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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 31.05.2002
Aktenzeichen: 2 U 141/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 40
BGB § 242
BGB § 32 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
Eine Satzungsregelung, mit der die Zuständigkeit zum Ausschluss von Vereinsmitgliedern auf den Vorstand übertragen wird, ist unwirksam, wenn der Vorstand einer Kontrolle durch die Mitgliederversammlung weitgehend entzogen ist.
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 2 U 141/02

Verkündet am 31.05.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Vereinsausschluss

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2002 durch

Vizepräsident des Oberlandesgerichts H , Richterin am Landgericht K und Richterin am Landgericht E

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 09.11.2001 - 13 O 3230/01 - im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 25.01.2001, mit dem die Klägerin aus dem N. B.gesellschaft e.V. ausgeschlossen wurde, unwirksam ist.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

- Streitwert der Berufung und Beschwer des Beklagten: Euro 6.000,00 -

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt festzustellen, dass sie durch den Beschluss des Vorstands vom 25.01.2001 nicht aus dem Beklagten ausgeschlossen wurde.

Beim Beklagten handelt es sich um einen eingetragenen Verein unter dem Namen "N B gesellschaft e.V." (künftig: NBG) mit Sitz in Leipzig. Statuarischer Zweck des Beklagten ist es, die Musik Johann Sebastian Bachs zu pflegen und zu verbreiten sowie das Leben, Werk und Nachwirken Bachs wissenschaftlich zu erschließen. Der Bestimmung seiner geistlichen Werke für den Gottesdienst soll dabei besondere Aufmerksamkeit zugemessen werden.

Weiterhin bestimmt die Satzung des Beklagten (Anl. B 1):

§ 3 Tätigkeiten der NBG

Die NBG sucht ihren Zweck vornehmlich zu erreichen

a) durch die Veranstaltungen von Bachfesten an wechselnden Orten,

b) durch Veranstaltungen zu wissenschaftlichen, künstlerischen und aufführungspraktischen Fragen,

c) durch Veröffentlichungen unter Nutzung von Print- und elektronischen Medien,

d) durch die Förderung des künstlerischen Nachwuchses,

e) durch die Erhaltung und Förderung des Bachhauses in Eisenach,

f) durch die Ehrung Johann Sebastian Bachs an seiner Ruhestätte in Leipzig,

g) durch Kontakte zu allen Orten und Institutionen, die mit Leben und Wirken Bachs verbunden sind, um deren Bedeutung im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu betonen,

h) durch Kontakte zu allen Vereinigungen und Institutionen, die sich der Erforschung und Pflege des Bachschen Werkes widmen.

...

§ 6 Bachhaus

1. Das Bachhaus in Eisenach ist Eigentum der NBG. Es ist unveräußerlich.

2. Das Bachhaus ist Gedenkstätte für Johann Sebastian Bach und sammelt und zeigt Gegenstände und Dokumente, die in Beziehung zu Bachs Leben und Werk stehen. Es wirkt durch Führungen, Vorträge, Konzerte, Publikationen, Sonderausstellungen u.a. in der Öffentlichkeit.

§ 7 Mitgliedschaft

...

3. ... Über den Ausschluss eines Mitglieds aus wichtigem Grunde entscheidet der Vorstand.

4. Wird die Aufnahme durch den Vorsitzenden abgelehnt oder ein Mitglied ausgeschlossen, so ist der Beschwerde des Betroffenen an das Direktorium zulässig.

§ 8 Organe der NBG

1. Die Organe der NBG sind

a) der Vorstand,

b) der Verwaltungsrat,

c) das Direktorium,

d) die Mitgliederversammlung.

...

§ 9 Vorstand

1. Der Vorstand im Sinne des Gesetzes (§ 26 BGB) besteht aus dem Vorsitzenden und dem Stellvertretenden Vorsitzenden. Sie vertreten gemeinsam die NBG nach außen.

2. Der Vorstand im Sinne der Satzung besteht aus den beiden Vorsitzenden, dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied, dessen Vertreter und bis zu zwei Beisitzern. Der Vorstand führt die Geschäfte der NBG; hierzu gehört auch die Verwaltung des Bachhauses in Eisenach.

3. Die beiden Vorsitzenden werden vom Direktorium gewählt. Die übrigen Mitglieder des Vorstandes werden auf Vorschlag der beiden Vorsitzenden vom Direktorium gewählt. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied soll seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Raum Leipzig haben. Die Mitglieder des Vorstandes werden jeweils für drei Jahre gewählt.

...

§ 11 Direktorium

1. Das Direktorium besteht aus den Mitgliedern des Vorstandes und weiteren 12 bis 24 Mitgliedern (weitere Direktoriumsmitglieder), deren Anzahl der Vorstand bestimmt.

Die weiteren Direktoriumsmitglieder werden jeweils einzeln vom Direktorium auf die Dauer von fünf Jahren gewählt. Aus dem Kreis der Mitglieder können dem Vorstand dazu schriftlich Vorschläge gemacht werden. Die weiteren Direktoriumsmitglieder bedürfen der Bestätigung durch die nächste Mitgliederversammlung. Verweigert diese die Bestätigung, scheidet das weitere Direktoriumsmitglied aus dem Amt.

Die Namen und Hinweise zur Person der zu bestätigenden Direktoriumsmitglieder werden in der Einladung zur Mitgliederversammlung mitgeteilt.

2. Das Direktorium ist für folgende Angelegenheiten zuständig:

a) die beiden Vorsitzenden und auf Vorschlag der beiden Vorsitzenden die übrigen Vorstandsmitglieder zu wählen,

b) weitere Direktoriumsmitglieder gemäß § 11 Abs. 1 zu wählen,

...

g) über Beschwerden gemäß § 7 Abs. 4 zu entscheiden,

...

i) bei Satzungsänderung (§ 13) und der Auflösung der NBG (§ 14) mitzuwirken.

...

§ 12 Mitgliederversammlung

1. Bei jedem Bachfest findet eine ordentliche Versammlung der Mitglieder statt. Die Mitgliederversammlung soll jährlich stattfinden. Ihr Termin wird vom Vorstand festgelegt. Auf Antrag von 5 % (fünf Prozent) der Mitglieder hat der Vorstand auch außerordentliche Mitgliederversammlungen einzuberufen.

...

3. Die Mitgliederversammlung ist für folgende Angelegenheiten zuständig:

a) die weiteren Direktoriumsmitglieder gemäß § 11 Abs. 1 zu bestätigen,

b) den Bericht über die Arbeit der NBG entgegenzunehmen und zu beraten,

c) bei Satzungsänderungen (§ 13) und der Auflösung der NBG (§ 14) mitzuwirken,

d) in den vom Vorstand oder Direktorium zur Beschlussfassung übertragenen Angelegenheiten zu entscheiden.

§ 13 Satzungsänderungen

Zu Satzungsänderungen bedarf es eines Beschlusses des Direktoriums mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder. Anträge auf Satzungsänderung müssen vier Wochen vor der Direktoriumssitzung dem Vorstand vorgelegt sein. Nach Beschlussfassung durch das Direktorium ist die Genehmigung der Mitgliederversammlung erforderlich, die mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder beschließt. Beschlüsse des Direktoriums zur Satzungsänderung müssen im genauen Wortlaut mit der Einladung zur Mitgliederversammlung bekanntgegeben werden.

...

Der Beklagte ist Eigentümer des in der historischen Altstadt von Eisenach gelegenen sog. Bachhaus-Ensembles, zu dem u.a. auch das mutmaßliche Geburtshaus von Johann Sebastian Bach (künftig: Bachhaus) zählt. Im Zuge der Sanierung des Bachhaus-Ensembles beabsichtigte der Beklagte, einen im 19. Jahrhundert errichteten Anbau zum Bachhaus (Gebäude Am Frauenplan 23) abreißen und unter der Bauherrschaft der Stadt Eisenach durch einen mit Flachdach versehenen Neubau ersetzen zu lassen, der Teile des bisherigen Bachhaus-Gartens überdecken sowie künftig eine Bibliothek, Magazinräume sowie ein museumspädagogisches Kabinett aufnehmen sollte. Zudem war beabsichtigt, ein weiteres benachbartes Gebäude (Am Frauenplan 21 a) abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, durch den der Eingang in das Bachhaus erfolgen sollte.

Die Klägerin, ein Mitglied der Beklagten, wandte sich nach Bekanntwerden dieser Pläne nachhaltig gegen den Abriss von Gebäuden des Bachhaus-Ensembles und gegen die Errichtung von Neubauten anderen Stils. Nachdem sie sich vereinsintern mit ihrer Sicht nicht hatte durchsetzen können, trat die Klägerin ab Sommer 2000 mit ihrem Anliegen an Staatsanwaltschaften, sonstige Behörden und Institutionen sowie an die Presse heran. Hierbei erhob sie teilweise schwerwiegende Vorwürfe gegen die aus ihrer Sicht für die Abrisspläne verantwortlichen Personen, darunter den Vorstandsvorsitzenden des Beklagten, den Direktor des Bachhauses und den Oberbürgermeister der Stadt E. Mit Anwaltschreiben vom 14.12.2000 (Bl. 11 ff. dA) ließ die Beklagte hierauf der Klägerin mitteilen, dass gegen sie durch den Vorstand ein Ausschließungsverfahren eingeleitet worden sei und sie Gelegenheit erhalte, zu folgenden Vorwürfen Stellung zu nehmen:

1. Sie haben in mehreren eigenen Artikeln in der Tages- und überregionalen Presse gegen die Entscheidungen der zuständigen Gremien der N. B.gesellschaft das Bachhaus in Eisenach betreffend als Mitglied der NBG negativ Stellung genommen und hierbei behauptet, diese Entscheidungen der entsprechenden Gremien der NBG würden gegen Mitgliederrechte, gegen die Bestimmungen der Denkmalpflege, gegen das geltende Baurecht und gegen die Interessen des Vereins (NBG e.V.) verstoßen.

2. Sie haben in örtlicher und überregionaler Presse behauptet, die zuständigen Gremien des NBG e.V. hätten im Zusammenhang mit der Vergabe der Baumaßnahmen im Bereich des Bachhauses Eisenach gegen Richtlinien und Bestimmungen der EU verstoßen und hierdurch dem Verein Schaden zugefügt.

3. Sie haben dem Vorsitzenden des NBG e.V., Herrn Prof. Dr. P und dem Direktor des Bachhauses, Herrn Dr. O in eigenen und in lancierten Stellungnahmen in der örtlichen und überregionalen Presse vorgeworfen, den Interessen des Vereins zuwidergehandelt und sich durch ihre Zustimmung zu den Baumaßnahmen in verschiedenster Art strafbar gemacht zu haben.

4. Sie haben darüber hinaus insbesondere Herrn Prof. Dr. P beschuldigt, sich eines Spendenbetrugs schuldig gemacht zu haben, weil er die Spendenaufrufe zum Ankauf des Hauses Frauenplan 21a in Eisenach zu verantworten habe, er aber nunmehr mit dem Abriss dieses Hauses einverstanden sei.

5. Sie haben es zu verantworten, dass auf Grund Ihrer Anzeigen sowohl gegen Herrn Prof. Dr. P wie auch gegen Herrn Dr. O strafrechtliche Ermittlungen aus den vorgenannten Gründen eingeleitet worden sind.

6. Sie haben in der Angelegenheit "Bachhaus Eisenach" in unzumutbarer Weise sowohl Herrn Prof. Dr. P wie auch Herrn Dr. O mit Telefonanrufen und Faxmitteilungen terrorisiert.

7. Wegen Ihrer eigenen und lancierten Beiträge zur örtlichen und überregionalen Presse sind bereits Mitglieder aus dem Verein ausgetreten, weil sie es nicht wollen, mit Ihren Beiträgen identifiziert zu werden, wonach Sie den Eindruck erwecken, insoweit Sprachrohr aller Mitglieder des N. B. gesellschaft e.V. zu sein.

8. Dem Vorstand liegen weitere Anträge von Mitgliedern des N. B. gesellschaft e.V. auf Ausschluss von Ihnen aus dem Verein vor.

9. Auf Grund Ihrer Aktivitäten als Mitglied des N. B. gesellschaft e.V. gegenüber der Stadt Eisenach und dem zuständigen Ministerium in Erfurt sowie mit Ihren Eingaben an gewesene und den derzeitigen Bundespräsidenten sowie an sonstige bundesweite Einrichtungen und Stellen bringen Sie den Verein selbst, insbesondere dessen Gremien in Misskredit und die Mittelförderung für die Erhaltung und Instandsetzung des Bachhauses in Gefahr.

10. Mit Ihren vorgenannten Aktivitäten bringen Sie darüber hinaus die künftige finanzielle Förderung des Bachhauses Eisenach durch die bisher finanziell fördernden Stellen in Gefahr, nicht zuletzt auch deshalb, weil Sie neben den vorgenannten Personen auch den Oberbürgermeister der Stadt E. mit einer Strafanzeige überzogen haben.

11. Mit Ihren Äußerungen erwecken Sie in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass die zuständigen Gremien des N. B. gesellschaft e.V. nicht nur gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen, sondern auch den Interessen der Mitglieder zuwider arbeiten. Damit unterstellen Sie, dass die zuständigen Gremien, was das Bachhaus Eisenach anlangt, nicht die Interessen des Vereins und seiner Mitglieder wahrnehmen.

12. Ihre "Aktivitäten" stören erheblich das Verhältnis zwischen der N. B. gesellschaft e.V. und allen Behörden, mit welchen der Verein bezüglich des Bachhauses Eisenach zusammenarbeitet und auf deren Unterstützung der Verein angewiesen ist. Dies gilt insbesondere für Ihre Interventionen im Bereich der Presse, aber auch im Bereich der zuständigen Ministerien, z.B. Ihre Interventionen gegenüber der Ministerin Frau S in Erfurt und Persönlichkeiten, die bundesweit Verantwortung zu tragen haben oder aber getragen haben.

13. Mit Ihren Ausführungen beleidigen und verleumden Sie neben dem Vorsitzenden des Vereins N. B.-gesellschaft e.V. auch den Direktor des Bachhauses in Eisenach und dessen Ehefrau und dies in öffentlicher Form, d.h. über die Presse und Schreiben, die Sie an alle möglichen Personen und Persönlichkeiten versenden.

Nachdem sich die Klägerin hierzu geäußert hatte, beschloss der Vorstand des Beklagten in seiner Sitzung vom 25.01.2000 einstimmig den Ausschluss der Klägerin und unterrichtete diese hiervon mit Schreiben vom 30.01.2001 (Bl. 23 dA). Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin gemäß § 7 Ziffer 4 der Satzung beim Direktorium der Beklagten Beschwerde ein, die zurückgewiesen wurde.

Die Klägerin hat den Ausschließungsbeschluss für unwirksam gehalten, da er keine Begründung enthalte und das Schreiben vom 14.12.2000 die erhobenen Vorwürfe nicht hinreichend konkret benenne. Im Übrigen liege ein wichtiger Grund für ihre Ausschließung nicht vor, da sie sich nicht vereinsschädigend verhalten habe und die Satzung des Beklagten eine demokratische Kontrolle des über die Ausschließung befindenden Vorstandes nicht vorsehe.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 25.01.2001, mit dem die Klägerin aus dem Verein N. B.gesellschaft e.V. ausgeschlossen wurde, unwirksam ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Leipzig hatte die Klage durch Urteil vom 09.11.2001 (Bl. 64 ff. dA), auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Vorbringen bekräftigt und beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 09.11.2001 festzustellen, dass der Beschluss des Vorstandes des Beklagten vom 25.01.2001, mit dem die Klägerin aus dem Verein N. B.gesellschaft e.V. ausgeschlossen wurde, unwirksam ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist - wie bereits erstinstanzlich - darauf, dass die Klägerin in ihren Strafanzeigen und in ihren zahlreichen Schreiben in massiver Weise ehrverletzende Äußerungen und unzutreffende Tatsachen über den Vorstand des Beklagten, den damaligen Direktor des Bachhauses und andere Vereinsmitglieder sowie über den Oberbürgermeister der Stadt E. sowie weitere Beamte verschiedener Dienststellen verbreitet und hierdurch den Beklagten schwerwiegend in Misskredit gebracht habe. Der angefochtene Beschluss genüge auch den formellen Anforderungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die Niederschriften zu den mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht und dem Senat verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist begründet, da der Vorstand des Beklagten für die Entscheidung über den Ausschluss von Vereinsmitgliedern nicht zuständig ist.

I.

In der Satzung des Beklagten ist der Vorstand nicht wirksam als das für eine Ausschlussentscheidung zuständige Organ bestellt (unten 1.), sodass die entsprechende Kompetenz bei der Mitgliederversammlung angesiedelt bleibt (unten 2.).

1. Die Satzung des Beklagten hält einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB zumindest insoweit nicht Stand, als die Entscheidung über den Ausschluss eines Mitglieds mit dem Vorstand einem Verbandsorgan übertragen ist, das statuarisch einer Kontrolle und Einflussnahme durch die Mitgliederversammlung weitgehend entzogen ist.

a) Die statuarischen Gestaltungsmöglichkeiten des Beklagten unterliegen zumindest hinsichtlich jener Bestimmungen, welche die Rechtsstellung der Vereinsmitglieder betreffen, normativen Schranken.

Keiner Entscheidung bedarf dabei, ob ein Kernbereich von Teilhaberechten der einzelnen Vereinsmitglieder in jedem Verein zu wahren ist oder ob dies nur für solche Vereine gilt, die eine überragende Machtstellung innehaben (vgl. zum Meinungsstand: BGHZ 105, 306 [317]; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 25 Rn. 25b m.w.N.; vgl. auch: BFHE 188, 233 [236]).

b) Jedenfalls zählt der Beklagte zum Kreis der letztgenannten Vereine, da er nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auf dem Gebiet seines Satzungszwecks die weltweit mit Abstand bedeutendste Vereinigung bildet.

(1) Wie seine Satzung und die in den Rechtsstreit eingeführten Publikationen erhellen, widmet sich der Beklagte in vielgestaltiger Art und Weise der Pflege und Verbreitung des Werkes Johann Sebastian Bachs sowie dessen wissenschaftlicher Erschließung, indem er z.B. in ganz Deutschland Bachfeste veranstaltet, sich für die Erhaltung und Restaurierung der Bach-Autographe engagiert und Bach-Sonderpreise bei Musikwettbewerben finanziert. Neben der großen Anzahl seiner Mitglieder, die aus zahlreichen Ländern stammen, spiegelt sich die herausragende Stellung des Beklagten darüber hinaus darin wider, dass mit dem mutmaßlichen Geburtshaus von Johann Sebastian Bach und der in diesem unterhaltenen Gedenkstätte ein Gebäude von besonderem historischen Rang in seinem Eigentum steht und er damit für dessen Erhaltung und Sanierung die Verantwortung, aber auch die Entscheidungsbefugnis trägt. Für die Aufgaben kann der Beklagte aus einem nicht unbeträchtlichen finanziellen Potential schöpfen - im Jahr 2000 etwa DM 900.000,00 -, welches aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, vor allem aber aus einer öffentlichen Förderung resultiert.

(2) Dies zeigt, dass eine nachhaltige Befassung mit dem musikalischen Erbe von Johann Sebastian Bach ohne Mitgliedschaft im Beklagten wesentlich erschwert ist.

Zwar werden auch Nichtmitglieder angesichts der weitreichenden öffentlichen Förderung am Vereinszweck insoweit partizipieren können, als sie etwa berechtigt sind, das Bach-Jahrbuch zu erwerben oder an den Bachfesten teilzunehmen. Ein innovativer und gestalterischer Einfluss auf die Betätigungen des Beklagten wird jedoch nur Vereinsmitgliedern eröffnet, die durch entsprechende Anträge die Tagesordnung der Mitgliederversammlung gemäß § 12 der Satzung zumindest praktisch mitbestimmen können.

(3) Die eine Mitgliedschaft im Beklagten erstrebenden Personen können auch nicht auf eine Betätigung außerhalb eines Vereins bzw. eine Zugehörigkeit zu einer anderen Institution mit vergleichbarem Zweck verwiesen werden, da dies keinen annähernd adäquaten Ersatz bietet.

(3.1) Durch eine Mitgliedschaft im Beklagten erlangen die an der Pflege des Werkes von Johann Sebastian Bach interessierten Personen ein Forum für einen Meinungsaustausch mit Gleichgesinnten und können hierdurch eine ungleich intensivere persönliche Erfüllung finden als bei isolierter Beschäftigung mit dem Wirken des Komponisten.

(3.2) Ebenso wenig würde die Zugehörigkeit zu einer anderen Vereinigung, die sich die Pflege des Bach'schen Werkes zum Ziel gesetzt hat, den Interessen der Klägerin gerecht.

Mit der in Schaffhausen/Schweiz ansässigen Internationalen Bachgesellschaft existiert zwar eine Institution, die sich neben konzertanten Aufführungen gleichermaßen wie der Beklagte mit musikwissenschaftlichen und theologischen Themen, die im Zusammenhang mit den Werken Johann Sebastian Bachs stehen, befasst. Durch die verhältnismäßig geringe Mitgliederzahl und den örtlich begrenzten Wirkungskreis ist eine Mitgliedschaft in der Internationalen Bachgesellschaft jedoch nicht ansatzweise gleichwertig, zumal dieser - wie auch den verschiedenen anderen Bach-Vereinigungen - keine dem Bachhaus vergleichbare Gedenkstätte für einen musealen Betrieb zur Verfügung steht.

(4) An einer Inhaltskontrolle der Satzung ändert auch nichts, dass deren Zweck nicht im wirtschaftlichen Bereich liegt.

Dabei kann dahinstehen, ob die dargelegten Grundsätze bei einer überragenden Machtstellung losgelöst vom konkreten Vereinszweck gelten. In gleicher Weise wie bei Vereinen, die sich auf dem wirtschaftlichen Gebiet betätigen (vgl. dazu BGHZ 105, 306 [319]), unterliegt nämlich die Satzungsautonomie zumindest bei solchen Vereinen normativen Schranken, die sich mit sozialen, kulturellen und wissenschaftlichen Themen befassen (vgl. BGHZ 63, 282 [284]). Dies folgt zum einen daraus, dass die Mitgliedschaft in derartigen Vereinen für die Selbstverwirklichtung der Mitglieder von zentraler Bedeutung sein kann. Zum anderen strahlt insoweit auf die Zivilprozessordnung aus, dass in den Schutzbereich der grundgesetzlich gewährleisteten Kunst- und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) gleichermaßen der Beklagte als Verein wie auch die Klägerin als dessen Mitglied einbezogen sind.

b) Vor diesem Hintergrund erweist sich § 7 Nr. 3 Satz 4, wonach dessen Vorstand über den Ausschluss eines Mitglieds aus wichtigem Grund entscheidet, als unwirksam.

aa) Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Bestimmungen des über Ausschlüsse befindenden Organs im Ausgangspunkt der Satzungsautonomie unterliegt und bei einer die unentziehbaren Rechte der Mitgliederversammlung hinreichend wahrenden Gesamtkonzeption der Satzung die Kompetenz zum Ausschluss von Mitgliedern in Einklang mit § 40 BGB auch dem Vorstand zugewiesen werden kann (vgl. OLG Hamm OLGR 2001, 389 [391]; OLG Hamm NJW-RR 2001, 1480 [1481]; OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 1271 [1273]).

bb) Die Satzung des Beklagten gewährt aber dessen Vorstand und Direktorium eine von Einflussmöglichkeiten der Mitgliederversammlung derart unabhängige Stellung, dass durch die Übertragung der Ausschließungsentscheidung auf den Vorstand elementare Partizipationsrechte der Mitglieder in einer mit Grundprinzipien des Körperschaftsrechts und der Vereinigungsfreiheit unvereinbaren Weise beschnitten werden (vgl. OLG Celle NJW-RR 1995, 1473).

(1) Aus dem Gesamtgefüge der vereinsrechtlichen Kompetenzverteilung ergibt sich, dass die Mitglieder des Beklagten praktisch von jeglicher Willensbildung über vereinsrechtliche Angelegenheiten fern gehalten sind.

(1.1) Die dominierende Stellung innerhalb des Beklagten kommt nicht der Mitgliederversammlung, die grundsätzlich oberstes Vereinsorgan ist (vgl. Reichert/van Look, Hdb. des Vereinsrechts, 6. Aufl., Rn. 741; Heinrichs/Palandt, BGB, 61. Aufl., § 31 Rn. 1), sondern dem Vorstand und dem Direktorium zu.

So führt der Vorstand die Geschäfte des Beklagten, einschließlich der Verwaltung des Bachhauses, (§ 9 Abs. 2 Satz 2) und entscheidet sowohl über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern (§ 7 Abs. 1 Satz 3, § 7 Abs. 3 Satz 3) als auch in erheblichem Umfang über die Besetzung des Direktoriums (§ 11 Abs. 2 a). Zu den letzteren in §§ 11, 13, und 14 der Satzung zugewiesenen Zuständigkeiten gehören u.a. die Wahl der Vorstandsmitglieder und der weiteren Direktoriumsmitglieder, die Beschwerdeentscheidung bei Mitgliederausschlüssen sowie die Beschlussfassung über die Auflösung des Vereins und - vor allem - Satzungsänderungen.

(1.2) Demgegenüber kommen der Mitgliederversammlung nur vergleichsweise unbedeutende Befugnisse zu.

Vor allem hat diese keinen wirkungsvollen Einfluss auf die Besetzung des Direktoriums und des Vorstandes, obwohl gerade diesen Vereinsorganen - wie dargelegt - zentrale Zuständigkeiten zugewiesen sind. So wird der Vorstand selbst ausschließlich vom Direktorium gewählt und damit der Mitgliederversammlung eine unmittelbare Einwirkung gänzlich vereitelt. Aber auch mittelbar kann die Mitgliederversammlung die Besetzung des Vorstandes praktisch nicht beeinflussen, da selbst das Direktorium nicht autonom von den Vereinsmitgliedern gewählt werden kann.

Ebenso wenig kann die Mitgliederversammlung nach der Satzung eine Abberufung von Mitgliedern des Vorstandes oder des Direktoriums erreichen, so dass sich faktisch der Vorstand und das Direktorium wechselseitig kontrollieren, der Mitgliederversammlung aber eine Überwachung der anderen Vereinsorgane weitgehend versagt ist (vgl. Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, 15. Aufl., Rn. 255).

Eine personelle Zusammensetzung nach ihren Vorstellungen wird den Mitgliedern auch nicht im Wege einer Satzungsänderung ermöglicht, da sie eine solche zwar anregen und verhindern, die Vereinbarung konkreter Bestimmungen - etwa über die Ausschließung von Mitgliedern - jedoch nicht erreichen können (vgl. Reichert/van Look, Handbuch des Vereinsrechts, 6. Aufl., Rn. 1225; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 27 Rn. 7).

(1.3) Als Kompensation für die Kompetenzbeschränkungen kann von vornherein nicht dienen, dass die Mitgliederversammlung über die Auflösung des Beklagten zu befinden hat, da hierdurch der Vereinszweck nicht aktiv gefördert werden kann. Ob darüber hinaus der gesetzwidrige Regelungsgehalt von § 14 der Satzung zu Lasten des Beklagten wirkt (vgl. ebenso Reichert/van Look, Handbuch des Vereinsrechts, 6. Aufl., Rn. 2650; OLG Celle NJW-RR 1995, 1274 [1275]; a.A. Heinrichs/Palandt, BGB, 61. Aufl., § 41 Rn. 4), bleibt hiernach ohne Bedeutung.

(2) Bei Abwägung der gegenseitigen Interessen der Parteien erweist sich diese Form der Zuständigkeitsverlagerung, zumindest soweit sie die Ausschließung von Mitgliedern betrifft, als mit Grundprinzipien der vereinsrechtlichen Binnenordnung unvereinbar.

(2.1) Dem Senat ist dabei bewusst, dass die Regelung der inneren Angelegenheiten wesentlicher Bestandteil der verfassungsrechtlich geschützten Vereinsautonomie ist und es gerade bei Großvereinen, wie dem Beklagten, im Interesse einer effektiven Vereinsarbeit sachgerecht sein kann, originär bei der Mitgliederversammlung angesiedelte Kompetenzen auf andere Vereinsorgane, wie etwa den Vorstand, zu übertragen.

Die Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit sind jedoch überschritten, wenn - wie hier - wesentliche Grundentscheidungen ausschließlich von Organen getroffen werden, auf deren Bestand und Kontrolle die Mitglieder praktisch keinen Einfluss haben.

Anderes folgt entgegen der Sicht des Beklagten auch nicht aus dem mittelbar auf das Verhältnis zwischen dem Verein und dessen Mitgliedern einwirkenden Grundrechtsschutz aus Art. 9 Abs. 1 GG. Dieser erstreckt sich nämlich nicht nur auf den Verein, sondern gleichermaßen auf das einzelne Mitglied, so dass auch unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel die Satzungsautonomie nicht schrankenlos gewährleistet ist, sondern der Mitgliederversammlung zur Erhaltung eines unentziehbaren Kernbereichs von Teilhaberechten ein Restbestand an Zuständigkeiten verbleiben muss (vgl. BVerfGE 83, 341 [359]). Dies gilt umso mehr, als der Beklagte wegen seiner hervorgehobenen Stellung für seine Mitglieder eine so wesentliche Bedeutung hat, dass ein Interesse an einer möglichst unbegrenzten Satzungsautonomie hinter dem Interesse des auf dem verbandlichen Zusammenschluss angewiesenen Einzelnen zurücktreten muss (vgl. BVerfG FamRZ 1989, 1047; BGHZ 105, 306 [319]).

(2.2) Beeinträchtigt § 7 Nr. 3 Satz 4 der Satzung des Beklagten hiernach die schutzwürdigen Belange seiner Mitglieder unangemessen, verbleibt die Entscheidung über den Ausschluss von Mitgliedern bei der nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB originär zuständigen Mitgliederversammlung (vgl. Reichert/van Look, Handbuch des Vereinsrechts, 6. Aufl., Rn. 1619; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 25 Rn. 45).

II.

Da diese an dem am 25.11.2001 gefassten Ausschließungsbeschluss nicht mitgewirkt - und damit das unzuständige Organ der Beklagten gehandelt - hat, ist die Ausschließung der Klägerin unwirksam (vgl. Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, 15. Aufl., Rn. 65).

B.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

Eine Revisionszulassung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. war nicht erforderlich, da sich der Senat mit der von ihm vertretenen Rechtsansicht in Einklang mit den in der Rechtsprechung und Literatur zu den Grenzen der Satzungsautonomie entwickelten Grundsätzen befindet. Auch ist nichts dafür erkennbar, dass sich vergleichbare Problemlagen bei anderen Vereinen in ähnlicher Weise stellen.

Ende der Entscheidung

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