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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 06.05.2002
Aktenzeichen: 1 AR 23/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 59
ZPO § 60
§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gilt nicht nur für die notwendige Streitgenossenschaft i.S.d. § 62 ZPO, sondern auch für die einfache gemäß §§ 59, 60 ZPO. Die Vorschrift des § 60 ZPO ist dabei im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit weit auszulegen; ihre Voraussetzungen sind immer dann zu bejahen, wenn eine gemeinsame Entscheidung zweckmäßig ist. Das ist nur der Fall, wenn damit ein geringerer prozessualer Aufwand verbunden ist als mit der Durchführung getrennter Prozesse und einander widersprechenden Entscheidungen vermieden werden. Dass gegen alle Streitgenossen nicht dieselben Anträge gestellt werden, ist demgegenüber unerheblich. Erforderlich ist aber, dass die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen; eine bloße sachliche Ähnlichkeit des Geschehensablaufs und des wirtschaftlichen Hintergrundes reicht demgegenüber nicht.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

des 1. Zivilsenats

Aktenzeichen: 1 AR 23/02

vom 06. Mai 2002

In dem Verfahren

wegen Insolvenzanfechtung;

hier: Gerichtsstandsbestimmung

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Präsidenten des Oberlandesgerichts B g, Richter am Oberlandesgericht S t und Richterin am Oberlandesgericht V -K

beschlossen:

Tenor:

1. Der Gerichtsstandsbestimmungsantrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.

3. Der Wert des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens wird auf 53.830,16 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter der A. D GmbH. Er beabsichtigt, die Antragsgegner im Wege einer auf § 129 InsO i.V.m. §§ 130, 131 und 133 InsO gestützten Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr i.S.d. § 143 InsO vermeintlich zu Unrecht erhaltener Gelder - in einer Gesamthöhe von 215.320,65 EUR - in Anspruch zu nehmen; die Antragsgegner hätten als Gläubiger der A. D GmbH zum einen aufgrund vollstreckbarer Titel (teilweise) Befriedigung, zum anderen mittels abgeschlossener Vergleiche in gläubigerbenachteiligender und anfechtbarer Weise Zahlungen erlangt.

Der Antragsgegner zu 1) hat seinen allgemeinen Gerichtsstand beim Amtsgericht Oschatz, die Antragsgegner zu 2), 40), 41), 45), 49), 62), 64) und 68) haben diesen beim Amtsgericht Grimma, die Antragsgegner zu 3), 24), 43) und 54) beim Amtsgericht Bautzen, die Antragsgegner zu 4), 7), 14), 16), 39), 46), 47), 58), 61) und 63) beim Amtsgericht Kamenz, die Antragsgegner zu 5) und 8) beim Landgericht Dresden, die Antragsgegner zu 6) , 31) und 38) beim Landgericht Leipzig, die Antragsgegner zu 9) und 57) beim Amtsgericht Leipzig, der Antragsgegner zu 10) beim Amtsgericht Weißwasser, die Antragsgegner zu 11) , 33) , 35) und 53) beim Landgericht Bautzen, die Antragsgegner zu 12) und 27) beim Amtsgericht Dresden, die Antragsgegner zu 13) beim Amtsgericht Landshut, die Antragsgegnerin zu 15) beim Amtsgericht Osnabrück, die Antragsgegnerin zu 17) beim Landgericht Passau, die Antragsgegner zu 18) und 51) beim Landgericht Nürnberg-Fürth, die Antragsgegnerin zu 19) beim Amtsgericht Mannheim, die Antragsgegnerin zu 20) beim Amtsgericht Kelheim, die Antragsgegnerin zu 21) beim Landgericht Halle, die Antragsgegnerin zu 22) beim Amtsgericht Hattingen, die Antragsgegnerin zu 23) beim Amtsgericht Dippoldiswalde, die Antragsgegnerin zu 25) beim Amtsgericht Wittenberg, die Antragsgegnerin zu 26) beim Amtsgericht Rostock, die Antragsgegnerin zu 28) beim Amtsgericht Berlin-Mitte, die Antragsgegnerin zu 29) beim Landgericht Chemnitz, die Antragsgegnerin zu 30) beim Amtsgericht Halle-Saalkreis, die Antragsgegnerin zu 32) beim Amtsgericht Dessau, die Antragsgegnerin zu 34) beim Landgericht Magdeburg, die Antragsgegnerin zu 36) beim Amtsgericht Lennestadt, die Antragsgegnerin zu 37) beim Landgericht Dessau, die Antragsgegnerin zu 42) beim Amtsgericht Stuttgart, die Antragsgegnerin zu 44) beim Amtsgericht Winsen/Luhe, der Antragsgegner zu 48) beim Amtsgericht Bitterfeld, die Antragsgegner zu 50) und 56) beim Amtsgericht München, der Antragsgegner zu 52) beim Amtsgericht Pirna, die Antragsgegnerin zu 55) beim Amtsgericht Villingen-Schwenningen, die Antragsgegnerin zu 59) beim Amtsgericht Rosenheim, die Antragsgegnerin zu 60) beim Amtsgericht Bayreuth, die Antragsgegnerinnen zu 65) und 66) beim Amtsgericht Görlitz und die Antragsgegnerin zu 67) beim Amtsgericht Hoyerswerda.

Der Antragsteller hat zunächst beantragt, das Landgericht Dresden, später hat er - mit Schreiben vom 22. April 2002 -begehrt, das Landgericht Leipzig als gemeinsamen Gerichtsstand für alle Antragsgegner zu bestimmen.

II.

Eine Gerichtsstandsbestimmung kann nicht erfolgen.

Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind nicht gegeben, weil die Antragsgegner keine Streitgenossen sind. Zwar gilt § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht nur für die notwendige Streitgenossenschaft i.S.d. § 62 ZPO, sondern auch für die einfache gemäß §§ 59, 60 ZPO (BGH, NJW 1992, 981; 1998, 685 <686>; OLG Gelle, OLG-Report 2001, 97, 98; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 36 Rdnr. 14, m. w. N.). Indessen liegt selbst eine einfache Streitgenossenschaft hier nicht vor.

Die Antragsgegner stehen weder in Rechtsgemeinschaft hinsichtlich des Streitgegenstandes, noch sind sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund verpflichtet, § 59 ZPO. Ebensowenig bilden Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des beabsichtigten Rechtsstreits, die auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen, § 60 ZPO.

Die Vorschrift des § 60 ZPO ist zwar im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit weit auszulegen; ihre Voraussetzungen sind immer dann zu bejahen, wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist (OLG Hamm, NJW 2000, 1347; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 60 Rdnr. 7) . Eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung ist aber nur dann zweckmäßig, wenn damit ein geringerer prozessualer Aufwand verbunden ist als mit der Durchführung getrennter Prozesse und wenn damit einander widersprechende Entscheidungen vermieden werden (vgl. BayObLG, NJW-RR 1990, 742 und 1020) . Dass gegen alle Streitgenossen nicht dieselben Anträge gestellt werden, ist demgegenüber für die Frage der Streitgenossenschaft unerheblich (BayObLG, NJW-RR 1990, 742 und 1020; OLG Hamm, NJW 2000, 1347).

Vorliegend steht indessen schon aufgrund der - den üblichen Rahmen sprengenden - Vielzahl der Beteiligten auf Beklagtenseite und der Abweichung des Geschehensablaufs im einzelnen zu vermuten, dass die beabsichtigte Verfolgung der Ansprüche in einem einheitlichen Rechtsstreit zu Unübersichtlichkeit und Verwirrung führen wird.

Zudem bedarf es zur Bejahung der einfachen Streitgenossenschaft gemäß § 60 ZPO zwar nicht der Identität des tatsächlichen und rechtlichen Grundes, erforderlich ist aber, dass die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen (BGH, NJW-RR 1991, S. 381; KG, MDR 2000, 1394); eine bloße sachliche Ähnlichkeit des Geschehensablaufs und des wirtschaftlichen Hintergrundes reicht demgegenüber nicht, um den Voraussetzungen des § 60 ZPO zu genügen.

Für diesen inneren, über eine bloße Ähnlichkeit hinausgehenden Zusammenhang der vermeintlich anfechtbaren Handlungen der Antragsteller als Gläubiger der A. D. GmbH ist hier nichts ersichtlich. Der Antragsteller trägt nicht vor, dass die angeblich gläubigerschädigenden Handlungen der Antragsgegner in einer Beziehung zueinander stehen würden, insbesondere Folge eines zwischen den Antragsgegnern abgestimmten oder auch nur sonst wie als "gemeinsam" zu verstehenden Verhaltens wären. Der bloße Umstand, dass mehrere Personen deliktische oder deliktsähnliche Handlungen begehen, die sich gegen dasselbe Rechtsgut einer Person richten, reicht aber nicht aus, um von einem gleichen oder auch nur gleichartigen "Grund" des Anspruchs i.S.d. § 60 ZPO auszugehen (Baumbach/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 60 Rdnr. 3). Denn in einem solchen Fall berühren sich die prozessualen Streitgegenstände der beabsichtigten Klageansprüche in keiner Weise.

Schließlich vermag auch der vom Antragsteller ins Feld geführte Gesichtspunkt der Prozessökonomie die Zuständigkeitsbestimmung nicht zu rechtfertigen. Der Wunsch einer Partei, alle Personen, die ihre Rechtsgüter in ähnlicher Weise verletzen, kosten- und aufwandsparend einheitlich an einem Gericht in Anspruch zu nehmen, ist zwar verständlich. Doch darf das legitime Interesse jedes einzelnen, angehenden Beklagten daran nicht übersehen werden, einen hinsichtlich seiner Person begründeten Gerichtsstand nicht allein deshalb zu verlieren, weil sich andere Personen, zu denen er sonst in keiner Beziehung steht, gegenüber der - zukünftigen - Klagepartei lediglich "ähnlich" verhalten haben wie er (so auch KG, MDR 2000, 1395).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Gemäß § 3 ZPO war der Streitwert auf 1/4 des Wertes der Hauptsache festzusetzen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 18.03.2002, 1 AR 13/02).

Ende der Entscheidung

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