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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 08.06.2007
Aktenzeichen: 10 W 291/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Zur Erstattung von Kosten des Scheinbeklagten entsprechend § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 10 W 291/07

vom 8. Juni 2007

In dem Rechtsstreit

wegen: Forderung

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Leipzig vom 24. Januar 2007, Az.: 9 O 3508/06, wie folgt abgeändert:

Die von der Klägerin an die Handelsgesellschaft mbH nach dem Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 28. Dezember 2006 zu erstattenden Kosten werden auf 504,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 8. Januar 2007 festgesetzt.

Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin 60 % und die " Handels-GmbH" (die Scheinbeklagte) 40 % zu tragen.

Beschwerdewert: 807,80 Euro

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass das Landgericht Leipzig zugunsten der Beschwerdegegnerin und "Scheinbeklagten" eine 1,3 Verfahrensgebühr festgesetzt hat.

Im Rahmen eines Mahnverfahrens nahm die Klägerin zunächst die "Fa. GmbH" auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 16.653,44 Euro nebst Zinsen und Kosten in Anspruch. Gegen den Mahnbescheid, der unter der Adresse in zugestellt worden war, legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein, so dass die Sache an das Streitgericht abgegeben wurde. In ihrer Anspruchsbegründung beantragte die Klägerin, das Passivrubrum der Antragsgegnerin und Beklagten zu berichtigen. Denn nach ihrer Auffassung war die GmbH inzwischen in " Handels-GmbH" umbenannt worden.

Die " Handels-GmbH", welche ihren Sitz auf der in hat, teilte in ihrer "Klageerwiderung" mit, dass sie nicht mit der Fa. " GmbH" identisch sei. Vielmehr sei sie aus der " GmbH" hervorgegangen, deren Firma mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 14. März 2005 abgeändert worden sei. Die Fa. " GmbH" dagegen habe ihre Hauptniederlassung in Leipzig und unterhalte in lediglich eine unselbständige Betriebsstätte. Mangels Passivlegitimation sei die Klage mithin abzuweisen.

Die Klägerin, die in ihrer Replik noch davon ausgegangen war, dass die Scheinbeklagte angesichts der mit der Betriebsstätte der Fa. " GmbH" identischen Adresse aus Rechtsscheinsgesichtspunkten für die eingeklagte Forderung hafte, beantragte in Folge eines Hinweises des Landgerichts am 11. Dezember 2006 eine erneute Berichtigung des Passivrubrums und eine Zustellung der Anspruchsbegründung an die Fa. GmbH in , die Beklagte. Das Verfahren ist inzwischen durch das in Rechtskraft erwachsene Versäumnisurteil des Landgerichts Leipzig vom 18. Januar 2007 abgeschlossen. Die Fa. " Handels-GmbH" entließ das Landgericht dagegen mit Beschluss vom 28. Dezember 2006 aus dem Rechtsstreit und ordnete zugleich an, dass die Klägerin die durch eine falsche Klagezustellung entstandenen Kosten der Scheinbeklagten zu tragen habe.

Auf Antrag vom 5. Januar 2007 setzte das Landgericht Leipzig diese Kosten auf 807,80 Euro nebst Zinsen fest. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass bei der Scheinbeklagten eine 1,3 Verfahrensgebühr nach VV 3100 zu den §§ 2 Abs. 2, 13 Abs. 1 RVG angefallen sei, welche die Klägerin als Veranlasserin dieser Kosten zu erstatten habe. VV 3101 sei unanwendbar, da die Scheinbeklagte in ihrer "Klageerwiderung" einen Sachantrag gestellt habe. Gegen den am 29. Januar 2007 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 31. Januar 2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass zugunsten der Scheinbeklagten "allenfalls" eine 0,8 Verfahrensgebühr festzusetzen sei. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht Dresden am 7. März 2007 zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die nach den §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2, 568, 569 Satz 1, 572 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Denn anders als vom Landgericht angenommen, kann gegen die Klägerin lediglich eine 0,8 Verfahrensgebühr nach VV 3403 zu den §§ 2 Abs. 2, 13 Abs. 1 RVG festgesetzt werden.

1. Aufgrund der Kostenentscheidung in dem Beschluss vom 28. Dezember 2006, welcher in entsprechender Anwendung von § 91 ZPO erging (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 1995 - X ARZ 255/95, NJW-RR 1995, S. 764, 765; KG, Beschluss vom 18. August 2003 - 22 W 226/03, KGR Berlin 2003, S. 395/6; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Februar 1991 - 7 W 50/90, MDR 1991, S. 1201; LG Bremen, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 8 O 1509/02, zitiert nach Juris; Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, Vor § 50 ZPO Rn 8, S. 226), ist die Scheinbeklagte dazu berechtigt, von der Klägerin diejenigen Kosten ersetzt zu verlangen, die notwendig gewesen sind, um ihre Nichtparteieigenschaft gegenüber dem Gericht und der Klägerin geltend zu machen (vgl. Stein/Jonas-Bork, ZPO, Band 1, 22. Aufl. 2004, Vor § 50 ZPO Rn 11, S. 61).

2. Der Höhe nach beläuft sich der Erstattungsanspruch indessen nicht - wie vom Landgericht angenommen - auf 807,80 Euro, sondern lediglich auf 504,80 Euro. Denn gegen die Klägerin war keine 1,3 Verfahrensgebühr nach VV 3100 zu den §§ 2 Abs. 2, 13 Abs. 1 RVG, sondern lediglich eine 0,8 Verfahrensgebühr nach VV 3403 zuzüglich der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleigungen nach VV 7002 festzusetzen.

a) Selbst wenn die "Scheinbeklagte" ihren im Verfahren tätigen Rechtsanwälten einen unbeschränkten Verfahrensauftrag erteilt haben mag, sind die dadurch entstandenen Kosten nicht in vollem Umfang erstattungsfähig. Denn es handelt sich nicht um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

b) Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin aus Sicht der Scheinbeklagten ihre Klage offensichtlich an eine an dem Streitverhältnis unbeteiligte juristische Person hatte zustellen lassen, hätte es ausgereicht, das Gericht und die Klägerin unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe auf den Irrtum hinzuweisen.

c) Eine solche verfahrensbezogene Einzeltätigkeit unterfällt - wie etwa auch der anwaltliche Hinweis auf eine doppelte Rechtshängigkeit (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 29. Juni 1993 - 12 WF 57/93, JB 1994, S. 492/3; Gerold, Schmidt, von Eicken, Madert, Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2007, VV 3403 Rn 15, S. 1498; Schneider/Wolf, RVG, 3. Aufl. 2006, VV 3403 Rn 21, S. 1692) - VV 3403 und löst lediglich eine 0,8 Gebühr aus. Der Gebührentatbestand des VV 3101 ist dagegen nicht einschlägig, da die Scheinbeklagte durch ihren Anwalt vor Erledigung des Auftrags einen Schriftsatz mit Sachvortrag bei Gericht hat einreichen lassen und einen Klageabweisungsantrag gestellt hat.

3. Ohne Erfolg bleibt die sofortige Beschwerde, soweit sich die Klägerin ganz generell gegen die Festsetzung von Rechtsanwaltsgebühren wendet.

a) Zwar wird teilweise vertreten, dass es der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht bedürfe, wenn es lediglich darum gehe, dem Gericht die fehlende Parteieigenschaft mitzuteilen (vgl. Musielak-Weth, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 50 ZPO Rn 10, S. 229; MK Lindacher, ZPO, Band 1, 2. Aufl. 2000, Vor § 50 ZPO Rn 18, S. 371/2).

b) Aber auch nach dieser Ansicht darf sich der Scheinbeklagte zumindest dann anwaltlicher Hilfe versichern, wenn der Kläger trotz eines Hinweises auf die fehlende Idenität mit dem tatsächlich Beklagten auf der Parteieigenschaft des Scheinbeklagten besteht (vgl. Musielak-Weth, a.a.O.; MK-Lindacher, a.a.O.). So verhält es sich hier. Obwohl die Klägerin eingeräumt hat, dass die Klage nicht derjenigen juristischen Person zugestellt worden ist, welche sie - die Klägerin - ursprünglich auf Zahlung hat in Anspruch nehmen wollen, hat sie die Scheinbeklagte gleichwohl zunächst auch als Partei behandelt wissen wollen. Denn sie hat die Auffassung vertreten, dass die Scheinbeklagte aus Rechtsscheinsgesichtspunkten für die Klageforderung haften müsse.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Beschwerdewert ergibt sich unter Berücksichtigung der §§ 3, 4 ZPO, 47 GKG.

Ende der Entscheidung

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