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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 04.01.2006
Aktenzeichen: 8 U 1558/05
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 313a Abs. 1 Satz 1
EGZPO § 26 Nr. 8 Satz 1
BGB § 311 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 280 Abs. 1 Satz 1
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1 Satz 2
BGB § 278
1. Der Verkäufer (hier: einer Heizungsanlage zu Selbstaufbau) muss den Käufer über die Auswirkungen einer von ihm abgegebenen (Vertrags-)Erklärung aufklären, wenn dieser - für den Verkäufer erkennbar - irrtümlich davon ausgeht, die Unterschrift unter eine vom Verkäufer vorgelegte Urkunde schaffe noch keine vertragliche Bindung, sondern sichere ihm lediglich den in Aussicht gestellten "Messerabatt". Das gilt insbesondere dann, wenn der Verkäufer diesen Irrtum, wenngleich nur fahrlässig, mitverursacht hat.

2. Verletzt der Verkäufer diese Aufklärungspflicht, so steht dem Kunden ein Schadensersatzanspruch zu, den er einem etwaigen Anspruch des Verkäufers auf Schadensersatz statt der Leistung entgegenhalten kann.


Oberlandesgericht Dresden

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 8 U 1558/05

Verkündet am 04.01.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2005 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richter am Oberlandesgericht Dr. Ross und Richter am Landgericht Müseler

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 03.08.2005 - 4 O 4711/04 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

- Streitwert der Berufung: 7.929,72 EUR -

Gründe:

I.

Von den Darstellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch wegen der verweigerten Abnahme der in dem "Auftrag" vom 15.02.2004 (Anlage K 1, Bl. 9 dA) bezeichneten Heizungsanlage. Dabei kann dahinstehen, ob dieser "Auftrag" einen wirksamen Kaufvertrag darstellt und ob der Beklagte von diesem Vertrag wirksam zurückgetreten ist oder ihn wirksam angefochten hat. Denn jedenfalls kann der Beklagte einem etwaigen Schadensersatzanspruch der Klägerin einen eigenen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegenhalten. Gemäß §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann derjenige die Rückgängigmachung eines ihm lästigen Vertrages verlangen und einem aus diesem Vertrag vom anderen Teil hergeleiteten Anspruch ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht entgegenhalten, der diesen Vertrag nur infolge einer Aufklärungspflichtverletzung des anderen Teils abgeschlossen hat, bei pflichtgemäßer Aufklärung also einen Vertragsschluss nicht vorgenommen hätte (vgl. Stadler in Jauernig, BGB, 11. Aufl. 2004, § 311 Rn. 56, 62 m.w.N.). Die Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruches des Beklagten liegen hier vor.

Die Klägerin hat ihre Aufklärungspflicht gegenüber dem Beklagten verletzt, wobei sie sich das Verschulden der von ihr eingeschalteten Handelsvertreter W und S zurechnen lassen muss.

1. Die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, wie sie im vorliegenden Fall am 15.02.2004 am Messestand der Klägerin zwischen dieser, vertreten durch die genannten Handelsvertreter, und dem Beklagten zustande kam, begründet gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB. Zu diesen Pflichten gehört auch die Pflicht des einen Teils zur Aufklärung des anderen Teils über die Auswirkungen der abzugebenden Erklärung, wenn Letzterer sich erkennbar im Irrtum über diese Auswirkungen befindet (vgl. BGH, NJW 1999, 2814); das gilt insbesondere dann, wenn der eine Teil diesen Irrtum, und sei es auch nur fahrlässig, mit verursacht hat (vgl. Emmerich in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl. 2003, § 311 Rn. 117 m.w.N.).

2. Diese Pflicht hat die Klägerin verletzt, indem sie den Beklagten nicht darauf hingewiesen hat, dass die Unterzeichnung des "Auftrages" (Anlage K 1, Bl. 9 dA) ihn zur Abnahme der Heizungsanlage verpflichtete, obwohl sie erkennen musste, dass der Beklagte davon ausging, die Unterzeichnung des "Auftrages" sichere ihm lediglich den "Messerabatt" und er könne hiervon ohne weiteres wieder Abstand nehmen, und obwohl sie zu diesem Irrtum des Beklagten durch das Verhalten ihrer Handelsvertreter W und S beigetragen hatte.

a) Die genannten Handelsvertreter mussten den oben aufgezeigten Irrtum des Beklagten erkennen. Denn der Beklagte hat unmittelbar vor Unterzeichnung des "Auftrages" am 15.02.2004 diesen gegenüber geäußert, er wolle sich noch andere Angebote einholen, um einen Preisvergleich mit anderen Anbietern vornehmen zu können. Die Einholung weiterer Angebote wäre aber von vornherein sinnlos gewesen, wenn der Beklagte angenommen hätte, sich bereits durch die Unterzeichnung des "Auftrages" zur Abnahme einer Heizungsanlage zu verpflichten. Dass der Beklagte sich in dieser Weise geäußert hat, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Die Zeugen K und R haben übereinstimmend sowohl in ihrer Vernehmung vor dem Landgericht am 09.02.2005 als auch vor dem Senat am 30.11.2005 eine solche Äußerung des Beklagten am 15.02.2005 unmittelbar vor Unterzeichnung des "Auftrages" bestätigt. Der Zeuge K hat überdies bekundet, der Beklagte habe darauf hingewiesen, er wolle sich den Rabatt sichern. Die Zeugen hatten auch Gelegenheit, die Geschehnisse am Messestand der Klägerin tatsächlich wahrzunehmen. Denn unstreitig waren beide bei den entsprechenden Gesprächen zugegen. Für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen spricht überdies, dass die Zeugin S einen Hinweis des Beklagten auf die beabsichtigte Einholung weiterer Angebote dadurch bestätigt hat, dass sie bekundete, "das sage an sich jeder Kunde". Der Zeuge W hat eine solche Äußerung des Beklagten zumindest nicht in Abrede gestellt. Er hat vielmehr ausgesagt, sich nicht mehr erinnern, eine solche Äußerung aber auch nicht ausschließen zu können. Dass die Zeugen W und S den Beklagten auf die Verbindlichkeit seiner Unterschrift und damit auf seinen Irrtum hingewiesen hätten, behauptet die Klägerin nicht und wurde auch von keinem der Zeugen bekundet. Der Zeuge K hat lediglich ausgesagt, sich an eine Reaktion der Zeugen W und S nicht erinnern zu können. Die Zeugin R hat bekundet, sie denke, das werde so was gewesen sein, wie "das ist kein Problem".

b) Die Zeugen W und S haben auch am Entstehen dieses Irrtums des Beklagten mitgewirkt.

aa) Auf die Frage des Zeugen K , der unstreitig auf Seiten des Beklagten an dem Verkaufsgespräch teilnahm, was geschehe, wenn der Beklagte das Haus, für das die Heizungsanlage bestimmt sei, gar nicht erwerbe, äußerte der Zeuge W lediglich, die Anlage könne problemlos an einen Dritten weitergeleitet werden; dafür gebe es reichlich Interessenten. Das steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ebenfalls fest. Die Zeugen R und K haben den Gesprächsverlauf übereinstimmend so dargestellt. Auch wenn beide Zeugen dem Beklagten persönlich verbunden sind, der Zeuge K als Freund und die Zeugin R als Verlobte, bestehen gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen keine durchgreifenden Bedenken. So haben beide Zeugen den Eindruck vermittelt, um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht zu sein. Erinnerungslücken haben die Zeugen offen gelegt; die Zeugin R hat von sich aus eingeräumt, an dem Gespräch zu Beginn noch nicht teilgenommen zu haben und erst später dazugestoßen zu sein. Die Glaubhaftigkeit der genannten Aussagen wird, abgesehen von ihrer inneren Schlüssigkeit und ihrem Detailreichtum, auch dadurch unterstützt, dass es für den Beklagten und die Zeugen K und R ausgesprochen nahe lag nachzufragen, was geschehen solle, wenn es nicht zum Hauskauf kommen sollte. Denn tatsächlich befand sich der Beklagte damals lediglich in Kaufverhandlungen über ein Haus, die im Übrigen später scheiterten. Die Zeugen W und S haben demgegenüber an das Gespräch keine konkreten Erinnerungen mehr gehabt. So hat der Zeuge W bekundet, er könne sich nicht erinnern, dass die Frage, was bei einer Abstandnahme vom Hauskauf passieren solle, angesprochen worden sei; er wisse nicht, wie das in diesem Fall gewesen sei. Die Zeugin S hat ebenfalls ausgesagt, sich an eine solche Frage nicht erinnern zu können. Beide Zeuge haben stattdessen darauf verwiesen, sie hätten von einem Auftrag abgesehen oder es in dem Auftrag vermerkt, wenn klar gewesen wäre, dass der Beklagte noch kein Haus erworben habe. Daraus wird deutlich, dass die Zeugen W und S sich allein auf ihre schriftlichen Unterlagen, nicht aber auf eine konkrete Erinnerung stützen können. Angesichts der Vielzahl von Gesprächen, die beide Zeugen im Laufe eines Jahres über den Verkauf von Heizungsanlagen der Klägerin führen, ist dies auch ohne weiteres nachvollziehbar.

Durch den Hinweis auf die Möglichkeit der problemlosen Weitergabe der Anlage an einen Dritten musste für den Beklagten der Eindruck entstehen, er könne aus dem "Auftrag" ohne weiteres wieder aussteigen. Dabei kann dahinstehen, ob der Zeuge W , wie die Zeugen R und K in ihrer Vernehmung vor dem Senat bekundet haben, tatsächlich geäußert hat, er selbst könne diese Weitervermittlung vornehmen. Der Hinweis auf die Weitervermittelbarkeit der Anlage war umso irreführender, als der Zeuge W nach eigenem Bekunden nicht einen einzigen Fall erlebt hat, in dem es zu einer solchen Weitergabe gekommen wäre. Überdies hätte die Anlage nach dem Bekunden des Zeugen W überhaupt nur von einem solchen Dritten übernommen werden können, der seinen Wohnsitz in einem Postleitzahlengebiet hat, in dem bislang keine solche Anlage mit Werbepartnervereinbarung, wie sie der Beklagte mit der Klägerin als Voraussetzung für die Rabattierung abgeschlossen hat, vorhanden ist. Hierauf haben die Zeugen W und S den Beklagten nach dem übereinstimmenden Bekunden der Zeugen K und R aber nicht hingewiesen. Der Zeuge W hat vielmehr bestätigt, dass er auch dann, wenn der Beklagte gefragt hätte, was im Falle des Scheiterns der Kaufverhandlungen über das Haus geschehe, lediglich auf die Möglichkeit der Weitergabe an einen Dritten, nicht aber auf die Beschränkung auf ein bestimmtes Postleitzahlengebiet hingewiesen hätte, da er dies für selbstverständlich halte.

bb) Auch das Auftragsformular (Anlage K 1, Bl. 9 dA) und die dazu dem Beklagten von den Zeugen W und S gegebenen Erläuterungen waren dazu angetan, dessen Irrtum bezüglich der Verbindlichkeiten des "Auftrages" zu fördern. So enthält das Auftragsformular die Regelung, ab Bestelldatum gebe es eine zweijährige Preisgarantie; die Zahlung habe bei Lieferung zu erfolgen, deren "unverbindlicher" Termin auf "ca. 2/2006" bestimmt werde. Aus diesem Formular konnte sich der Eindruck ergeben, durch die Unterschrift werde lediglich der (rabattierte) Preis auf zwei Jahre gesichert, während es angesichts der Unverbindlichkeit des Auslieferungstermins und der erst an die Auslieferung geknüpften Zahlungspflicht dem Auftraggeber letztlich freistehe, wann und ob überhaupt er die Anlage abnehme. Diese Unsicherheit wurde noch dadurch gesteigert, dass die Zeugen W und S dem Beklagten erläuterten, er müsse die Anlage keineswegs im Laufe von zwei Jahren abnehmen; wenn er sie erst später, etwa nach drei Jahren, abnehme, könne sich aber der Preis erhöhen. Den entsprechenden Gesprächsverlauf hat die Zeugin S bekundet. Auch aus den von ihr übergebenen Notizen zu dem Verkaufsgespräch vom 15.02.2004 (Bl. 233 dA) ergibt sich, dass die Frage angesprochen wurde, wie es sich mit dem auf zwei Jahre bestimmten Festpreis nach drei Jahren verhalte. Bis wann aber die Heizungsanlage spätestens vom Beklagten abzunehmen war, ergab sich weder aus dem "Auftrag", noch aus dem Inhalt des Verkaufsgespräches im Übrigen. So hat die Zeugin S , die ständig für die Klägerin als Handelsvertreterin tätig ist, selbst bekundet, die Heizungsanlage könne zwar auch erst nach drei Jahren und damit nach dem unverbindlichen Liefertermin, dann allerdings mit Preisaufschlag, abgenommen werden; was aber im vierten Jahr sei, wisse sie selbst nicht, weil sie das "noch nicht gehabt" habe.

Dementsprechend haben auch die Zeugen K und R übereinstimmend bekundet, ihr eigener, aus dem Verkaufsgespräch gewonnener Eindruck sei gewesen, dass durch die Unterschrift unter den Auftrag die besonderen Messekonditionen gesichert werden konnten, ohne dass der Beklagte die Verpflichtung übernehmen sollte, auch dann, wenn der in Aussicht genommene Hauskauf scheitern sollte, die Heizungsanlage abzunehmen.

3. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, hat die Klägerin, die insoweit gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB darlegungs- und beweisbelastet ist, weder vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich. Das Verschulden der von ihr eingeschalteten Handelsvertreter W und S muss sich die Klägerin gemäß § 278 BGB zurechnen lassen (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl. 2006, § 84 Rn. 53 ff. m.w.N.).

4. Der Beklagte hat infolge dieser Aufklärungspflichtverletzung auch einen Vermögensschaden erlitten. Dazu ist es ausreichend, dass der Vertrag ihm lästig ist und er diesen bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht abgeschlossen hätte (vgl. Emmerich in Münchener Kommentar, a.a.O., § 311 Rn. 120; Stadler, a.a.O.). Dafür, dass der Beklagte den Vertrag bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht abgeschlossen hätte, besteht eine Vermutung (vgl. Stadler, a.a.O., § 280 Rn. 29 m.w.N.), zu deren Widerlegung Anhaltspunkte weder von der Klägerin vorgetragen wurden noch sonst ersichtlich sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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