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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 17.05.2004
Aktenzeichen: 6 U 2010/03
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97
ZPO § 3
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 524 Abs. 4
ZPO § 556 a. F.
ZPO § 556 Abs. 2 Satz 4 a. F.
GKG § 12
GKG § 14
Die Kosten wegen einer Zurückweisung der Berufung gemäß. § 522 Abs. 2 ZPO wirkungslos gewordenen Anschlussberufung hat der Anschlussberufungskläger zu tragen.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 6 U 2010/03

Beschluss

des 6. Zivilsenats

vom 17. Mai 2004

In dem Rechtsstreit

wegen: Schmerzensgeld

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B , Richter am Oberlandesgericht G und Richter am Landgericht R

beschlossen:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 14.10.2003, Az.: 10-O-2386/02, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsrechtszugs tragen der Kläger zu 61 % und die Beklagte zu 39 %.

3. Der Gebührenstreitwert für den Berufungsrechtszug wird auf insgesamt 10.678,74 EUR (Berufung: 6.500,- EUR; Anschlussberufung 4.178,74 EUR) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Berufung wird durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Senats durch Urteil erfordern (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Zur Begründung in der Hauptsache wird, da innerhalb der gesetzten Frist keine schriftliche Stellungnahme einging, vollumfänglich auf den Beschluss des Senats vom 14.04.2004 Bezug genommen.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 97 ZPO.

a) Die Frage, wer die Kosten der Anschlussberufung bei einer Zurückweisung der Hauptberufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zu tragen hat, ist in der ZPO nicht geregelt worden.

Die herrschende Meinung nimmt eine (anteilige) Kostentragungspflicht des Anschlussberufungsführers an (OLG Dresden, Beschl. v. 17.06.2003, Az.: 4 U 501/01, BauR 2003, 1431; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.10.2002, Az.: 24 U 81/02, MDR 2003, 288; OLG Brandenburg, Beschl. v. 07.07.2003, 13 U 31/03, MDR 2003, 1261; OLG Celle, Beschl. v. 16.10.2002, Az.: 2 U 110/02, NJW 2003, 2755; Zöller-Gummer/Hessler, ZPO, 24. Aufl., § 524 Rdnr. 44, Baumbach/Albers, ZPO, 62. Aufl., § 524 Rdn. 22; Rimmelspacher in: MünchKomm, ZPO, Aktualisierungsband, § 524 Rdnr. 64 Pape, NJW 2003, 1150; abweichend: OLG Hamburg, Beschl. v. 03.04.2003, Az.: 1 U 144/02, MDR 2003, 1251; OLG Celle, Beschl. v. 27.01.2004, Az.: 16 U 158/03, zitiert nach JURIS; Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 6.Aufl., Rdnr. 383;Hülk/Timme, MDR 2004, 14; Ludwig, MDR 2003, 670).

b) Der Senat geht mit der h.M. davon aus, dass die Anschlussberufungsführerin die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat, es also in ihre Risikosphäre fällt, wenn die Anschlussberufung infolge §§ 522 Abs. 2, 524 Abs. 4 ZPO ihre Rechtswirkungen verliert.

aa) Aus dem Wortlaut des § 524 Abs. 4 ZPO lässt sich - entgegen OLG Hamburg (a. a. O.) keine Regelung über die Kostentragung entnehmen. Es ist zwar richtig, dass im Hinblick auf die Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung die Rücknahme der Berufung und die Zurückweisung durch Beschluss gleichgestellt werden. Hieraus ergibt sich aber noch nicht zwingend ein Gleichlauf im Hinblick auf die Kostentragung.

bb) Der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs hat zu § 556 Abs. 2 Satz 4 ZPO a. F. in einer Grundsatzentscheidung vom 11.03.1981 (Az.: GSZ 1/80, BGHZ 80, 146 = NJW 1981, 1790) entschieden, dass trotz des fehlenden Einflusses des unselbständigen Anschlussrevisionsklägers auf die Annahme der Revision die Kosten der Anschließung nicht dem Revisionkläger aufzuerlegen seien, sondern vielmehr dem Anschließenden, wenn die Revision nicht angenommen wurde (§ 554b ZPO a.F.). Der Große Senat begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

(1) Es entspreche einem kostenrechtlichen Grundprinzip, dass der Unterliegende die Kosten eines erfolglos gebliebenen Angriffsmittels zu tragen habe. Dieser Grundsatz habe in zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen für verschiedenartige Rechtshandlungen und für die verschiedenen Verfahrensabschnitte seinen Ausdruck gefunden (vgl. etwa §§ 91, 91a, 92, 96, 97, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO a.F., § 566 ZPO a.F.).

(2) Unter dem kostenrechtlichen Blickwinkel sei auch die unselbständige Anschlussrevision Angriffsmittel. Wenn auch der Anschlussrevisionskläger mit seiner Anschließung kein Rechtsmittel im eigentlichen Sinne einlege, so sei entscheidend, dass er nicht nur eine Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels, sondern auch eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Gunsten erstrebe. Der Umstand, dass er zunächst bereit gewesen sei, sich mit dem ergangenen Urteil zufriedenzugeben und erst die Anfechtung durch den Gegner zum Anlass genommen habe, seinerseits sein bisher erfolglos gebliebenes Rechtsschutzbegehren weiter zu verfolgen, ändere nichts daran, dass er nunmehr eine für ihn günstige Entscheidung ohne Rücksicht auf den Erfolg des Hauptrechtsmittels erstrebe. Damit übernehme er kostenrechtlich das Risiko für den Misserfolg seines Angriffs.

(3) Der Revisionsbeklagte wisse von vornherein, dass er mit seinem Rrechtsschutzbegehren nur dann zum Zuge komme, wenn die Annahme der Revision nicht abgelehnt werde. Zwar gebe der Revisionskläger dem Revisionsbeklagten die Möglichkeit, sich auch dann, wenn er selbst nicht oder nicht mehr Revision einlegen könne, der Hauptrevision anzuschließen. Dass diese Anschließung nicht zu einer sachlichen Prüfung des Rechtsschutzbegehrens des Anschlussrevisionklägers führe, hänge aber nicht von einer in das freie Belieben des Revisionsklägers gestellten Rechtshandlung, sondern von einer Entscheidung des Revisionsgerichts ab.

(4) Schließlich würde es eine im Berufungsrechtszug unterlegene Partei in ihrer Entscheidungsfreiheit, ob sie von der ihr offenstehenden Möglichkeit der Revision Gebrauch machen wolle, in nicht vertretbarem Maße einengen, wenn sie befürchten müsste, bei Ablehnung der Annahme der Revision auch mit den Kosten einer dann sachlich nicht geprüften, möglicherweise daher aussichtslosen Anschlussrevision - mit unter Umständen sehr hohem Streitwert - belastet zu werden.

cc) Diese Grundsätze sind auch auf die Kostentragung der Anschlussberufung nach § 522 Abs. 2 ZPO n.F. anzuwenden.

Es wird nicht verkannt, dass nach § 556 ZPO in der durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz vom 17.12.1990 geänderten Fassung die Anschlussrevision auch bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses über die Annahme der Revision eingelegt und damit der Fall praktisch vermieden werden konnte, dass trotz Nichtannahme eine Kostenbelastung des Anschlussrechtsmittelführers eintrat.

Jedoch befindet sich der Anschlussberufungskläger nach neuem Recht im Ausgangspunkt in derselben Lage wie der unselbständige Anschlussrevisionskläger nach § 556 ZPO a.F.. Der Anschlussberufungskläger kann nicht abwarten, bis über die Zurückweisung der Hauptberufung entschieden ist, sondern muss vielmehr die Anschlussberufung spätestens einen Monat nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift eingelegt haben (§ 524 Abs. 2 ZPO n.F.).

Auch hier gelten die Argumente, die den Großen Zivilsenat zu seiner Entscheidung veranlasst haben, keine Ausnahme von dem kostenrechtlichen Grundprinzip zu machen, dass der Unterliegende die Kosten eines erfolglos gebliebenen Angriffsmittels zu tragen hat. Insbesondere tritt die Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung nicht aufgrund einer Entschließung des Hauptrechtsmittelführers ein, sondern ist Folge der Zurückweisung des Hauptrechtsmittels durch das Gericht. Damit entzieht nicht der Hauptrechtsmittelführer, sondern vielmehr das Gericht der Anschließung ihre Wirkung. Dies unterscheidet die Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO von der Rücknahme.

Es besteht auch kein durchgreifender Grund, den allgemeinen Grundsatz, dass die Kosten eines erfolglos eingelegten Rechtsmittels vom Rechtsmittelführer zu tragen sind, nicht anzuwenden.

Soweit in der Rechtsprechung und in der Literatur dem Berufungsführer aus Gründen der Gerechtigkeit (OLG Celle, Beschl. v. 27.01.2004, a.a.O.) oder der "Waffengleichheit" (so Hülk/Timme, a.a.O.) die Kosten auch der Anschlussberufung auferlegt werden sollen, ist dem nicht zu folgen.

Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten des Anschlussberufungsführers bewusst eingeschränkt. Dazu zählen auch die kostenrechtlichen Folgen. Es kann nicht unterstellt werden, dass dem Gesetzgeber, der eine klare Regelung zur Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung im Fall der Zurückweisung der Hauptberufung nach § 522 Abs. 2 ZPO getroffen hat (§ 524 Abs. 4 ZPO), die kostenrechtliche Problematik verborgen geblieben ist. Deshalb kann eine Ausnahme von dem generellen kostenrechtlichen Grundprinzip nicht damit begründet werden, dass der Anschlussrevisionskläger nach § 556 ZPO in der Fassung des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 17.12.1990 das Kostenrisiko habe vermeiden können (so OLG Hamburg, a.a.O.).

c) Vorliegend unterliegt der Kläger mit 6.500/10.678,74 (ca. 61 %) und die Beklagte mit 4.178,74/10.678,74 (ca. 39 %).

2. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 14, 12 GKG i. V. m. § 3 ZPO.

Den Wert der Anschlussberufung bemisst der Senat mit 4.178,74 EUR. Neben dem Zahlungsantrag (Verurteilung in Höhe von 1.678,74 EUR) ist der Wert des Feststellungsantrags mit 2.500,- EUR anzusetzen. Der Wert der Berufung beträgt 6.500,- EUR (7.500,- EUR abzgl. 1.000,- EUR).

Ende der Entscheidung

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