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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 13.03.2007
Aktenzeichen: 20 UF 818/06
Rechtsgebiete: VAÜG


Vorschriften:

VAÜG § 2 Abs. 1
Der Versorgungsausgleich ist nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 VAÜG auch durchzuführen, wenn der Ehegatte mit den höheren angleichungsdynamischen Versorgungsanwartschaften zugleich die höheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte nur dadurch erlangt hat, dass bei ihm Anwartschaften aus privaten Rentenversicherungen zu berücksichtigen sind, und der andere, mithin ausgleichsberechtigte Ehegatte - niedrigere - regeldynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 20 UF 818/06

Beschluss

des 20. Zivilsenats - Familiensenat -

vom 13.03.2007

In der Familiensache

wegen Versorgungsausgleichs

hat der 20. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richter am Amtsgericht Angermann

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 4 vom 05.12.2006 gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Annaberg vom 27.10.2006 - 4 F 6/00 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 2 000,00 EUR hat die Beschwerdeführerin zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Auf den am 24.02.2000 zugestellten Scheidungsantrag hat das Familiengericht mit Urteil vom 21.08.2000 die am 16.08.1975 geschlossene Ehe der Parteien geschieden. Den (abgetrennten) Versorgungsausgleich hat es mit dem angefochtenen Beschluss geregelt, indem es vom Versicherungskonto der Antragstellerin bei der weiteren Beteiligten zu 1 angleichungsdynamische Anwartschaften i.H.v. monatlich 26,95 EUR und zusätzlich regeldynamische Anrechte von monatlich 6,18 EUR, jeweils bezogen auf den 31.01.2000, auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der weiteren Beteiligten zu 4 übertragen und im Übrigen den Parteien den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten hat. Die hiergegen in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 4 bleibt in der Sache ohne Erfolg.

II.

1. Die Antragstellerin hat in der Ehezeit (01.08.1975 bis 31.01.2000, vgl. § 1587 Abs. 2 BGB) angleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 632,10 DM, der Antragsgegner solche i.H.v. 520,33 DM erworben. Daneben stehen beiden Parteien Anrechte bei der A f d G zu, die sich bei der Antragstellerin auf 92,19 DM, beim Antragsgegner auf 98,57 DM belaufen; diese Anwartschaften sind unstreitig ebenfalls angleichungsdynamisch. Das Familiengericht hat sie in der Weise ausgeglichen, dass es sie gemeinsam mit den beiderseitigen Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung saldiert hat; daraus ergibt sich eine Ausgleichsbilanz von (632,10 + 92,19) - (520,33 + 98,57) = 105,39 DM, mithin ein insoweit auszugleichender Betrag von 52,70 DM oder 26,95 EUR.

Daneben verfügen beide Parteien über regeldynamische Anwartschaften, und zwar die Antragstellerin in einer Gesamthöhe von 60,13 DM (davon 12,09 DM aus der gesetzlichen Rentenversicherung und 48,04 DM - nach Umrechnung des ehezeitlichen Deckungskapitals in eine dynamische Rente - aus einer privaten Lebensversicherungsrente), der Antragsgegner i.H.v. 34,27 DM bei der Beschwerdeführerin. Daraus resultiert eine Differenz von 25,86 DM und ein Ausgleichsanspruch, wiederum zugunsten des Antragsgegners, von 12,93 DM oder 6,61 EUR. Diesen - grundsätzlich dem schuldrechtlichen Ausgleich unterfallenden - Anspruch hat das Familiengericht in der Weise geregelt, dass es die regeldynamischen Anrechte der Antragstellerin bei der gesetzlichen Rentenversicherung (12,09 DM oder 6,18 EUR) im Wege des erweiterten Splittings gem. § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG auf den Antragsgegner übertragen und nur wegen der verbleibenden Differenz (6,61 EUR - 6,18 EUR = 0,43 EUR) die Parteien auf den Anspruch nach § 1587 g BGB verwiesen hat.

2. Hiergegen hat die Beschwerde zunächst eingewandt, da die A f d G - was zutrifft - Realteilung zulasse, hätte das Familiengericht nicht die dort erworbenen Anwartschaften der Parteien mit den angleichungsdynamischen Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung verrechnen dürfen, sondern eben vorab die Realteilung durchführen müssen. Dem vermag sich der Senat aus den in seinem Hinweis vom 15.02.2007 im Einzelnen erörterten Gründen, auf die hier Bezug genommen wird, nicht anzuschließen (vgl. auch OLG Stuttgart, FamRZ 2001, 549). Die Beschwerdeführerin hat ihre ursprüngliche Auffassung zu diesem Punkt mit Schriftsatz vom 01.03.2007 auch ausdrücklich aufgegeben.

3. Die stattdessen nachgeschobene Beschwerdebegründung trägt den Rechtsbehelf aber ebenfalls nicht. Es ist zwar richtig, dass der Versorgungsausgleich im vorliegenden Fall nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 VAÜG nur dann durchgeführt werden kann, wenn man bei der Aufstellung der von beiden Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Anrechte auf Seiten der Antragstellerin die im Ansatz dem schuldrechtlichen Ausgleich unterfallenden Anwartschaften aus der privaten Rentenversicherung in die Ausgleichsbilanz einbezieht. Denn nur dann hat die Antragstellerin nicht lediglich die höheren angleichungsdynamischen, sondern auch die höheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte erlangt (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b VAÜG). Ließe man die von der Antragstellerin bei der weiteren Beteiligten zu 2 erlangten Anwartschaften hingegen außer Betracht, so hätte der Antragsgegner in der Ehezeit die höheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte erworben (34,27 DM gegenüber 12,09 DM), so dass der Versorgungsausgleich gem. § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ausgesetzt werden müsste.

Der Senat sieht zu einer derartigen einschränkenden Auslegung von § 2 Abs. 1 VAÜG nach dessen Sinn und Zweck indes keine Veranlassung; der Wortlaut der Vorschrift gibt dafür ohnehin keine Anhaltspunkte (vgl. schon OLG Dresden - 10. Zivilsenat - FamRZ 2004, 33, 35). Denn § 2 VAÜG will zusammen mit § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG sicherstellen, dass unter Beachtung des Prinzips des Einmalausgleichs im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs grundsätzlich nicht Anrechte verschiedener Dynamik miteinander verrechnet werden (vom Ausnahmefall des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VAÜG abgesehen, für den das Gesetz dann konsequenterweise eine Angleichung der unterschiedlichen Dynamik vorsieht); zugleich wird durch die Bestimmung, dass dem ausgleichspflichtigen Ehegatten die werthöheren Anrechte sowohl des einen wie des anderen Typs zustehen müssen, ein möglicher Wechsel der Ausgleichsrichtung durch "überholende" Angleichungsdynamik vermieden (vgl. Soergel/Lipp, 13. Aufl. 2000, § 2 VAÜG Rn. 4). Das vorgenannte Regelungsziel wird mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs im vorliegenden Fall aber nicht in Frage gestellt.

Insbesondere trifft die Überlegung, dass Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung öffentlichrechtlich auszugleichen seien und generell nicht in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen werden dürften (vgl. OLG Jena, OLG-Report 2005, 116; OLG Schleswig, OLG-Report 2005, 171), nicht das Problem. Denn ein getrennter Ausgleich der von den Parteien erworbenen regeldynamischen Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung findet hier in der Sache gar nicht statt: Vielmehr verbleiben diese Anrechte beiden Ehegatten zunächst ungeschmälert und werden in die Überlegungen zum schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nur insoweit einbezogen, als sie als Rechnungsposten in der Ausgleichsbilanz berücksichtigt werden; praktisch bewirkt das lediglich, dass die Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Höhe des an das private Rentenanrecht anknüpfenden schuldrechtlichen Ausgleichsanspruchs begrenzen. Das steht mit den gesetzgeberischen Absichten zu § 2 VAÜG ohne weiteres in Einklang (ebenso Götsche, FamRZ 2006, 513, 514; zustimmend Palandt/Brudermüller, 66. Aufl. 2007, Anhang II zu § 1587 b BGB (VAÜG), § 2 Rn. 6 m.w.N.).

4. Bei dieser Sachlage hat das Familiengericht überdies die regeldynamischen Anrechte der Antragstellerin nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG auf den Antragsgegner übertragen und damit im Rahmen der dort geregelten Höchstgrenzen ein anderes vom Ausgleichsverpflichteten, also der Antragstellerin, in der Ehezeit erworbenes ausgleichsfähiges Anrecht zum Ausgleich herangezogen, um den ansonsten gebotenen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich soweit wie möglich zu vermeiden. Dem stand § 4 Abs. 1 Nr. 1 VAÜG entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht entgegen, weil sowohl das auszugleichende Anrecht als auch die zum Ausgleich verwendete Anwartschaft der Antragstellerin regeldynamisch, also i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 VAÜG in ihrer Dynamik gerade vergleichbar sind.

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf einer entsprechenden Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO beruht (vgl. Zöller/Herget, 26. Aufl. 2007, § 97 ZPO Rn. 16 m.w.N.). Der festgesetzte Gegenstandswert ergibt sich aus § 49 Nr. 3 GKG. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde erachtet der Senat nicht für gegeben, nachdem die o.g. abweichende Rechtsprechung in der Zwischenzeit keine weitere Verbreitung gefunden hat.

Ende der Entscheidung

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