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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 18/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 68 f
StGB § 67 d
§ 67 d Abs. 6 Satz 2 StGB (gesetzlicher Eintritt der Führungsaufsicht nach Erledigung der Maßregel) ist bei einer "von Anfang an" gegebenen Fehleinweisung in den Maßregelvollzug nicht anzuwenden.
Oberlandesgericht Dresden 2. Strafsenat Beschluss

Aktenzeichen: 2 Ws 18/08

vom 07. Februar 2008

in der Maßregelvollstreckungssache

wegen Führungsaufsicht

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zwickau vom 03. Dezember 2007 aufgehoben - in Nr. 1 seiner Beschlussformel, soweit der gesetzliche Eintritt von Führungsaufsicht festgestellt worden ist, - in Nr. 2 und Nr. 3 der Beschlussformel.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Beschwerdeführer hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Das Landgericht Zwickau hatte am 24. August 2004 die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil er bei Vorliegen einer "akuten wahnhaften Störung", mithin im Zustand der Schuldunfähigkeit, versucht hatte, das von ihm und seiner damals ortsabwesenden Mutter bewohnte Haus durch Herbeiführen einer Explosion zu zerstören und sich selber dabei zu töten.

Mit Beschluss vom 03. Dezember 2007 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zwickau die Maßregel für erledigt erklärt, weil durch zwei von der Kammer beigezogene unabhängige Sachverständige gutachterlich erwiesen sei, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bereits zum Einweisungszeitpunkt nicht vorgelegen haben. Auslöser der Verzweiflungstat war vielmehr die damalige besondere persönliche Situation des sehr stark sehbehinderten, fast erblindeten Beschwerdeführers gewesen. Eine Rückfallgefährdung oder Gefährlichkeit des Untergebrachten im Sinne der Kriminalprognose läge nicht - allenfalls in Richtung Provokation oder Querulanz - vor.

Mit ihrem Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer darüber hinaus ausgesprochen, dass mit der Erledigung der Maßregel kraft Gesetzes Führungsaufsicht eingetreten sei. Deren Dauer hat sie mit fünf Jahren bemessen, den Beschwerdeführer für diesen Zeitraum der Führung und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und die Führungsaufsicht im Weiteren konkret ausgestaltet.

Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Untergebrachte gegen die Feststellung des gesetzlichen Führungsaufsichtseintritts. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

a) Die Beschränkung der sofortigen Beschwerde allein auf die Frage des gesetzlichen Eintritts von Führungsaufsicht ist zulässig, weil diese Frage nicht in einer so engen gegenseitigen Abhängigkeit zur Maßregelerledigung steht, dass sich ein Angriff gegen die Feststellung des gesetzlichen Eintritts einer Führungsaufsicht nicht auch auf die Erledigungsfeststellung der Maßregel erstreckt.

b) Die Feststellung des gesetzlichen Eintritts einer Führungsaufsicht und ihre inhaltliche Ausgestaltung einschließlich der Unterstellung unter einen Bewährungshelfer werden aufgehoben.

Der Senat sieht keine Veranlassung, von seiner in früheren Entscheidungen geäußerten Rechtsauffassung (vgl. Beschlüsse vom 29. Juni 2005 - 2 Ws 402/05 - und vom 03. August 2007 - 2 Ws 329/07 -) Abstand zu nehmen. Danach erfasst § 67 d Absatz 6 Satz 2 StGB in seiner Neufassung vom 23. Juli 2004 (BGBl. 2004 Teil I S. 1838) nicht die Fälle, in denen zweifelsfrei feststeht, dass schon die Anordnung der Unterbringung auf einer Fehldiagnose beruht (sogenannte Fehleinweisung aus tatsächlichen Gründen - abzugrenzen von der Fehleinweisung aufgrund einer fehlerhaften Rechtsanwendung; vgl. zur Unanwendbarkeit von § 67b d Abs. 6 StGB bei letzterer: BVerfG NStZ-RR 2007, 29 f.; OLG Frankfurt StV 2007, 430 f.). Diese Rechtsauffassung ergibt sich zum einen aus dem Sinn und Zweck der Führungsaufsicht als Maßregel der Besserung und Sicherung, zum anderen aus der der Neufassung zugrundeliegenden Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 02. April 2004 (BT-Drucksache 15/2887, S. 14 - zu Nr. 3 -).

Die neu geschaffene Regelung in § 67 d Abs. 6 Satz 1 StGB will lediglich den (und nach Auffassung des Senats nur diesen) von den Strafvollstreckungsgerichten bereits zuvor im Wege der Rechtsfortbildung und - im Wesentlichen - in analoger Anwendung des § 67 c Abs. 2 Satz 5 StGB entwickelten Rechtssatz übernehmen, wonach bei später festgestelltem anfänglichen Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 StGB die Unterbringung erledigt ist und nicht weiter vollstreckt werden darf. In diesen Fällen der "Fehleinweisung von Anfang an" trat schon nach dem zuvor entwickelten Rechtssatz keine Führungsaufsicht ein. Daher kann bei Übernahme dieser Rechtsprechung in die Gesetzesfassung auch der zusätzlich neu geschaffene § 67 d Abs. 6 Satz 2 StGB - Eintritt der Führungsaufsicht - nur die Fälle erfassen, in denen die tatsächlichen Voraussetzungen des § 63 StGB nachträglich weggefallen sind (zu weitgehend daher OLG Rostock, Beschluss vom 08. Februar 2007 - 1 Ws 438/06 -, zitiert nach Juris). Diese Auffassung des Senats wird durch die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. a.a.O.) belegt, wonach "...das Gericht die Unterbringung zunächst in den Fällen für erledigt zu erklären (hat), in denen eine erneute Begutachtung im Rahmen der Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung durch die Strafvollstreckungskammer (§ 67 d Abs. 2, § 67 e StGB) ergibt, dass der Untergebrachte nicht (mehr) an einem schuldausschließenden oder -vermindernden Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB leidet, der zur Anordnung der Maßregel geführt hat (1. Fallgruppe). Das Gericht hat sich dabei nur mit der Frage zu befassen, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung der Zustand besteht."

und weiter:

"Die Frage, ob möglicherweise bereits die Unterbringungsdiagnose fehlerhaft war, stellt sich im Erledigungsverfahren nicht. Denn zum einen unterliegt im Erledigungsverfahren im Hinblick auf die fortbestehende Rechtskraft des erkennenden Urteils nur der gegenwärtige und nicht der frühere Zustand des Untergebrachten der Beurteilung des Gerichts (vgl. BVerfG NJW 1995, 2405, 2406). Zum anderen kann im Rahmen dieses Verfahrens auch aus tatsächlichen Gründen immer nur über die gegenwärtige Sachlage entschieden werden, weil nur zur gegenwärtigen psychischen Situation des Untergebrachten hinreichende gutachterliche Feststellungen getroffen werden können."

Aufgabe der Führungsaufsicht ist es, den Versuch zu machen, auch Tätern mit vielfach schlechter Kriminalprognose nach Strafverbüßung oder im Zusammenhang mit einer freiheitsentziehenden Maßregel eine Lebenshilfe vor allem für den Übergang von der Freiheitsentziehung in die Freiheit zu geben und sie dabei zu führen, und - siehe die verschärfte Strafbestimmung des § 145 a StGB - zu überwachen. Dieser Aspekt trifft jedoch auf einen Betroffenen, der nie an einer krankheitwertigen psychischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gelitten hatte und daher von Beginn an aus tatsächlichen Gründen zu Unrecht in den Maßregelvollzug eingewiesen worden war, nicht zu.

c) Hiervon unberührt bleibt ein möglicher Eintritt der Führungsaufsicht gemäß § 68 f Abs. 1 StGB nach Vollverbüßung einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe wegen einer (oder mehrerer) Vorsatztat(en).

Dies scheidet jedoch vorliegend aus.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt in Ermangelung eines anderen Kostenschuldners die Staatskasse; die Entscheidung über die notwendigen Auslagen folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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