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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 29.06.2009
Aktenzeichen: 2 Ss 288/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 224 Abs. 1 Nr. 1
Zu § 224 Abs. 1 Nr.1 StGB: Das Verbrühen mit heißem Kaffee stellt bei bloß kurzer thermischer Einwirkung auf die Haut, zumal einer relativ unempfindlichen Körperregion, ohne Tiefenausdehnung eines Hautdefektes keine "Beibringung eines anderen gesundheitsschädlichen Stoffes" dar.
Oberlandesgericht Dresden 2. Strafsenat

Aktenzeichen: 2 Ss 288/09

Beschluss

vom 29. Juni 2009

in der Strafsache gegen

wegen Körperverletzung

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, die der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Gegenerklärung gegeben hat, gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 26. März 2009

a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Angeklagte der (einfachen) Körperverletzung schuldig ist,

und

b) im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bautzen zurückverwiesen.

Gründe:

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand; der rechtsfehlerfrei festgestellte Sachverhalt trägt den Schuldspruch nur wegen Körperverletzung gemäß § 223 StGB, nicht hingegen wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 StGB.

1. Die heiße Flüssigkeit (Kaffee) stellt aufgrund ihrer Konsistenz auch bei missbräuchlichem Einsatz (Überschütten) kein "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar. Der Begriff "Werkzeug" erfasst vielmehr nur körperliche Gegenstände, mittels derer durch Einwirkung auf den Körper eine Verletzung zugefügt werden kann (BGHSt 22, 235; BGH-NStZ 1988, 361 f.; BGH NStZ-RR 2005, 75). Flüssigkeiten können wegen der Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG kein "Werkzeug" sein.

2. Aber auch die Wertung der festgestellten Handlung als "Beibringung" eines wegen der Art des missbräuchlichen Einsatzes "gesundheitsschädlichen Stoffs" gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. hierzu Fischer StGB 56. Aufl. § 224 Rdnr. 5 a m.w.N.) scheidet im konkreten Fall aus.

a) Nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird bestraft, wer die Körperverletzung "durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen" begeht. Zwar kann auch eine heiße Flüssigkeit (etwa: kochendes Wasser, vgl. LG Kaiserslautern, Urteil vom 03. November 2006 - 4 Ks 6035 Js 24719/05 -, zitiert nach juris, Rdnrn. 31 - 33) nach Art ihrer Anwendung grundsätzlich geeignet sein, die Gesundheit eines Opfers (durch Verbrühung) zu schädigen. Ein "an sich" unschädlicher Stoff kann daher im konkreten Fall auch "gesundheitsschädlich" im Sinne der Strafvorschrift sein (vgl. Schönke/Schröder-Stree StGB 27. Aufl. § 224 Rdnr. 2c; Fischer a.a.O.; BGHSt 51, 18 ff. - Speisesalz -).

b) Allerdings erfüllt die dem vorliegenden Fall zugrundeliegende Tathandlung nicht den Begriff der "Beibringung" im Sinne der Strafbestimmung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für den Begriff der "Beibringung" zwar nicht darauf an, ob ein Gift (oder ein anderer gesundheitsschädlicher Stoff) innerlich oder äußerlich angewendet wird (vgl. BGHSt 15, 113, 115; BGHSt 32, 130 ff.). Auch die bloß äußerliche Anwendung eines solchen Stoffes ist geeignet, das Merkmal der "Beibringung" zu erfüllen, sofern "die Schwere der Gefahr (der Gesundheitsschädigung) derjenigen bei innerlicher Anwendung gleichkommt" (BGH a.a.O.).

Dies ist jedenfalls im vorliegenden Einzelfall nicht gegeben. Die Berufungskammer hat festgestellt, dass die Angeklagte "aus der Thermoskanne den - wie sie wusste - heißen Kaffee über den Kopf der Zeugin" schüttete, sodass die Geschädigte hierdurch eine schmerzhafte "Verbrühung ersten Grades am Oberkörper sowie Hautrötungen am Nacken, Hals und Thorax" erlitt, die folgenlos verheilten.

Dieses in seiner thermischen Einwirkung auf die Haut nur kurz andauernde Überschütten mit heißem Kaffee -zumal auf eine relativ unempfindliche Körperregion und ohne Tiefenausdehnung eines Hautdefektes - erfüllt den Begriff des "Beibringens" nicht; es ist einer innerlichen Anwendung (von Gift u.a.) im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gleichzusetzen.

c) Auch eine Versuchsstrafbarkeit nach § 224 Abs. 2 StGB scheidet aus. Den Feststellungen des Berufungsgerichts zufolge hatte die Angeklagte den Kaffee der Zeugin über Kopf und Oberkörper schütten wollen und dies auch getan. Es liegt demnach nicht der (fehlgeschlagene) Versuch vor, die heiße und deshalb möglicherweise schädigende Flüssigkeit dem Opfer unvorbereitet in das Gesicht oder in die Augen zu schütten (vgl. etwa BGH JR 1977, 341 f.; BGHSt 32, 130 ff. -jeweils Salzsäureattacken -).

Der Senat hat den Schuldspruch geändert, § 354 Abs. 1 StPO. Er schließt aus, dass insoweit im Rahmen einer neuen Tatsachenverhandlung zusätzliche Feststellungen, insbesondere zur inneren Tatseite, getroffen werden können, zumal die Angeklagte ihre Täterschaft schon dem Grunde nach bestreitet. Strafantrag ist form- und fristgerecht gestellt (§ 230 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Infolge der Schuldspruchänderung hat der Rechtsfolgenausspruch des Berufungsgerichts keinen Bestand. Insoweit wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Durchführung einer Hauptverhandlung an eine andere Berufungskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision ist unbegründet.

Der Senat kann das Vorbringen der Angeklagten zum Sachverhalt in ihrer Gegenerklärung vom 24. Juni 2009 im Revisionsverfahren nicht berücksichtigen.

Das Revisionsverfahren dient allein dazu, das angefochtene Urteil auf seine rechtliche Vereinbarkeit mit dem Gesetz zu überprüfen. Eine eigene - möglicherweise auch abweichende - Sachverhaltsaufklärung durch das Revisionsgericht ist gesetzlich ausgeschlossen; vielmehr ist das vom Landgericht in seinem Urteil geschilderte Geschehen als verbindlich zugrundezulegen.

Hieran gemessen ist gegen das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 26. März 2009 über die oben dargelegte Korrektur hinaus aus Rechtsgründen nichts zu erinnern; die weitergehende Revision ist daher unbegründet und als solche zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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