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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 16.04.2002
Aktenzeichen: 3 W 0529/02
Rechtsgebiete: ZPO, GKG, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 568 n.F.
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt.
GKG § 12 Abs. 1 S. 1
GKG § 14 Abs. 1 S. 1
BRAGO § 28 Abs. 2 Nr. 2
BRAGO § 28 Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden des 3. Zivilsenats Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 0529/02

vom 16.04.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung;

HIER: Beschwerde gegen KfB

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. N Richter am Oberlandesgericht F und Richter am Landgericht B

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Beklagten vom 04.04.2002 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Chemnitz vom 27.03.2002 - 3 O 361/01 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

3. Der Gebührenstreitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt EUR 416,45.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Mit seiner Beschwerde macht der Beklagte geltend, die Rechtspflegerin habe die Kosten zweier Reisen des auswärtigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu Unrecht in die Kostenausgleichung eingestellt.

Die Klägerin sitzt in München. Dort sind auch die Rechtsanwälte B & Kollegen niedergelassen. Sie haben die Klägerin im Prozess vor dem Landgericht Chemnitz vertreten. In den beiden Verhandlungsterminen ist für die Klägerin Rechtsanwalt W aus der Münchner Kanzlei aufgetreten. Dieser hat der Klägerin an Reisekosten DM 814,50 (= EUR 416,45) erechnet (GA 82).

Die Rechtspflegerin hat zur Begründung für die angenommene Erstattungsfähigkeit der Reisekosten auf die aktuelle Senatsrechtsprechung verwiesen.

II.

Das Oberlandesgericht entscheidet durch den Senat, da der Einzelrichter diesem das Verfahren übertragen hat (§ 568 ZPO n.F.).

Die zulässige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die - von der Klägerin zutreffend, nämlich in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 BRAGO berechneten - Reisekosten ihres Rechtsanwaltes (EUR 416,45) hat die Rechtspflegerin zu Recht zu Lasten des erstattungspflichtigen Beklagten in die Kostenausgleichung eingestellt.

Anwaltsreisekosten sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, wenn die Partei einen auswärtigen Rechtsanwalt beauftragen durfte, ohne gegen ihre Verpflichtung zu verstoßen, zur Schonung des Gegners die Kosten möglichst gering zu halten. Dann kann die (obsiegende) auswärtige Partei einen auswärtigen Anwalt als Prozessbevollmächtigten einschalten, ohne dass sie Gefahr läuft, dass sie den Gegner nicht auf Ersatz der Reisekosten des Anwaltes in Anspruch nehmen darf. Dabei ist es nach der - aktuellen - Rechtsprechung des Senats in aller Regel sachdienlich und damit im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendig, den in der Nähe der auswärtigen Partei ansässigen Anwalt zu beauftragen. Damit ist zugleich gesagt, dass bei Einschaltung eines solchen auswärtigen Rechtsanwaltes dessen Reisekosten grundsätzlich - im Rahmen des § 28 BRAGO erstattungsfähig sind (näher dazu Senatsbeschluss vom 22.10.2001 - 3 W 1582/01 -).

Abweichend von der Auffassung des Beklagten erfasst diese Rechtsprechung auch Sachlagen, in denen die erstattungsberechtigte Partei geschäftsgewandt und gerichtserfahren ist, also namentlich auch Banken, Sparkassen, Versicherungen, Rechtsanwälte als Verwalter bzw. in eigener Sache (vgl. Senatsbeschlus vom 05.02.2002 - 3 W 177/02 -). Für die - bereits im Regelfall anzunehmende - Sachdienlichkeit der Beauftragung eines in der Nähe der Partei ansässigen Rechtsanwalts (und damit die Erstattungsfähigkeit seiner Reisekosten) spricht nach der geänderten Rechtsprechung des Senats sogar in besonderem Maße, wenn der ortsansässige Anwalt zu der Partei in ständiger Geschäftsbeziehung steht, weil sich dann die Information einfacher und weniger zeitaufwendig gestaltet und auch für die Vertretung vor dem Prozessgericht eine umfassendere Sachkenntnis und intensivere Interessenvertretung zu erwarten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 22.10.2001 - 3 W 1582/01 -). Von einer derartigen ständigen Geschäftsbeziehung wird aber gerade in Fällen ausgegangen werden dürfen, in denen - wie vorliegend eine Bank einen eine unternehmenstypische Forderung (Anspruch aus Bürgschaft) betreffenden Rechtsstreit betreibt. Im vorliegend zu entscheidenden Einzelfall kommt hinzu, dass angesichts der zugrunde liegenden Problematiken Haftung des Beklagten aus einer Bürgschaft für Schulden einer Gesellschaft aus einem Kreditgeschäft, Bedeutung eines von den Parteien unterschiedlich beurteilten Poolvertrages - von einem "Routinegeschäft", das frühzeitiger anwaltlicher Begleitung nicht bedurfte, nicht ausgegangen werden kann. Nicht zuletzt hat das - jedenfalls anfangs - auch der Beklagte so gesehen, indem er mit der Klageerwiderung (GA 12) und durch dieselben Anwälte, die den Fall im Kostenfestsetzungsverfahren für leicht halten, von der Übertragung auf den Einzelrichter wegen der mit der Sache verbundenen Rechtsprobleme abraten ließ.

Vor diesem Hintergrund führt auch der vom Beklagten zumindest stillschweigend bemühte Aspekt der zumutbaren schriftlichen oder fernmündlichen Information des Prozessbevollmächtigten der Klägerin (vgl. hierzu Beschluss vom 05.02.2002 - 3 W 177/02 -) nicht dazu, dass es von der Klägerin zu erwarten gewesen wäre, von Anfang an (ausschließlich) einen in der Nähe des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Eine direkte Beauftragung des am Sitz des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwaltes ist der Partei vielmehr nur dann zuzumuten, wenn diese - etwa abweichend von ihrem "formalen" Sitz andernorts - in Bezug auf den zugrunde liegenden Rechtsstreit als in der Nähe des Prozessgerichtes ansässig anzusehen ist, insbesondere wenn sie dort eine Niederlassung unterhält, von der aus das betreffende Rechtsgeschäft abgeschlossen, abgewickelt und/oder betreut wurde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23.10.2001 - 3 W 1633/01 -, vom 30.10.2001 - 3 W 1663/01 - sowie vom 30.01.2002 - 3 W 97/02 -). Allerdings sind vorliegend keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin das streitgegenständliche Geschäft von einer solchen Niederlassung aus abgewickelt hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 12 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 S. 1 GKG, 2, 3 ZPO festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. ZPO (n.F.) zuzulassen, da die Frage nach der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten in der Rechtsprechung höchst unterschiedlich beurteilt wird (dazu die Übersicht bei OLG Jena, OLGR 2002, 127, 128).

Ende der Entscheidung

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