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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 20.06.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 182/05
Rechtsgebiete: StPO, GVG


Vorschriften:

StPO § 154
StPO § 154 Abs. 2
StPO § 154a
StPO § 154a Abs. 2
StPO § 210 Abs. 2
GVG § 17 c
GVG § 17 c Abs. 3
Zur Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft im Eröffnungsverfahren bei drohender Verjährung angeklagter Straftaten:

1. Das Unterlassen einer von Amts wegen oder auf Antrag zu treffenden Entscheidung kann überhaupt nur ganz ausnahmsweise dann anfechtbar sein, wenn a) die (unterlassene) Entscheidung selbst anfechtbar wäre und b) dem Unterlassen die Bedeutung einer Sachentscheidung im Sinne einer endgültigen Ablehnung (und nicht nur einer bloßen Verzögerung der zu treffenden Entscheidung) zukommt.

2. Bei angeklagten Serienstraftaten, die im Laufe mehrerer Jahre begangen wurden, so dass einzelne Taten recht bald, andere Taten aber erst in einigen Jahren zu verjähren drohen, ist zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft auf die gesetzliche Wertung in §§ 154, 154a StPO abzustellen. In diesen Fällen kann eine solche Beschwerde nur dann überhaupt zulässig sein, wenn a) eine wesentliche Anzahl der Taten zeitnah zu verjähren drohen und b) das Unterlassen der Gerichtsentscheidung auf grober Pflichtwidrigkeit beruht.


Oberlandesgericht Dresden 2. Strafsenat

Aktenzeichen: 2 Ws 182/05

Beschluss vom 20. Juni 2005

in der Strafsache gegen

wegen Subventionsbetruges

hier: Sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Unterlassen einer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dresden gegen die Weigerung der 5. Strafkammer des Landgerichts Dresden, gegenwärtig über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden, wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die hierdurch verursachten notwendigen Auslagen der Angeschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat - erstmals am 26. April 2002 und nach Rücknahme der ersten Anklage erneut - am 28. Mai 2002 gegen die drei Angeschuldigten wegen 191 Fällen des Subventionsbetruges (§§ 264 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2, 53 StGB) Anklage bei der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Dresden erhoben.

Nachdem der (neue) Vorsitzende der zuständigen 5. Strafkammer mit Verfügung vom 07. April 2004 der Staatsanwaltschaft mitgeteilt hatte, dass der Strafkammer aufgrund ihrer Auslastung eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens derzeit nicht möglich sei, nahm dies die Staatsanwaltschaft zum Anlass, erstmals am 11. Mai 2004, "gegen die bislang unterbliebene Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens" sofortige Beschwerde einzulegen.

Mit Beschluss vom 17. Juni 2004 (2 Ws 292/04) hat daraufhin der Senat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Der Zurückstellung der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens durch die Strafkammer lägen sachliche Erwägungen zu Grunde; die Zurückstellung der Entscheidung sei auch nicht willkürlich, zumal sich die Kammer der Verjährungsproblematik - sukzessive Verjährung drohte (erst) ab 15. April 2005 - bewusst sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Senatsbeschluss verwiesen.

In der Folgezeit hat das Landgericht dann aber keine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens getroffen.

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat deshalb am 16. März 2005 "erneut Beschwerde" gegen die Nichtentscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens eingelegt. Das Rechtsmittel enthielt den Hinweis, "der Verjährungseintritt stehe unmittelbar bevor". Im Übrigen wurde auf die Begründung der ersten Beschwerde verwiesen.

Mit Vermerk vom 18. März 2005 hat der Vorsitzende der Strafkammer darauf hingewiesen, dass die Kammer aufgrund ihrer "fortdauernden Überlastung mit vorrangigen Aufgaben" nicht in der Lage gewesen sei, über die Eröffnung des Hauptverfahrens, "die eine vertiefte Prüfung der umfangreichen Akten erfordere", zu entscheiden. Im Hinblick darauf, dass die ersten 15 der 191 angeklagten Fälle im Zeitraum vom 13. bis zum 27. April 2005 verjähren würden, sei am 11. März 2005 "mit der Prüfung" (offensichtlich der Entscheidung über die Eröffnung oder Nichteröffnung) begonnen worden. "Bei vorläufiger Prüfung" sei eine "weitgehende Eröffnung" wahrscheinlich, jedoch erscheine es nicht ausgeschlossen, dass auch "teilweise die Nichteröffnung des Verfahrens beschlossen werden könnte", was insbesondere bei der Angeschuldigten ..... der Fall sein könne. Schließlich "könne nicht verbindlich zugesagt werden, dass die Kammer so zeitig vor Verjährung der ersten Tat eine Entscheidung treffen kann, dass das Oberlandesgericht über eine eventuelle Beschwerde vor Verjährung der ersten Tat entscheiden könnte".

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat diesen Vermerk des Vorsitzenden als "Nichtabhilfeentscheidung der Kammer" gewertet und die Akten am 29. März 2005 der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt. Diese hat unter dem 29. März 2005 beantragt, auf die "sofortige Beschwerde" der Staatsanwaltschaft gegen die unterbliebene Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Landgericht Dresden, 5. Große Strafkammer, die Anklage der Staatsanwaltschaft Dresden vom 28. Mai 2002 zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren zu eröffnen.

Nach Vorlage der Akten gab der Senat diese mit Verfügung vom 04. April 2005 an das Landgericht Dresden zurück. Dem Landgericht wurde in Hinblick auf den unklaren Vermerk des Vorsitzenden der Wirtschaftsstrafkammer vom 18. März 2005 aufgegeben zu prüfen, ob nicht eine Entscheidung über die (Teil-)Eröffnung (nur) hinsichtlich der ersten 15 Fälle der Anklage ergehen könne, um so eine Verjährung dieser Taten zu vermeiden. Dazu sah sich die Strafkammer jedoch nicht in der Lage.

Mit Verfügung vom 13. April 2005 hat der Vorsitzende der Strafkammer mitgeteilt, dass sich die Kammer "nur in geringem Umfang weiter mit der Sache befasst habe". Die "weitergeführte Plausibilitätsprüfung der Anklage" lasse eine Entscheidung jedoch nach wie vor nicht zu. Die Kammer sei selbstverständlich - wie auch die übrigen Beteiligten - daran interessiert, die Sache "pragmatisch so weit wie möglich voranzubringen". Aufgrund der Auslastung der Kammer, die im Einzelnen näher dargelegt wurde, sei eine abschließende Prüfung zurzeit nicht möglich. Im Übrigen sei fraglich, ob wegen des "normalerweise eingetretenen" Devolutiveffekts der Untätigkeitsbeschwerde die Kammer noch zur Entscheidung über die Eröffnung "berufen" sei. Deshalb werde die Rücknahme der Beschwerde angeregt.

Dem kam die Staatsanwaltschaft - ohne Begründung - nicht nach, woraufhin die Strafkammer am 14. April 2005 ohne Einschaltung der Generalstaatsanwaltschaft die Akten erneut dem Senat übersandte.

II.

Die sofortige Beschwerde (vgl. § 210 Abs. 2 StPO entsprechend) ist - zurzeit - unstatthaft und damit unzulässig.

1. Dem deutschen Recht sind Untätigkeitsbeschwerden grundsätzlich nicht vollkommen fremd. Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Wirksam ist nur ein zeitgerechter Rechtsschutz. Artikel 19 Abs. 4 GG fordert daher auch, dass Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit gewährleistet wird (vgl. BVerfGE 55, 349, 369; 93, 1, 13).

Welche Verfahrensdauer allerdings noch angemessen ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (vgl. BVerfGE 55, 349, 369). Entscheidend sind vor allem die Bedeutung der Sache, die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die Schwierigkeit des Falles und das Verhalten der Beteiligten, insbesondere etwaige den Beteiligten selbst zuzurechnende Verzögerungen, sowie eine gerichtlich nicht zu beeinflussende Verzögerung durch die Tätigkeit von Sachverständigen oder sonstigen Dritten (vgl. BVerfGE 46, 17, 29; BVerfG NVwZ 2004, 334, 335). Dem Richter steht dabei für die Bearbeitung anhängiger Veerfahren grundsätzlich ein Ermessensspielraum zu, innerhalb dessen er aufgrund eigener Gewichtung solcher Faktoren Prioritäten in Abweichung von der Reihenfolge des Eingangs setzen kann (vgl. BVerfGE 55, 349, 369).

Diese Grundsätze sind vom Bundesverfassungsgericht erst kürzlich wieder mit Beschluss vom 29. März 2005 (2 BvR 1610/03) bestätigt worden. (Der Fall betraf die Untätigkeit einer Strafvollstreckungskammer in einer Strafvollzugssache; ein Strafgefangener war in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt worden. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier allerdings nicht vor, zumal die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel erkennbar nicht zu Gunsten der Angeschuldigten eingelegt hat.)

Zwar ist dem Strafrecht im weiteren Sinne damit eine Untätigkeitsbeschwerde nicht grundsätzlich fremd; dies gilt aber nicht für die Strafprozessordnung. In ihrem Geltungsbereich kann nach verbreiteter Ansicht die Unterlassung einer von Amts wegen oder auf Antrag zu treffenden Entscheidung nur ganz ausnahmsweise dann anfechtbar sein, wenn die - unterlassene - Entscheidung selbst anfechtbar wäre, und der Unterlassung die Bedeutung einer Sachentscheidung im Sinne einer endgültigen Ablehnung (und nicht nur einer bloßen Verzögerung der zu treffenden Entscheidung) zukommt (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2004 - 2 VAs 31/04 -; BGH NJW 1993, 1279; OLG Frankfurt NJW 2002, 453; OLG Frankfurt NStZ 2002, 220; OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 284; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 304 Rdnr. 3; KK-Engelhardt, StPO 5. Aufl. Rdnr. 3 m.w.N.).

2. Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass im Rahmen des § 210 Abs. 2 StPO das bloß zeitlich begrenzte Zuwarten mit der Entschließung über die Eröffnung des Hauptverfahrens grundsätzlich nicht einer ablehnenden Entscheidung gleichgestellt werden kann. Der entscheidende Grund für deren Anfechtungsmöglichkeit liegt gerade in ihrer verfahrensabschließenden Wirkung.

Daran fehlt es aber, wenn es lediglich um den zeitlichen Aufschub der Entscheidung geht.

Anderes gilt nur, wenn das Hinausschieben der Entscheidung zwangsläufig einen endgültigen Verfahrensabschluss nach sich zieht, wie etwa bei Eintritt der Verjährung als endgültigem Verfahrenshindernis. In einem solchen Fall erscheint die Gleichstellung von zeitlicher Zurückstellung und ablehnender Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens mit der Folge der Anfechtbarkeit geboten, weil materieller Inhalt und Wirkung der "Unterlassung" dann darin bestehen, dass das Hauptverfahren nicht mehr eröffnet werden kann (vgl. BGH NJW 1993, 1279, 1280; dort betraf der Fall nur einen Tatvorwurf).

Obwohl im Zeitraum vom 13. April bis zum 13. Juni 2005 mittlerweile 17 der insgesamt 191 Fälle verjährt sind und ab 31. August 2005 eine weitere angeklagte Tat zu verjähren droht, hält der Senat den vorliegenden Fall hiermit nicht für vergleichbar. Auch wenn vorliegend das Verfahren hinsichtlich einiger Taten durch Verjährung seinen endgültigen Abschluss gefunden hat, kann der ganz überwiegende Teil jedoch weiterhin strafrechtlich verfolgt werden, so dass bei einer Gesamtbewertung von einem endgültigen Verfahrensabschluss nicht gesprochen werden kann.

a) In Fällen wie diesem, in denen Serienstraftaten angeklagt sind, die im Verlauf mehrerer Jahre begangenen worden sein sollen, so dass einzelne Taten recht bald, andere Taten aber erst in einigen Jahren zu verjähren drohen, erscheint es sachgerecht, auf die gesetzgeberische Wertung in den Vorschriften der §§ 154 Abs. 2, 154 a Abs. 2 StPO zurückzugreifen.

Danach kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens eine (teilweise) Verfahrenseinstellung bewirken, wenn für einzelne Taten ein Urteil in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn für diese Taten nur Strafen zu erwarten sind, die im Verhältnis zu den übrigen zu erwartenden Strafen nicht beträchtlich ins Gewicht fallen. Bei Berücksichtigung der dieser gesetzlichen Möglichkeit zugrundeliegenden Wertung kann die Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft überhaupt nur dann bejaht werden, wenn eine wesentliche Anzahl der angeklagten Taten zu verjähren droht.

b) Selbst wenn man den vom Oberlandesgericht Frankfurt (vgl. OLG Frankfurt NJW 2002,453; NStZ 2002, 220) bemühten verfassungsrechtlich abgesicherten Strafanspruch des Staates berücksichtigt, zeigen die Gestaltungsmöglichkeiten nach § 154 Abs. 2 StPO und § 154 a Abs. 2 StPO, dass dieser Anspruch gerade keine Bestrafung um jeden Preis und wegen jeder Tat verlangt (vgl. dazu auch KK-Pfeifer, a.a.O. Rdnr. 2 Einleitung).

Zudem sind die Fallgestaltungen, die diesen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt zugrundelagen, mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Anders als in den dort entschiedenen Fällen, in denen die Strafkammer erkennbar nicht gewillt war zu entscheiden, ist vorliegend die Zurückstellung der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens weder willkürlich noch sachfremd. Aus den Verfügungen des Vorsitzenden vom 18. März 2005 sowie vom 13. April 2005 geht hervor, dass neben der Auslastung der Strafkammer mit dringlicheren Verfahren, insbesondere mit Haftsachen, derzeit auch der Umstand, dass ein Beisitzer unvorhergesehen erkrankt war, dazu geführt hat, dass noch keine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ergehen konnte. Im Unterschied zu den vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Sachverhalten wurde vorliegend sehr wohl ein Berichterstatter bestimmt, der die Durchsicht der Akten, wenn auch noch nicht in der erforderlichen vertieften Form, bereits vorgenommen hat. Die Strafkammer hat auch prognostisch schon zu erkennen gegeben, in welchem Umfang eine Eröffnung des Hauptverfahrens in Betracht kommt. Eine Weigerung der Strafkammer, die Sache zu bearbeiten, kann aus alledem nicht hergeleitet werden.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der Vorgänger des jetzigen Vorsitzenden der Strafkammer bei der Staatsanwaltschaft die Rücknahme der ersten Anklage erreicht hat, was darauf hindeutet, dass die Strafkammer bereits in ihrer früheren Besetzung die Akten bearbeitet und das Verfahren gefördert hat.

Nach Auffassung des Senats könnte die Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft überhaupt nur dann bejaht werden, wenn es sich um eine "grob pflichtwidrige Untätigkeit" des Gerichts handelt (vgl. KK-Schoreit, a.a.O. § 152 Rdnr. 14) und diese dazu führt, dass angeklagte Taten betroffen sind, die neben anderen angeklagten Taten beträchtlich ins Gewicht fallen (vgl. auch LR-Matt, StPO 25. Aufl. § 304 Rdnrn. 7 und 11, der in allen Fällen, die "durch eine bewusste und willentliche Entscheidung des Gerichts pro Untätigkeit gekennzeichnet" sind, die Untätigkeitsbeschwerde zwar für zulässig, aber nur in "extremen Fällen" für begründet erachtet).

Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber gerade nicht vor.

c) Unabhängig davon erscheint die Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt, eine Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft stets bei (auch sukzessiv) drohender Verjährung zuzulassen, zu weitgehend, zumal sich das Oberlandesgericht Frankfurt außer Stande sieht, selbst eine Entscheidung in der Sache (als Beschwerdegericht) zu treffen. Willinger weist zutreffend darauf hin (NStZ 2002, 389,390), dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt der Staatsanwaltschaft nur "Steine statt Brot" gegeben hat.

d) Gleichwohl wäre auch dem Senat eine Entscheidung in der Sache, und sei es auch nur in Form einer Teilentscheidung, verwehrt. Es fehlt insoweit an einer Rechtsgrundlage für das Obergericht, das Landgericht zu einem Handeln, etwa zu einer Entscheidung mit bestimmten Inhalt oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, anzuweisen. Das Beschwerdegericht ist in seiner Aufgabenstellung nach der Strafprozessordnung grundsätzlich - wie ausgeführt - nur zur rechtlichen Überprüfung von Sachentscheidungen berufen, nicht zur Dienstaufsicht (zutreffend LG Stuttgart NStZ 1991, 204). Diese fällt in den Zuständigkeitsbereich anderer Stellen.

Eine in diesem Zusammenhang vom Hessischen Ministerium der Justiz im August 2003 angekündigte Gesetzesinitiative, durch die eine gesetzliche Regelung der allgemeinen Untätigkeitsbeschwerde im Strafprozess durch Gesetz angestrebt werden sollte (vgl. Gimpel ZRP 2004, 35 ff.), ist offensichtlich nicht Gesetz geworden. Aber selbst diesem Initiativentwurf, insbesondere dem vorgeschlagenen § 17 c Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), ist zu entnehmen, dass - als sehr "stumpfes Schwert" - nur folgende Regelung angestrebt worden ist:

"§ 17 c Abs. 3

Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so bestimmt es eine Frist zur Vornahme der notwendigen Verfahrenshandlung."

Daraus ist zu erkennen, dass auch nach dem genannten Initiativvorschlag dem Beschwerdegericht keine Entscheidungskompetenz in der Sache zugewiesen werden sollte. Einem erkennbar unwilligen Vorderrichter eine Frist zur Vornahme seiner Entscheidung zu setzen, ist aber offenkundig wenig erfolgversprechend. Die Verpflichtung zur Entscheidung nach Recht und Gesetz hat er schon aufgrund seines geleisteten Diensteides.

3. Ergänzend merkt der Senat an, dass Untätigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft gerade dazu führen können, dass Verfahren zusätzlich verzögert werden.

Zum einen bestehen große Unsicherheiten über die rechtliche Einordnung einer Untätigkeitsbeschwerde. Bezeichnend ist die Irritation der Staatsanwaltschaft, die ihr Rechtsmittel zum einen als sofortige Beschwerde, zum anderen als "einfache" Beschwerde mit der Konsequenz einer eventuell erforderlichen Nichtabhilfeentscheidung erhoben hat. Auch die Wirtschaftsstrafkammer sieht sich wegen eines ihrer Ansicht nach möglichen "Devolutiveffekts der Untätigkeitsbeschwerde" an einer unverzüglichen eigenen Sachentscheidung gehindert.

Bei der Untätigkeitsbeschwerde tritt ein Devolutiveffekt nicht ein. Nach allgemeiner Ansicht darf das Beschwerdegericht in Fällen der Untätigkeitsbeschwerde gerade keine Eröffnung oder Nichteröffnung in der Sache beschließen. Es ist vielmehr nur gehalten, den Tatrichter zu verpflichten, "unverzüglich in die sachliche Prüfung einzutreten, ob das Hauptverfahren zu eröffnen ist" (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.). Die Wirtschaftsstrafkammer war daher nicht gehindert, trotz des Beschwerdeverfahrens selbst über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden, sofern dazu Kapazitäten frei geworden sein sollten.

Dem Vorsitzenden der vorlegenden Wirtschaftsstrafkammer ist aber dahingehend Recht zu geben, dass er mit seinem zutreffenden Hinweis, "dass alle Beteiligte an einer gütlichen Lösung bemüht" seien, bei der Staatsanwaltschaft die Rücknahme des Rechtsmittels angeregt hat.

4. Auf die Überlastung der Strafkammer ist dienstaufsichtsrechtlich und durch das Präsidium des Landgerichts zu reagieren. Sollte eine Umstrukturierung aufgrund einer bei allen Spruchkörpern bestehenden Überlastung keine Abhilfe schaffen können, so obliegt es der Landesjustizverwaltung, die zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs erforderlichen sachlichen und personellen Mittel zur Verfügung zu stellen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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