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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 08.06.2006
Aktenzeichen: 13 W 653/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 50
ZPO § 62
ZPO § 240
1) Auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann ein zum Gesellschaftsvermögen gehörender Anspruch nicht mehr durch die Gesellschafter in notwendiger Streitgenossenschaft gemäß § 62 Abs. 12. Fall ZPO verfolgt werden.

2) Haben die Gesellschafter einer (Außen-)Gesell-schaftbürgerlichen Rechts vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit einen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Anspruch verfolgt, ist die Rubrumsberichtigung der richtige Weg, die geänderte rechtliche Sicht auf den konkreten Rechtsstreit zu übertragen.

3) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters führt hiernach nicht zur Unterbrechung des Rechtsstreits gemäß § 240 ZPO.


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 13 W 653/06

Beschluss

des 13. Zivilsenats

vom 08.06.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung aus Bauvertrag

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ............, Richterin am Oberlandesgericht .... und Richter am Oberlandesgericht ......

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin zu 1) wird der Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 21.02.2006, Az: 7 O 3657/99, aufgehoben.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger erhoben am 05.08.1999 handelnd als einzige Gesellschafterinnen der ................................... (nachstehend nur ARGE) Klage wegen restlichen Werklohns gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1). Diese erhob gemeinsam mit der Beklagten zu 2) am 19.01.2005 u.a. gegen die Kläger Widerklage, mit der sie insbesondere die Rückforderung von überzahltem Werklohn verfolgen.

Am 08.04.2005 eröffnete das Amtsgericht Augsburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin zu 2). Der zwischen den Klägerinnen geschlossene Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass ein Gesellschafter, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde, aus der ARGE ausscheidet (vgl. § 23.62 des Arbeitsgemeinschaftsvertrages, Anlage K 141).

Die Klägerin zu 1) hat beantragt, das Rubrum dahin zu berichtigen, dass sie aufgrund des Ausscheidens der Klägerin zu 2) aus der Gesellschaft nunmehr alleinige Klägerin sei.

Die Beklagten sind der Ansicht, es liege ein Fall des § 265 Abs. 2 ZPO vor. Nachdem die Mitglieder einer GbR eine notwendige Streitgenossenschaft bildeten, sei der Rechtsstreit infolge des über das Vermögen der Klägerin zu 2) eröffneten Insolvenzverfahrens gemäß § 240 ZPO unterbrochen.

Das Landgericht hat festgestellt, das Verfahren sei gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Die Kläger bildeten als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine notwendige Streitgenossenschaft gemäß § 62 Abs. 1, 2. Fall ZPO, weil ein zum Gesellschaftsvermögen gehörender Anspruch nur gemeinsam geltend gemacht werden könne. Hieran ändere auch das Ausscheiden der Klägerin zu 2) aus der Gesellschaft nichts, weil dieses gemäß § 265 Abs. 2 ZPO das Prozessrechtsverhältnis unberührt lasse.

Gegen diese der Klägerin zu 1) nach eigenen Angaben am 28.02.2006 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 08.03.2006 eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß §§ 252, 567 Abs. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die Klägerin zu 1) ist allein klagende Partei dieses Rechtsstreites, so dass der Rechtsstreit infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin zu 2) nicht unterbrochen wurde.

1. Die Klägerinnen waren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin zu 2) keine notwendigen Streitgenossen i.S.d. § 62 Abs. 1, 2. Fall ZPO. Klägerin des Rechtsstreites war vielmehr die von den Klägerinnen gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

a) Auf der Grundlage der neueren gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 146, 341), der sich der Senat anschließt, ist davon auszugehen, dass die ARGE, zu der sich die Klägerinnen verbunden hatten, eine nach außen tätige und entsprechend mit Rechts- und Parteifähigkeit ausgestattete Gesellschaft bürgerlichen Rechts war. Ein zum Gesellschaftsvermögen gehörender Anspruch steht daher der Gesellschaft zu und kann von ihr auch prozessual verfolgt werden. Liegt aber die materielle und prozessuale Rechtszuständigkeit bei der Gesellschaft, kann nur diese - es sei denn die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft liegen vor - Partei des Rechtsstreites sein (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2003, Az: IX ZR 329/01, NJW-RR 2004, 275, 276; OLGR Karlsruhe 2006, 236; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2003, 513, 514; OLGR Frankfurt 2001, 233; Münchener Kommentar - Ulmer, BGB, 4. Aufl., § 705 Rn. 321; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 62 Rn. 13a). Für die Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft mehrerer Gesellschafter als natürliche Personen ist bei dieser Sichtweise kein Raum (a.A. BGH, Urteil vom 24.07.2003, Az: VII ZR 209/01, BauR 2003, 1758; BGH, Beschluss vom 18.06.2002, Az: VIII ZB 6/02, VersR 2003, 385, 386; OLG Dresden, Beschluss vom 16.08.2001, Az: 23 W 916/01, NJW-RR 2002, 544). Die Streitgenossenschaft ist nur dann eine aus materiell-rechtlichen Gründen notwendige (§ 62 Abs. 1, 2. Fall ZPO), wenn die Klage zulässigerweise nur durch oder gegen mehrere Parteien erhoben werden kann (BGHZ 92, 351, 353; 36, 187, 187 f.; 30, 195, 196 f.). An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch, wenn die Gesellschafter in ihrer "gesamthänderischen Verbundenheit" selbst die Stellung eines Rechtssubjektes einnehmen (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. I-1, Die Personengesellschaft, 1977, § 4 II, S. 56; Karsten Schmidt, NJW 2001, 993, 999; Wertenbruch, NJW 2002, 324, 325; Ulmer, ZIP 2001, 585, 591; missverständlich dagegen Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 60 IV, S. 1811).

b) Haben die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bereits vor der Änderung der Rechtsprechung zu deren Parteifähigkeit Klage erhoben und zum Ausdruck gebracht, dass sie "in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit" vorgehen, ist die Berichtigung des Rubrums der richtige Weg, die geänderte Sicht zur Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf den konkreten Rechtsstreit zu übertragen (BGH, NJW-RR 2004, 275, 276; BGH, NJW 2003, 1043 f.). Es kann im Zweifel davon ausgegangen werden, dass die Gesellschafter von vornherein die Gesellschaft als Klägerin bezeichnet hätten, wenn dies zum Zeitpunkt der Klageerhebung der zulässige Weg zur Verfolgung einer der Gesellschaft zustehenden Forderung gewesen wäre. Die Klägerinnen haben ihre Klage als Gesellschafterinnen der ARGE erhoben und im Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie die Zahlung als Gesellschafterinnen zur gesamten Hand verlangen (Bl. 244 dA).

2. War aber die Gesellschaft Klägerin, als über das Vermögen der Klägerin zu 2) das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist mit deren Ausscheiden aus der Gesellschaft gemäß § 23.62 des Arbeitsgemeinschaftsvertrages die Klägerin zu 1) Partei geworden. Die Klägerin zu 1) ist als einzig noch verbleibende Gesellschafterin Rechtsnachfolgerin der mit dem Ausscheiden der Klägerin zu 2) beendeten ARGE geworden. Der Prozess ist entsprechend §§ 239, 246 ZPO mit ihr als Klägerin fortzusetzen (vgl. BGH DStR 2004, 1137, 1138). Die Gesellschaft war zum Zeitpunkt ihrer Beendigung anwaltlich vertreten und ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ist von ihrem Prozessbevollmächtigten nicht gestellt worden.

3. Nachdem die Klägerin zu 2) nicht mehr Partei dieses Rechtsstreites ist, kommt eine Unterbrechung des Rechtsstreites gemäß § 240 ZPO nicht in Betracht.

III.

Dem Landgericht werden die erforderlichen Anordnungen übertragen (§ 572 Abs. 3 ZPO). Es wird entsprechend dem Antrag der Klägerin zu 1) das Rubrum zu berichtigen und Termin zur mündlichen Verhandlung festzusetzen haben.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 252 Rn. 3).

V.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des VII. und VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 24.07.2003, Az: VII ZR 209/01, BauR 2003, 1758 sowie BGH, Beschluss vom 18.06.2002, Az: VIII ZB 6/02, VersR 2003, 385). Die Abweichung betrifft die vom Senat als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage, ob auch bei Anerkennung der Parteifähigkeit der nach außen tätig werdenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts deren Gesellschafter als notwendige Streitgenossen i.S.d. § 62 Abs. 1, 2. Fall ZPO einen Aktivprozess führen können.

Ende der Entscheidung

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