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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 01.06.2005
Aktenzeichen: 3 Ws 30/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 140
StPO § 143
StPO § 168 c Abs. 3
StPO § 304 Abs. 1
Eine Auswechslung eines Pflichtverteidigers nach ordnungsgemäßer Bestellung im Ermittlungsverfahren kommt nur aus wichtigem Grund in Betracht. Ein solcher liegt nicht allein in dem Wunsch des Beschuldigten, von einem anderen Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu werden.
Oberlandesgericht Dresden 3. Strafsenat Beschluss

Aktenzeichen: 3 Ws 30/05

vom 01. Juni 2005

in der Strafsache gegen

wegen versuchten Totschlags

hier: Beschwerde gegen Pflichtverteidigerbestellung

Tenor:

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 11. April 2005 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschuldigte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Der Beschuldigte ist am 08. März 2005 wegen des Verdachts des versuchten Totschlags vorläufig festgenommen worden.

Am 09. März 2005 ist er von einem Polizeibeamten im Hinblick auf die anstehende Haftbefehlsverkündung und Vernehmung durch den Ermittlungsrichter befragt worden, ob er von sich aus einen Rechtsanwalt benennen wolle, der ihn in dieser Sache anwaltlich vertrete. Der Beschuldigte konnte keinen Anwalt benennen. Daraufhin hat das Landgericht Chemnitz dem Beschuldigten Rechtsanwalt .......... H....., Waisenstraße 13, 09111 Chemnitz gemäß § 140 StPO beigeordnet. Der Verteidiger hat noch am selben Tage an der ermittlungsrichterlichen Vernehmung des Beschuldigten nach vorläufiger Festnahme, der anschließend durchgeführten Vernehmung der Ehefrau des Beschuldigten sowie der Vernehmung der Zeugin ........ K..... teilgenommen. Der Beschuldigte war von der Vernehmung der Zeuginnen durch den Ermittlungsrichter gemäß § 168 c Abs. 3 StPO ausgeschlossen, da zu befürchten stand, dass die Zeuginnen in seiner Gegenwart nicht die Wahrheit sagen würden. Die Ehefrau des Beschuldigten, die zugleich Mutter des Geschädigten ist, hat vor dem Ermittlungsrichter belastende Angaben zum Tatgeschehen gemacht.

Mit Schreiben vom 15. März 2005 an das Landgericht Chemnitz teilte der Beschuldigte mit, dass er Rechtsanwalt ..... ..... H..... als seinen Verteidiger ablehne und Rechtsanwalt ... L...... als seinen Verteidiger bestimme. Grund hierfür sei die Erfahrung des Rechtsanwalts ... L...... als Strafverteidiger.

Mit Beschluss vom 11. April 2005 hat das Landgericht Chemnitz den Antrag des Beschuldigten, die Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt .......... H....., C......., zurückzunehmen, abgelehnt. Zur Begründung führt es aus, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung nicht vorlägen. Insbesondere werde durch den Beschuldigten keine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses behauptet oder substantiiert dargelegt; auch seien keine Gründe erkennbar, wonach Rechtsanwalt H..... ungeeignet sei, den Beschuldigten sachgemäß zu verteidigen.

Hiergegen hat der Beschuldigte am 24. April 2005 Beschwerde eingelegt. Er habe nach seiner Festnahme keinen klaren Gedanken fassen können, zumal er unter Alkoholeinfluss gestanden habe. Er zweifle nicht an den Fähigkeiten des Rechtsanwalts H....., finde jedoch keinen Kontakt zu ihm. Zu Rechtsanwalt ... L...... hingegen könne er ein Vertrauensverhältnis aufbauen. ... L...... sei ihm bekannt, da er bereits für seine Familie tätig gewesen sei.

Die zuständige Staatsanwaltschaft hat mit Rechtsanwalt H..... Rücksprache gehalten. Dieser hat angegeben, den Beschuldigten in der Haft besucht zu haben. Er habe konstruktive Gespräche mit dem Beschuldigten führen können.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 11. April 2005 aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die nach § 304 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde des Beschuldigten bleibt ohne Erfolg.

1. Der Beschuldigte ist vor der Bestellung des Pflichtverteidigers angehört und ihm ist Gelegenheit zur Bezeichnung eines Rechtsanwalts gewährt worden. Einen Rechtsanwalt konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht benennen. Die Verfahrenslage hat jedoch die sofortige Beiordnung eines Verteidigers notwendig gemacht. Denn eine zentrale zeugnisverweigerungsberechtige Belastungszeugin - die Ehefrau - sollte unter Ausschluss des Beschuldigten aus Gründen der Beweissicherung ermittlungsrichterlich vernommen werden, so dass sich das Ermessen bei der Frage, ob dem Beschuldigten bereits im Ermittlungsverfahren ein Verteidiger beizuordnen war, auf Null reduzierte (vgl. BGHSt 46, 93 ff.; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 141 Rdnr. 5). Eine längere Überlegungsfrist vor Beiordnung des Verteidigers konnte dem Beschuldigten nicht gewährt werden, da eine zügige Vernehmung der Zeuginnen zur Beweissicherung erforderlich war.

2. Nachdem dem Beschuldigten ordnungsgemäß ein Verteidiger bestellt worden ist, kam ein Widerruf der Bestellung gemäß § 143 StPO nur aus wichtigem Grund in Betracht. Danach müssen Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden (BVerfGE 39, 238, 244; Meyer-Goßner, a.a.O., § 143 Rdnr. 3 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der bestellte Verteidiger unfähig ist, den Beschuldigten sachgemäß zu verteidigen oder das Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigten und Verteidiger gestört ist, liegen nicht vor. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des Beschlusses des Landgerichts Chemnitz vom 11. April 2005 Bezug genommen. Auch das Beschwerdevorbringen des Beschuldigten rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Beschuldigte stellt die Sachkunde des ihm bestellten Verteidigers ausdrücklich nicht in Frage und legt keine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses dar. Der bestellte Verteidiger hat geäußert, dass konstruktive Gespräche geführt worden seien.

Allein der Wunsch des Beschuldigten, hier von einem anderen Verteidiger vertreten zu werden, der über Erfahrung auf dem Gebiet des Strafrechts verfüge und für seine Familie bereits tätig gewesen sei, ist für eine Abberufung nicht ausreichend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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