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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 04.02.2005
Aktenzeichen: 8 U 2184/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
Zu den Beratungspflichten einer Bank bei Anlagen in Aktienfonds.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 8 U 2184/04

Beschluss

des 8. Zivilsenats vom 04.02.2005

In dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatz aus Anlageberatung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richterin am Oberlandesgericht Haller und Richter am Oberlandesgericht Bokern

beschlossen:

Tenor:

1. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.02.2005 wird aufgehoben.

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da er ihr keine Aussicht auf Erfolg beimisst. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 ZPO).

3. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

Angesichts der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch den Senat mag sie zur Vermeidung eines kostenpflichtigen Zurückweisungsbeschlusses die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

Gründe:

I.

Die 1952 geborene Klägerin begehrt - ähnlich wie ihre Tochter T S im Parallelverfahren 8 U 2185/04 (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tag) - Schadensersatz wegen Beratungspflichtverletzungen. Sie tätigte in den Jahren 1998 bis 2000 drei Investitionen in die DynamikDepots "Wachstum", "Chance" und "ChancePlus" der Deka Bank Luxemburg. Die beklagte Sparkasse vermittelte ihr die Anlagen. Den erlittenen Schaden beziffert die Klägerin auf 19.518,92 Euro (Depotverluste insgesamt: 8.414,98 Euro, Bl. 8 d.A., bzw. 8.414,46 Euro, Bl. 6 d.A., bzw. 8.414,53 Euro richtige Addition; entgangener Zinsertrag aus hypothetischer Anlage im DynamikDepot "Ertrag": 11.103,94 Euro). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung.

II.

Das Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht eine Pflichtverletzung der Beklagten verneint. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung sind im Ergebnis unbegründet.

1. Wie der Bundesgerichtshof im Bond-Urteil (BGHZ 123, 126) grundlegend ausgeführt und in der Fokker-Entscheidung (WM 2000, 1441) zusammenfassend bestätigt hat, hängen Inhalt und Umfang der Beratungspflichten, die das Kreditinstitut gegenüber dem anlageinteressierten Kunden treffen, maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend sind regelmäßig einerseits - anlegerbezogen - der Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft, wobei das vom Kunden vorgegebene, ggf. zu erfragende Anlageziel zu berücksichtigen ist, und andererseits - anlagebezogen - die allgemeinen Risiken, wie etwa Konjunkturlage und Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken aufgrund besonderer Gegebenheiten des Anlageobjektes. Über diese Umstände hat die Bank richtig, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten, soweit sie für das konkrete Anlagegeschäft von Bedeutung sind.

2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte keine Beratungspflichten verletzt.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts stufte sich die Klägerin gegenüber der Beklagten am 20.05.1998 selbst als risikobewusst ein. Hieraus durfte die Beklagte Schlüsse ziehen und ihre Anlageempfehlungen daran ausrichten. Die ausdrücklich verlautbarte Risikobereitschaft sagte zwar kaum etwas über vorhandenes Wissen um spezielle Risiken einer bestimmten Geldanlage aus. Wohl aber brachte die Klägerin damit zum Ausdruck, dass sie bereit war, bei den angestrebten Geschäften Verlustrisiken hinzunehmen. Wenn im Erhe-bungsbogen außerdem im Zusammenhang mit der Erfragung der Risikobereitschaft handschriftlich vermerkt ist: "Streuung der Kapitalanlagen wg. Schwankungsmöglichkeiten der Preise, insbesondere beim Aktienfonds", so konnte die Klägerin dem ohne weiteres das Bestehen von Risiken gerade bei Kapitalanlagen in Aktienfonds entnehmen.

b) Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass allein von der Selbsteinstufung der Klägerin - entgegen der Auffassung des Landgerichts - noch nicht auf unbedenkliche, dem Anlageziel der Klägerin entsprechende Anlagen in risikoreichen Depottypen geschlossen werden kann. Zum einen hatte die Klägerin die erste der hier interessierenden Anlagen (15.000,00 DM im DynamikDepot "ChancePlus" am 20.04.1998) bereits einen Monat vorher getätigt. Zum anderen besagt allein die erklärte Risikobereitschaft nur wenig über das tatsächliche Anlagewissen und die Ziele des Anlegers. Dennoch lässt sich hinsichtlich aller drei getätigten Anlagen keine relevante Pflichtverletzung feststellen. Mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte - die Klägerin selbst behauptet nicht, ein anderes Anlageziel vorgegeben zu haben - ist von dem Vorbringen der Beklagten auszugehen, die Anlagen in den DynamikDepots (15.000,00 DM am 20.04.1998 "ChancePlus"; 50.000,00 DM am 03.02.1999 "Wachstum"; 37.433,51 DM am 21.11.2000 "Chance") hätten dem langfristigen Vermögensaufbau gedient; diese Zielsetzung kommt auch in dem Erhebungsbogen vom 20.05.1998 ("Aktienfonds (langfristig)") sowie in den späteren Gesprächsunterlagen vom 20.01.2000 ("Fondsanlage als langfristiger Vermögensaufbau") und vom 16.05.2000 ("grundsätzlich langfristig") zum Ausdruck. Zu diesem Zweck waren die empfohlenen, nicht hochspekulativen Anlagen grundsätzlich geeignet. Hinsichtlich des besonders risikoreichen DynamikDepots "Chance Plus" mag die Eignung im Ausgangspunkt zweifelhaft sein. Allerdings kann insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich um einen vergleichsweise geringen Anlagebetrag (15.000,00 DM) handelte, der zudem aus reinen Kursgewinnen einer Anlage von 30.000,00 DM im DynamikDepot "Wachstum" vom 11.04.1995 aufgebracht wurde (vgl. Anlage B 2; Klageerwiderung S. 2/3).

Vergeblich hebt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen in erster Instanz hervor, sie habe in Wirklichkeit eine sichere Anlage gewünscht. Diesen Wunsch hätte sie gegenüber der Sparkassenangestellten (Frau P , jetzt L ) äußern müssen. Dies getan zu haben, behauptet sie nicht. Nach dem gezeigten Anlageverhalten und der aus den Beratungsunterlagen ersichtlichen Selbsteinstufung der Klägerin konnte die Mitarbeiterin der Beklagten nicht von einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis ausgehen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie die sonstigen persönlichen Verhältnisse der Klägerin legten dies ebenfalls nicht besonders nahe.

c) Auch im Übrigen sind keine Beratungsfehler ersichtlich. Eine Belehrung über das sehr unwahrscheinliche Risiko des Totalverlustes der Anlagen schuldete die Beklagte nicht. Der Senat macht sich insoweit die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts zu Eigen. Die verschiedenen im Laufe der Zeit von der Klägerin erhobenen Angaben, die aus den vorgelegten Beratungsunterlagen ersichtlich sind, mögen - ebenso wie bei der Tochter - nicht in jedem Punkt stimmig und folgerichtig sein. Sie enthalten aber jedenfalls im maßgeblichen Kern keine derart auffälligen Widersprüche, dass für die Beklagte ersichtlich Anlass zu weiterer Nachfrage und anders lautenden Ratschlägen bestanden hätte. Ferner war die Beklagte unabhängig davon, dass sie der Klägerin jedenfalls im Mai 2000 - also lange vor der Entscheidung im November 2000, mehr als 37.000,00 DM im DynamikDepot "Chance" neu anzulegen und die im April 1998 sowie im Februar 1999 investierten 15.000,00 DM bzw. 50.000,00 DM in den beiden anderen Depottypen zu belassen - eine Informationsbroschüre "Basisinformationen Vermögensanlage Investmentfonds" mit umfangreicher Risikoaufklärung übergab, nicht verpflichtet, im Einzelnen über die Funktionsweise und spezielle Besonderheiten der ausgewählten Anlagen zu unterrichten. Es genügten bereits die in den Depoteröffnungsanträgen und in dem Erhebungsbogen vom 20.05.1998 erteilten allgemeinen Risikohinweise auf steigende und fallende Preise der in Aussicht genommenen Anlagen. Außerdem war der Klägerin bewusst, dass die Depottypen "Wachstum", "Chance" und "ChancePlus" in der Risikobewertung - bei jeweils steigendem Risiko - ungünstiger zu beurteilen waren als die eher auf Sicherheit ausgerichteten Depottypen "Ertrag" und "ErtragPlus". Ob die Beklagte schließlich vor der Anlage im DynamikDepot "Chance" (21.11.2000) auf den vorangegangenen Abwärtstrend aufmerksam gemacht hatte, bedarf keiner Aufklärung. Über einen negativen Trend hätte sie nur dann informieren müssen, wenn dieser mit einiger Wahrscheinlichkeit einen weiteren ungünstigen Verlauf und nicht ebenso gut, wie nach einem Nachgeben der Kurse häufig der Fall, einen künftigen Kursanstieg hätte erwarten lassen. Hierfür fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Immerhin war die Abwärtsbewegung nicht annähernd so kräftig wie der - aus dem Parallelverfahren bekannte - Anstieg, der in diesem Depottyp seit Mitte 1999 zu verzeichnen war. Richtig hat das Landgericht auch darauf abgehoben, dass im Herbst 2000 die Prognose, eine "Spekulationsblase" beginne zu platzen, keineswegs allgemein anerkannt war.

Ende der Entscheidung

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