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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 10.05.2004
Aktenzeichen: 2 U 286/04
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 53 Abs. 3
Bei einer GmbH können eine Vinkulierung und die Einräumung eines Vorkaufsrechts der anderen Gesellschafter im Nachhinein nur mit Zustimmung aller Gesellschafter in unanfechtbarer Weise beschlossen werden.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 2 U 0286/04

Beschluss

des 2. Zivilsenats

vom 10. Mai 2004

In dem Rechtsstreit

wegen gesellschaftsrechtlicher Forderung

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vizepräsident des Oberlandesgerichts H., Richterin am Landgericht B. und Richterin am Landgericht S.

beschlossen:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Leipzig vom 12.12.2003 - Az: 2 HKO 6526/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.

Gründe:

Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch - einstimmig ergangenen - Beschluss zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat und weder § 522 Abs. 2 Nr. 2 noch Nr. 3 ZPO eine Entscheidung durch Urteil erfordern.

I.

Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass der auf der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 25.09.2003 gefasste Beschluss über eine Vinkulierung der Geschäftsanteile mangels Einstimmigkeit den an eine Satzungsänderung gestellten Anforderungen nicht genügt und daher auf die fristgerecht erhobene Anfechtungsklage aufzuheben war.

1. Allerdings folgt dies nicht unmittelbar aus § 53 Abs. 3 GmbHG, da die - gemäß § 15 Abs. 5 GmbHG gesetzlich zugelassene - Beschränkung der den Gesellschaftern über deren Geschäftsanteil nach § 15 Abs. 1 GmbHG zukommende Verfügungsbefugnis keine Leistungsvermehrung bewirkt, sondern die statuarisch gewährten Rechte verkürzt (vgl. Scholz/Priester, GmbHG, 9. Aufl., § 53 Rn. 161; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 126).

2. Diese Beschneidung der Rechtsstellung ist aber in den Wirkungen mit einer Leistungsvermehrung vergleichbar und kann wie eine solche nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters wirksam beschlossen werden.

a) Die freie Verfügbarkeit über den Geschäftsanteil prägt die Rechtsstellung eines Gesellschafters in zentraler Weise.

Sie sichert die Verkehrsfähigkeit der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und eröffnet dem Gesellschafter, sich durch die Veräußerung seines Geschäftsanteils sowohl Liquidität zu verschaffen als auch die Flexibilität in seinem unternehmerischen oder finanziellen Engagement zu erhalten. Mittelbar erhöht die freie Verfügbarkeit auch den Wert des Geschäftsanteils, da dieser zu jeder Zeit und autonom am freien Mark offeriert werden kann und damit auf eine breitere Nachfrage als bei einer Vinkulierung stößt.

b) Hierdurch zählt die freie Verfügungsbefugnis zu jenen Mitgliedschaftsrechten, die einem Gesellschafter nur mit seiner Zustimmung entzogen werden können.

aa) Die mit der Verfügungsbeschränkung verbundene Rechtsverkürzung steht in ihren Konsequenzen jener einer Leistungsvermehrung i.S.v. § 53 Abs. 3 GmbHG gleich, da sie den Fortbestand zentraler rechtlicher Rahmenbedingungen beeinträchtigt und den wirtschaftlichen Wert des Geschäftsanteils im Nachhinein schmälert. Auf eine solche Entwicklung hat sich ein Gesellschafter ohne entsprechende statuarische Regelung bei Gründung der GmbH oder bei seinem Geschäftsanteilserwerb nicht einzustellen, so dass in seine schützenswerte Vertrauensposition durch eine gegen seinen Willen nachträglich erfolgende Beschränkung der freien Verfügungsbefugnis in gleicher Weise eingegriffen wird wie bei einer Erweiterung der Leistungspflichten.

bb) Dies gebietet, eine nachträgliche Vinkulierung des Geschäftsanteils an einer GmbH dem unentziehbaren Minderheitenschutz zu unterstellen und nur bei einstimmiger Beschlussfassung zuzulassen (im Ergebnis so die ganz herrschende Meinung, vgl. Scholz/Priester, GmbHG, 9. Aufl., § 53 Rn. 161; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 53 Rn. 124; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 126; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 17. Aufl., § 53 Rn. 18; RGZ 68, 210 [212]; Möhring, GmbHR 1963, 201 [204]; Fischer, JZ 1956, 362 [363]; a.A.: Wiedemann, NJW 1964, 282 [284]; Lutter/Timm, NJW 1982, 409 [416]; Fette, GmbHR 1986, 73 [74 f.]; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 15 Rn. 25).

Hierfür spricht zudem, dass für Aktiengesellschaften in § 180 Abs. 2 AktG eine entsprechende normative Regelung besteht, die unabhängig davon als Ausfluss eines gesellschaftsrechtlichen Prinzips zu verstehen ist, dass die Aktiengesellschaft nach dem gesetzlichen Leitbild nicht personalistisch geprägt ist. Vorliegend geht es nämlich nicht darum, dass bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung häufiger als bei Aktiengesellschaften Gesellschafterstrukturen herrschen mögen, die eine Vinkulierung als sachgerecht erscheinen lassen können. Vielmehr steht allein im Raum, unter welchen Voraussetzungen eine solche Beschränkung im Nachhinein beschlossen werden kann. Unter dem insoweit allein maßgeblichen Aspekt des Vertrauensschutzes ist aber nicht zu erkennen, weshalb ein Gesellschafter einer GmbH weitergehende Eingriffe in seine Rechtsstellung soll hinnehmen müssen als ein Aktionär.

c) Entgegen den Ausführungen der Berufung ist ohne Belang, ob die Beklagte an einer nachträglichen Begrenzung der Verfügungsbefugnis der Gesellschafter ein berechtigtes Interesse besitzt. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob sich die Kläger an der Beklagten beteiligt hätten, wenn bereits bei deren Beitritt die Wirksamkeit der Abtretung statuarisch von einer Zustimmung der anderen Gesellschafter abhängig gewesen wäre.

Anders als die Beklagte erstinstanzlich gemeint hat, ist rechtlich auch unerheblich, dass sich die Kläger schuldrechtlich am 24.11.2000 weitergehenden Beschränkungen in ihrer Verfügung über den Geschäftsanteil unterworfen haben. Zum einen ist diese Vereinbarung kündbar und nicht dinglich wirkend. Zum anderen hängt die Anfechtbarkeit satzungsändernder Beschlüsse allein von den gesetzlichen und statuarischen Verpflichtungen, nicht aber von schuldrechtlichen Absprachen zwischen Gesellschaftern ab.

d) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.04.2004 anführt, dass der Geschäftsanteil auch nach einer Vinkulierung veräußert werden könne, verkennt sie, dass es nicht darum geht, ob der Geschäftsanteil noch übertragbar ist, sondern darum, ob dies weiteren Erschwernissen - wie hier dem Zustimmungserfordernis aller Gesellschafter - unterliegt.

e) Eine unbeschränkt freie Veräußerlichkeit lässt sich entgegen den Ausführungen im Schriftsatz vom 27.04.2004 ebenso wenig damit begründen, dass die übrigen Gesellschafter nach § 10 Nr. 11 der geänderten Satzung verpflichtet sind, der Veräußerung/Abtretung der Geschäftsanteile unter gewissen Voraussetzungen zuzustimmen, falls sie von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen.

Auch die Beklagte kann nicht leugnen, dass statuarisch eine Zustimmung jedenfalls dann verweigert werden kann, wenn wichtige in der Person des Käufers liegende Gründe der Abtretung entgegenstehen. Hinzu kommt, dass dem Gesellschafter nicht die freie Wahl seines Vertragspartners verbleibt und faktische Behinderungen sowie Zeitverzögerungen eintreten. Zudem trifft zumindest in der von der Beklagten dargelegten Allgemeinheit nicht zu, dass sie den Eintritt eines Gesellschafters unter den statuarisch genannten Gründen ohnehin hindern könnte. Zwar mögen Situationen denkbar sein, unter denen die Veräußerung des Geschäftsanteils an einen die Erfüllung des Gesellschaftszwecks gefährdenden Dritten gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt und daher untersagt werden kann. Die Anforderungen hierfür sind aber ungleich strenger als jene in § 10 Nr. 11 der geänderten Satzung.

II.

Im Ergebnis Gleiches gilt hinsichtlich des im angefochtenen Beschluss im Nachhinein in die Satzung eingeführten Vorkaufsrechts.

1. Durch dieses wird eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach der Satzung obliegenden Leistungen geschaffen, sodass eine Satzungsänderung gemäß § 53 Abs. 3 GmbHG gesetzgemäß nur einstimmig beschlossen werden kann (ebenso: Scholz/Priester, GmbHG, 9. Aufl., § 53 Rn. 77; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 53 Rn. 126; OLG Celle GmbHR 1959, 113 [114]).

Dabei verkennt der Senat nicht, dass durch ein Vorkaufsrecht - anders als durch ein Andienungsrecht - den Gesellschafter keine zusätzlichen Leistungspflichten i.S.v. § 3 Abs. 2 GmbHG treffen. Jedoch bewirkt das Vorkaufsrecht, dass dem seinen Geschäftsanteil veräußernden Gesellschafter infolge der Ausübung des Vorkaufsrechts ein Vertragspartner aufgedrängt werden kann, mit dem er weder kontrahieren will noch auf Grund eigenen Verhaltens zu kontrahieren verpflichtet ist.

Eine solche kraft einer Satzungsänderung erfolgende Begründung rechtsgeschäftlicher Beziehungen ist unabhängig davon als Leistungsvermehrung zu erachten, dass der veräußerungswillige Gesellschafter eine inhaltsgleiche Verpflichtung gegenüber einem von ihm selbst gewählten Anteilserwerber einzugehen bereit war. Dies gilt umso mehr, als der Gesellschafter hierdurch einen von ihm nicht gewollten Schuldner seiner Kaufpreisforderung erhält und dessen Liquiditätsrisiko zu tragen hat.

2. Unabhängig hiervon stehen die wirtschaftlichen Wirkungen eines Vorkaufsrechts jener einer Vinkulierung in weiten Bereichen gleich, da ein mit einem Vorkaufsrecht behafteter Geschäftsanteil am freien Markt nur unter Erschwernissen zu veräußern ist und hierunter die Verkehrsfähigkeit sowie der wirtschaftliche Wert des Anteils entscheidend leiden. Ebenso wie bei der Vinkulierung bedarf deshalb ein Gesellschafter, der sich an einer GmbH beteiligt hat, des Schutzes davor, dass ohne seinen Willen der von ihm gehaltene Geschäftsanteil durch satzungsändernden Beschluss mit einem Vorkaufsrecht belegt wird.

Ende der Entscheidung

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