abs. 2 GWB sind nicht gegeben. Eine Divergenz ist nur anzunehmen, wenn das mit der Beschwerdeentscheidung befasste Oberlandesgericht der tragenden Begründung seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (vgl. u.a. BGH, Beschl. V. 18.02.2003 - X ZB 43/02, VergabeR 2003, 313, 314; BGH, Beschl. V. 18.05.2004 - X ZB 7/04, VergabeR 2004, 473, 475 jeweils mwN).

Nach diesen Maßstäben entscheidet der Senat nicht abweichend.

aa) Zwar hat das Oberlandesgericht Frankfurt in dem Beschluss vom 28. Februar 2006 die Auffassung vertreten, dass sich in Verhandlungsverfahren nach der VOF ein zwingender Ausschluss formal unvollständiger Angebote nicht aus den allgemeinen Bestimmungen der §§ 97 ff. GWB, insbesondere dem Gebot der Gleichbehandlung und Transparenz ergebe. Diese Rechtsansicht ist aber für die Entscheidung nicht tragend. Das Gericht hat aus anderen Gründen den von der Auftraggeberin und Beschwerdeführerin vorgenommenen Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen unvollständiger Preisangaben für vergaberechtswidrig gehalten und eine Wiederholung der Angebotswertung angeordnet. Da der Senat die von der Auftraggeberin herangezogenen Ausschlussgründe bereits der Sache nach nicht für erfüllt hielt, kam es auf die Frage, ob ein Angebot in einem VOF-Verfahren überhaupt wegen Unvollständigkeit der Preisangaben ausgeschlossen werden kann, schon nicht an.

bb) Der Entscheidung des OLG Naumburg vom 17. Mai 2006 lag eine sich vom Streitfall in tatsächlicher Hinsicht unterscheidende Konstellation zugrunde. Dort hatte sich die Antragsgegnerin zu einem Abbruch des auf der Grundlage der VOF durchgeführten Vergabeverfahrens, in dem nach Durchführung des Teilnahmewettbewerbs nur zwei Bieter, u.a. die Antragstellerin, verblieben waren, entschieden. Sie hatte das Angebot der Antragstellerin zwar als vollständig bewertet, aber keine Auftragsverhandlungen mit dieser aufgenommen. Zur Begründung hatte sie sich darauf gestützt, dass bei Vorliegen nur eines wertbaren Angebots Wettbewerb nicht mehr möglich sei. Zudem sei das Angebot der Antragstellerin im Hinblick auf die ausführende Niederlassung unklar und weise weitere Mängel auf. Der gegen den Abbruch des Verfahrens gerichtete Nachprüfungsantrag der Antragstellerin war erfolgreich. Die von der Antragsgegnerin erhobene Beschwerde wies das angerufene Oberlandesgericht Naumburg mit der Begründung zurück, der Verzicht auf die Fortführung des ursprünglichen Verhandlungsverfahrens sei eine vergaberechtswidrige Scheinaufhebung. Im Hinblick auf die angeordnete Fortsetzung des Verfahrens erteilte das Gericht zugleich den rechtlichen Hinweis, dass die von der Antragsgegnerin bemängelte Unklarheit des Angebots nicht vorliege und die vermeintlichen weiteren Schwächen des vorläufigen Angebots der Antragstellerin regelmäßig und so auch hier nicht ohne Anhörung des Bieters und ohne Einräumung einer Gelegenheit zur Nachbesserung im Rahmen von Auftragsverhandlungen zur Grundlage einer Ausschlussentscheidung gemacht werden könnten.

Davon unterscheidet sich der Streitfall dadurch, dass im Angebot der Antragstellerin Preisangaben und damit geforderte Angebotsbestandteile fehlten, die vor Beginn der Verhandlungen mit den Bietern vorliegen und ggfs. zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht werden sollten. Insoweit sollte das Angebot der Antragstellerin abschließend und gerade nicht vorläufig in dem Sinne sein, dass sich erst im Rahmen der Verhandlungen der endgültige Angebotsinhalt ergeben sollte. Der rechtliche Hinweis des Oberlandesgerichts Naumburg betraf dagegen diejenigen Teile des Angebots, die ihrem Wesen nach noch vorläufig sind, weil erst durch die Verhandlungen der endgültige Vertragsinhalt festgelegt wird. Dem vom Oberlandesgericht Naumburg aufgestellten Rechtssatz steht die Auffassung des erkennenden Senats, dass die formale Unvollständigkeit von Preisangaben den Ausschluss von Angeboten im VOV-Verfahren nach sich zieht, somit nicht entgegen.

Zudem war jene Rechtsansicht auch nicht tragend für die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg, die Beschwerde der Antragsgegnerin wegen der angenommenen Vergaberechtswidrigkeit des Abbruchs des Vergabeverfahrens zurückzuweisen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg gebietet infolgedessen keine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Antragstellerin vom 05.10.2009 und 20.10.2009 und der Antragsgegnerin vom 13.10.2009 geben keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (entsprechend § 156 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO analog. Die Entscheidung über den Gegenstandswert beruht aus § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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