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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 13.03.2000
Aktenzeichen: 2 U 3190/99
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 119
HGB § 161
1. Ein an einem Kommanditanteil Anwartschaftsberechtigter ist jedenfalls dann befugt, gegen Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft Feststellungsklage zu erheben, wenn er oder sein Rechtsvorgänger durch die angegriffenen Beschlussfassungen in eigenen Rechten betroffen sind.

2. Zumindest im Einvernehmen der Mitgesellschafter kann ein Anwartschaftsberechtigter anstelle des Veräußerers des Kommanditanteils satzungsgemäß zu Gesellschafterversammlungen geladen werden und auf diesen wie ein Gesellschafter an Beschlussfassungen mitwirken.

OLG Dresden, Urteil vom 13.03.2000 - 2 U 3190/99 - (rechtskräftig)


Zum Sachverhalt:

Die Klägerin hat von der R. GmbH & Co. KG den von dieser an der B. GmbH & Co. KG (künftig: B. KG) gehaltenen Kommanditanteil durch Vereinbarung vom 09.07.1997 erworben, wobei die dingliche Übertragung unter der aufschiebenden Bedingung einer Eintragung der Rechtsnachfolge im Handelsregister stand. Bevor es zu dieser kam, wurde die Klägerin auf den 30.04.1998 und auf den 18.05.1998 zu Gesellschafterversammlungen der B. KG geladen. Auf dieser wurde mehrheitlich - gegen die Stimmen der S. GmbH & Co. KG, der T. GmbH & Co KG sowie der als Kommanditistin auftretenden Klägerin - u.a. beschlossen, die Klägerin, hilfsweise die R. GmbH & Co. KG, aus der B. KG auszuschließen.

Die Klägerin, die auch im Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht als Kommanditistin im Handelsregister eingetragen war, begehrt mit der Klage u.a., gegenüber den für die Ausschließung stimmenden Mitgesellschaftern die Nichtigkeit der Ausschließungsbeschlüsse festzustellen.

Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 2 U 3190/99 41 O 421/98 LG Dresden

Verkündet am 13.03.2000

Die Urkundsbeamtin: Scheibel Justizsekretärin

In dem Rechtsstreit

, vertr.d.d. ,

Klägerin und Berufungsbeklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt ,

gegen

1. ,

2. vertr.d.d. , vertr.d.d. ,

3. ,

vertr.d.d.

vertr.d.d.

4. ,

vertr.d.d. ,

vertr.d.d. Geschäftsführer ,

Beklagte und Berufungsklägerinnen

Prozessbevollmächtigte zu 1) bis 4): Rechtsanwalt

wegen gesellschaftsrechtlicher Ansprüche

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.02.2000 durch Vizepräsident des Oberlandesgerichts Hagenloch, Richterin am Landgericht Bokern und Richterin am Landgericht Munsonius

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dresden vom 16.06.1999 (41 O 421/98) im Kostenpunkt aufgehoben, zu Ziffern 1. a) und 4. des Tenors der angegriffenen Entscheidung abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Auf die gegen die Beklagten gerichtete Klage wird festgestellt, dass der in der Gesellschafterversammlung der vom 30.04.1998

a) zu Tagesordnungspunkt 1. gefasste Beschluss, einen Verstoß der Gesellschafterinnen gegen § 5 Abs. 2 der Satzung festzustellen und

b) zu Tagesordnungspunkt 2. gefasste Beschluss, die Klägerin, hilfsweise die bzw. deren Kommanditistinnen und , wegen Verletzung ihrer gesellschaftsvertraglichen Pflicht zur Darlehensgewährung aus der Gesellschaft auszuschließen,

nichtig sind.

2. Auf die gegen die Beklagten gerichtete Klage wird festgestellt, dass der auf der Gesellschafterversammlung der vom 18.05.1998

a) zu Tagesordnungspunkt 1. gefasste Beschluss, die Klägerin, hilfsweise die und bzw. deren Kommanditistinnen und , wegen Verletzung ihrer gesellschaftsvertraglichen Pflicht zur Darlehensgewährung aus der Gesellschaft auszuschließen und zugleich den Ausschluss-Beschluss vom 30.04.1998 zu bestätigen,

b) zu Tagesordnungspunkt 2. a) gefasste Beschluss, die Klägerin, hilfsweise die und bzw. deren Kommanditistinnen und , wegen der Umgehung des Zustimmungserfordernisses des § 6 Abs. 3 der Satzung aus der Gesellschaft auszuschließen sowie

c) zu Tagesordnungspunkt 2. b) gefasste Beschluss, die Klägerin, hilfsweise die und bzw. deren Kommanditistinnen und , wegen Nichtleistung des auf sie entfallenden Teils des Darlehens an die Tochtergesellschaft aus der Gesellschaft auszuschließen,

nichtig sind.

3. Auf die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage wird der von ihr auf ihrer Gesellschafterversammlung am 18.05.1998 gefasste Beschluss, den Geschäftsanteil der Klägerin einzuziehen, für nichtig erklärt.

4. Die Beklagten werden verurteilt, gegenüber dem Amtsgericht Dresden zu zu erklären:

Die Gesellschafter der mit Sitz in Dresden melden zur Eintragung in das Handelsregister an:

Die Kommanditistin und hat mit Vertrag vom 04.07.1997, schuldrechtlich mit Wirkung zum Beginn des 01.03.1997, dinglich mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Eintragung der Rechtsnachfolge im Handelsregister, ihren Kommanditanteil im Nennbetrag von DM 3.300.000,00 auf die übertragen. Ihr Kommanditanteil ist damit im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf die übergegangen. Somit ist jetzt an der als Kommanditistin die mit einer Haftsumme von DM 3.300.000,00 beteiligt.

5. Im Übrigen wird die Klage - hinsichtlich des nicht zugesprochenen Teils des Klageantrages zu 6 als unzulässig - abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt in beiden Rechtszügen jeweils 1/10 ihrer außergerichtlichen Kosten, der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) bis 4) sowie 1/20 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) trägt ihre außergerichtlichen Kosten sowie jeweils 11 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Gerichtskosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 30.000,00 abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 3.000,00 abzuwenden, falls nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Sicherheit kann jeweils durch unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in der Europäischen Gemeinschaft zugelassenen Kreditversicherers oder Kreditinstituts erbracht werden.

- Streitwert der Berufung: DM 500.000,00; Beschwer der Klägerin: DM 50.000,00; Beschwer der Beklagten: DM 450.000,00 -

(...)

Entscheidungsgründe:

...

B.

Die auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse der BHS KG vom 30.04.1998 und vom 18.05.1998 gerichteten Klagen sind zulässig (unten I.) und weitgehend begründet (unten II.).

I.

Der Klägerin kommt an den begehrten Feststellungen ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO zu (unten 1.). Sie war auch nicht gehalten, die Klage zusätzlich gegen die & Co. Bau- und Beteiligungs KG sowie die Bau-Beteiligungs GmbH & Co. KG zu richten (unten 2.).

1. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob ein Rechtsschutzbedürfnis bereits daraus abzuleiten ist, dass die Klägerin an dem Kommanditanteil der und GmbH & Co. KG sowohl im Zeitpunkt der angegriffenen Beschlussfassungen als auch im Schluss der mündlichen Verhandlung ein - mit der Eintragung des Gesellschafterwechsels im Handelsregister zum Vollrecht erstarkendes - Anwartschaftsrecht erlangt hatte (vgl. zum gesellschaftsrechtlichen Anwartschaftsrecht allgemein: BGHZ 132, 218 [222]) und ob die Klägerin in diesem Stadium der Rechtsübertragung ohne Verstoß gegen das gesellschaftsrechtliche Abspaltungsverbot von der GmbH & Co. KG am 20.05.1998 wirksam zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt werden konnte (vgl. zum Nießbrauch beim GmbH-Geschäftsanteil: Karsten Schmidt, Stimmrecht beim Anteilsnießbrauch, ZGR 1999, 601 [608 ff.], Schön, in: ZHR 158 (1994) 229 [263]; Zutt, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl., Anhang 15, Rn. 61; Winter, in: Scholz, GmbHG, 8. Aufl., § 15 Rn. 192; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 15 Rn. 50).

Zumindest ergibt sich das Feststellungsinteresse der Klägerin daraus, dass diese nach dem Wortlaut der Beschlussfassungen unmittelbar in ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung betroffen ist und ihr daher eine Rechtsverfolgung im eigenen Namen zugebilligt werden muss, um zu verhindern, dass ihr Anwartschaftsrecht als von den Beschlussfassungen bereits gegenwärtig betroffen erachtet wird oder die Beklagten ihren Kommanditanteil als mit der Registereintragung eingezogen behandeln.

Dieses Feststellungsbedürfnis erstreckt sich auch auf die hilfsweise beschlossene Einziehung des Kommanditanteils der Rechtsvorgängerin der Klägerin, da diese vom Rechtsverhältnis zwischen der GmbH und Co. KG und den anderen Gesellschaftern der BHS KG spätestens mit ihrer Eintragung im Handelsregister unmittelbar betroffen ist. Gleichermaßen ist der Klägerin die Befugnis zuzubilligen, sich gegen den hilfsweise beschlossenen Ausschluss ihrer Kommanditistinnen zu wenden, da jedem Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft ein anerkennenswertes Bedürfnis an einer Klärung der Gesellschafterstellung zukommt. Ohne Belang bleibt hierbei, dass Frau und Frau Kommanditistinnen der BHS KG weder waren noch sind und hierdurch die sie betreffenden Beschlussfassungen von vorn herein ins Leere gehen mussten.

...

2. Die Klägerin war nicht gehalten, die und GmbH & Co. KG und die GmbH & Co. KG bzw. die an deren Kommanditanteilen Anwartschaftsberechtigten mit zu verklagen.

Dahinstehen kann hierbei, ob die Mitgesellschafter der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin aus materiellen Gründen bei einem Teil der Klageanträge notwendige Streitgenossen i.S.v. § 62 Abs. 1 ZPO sind (vgl. hierzu: BGHZ 30, 195 [197 f.]; BGH NJW 1999, 571 [572]). Zumindest war eine Klageerhebung gegen die Co. KG sowie die GmbH & Co. KG im Hinblick darauf nicht geboten, dass sich diese verpflichtet haben, die im vorliegenden Rechtsstreit ergehende Entscheidung materiell-rechtlich für und gegen sich wirken zu lassen (vgl. für Leistungsverpflichtung: BGH NJW 1992, 1101 [1102]; BGH NJW-RR 1991, 333 [334]; BGH ZMR 1991, 99 [100]; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 62 Rn. 21).

II.

Die auf Feststellung der Nichtigkeit der Gesellschafterbeschlüsse der BHS KG vom 30.04.1998 (unten 1.) und vom 18.05.1998 (unten 2.) gerichtete Klage ist begründet, soweit sie sich gegen den Ausschluss der Klägerin und deren Rechtsvorgängerin sowie deren Kommanditistinnen richtet. Im Übrigen bleibt das Begehren der Klägerin erfolglos.

1. Der am 30.04.1998 gefasste Beschluss über die Feststellung eines Pflichtenverstoßes der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin ist nicht unwirksam (unten a), während die hierauf gestützte Ausschließungsentscheidung nichtig ist (unten b).

a) Die auf eine Feststellung der Pflichtwidrigkeit der Klägerin und ihrer Rechtsvorgängerin gerichtete Entschließung ist als Gesellschafterbeschluss zu verstehen (unten aa), in formal ordnungsgemäßer Weise gefasst (unten bb) und inhaltlich nicht zu beanstanden (unten cc).

aa) ...

bb) Die Beschlussfassung vom 30.04.1998 wahrt die gesetzlich und statuarisch geforderten Förmlichkeiten.

(1) Die Klägerin und deren Mitgesellschafter sind mit Schreiben vom 14.04.1998 ordnungsgemäß zur Gesellschafterversammlung auf den 30.04.1998 geladen worden.

(1.1) Zwar war und ist die Klägerin nicht Kommanditistin der BHS KG, weil sie den Kommanditanteil mit Abtretungsvertrag vom 09.07.1997 unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung ihrer Rechtsnachfolge im Handelsregister erworben hat und diese bislang nicht erfolgt ist (vgl. Karsten Schmidt, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 176 Rn. 20). Dies hindert aber eine ordnungsgemäße Einberufung der Gesellschafterversammlung vom 30.04.1998 nicht, da die Klägerin infolge des von ihr am Kommanditanteil erlangten Anwartschaftsrechts - anders als ein gesellschaftsfremder Dritter - zumindest im Einvernehmen aller Mitgesellschafter widerruflich zur Wahrnehmung originärer gesellschaftsrechtlicher Befugnisse zugelassen werden konnte (vgl. von Gerkan, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 109 Rn. 8).

(1.1.1) Dem steht nicht entgegen, dass mitgliedschaftliche Teilnahmerechte organisationsrechtlicher Art in Anlehnung an § 717 Abs. 1 BGB vom Stammrecht nach allgemeiner Auffassung (vgl. Kapitalgesellschaften: BGH NJW 1968, 396 f.; BGH NJW 1987, 780 f.; BayObLG GmbHR 1986, 87 f.; OLG Frankfurt DB 1986, 2277) nicht abgespalten werden können. Die von der Klägerin ausgeübten Rechte leiten sich nämlich aus ihrer eigenen dinglichen Berechtigung am Kommanditanteil ab, sodass die Anwartschaftsberechtigte jedenfalls bei Billigung aller Gesellschafter mitgliedschaftliche Befugnisse bereits an Stelle des Vollrechtsinhabers ausüben kann (vgl. zur Ausübung gesellschaftsrechtlicher Befugnisse des Nießbrauchberechtigten: Karsten Schmidt, ZGR 1999, 601 ff.; Schön, in: ZHR 158 [1994], 229 ff.; weitere Nachweise unter B.I.1.; offen gelassen in BGH NJW 1999, 571 [572]).

(1.1.2) Zwischen allen Gesellschaftern der BHS KG bestand ein solches konkludentes Einverständnis (vgl. BGHZ 3, 354 [357]), da sie - bei voller Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten - die Klägerin schon vor ihrer Eintragung im Handelsregister in jeder Hinsicht wie eine Kommanditistin behandelt haben. Insbesondere wurde sie wiederholt zu Gesellschafterversammlungen geladen und hat in diesen - auf eigene mitgliedschaftliche Rechte gestützt - an Beschlussfassungen mitgewirkt.

b) Der auf die Ausschließung der Klägerin, hilfsweise auf die Ausschließung ihrer Rechtsvorgängerin, gerichtete Beschluss ist mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksam, sodass dahinstehen kann, ob die Ausschließung eines Anwartschaftsberechtigten gesellschaftsvertraglich zugelassen ist und welche rechtsgestaltenden Wirkungen ihr im Einzelnen zukämen.

2. ...



Ende der Entscheidung

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