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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 24.11.1999
Aktenzeichen: 8 U 2958/99 (2)
Rechtsgebiete: ZPO, GVG, AGBG, PsychThG


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 4 Abs. 1
ZPO § 10
ZPO § 138 Abs. 4
ZPO § 156
ZPO § 296a
ZPO § 283 Satz 1
ZPO § 286 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
GVG § 23 Nr. 1
AGBG § 11 Nr. 12 Buchst. a
AGBG § 9
PsychThG § 5
PsychThG § 2
1. Das Psychotherapeutengesetz vom 16.06.1998 hat die Geschäftsgrundlage vor diesem Zeitpunkt abgeschlossener Direktunterrichtsverträge, die den Erwerb einer staatlichen Heilpraktikererlaubnis auf dem Gebiet der Psychotherapie ermöglichen soll(t)en, regelmäßig nicht entfallen lassen. Vorrangig sind vielmehr die allgemeinen Regeln zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen heranzuziehen.

2. Allein der Umstand, dass dem Auszubildenden das Führen der Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" verwehrt sein wird, rechtfertigt keine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund.

OLG Dresden, 8. Zivilsenat, Urteil vom 24. November 1999, Az. 8 U 2958/99


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 8 U 2958/99 4 O 333/99 LG Chemnitz

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 24. November 1999

Die Urkundsbeamtin: Schwarze Justizsekretärin

In dem Rechtsstreit

...GmbH, vertr.d.d. Geschäftsführer,

-Klägerin/Berufungsklägerin-

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt,

gegen

B.,

-Beklagte/Berufungsbeklagte-

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt,

wegen Schulgebühren

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1999 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richter am Amtsgericht Bokern und Richter am Landgericht Kadenbach

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 9. September 1999 unter Aufhebung im Kostenpunkt und Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise

abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.666,67 DM nebst 4 % Zinsen aus 10.000,00 DM vom 14. Februar 1998 bis zum 30. November 1998 und aus 4.666,67 DM seit dem 1. Dezember 1998 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zu 3/5, der Beklagten zu 2/5 zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beschwer der Klägerin beträgt 5.333,33 DM, die der Beklagten 4.666,67 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin ist nach eigener Werbung "Europas größtes Ausbildungsinstitut für Naturheilkunde und Psychotherapie". Sie nimmt die 37jährige Beklagte, unverheiratete Mutter von drei Kindern im Alter von 6, 8 und 10 Jahren, auf Bezahlung von 10.000,00 DM Studiengebühren in Anspruch. Eine entsprechende (Vorauszahlungs-)Pflicht übernahm die Beklagte am 06.10.1997 als Gegenleistung für die 30 Monate dauernde "DPS-Ausbildung Psychologischer Berater / Psychotherapeut". Im von beiden Seiten unterzeichneten Vertragsformular ist die Variante "Seminarausbildung mit Leihe des Videolehrprogramms" angekreuzt. Die Aufnahme der Studien am Standort C. sollte am 07.10.1997 erfolgen. Zuvor war die Beklagte, die über einen Abschluss der 10. Schulklasse und eine Drogistenlehre verfügt, 12 Jahre lang als kaufmännische Angestelle berufstätig gewesen. Gegenwärtig ist sie arbeitslos.

Die Parteien streiten darum, ob das am 01.01.1999 in Kraft getretene Psychotherapeutengesetz vom 16.06.1998 (PsychThG; BGBl. 1998 I S. 1311) dem Ausbildungsvertrag die Grundlage entzogen hat. Das Landgericht hat dies bejaht und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Hauptforderung nebst 10,5 % Zinsen seit dem 14.02.1998, nicht aber den Nebenanspruch auf Erstattung von Mahnkosten weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

I.

Zu Unrecht hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Der Klägerin steht aus dem Ausbildungsvertrag ein Anspruch auf Zahlung von 4.666,67 DM zu.

1. Das Ausgangsgericht hat seine - erstinstanzlich von der Beklagten gerügte - sachliche Zuständigkeit bejaht, obwohl nach seiner eigenen Einschätzung Gegenstand der Klageforderung in der Hauptsache stets (nur) ein Zahlungsanspruch von genau 10.000,00 DM gewesen ist. Ob seiner Auffassung beigepflichtet werden könnte oder ob in Wirklichkeit die Zuständigkeit des Amtsgerichte begründet war (§§ 3, 4 Abs. 1 ZPO; § 23 Nr. 1 GVG), kann offen bleiben. Auf eine fehlerhafte Entscheidung in diesem Punkt ließe sich die Berufung nicht stützen, § 10 ZPO.

2. Das Landgericht und die Parteien erörtern nicht ausdrücklich, ob zwischen den Parteien ein Ausbildungsvertrag wirksam zustande gekommen ist. Die Frage ist zu bejahen.

a) Besondere Schutzvorschriften, die die Wirksamkeit der Vertragserklärung der Beklagten von der Einhaltung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht hätten, greifen im Streitfall nicht ein. Weder das "Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht" vom 24.08.1976 (FernUSG; BGBl. I S. 2525) noch das Verbraucherkreditgesetz erfassen unmittelbar oder in entsprechender Anwendung den Direktunterrichtsvertrag der Parteien. Der Anwendungsbereich des letztgenannten Gesetzes wäre im Übrigen selbst dann nicht eröffnet, wenn die Klägerin mit der Beklagten keine Einmalzahlung von 10.000,00 DM, sondern eine im Vertragsformular als Regelfall vorgesehene Ratenzahlung vereinbart hätte, deren Gesamtumfang deutlich über 10.000,00 DM hinaus gegangen wäre (eingehend BGH NJW 1996, 457; NJW-RR 1996, 1266).

b) Die Klägerin hat der Beklagten im Vertragstext ein Widerrufsrecht eingeräumt. Es lautet:

"Mir ist bekannt, daß ich den Antrag innerhalb einer Woche durch Schreiben an die [Name und Anschrift der Klägerin] widerrufen kann. Zur Wahrung der Frist (Fristbeginn nach Aushändigung dieser Urkunde) genügt die rechtzeitige Absendung."

Die Beklagte macht nicht geltend, sie habe ihren Antrag binnen Wochenfrist nach dem 06.10.1997 widerrufen. Die - insoweit darlegungsbelastete - Klägerin hat im Prozess zwar zunächst ihrerseits nicht behauptet, sie habe den Fristenlauf seinerzeit durch Aushändigung der Vertragsurkunde überhaupt in Gang gesetzt. Auf entsprechende Frage des Senates an die Parteien, die bis dahin auf das vertragliche Widerrufsrecht nicht eingegangen waren, hat die Beklagte indessen selbst eingeräumt, bei Unterschriftsleistung am 06.10.1997 das für sie bestimmte "Blatt 3 grün = Antragsteller" erhalten zu haben.

3. Ist ein wirksamer Vertragsabschluss zu bejahen und damit ein Anspruch der Klägerin dem Grunde nach (zunächst) entstanden, so kommt der Rückgriff auf die Regeln zum nachträglichen Wegfall oder der wesentlichen Veränderung der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht. Der Streitfall ist unter Heranziehung der vorrangigen allgemeinen (Kündigungs-)Regeln zu entscheiden. Bei deren Anwendung ergibt sich, dass ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 4.666,67 DM besteht.

a) Die Studienbedingungen der Klägerin sehen unter dem fettgedruckten Stichwort "Kündigung" vor:

"Eine ordentliche Kündigung ist nach 12 Monaten zum Ablauf des 14. Monats, und nach 22 Monaten zum Ablauf des 24. Monats möglich. Ansonsten ist eine Kündigung nur aus wichtigem Grunde möglich. Das Kündigungsschreiben ist nur an die Zentrale in ... zu richten..."

Diese Kündigungsbestimmungen vermeiden nicht nur einen Verstoß der vorformulierten zweieinhalbjährigen Laufzeitregelung gegen § 11 Nr. 12 Buchst. a AGBG, sondern halten auch selbst einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 9 AGBG stand. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das ordentliche Kündigungsrecht erstmals mit Wirkung nach 14 Monaten ausgeübt werden kann (vgl. BGHZ 90, 280; 120, 108; zuletzt KG MDR 1994, 348; OLG Celle NJW-RR 1995, 1465; OLG Köln MDR 1998, 1212, allesamt für Direktunterrichtsverträge). Eine unangemessen lange Bindung der Studienteilnehmer ergibt sich daraus nicht. Zum einen räumt ihnen die Klägerin das Recht ein, einen nicht sorgfältig überlegten Studienantrag zu überdenken und gegebenenfalls zu widerrufen. Darüber hinaus besteht ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse der Klägerin an einer längerfristigen Bindung, da ihr Geschäftsbetrieb mit erheblichen Aufwendungen verbunden und sie deshalb auf eine gesicherte Kalkulationsgrundlage angewiesen ist. Außerdem kann die angebotene Ausbildung nur bei einer kontinuierlichen, längerfristigen Teilnahme der Auszubildenden zu sinnvollen Ergebnissen führen. Hiervon profitieren nicht zuletzt die Kursteilnehmer selbst. Unter all diesen Umständen benachteiligt sie die Möglichkeit, sich frühestens nach Ablauf von 14 Monaten - dem Ende des Basislehrgangs - vom Vertrag zu lösen, nicht über Gebühr.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Beklagte den Vertrag (zumindest) zum 30.11.1998 vorzeitig beenden konnte; zu diesem Zeitpunkt waren 14 Monate seit Aufnahme der Studien zu Beginn des vierten Quartals 1997 verstrichen. Dass sie zum 30.11.1998 eine Kündigung tatsächlich ausgesprochen hat, steht im Ergebnis der mündlichen Verhandlung fest:

Ausführlich hat die Beklagte dem Senat erläutert, dass sie, nachdem sie die Abendkurse in C. zunächst bis Ende Januar 1998 besucht habe, durch den Konkurs ihres Bruders in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei. Sie habe deswegen die weitere Teilnahme an den Seminaren erst einmal unterbrochen. Parallel habe sie versucht, eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Klägerin zu treffen, was allerdings gescheitert sei. In der Folgezeit habe sie im Deutschlandfunk von dem Psychotherapeutengesetz gehört und für sich den Entschluss gefasst, dass die Ausbildung unter diesen Umständen sinnlos sei. Sie habe dann auch der Klägerin schriftlich mitgeteilt, dass sie zu einer Einigung, aber nur auf der Grundlage der Bezahlung der tatsächlich besuchten Veranstaltungen, bereit sei und keinesfalls weiter an der Ausbildung teilnehmen werde. Das Schreiben habe sie lange vor Erhalt des Mahnbescheides an die Klägerin geschickt. Wann genau, könne sie beim besten Willen nicht mehr sagen oder auch nur ungefähr angeben. Auch mit Hilfe ihrer Unterlagen könne sie dies nicht mehr in Erfahrung bringen, da die Festplatte ihres Computers, auf der das Schreiben gespeichert gewesen sei, zwischenzeitlich einen "Absturz" erlitten habe.

Diesen nachvollziehbaren und glaubhaften Schilderungen ist zweierlei zu entnehmen:

In rechtlicher Hinsicht lässt sich das erwähnte Schreiben zwanglos als Kündigung werten. Dass es der Klägerin zugegangen ist, hat diese durch ihren Prozessbevollmächtigten nicht ausreichend, nämlich lediglich mit Nichtwissen bestritten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Erheblich wäre allenfalls ein solches Bestreiten gewesen, wie es der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im nachgereichten Schriftsatz vom 15.11.1999 formuliert hat. Dieses Bestreiten nach Schluss der mündlichen Verhandlung kann jedoch, da nicht von einem Schriftsatzrecht gemäß § 283 ZPO gedeckt, keine Berücksichtigung mehr finden, § 296a ZPO. Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) besteht nicht. Zum einen hätte die Klägerin durch Befolgen der Anordnung des persönlichen Erscheinens die angestrebte Sachaufklärung im Termin herbeiführen können. Zum anderen hat es der Senat ihrem Prozessbevollmächtigten nicht verwehrt, zum neuen tatsächlichen Vorbringen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenenfalls das Recht zur schriftsätzlichen Äußerung zu erbitten (§ 283 Satz 1 ZPO).

In tatsächlicher Hinsicht ermöglichen die Angaben der Beklagten zwar keine exakte Festlegung des Tages oder zumindest des Monats, an dem bzw. in dem sie das Schreiben verfasst und abgesandt hat. Für sicher hält es der Senat jedoch (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass der Brief die Klägerin spätestens am 30.11.1998 erreicht hat. Diese Überzeugung stützt sich nicht zuletzt darauf, dass der Beklagten noch zuverlässig in Erinnerung war, das Schreiben nicht erst kurze, sondern geraume Zeit vor Zustellung des Mahnbescheides (14.12.1998) abgeschickt zu haben.

Nach alledem beläuft sich der Vergütungsanspruch, der der Klägerin höchstens zusteht, auf anteilige 4.666,67 DM (= 10.000,00 DM x 14 : 30).

b) Speziell im Hinblick auf die durch das Psychotherapeutengesetz veränderte Rechtslage meint das Landgericht, eine hierauf gestützte außerordentliche Kündigung der Beklagten scheitere an den Studienbedingungen der Klägerin. Dort ist unter dem Stichwort "Rechtsgrundlagen" bestimmt:

"Ziel der Ausbildung ist die Vermittlung von Grundkenntnissen der Psychotherapie und der Psychologischen Beratung. Wir weisen darauf hin, daß Personen, welche sich mit der Erkennung, Linderung und Heilung von Krankheiten beim Menschen befassen wollen, die Zulassung nach Paragraph 1 ff des Heilpraktikergesetzes bzw die ärztliche Approbation besitzen müssen. Dazu kann nach derzeitiger Rechtslage eine auf die Psychotherapie eingeschränkte Zulassung erworben werden, wobei unterschiedliche Durchführungspraktiken einzelner Bundesländer zu beachten sind. Das Institut kann keine Gewähr für den Bestand der Rechtsgrundlagen, insbesondere auch für die Berechtigung zur Führung bestimmter Berufsbezeichnungen übernehmen. Insbesondere ist eine vorzeitige Kündigung des Ausbildungsvertrages aus diesen Gründen ausgeschlossen."

Obwohl oder gerade weil danach - so die weitere Ansicht des Landgerichts - die Kündigung aus wichtigem Grund ausgeschlossen sei, könne auf die Regeln zum Wegfall der Geschäftsgrundlage zurückgegriffen werden.

Dieser rechtliche Ansatz ist unzutreffend. Geschäftsgrundlage sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien, auf denen ihr Geschäftswille aufbaut (BGHZ 121, 378, 391; zuletzt BGHZ 137, 350 = WM 1998, 1082 unter II 2 b). Ein Wegfall oder eine sonstige wesentliche Änderung dieser Geschäftsgrundlage kann im Einzelfall zu einer Vertragsanpassung berechtigen und verpflichten, so unter Umständen bei gravierenden Äquivalenzstörungen (zuletzt BGH WM 1999, 592 m.w.N.) oder in Fällen der Zweckverfehlung (zuletzt - entgegengesetzt - BGHZ 134, 152 und BGH WM 1999, 440, jeweils für nicht Vertragsinhalt gewordenen Zweck eines Erbverzichtes). Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage ist aber kein Raum, wenn nach der vertraglichen oder gesetzlichen Regelung derjenige das Risiko zu tragen hat, der sich nunmehr auf die Störung beruft (BGHZ 74, 370, 373; zuletzt BGH NJW-RR 1998, 589 unter II 1).

So liegt es hier. Die oben zitierte Vertragsklausel "Rechtsgrundlagen" verlagert das Risiko sich verändernder rechtlicher Rahmenbedingungen auf den Studienteilnehmer. Bei verständiger Auslegung verwehrt sie es ihm, sich unter Berufung auf derartige Gründe sofort vom Vertrag zu lösen. Das schließt erst recht die Möglichkeit zur Rückabwicklung des Vertrages mit Wirkung auf den Vertragsbeginn aus.

c) Damit ist noch nichts über die Wirksamkeit der Kündigungsausschlussklausel gesagt. Gerade weil die Klausel das Risiko sich wandelnder rechtlicher Rahmenbedingungen umfassend auf den Studienteilnehmer abwälzt, könnte sie ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Ob dies der Fall, die Bestimmung also gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist, bedarf freilich aus anderen Gründen keiner abschließenden Beurteilung:

Begegnet der generelle Ausschluss der Möglichkeit, fristlos zu kündigen, keinen durchgreifenden Bedenken, war es der Beklagten von vornherein verwehrt, einen Sonderkündigungsgrund aus veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen herzuleiten. Führt eine Inhaltskontrolle gemäß § 9 Abs. 1 AGBG hingegen zur Unwirksamkeit der Klausel, kam eine gravierende Veränderung der Rechtsgrundlagen zwar grundsätzlich als außerordentlicher Kündigungsgrund in Betracht. Eine derartige Veränderung hat es jedoch im Streitfall nicht gegeben, weil das Mitte 1998 verkündete Psychotherapeutengesetz das Ausbildungsverhältnis der Parteien lediglich in einem einzigen rechtlich relevanten Punkt, nämlich in der Frage der später möglichen Berufsbezeichnung der Beklagten, nachteilig berührte, dieser Umstand allein aber nicht zur fristlosen Kündigung berechtigte.

Seit dem 01.01.1999 darf sich gemäß § 1 Abs. 1 PsychThG grundsätzlich nur noch derjenige "(Psychologischer) Psychotherapeut" nennen, der ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Psychologie aufweisen kann, der danach eine mehrjährige theoretische und praktische Ausbildung bei gleichzeitiger praktischer Betätigung durchlaufen und erfolgreich mit Bestehen der staatlichen Prüfung beendet hat (§ 5 PsychThG) und der schließlich die Approbation erhalten hat (§ 2 PsychThG). Zuvor verbarg sich hinter dem "Psychotherapeuten" dagegen kein fest umrissenes geschütztes Berufsbild, sondern waren als "Psychotherapeuten" - sogar in erster Linie - Personen berufstätig, die dem jetzigen gesetzlichen Anforderungsprofil nicht mehr, teilweise nicht einmal mehr ansatzweise, genügen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Nichtannahmebeschluss vom 28.07.1999 (NJW 1999, 2730) entschieden, dass ein mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbarer Eingriff in die Berufsfreiheit der bislang als "Psychotherapeuten" Tätigen vorliegt, und zur Begründung ausgeführt:

"Durch das Gesetz werden zwei neue Heilberufe demjenigen der Ärzte in berufs- und sozialrechtlicher Hinsicht gleichgestellt. Der Gesetzgeber hat die Berufsbezeichnung "Psychologischer Psychotherapeut" gewählt, weil die Bezeichnung "Psychotherapeut" den Inhalt der Berufstätigkeit und dessen heilberuflichen Charakter zum Ausdruck bringen soll und die Hinzufügung der Bezeichnung "Psychologisch" auf die Vorbildung des Berufsangehörigen hinweisen und diese im Interesse der notwendigen Information der Patienten von psychotherapeutisch tätigen Ärzten unterscheiden soll... Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber aus diesen Gründen eine bisher nicht geschützte Berufsbezeichnung verwendet, um bestimmte Angehörige eines Berufs, die eine bestimmte Ausbildung aufweisen, klar zu kennzeichnen. Für die Therapeuten, die weiterhin nur nach dem Heilpraktikergesetz tätig werden dürfen, bleibt die Möglichkeit, auf ihre jeweiligen Spezialkenntnisse - etwa in Gesprächstherapie oder in neurolinguistischem Programmieren - hinzuweisen. Insoweit werden sich auch gängige Bezeichnungen einbürgern."

Obwohl die Beklagte demnach mit Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes keine Möglichkeit mehr hatte, sich künftig "Psychotherapeutin" zu nennen, konnte sie darauf keine außerordentliche Kündigung stützen. Denn entscheidend kommt es nicht auf die - früher diffuse und erst heute rechtlich geschützte und "aufgewertete" - Berufsbezeichnung, sondern allein darauf an, ob ihr diejenige berufliche Betätigung, für die die Ausbildung bei der Klägerin die Grundlage schaffen sollte, nach wie vor in gleicher Weise offen stand. Dies ist zu bejahen. In einem weiteren Nichtannahmebeschluss vom 28.07.1999 (NJW 1999, 2729) hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich betont, dass das Tätigkeitsspektrum von psychotherapeutisch tätigen Heilpraktikern durch das neue Gesetz nicht verändert worden ist. Diese dürfen sämtliche psychotherapeutisch bislang ausgeübte Tätigkeiten fortsetzen, sofern sie nur im Besitz einer seit jeher erforderlichen Heilpraktikererlaubnis sind. Für "auszubildende Heilpraktiker" wie die Beklagte gilt insoweit nichts anderes.

d) Rechtfertigte mithin der veränderte rechtliche Rahmen eine außerordentliche Kündigung nicht, kann auf der anderen Seite letztlich dahinstehen, ob für tatsächliche Veränderungen, die das Psychotherapeutengesetz bewirkt hat, etwas anderes gelten müsste. Wäre dies zu bejahen, hätte sich eine Kündigung zwar in jedem Falle auf einen derartigen Grund stützen lassen. Denn die Kündigungsausschlussklausel in den Studienbedingungen greift insoweit schon ihrem Wortlaut nach nicht ein. Indessen kommt es auf die Frage, ob faktisch veränderte Umstände einen Grund zur fristlosen Kündigung bedeutet hätten, deswegen nicht an, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte ihre Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem 30.11.1998 ausgesprochen hat.

aa) Hintergrund zahlreicher aktueller Rechtsstreite (vgl. OVG Hamburg NJW 1999, 2754; OVG Münster NJW 1999, 2760; weitere Nachweise bei Stock, NJW 1999, 2702 ff) und auch einer derjenigen Verfassungsbeschwerden, die Gegenstand der beiden oben zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts waren, ist ein rein wirtschaftlicher. Während die einen psychotherapeutisch Berufstätigen fürchten, in Zukunft von der Teilnahme am System der gesetzlichen Krankenversicherung gänzlich ausgeschlossen zu sein, hoffen die anderen, sogar am kassenärztlichen Versorgungssystem teilzuhaben. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu in NJW 1999, 2729 aus:

"Es ist allerdings zweifelhaft, ob überhaupt der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt wird, da ... das Kostenerstattungsverfahren durch das Psychotherapeutengesetz (nicht) verändert worden ist... Die Beeinträchtigung der bisherigen beruflichen Betätigung wird von der Beschwerdeführerin auch in erster Linie darin gesehen, dass zukünftig die Behandlung von Patienten im Kostenerstattungsverfahren zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für sie selbst faktisch ausscheide, da keine Mangellage im Bereich der psychotherapeutischen Behandlungen mehr vorhanden sein werde. Das sind allerdings tatsächliche Veränderungen; die rechtlichen Rahmenbedingungen der Kostenerstattung gemäß § 13 SGB V sind im Zusammenhang mit dem Psychotherapeutengesetz nicht verändert worden. Wenn die tatsächliche Bedeutung des Kostenerstattungsverfahrens - wie vom Gesetzgeber ausdrücklich angestrebt - zurückgehen sollte, würden die Betroffenen dadurch in ihrer Berufsfreiheit nicht verletzt... Im Übrigen reicht das Begehren der Beschwerdeführerin über die Wahrung von Bestandsschutz erheblich hinaus. Würden die bereits im Berufsfeld "Psychotherapie" tätigen Heilpraktiker ohne die im Gesetz vorgeschriebene akademische Zugangsausbildung durch eine Approbation und eine Zulassung an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt, würden ihnen weit über das bisherige Maß hinaus Einkommens- und Verdienstmöglichkeiten eröffnet."

Dass sich die Chancen von psychotherapeutisch tätigen Heilpraktikern, künftig noch einen nennenswerten Bruchteil ihrer Einnahmen - wie jedenfalls vereinzelt bislang - im Kostenerstattungs- oder im Delegationsverfahren (vgl. hierzu Stock, aaO.) zu erzielen, gravierend verschlechtert haben, unterliegt kaum einem vernünftigen Zweifel (instruktiv OVG Hamburg, aaO.). Daraus könnte die Beklagte allerdings grundsätzlich nur dann etwas für sich herleiten, wenn ihr die in Angriff genommene Ausbildung und der anschließende Erwerb einer Heilpraktikererlaubnis nicht nur die theoretische, sondern auch die - nunmehr verschlossene - realistische Möglichkeit eröffnet hätten, die (selbständige) psychotherapeutische Betätigung mittelbar von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet zu erhalten. Angesichts des beruflichen Werdegangs und des Ausbildungsprofils der Beklagten drängen sich nicht unbeträchtliche Zweifel auf, ob sie jemals den Sprung in die Selbständigkeit geschafft und vor allem ob sie bei den Krankenkassen und/oder delegierenden Ärzten die nötige Akzeptanz als geeignete Therapeutin erreicht hätte.

Gleichwohl unterstellt, die Beklagte habe die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Anlass einer fristlosen Kündigung nehmen dürfen, dürfte stichtagsbezogen auf den Tag der Verkündung des Psychotherapeutengesetzes abzustellen sein (16.06.1999). Vorher stand die Tatsache einer gesetzlichen Neuregelung mit erheblichen faktischen Auswirkungen nicht zweifelsfrei fest; andererseits wäre das spätere Inkrafttreten für die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsvertrages unerheblich. Dann errechnete sich, den unverzüglichen Ausspruch einer Kündigung vorausgesetzt, ein anteiliger Vergütungsanspruch der Klägerin von lediglich 2.833,33 DM (= 10.000,00 DM x 8,5 : 30). Dieser Betrag wäre allerdings zugleich derjenige, den die Klägerin in jedem Falle verlangen könnte.

bb) Letztlich muss der Senat zu den aufgeworfenen Fragen nicht abschließend Stellung nehmen. Die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nicht bewiesen, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem 30.11.1998 gekündigt zu haben; als feststehend kann lediglich davon ausgegangen werden, dass sie zum oder am 30.11.1998 eine Kündigung ausgesprochen hat (vgl. oben unter I 3 a). Daher hat sie sich erst mit Ablauf dieses Tages vom Ausbildungsvertrag gelöst, und zwar selbst dann, wenn es ihr von Rechts wegen früher gestattet gewesen wäre.

Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass das Bedingungswerk der Klägerin die Beklagte von einer frühzeitigeren Kündigung abgehalten hätte. Zum einen behauptet die Beklagte selber nicht, sie habe aufgrund des Inhalts der Studienbedingungen eine fristlose Kündigung für aussichtslos gehalten und habe gerade deswegen von einer solchen abgesehen. Zum anderen und vor allem aber erfasst bereits der Wortlaut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Stichwort "Rechtsgrundlagen" den hier in Rede stehenden Kündigungsgrund "tatsächliche Veränderungen" nicht.

e) Hat sich die Beklagte nach allem erst mit Wirkung zum 30.11.1998 vom Ausbildungsvertrag gelöst, verbleibt es bei ihrer anteiligen Zahlungsverpflichtung in Höhe von 4.666,67 DM.

II.

Verzugszinsen kann die Klägerin ab dem 14.02.1998, dem geltend gemachten Zeitpunkt, bis zur Kündigung (anzunehmen: 30.11.1998) aus der vollen - ursprünglich am 01.12.1997 fällig gewesenen und zudem mehrfach angemahnten - Hauptforderung verlangen. Seit dem 01.12.1998 beschränkt sich der Verzug der Beklagten auf den reduzierten Hauptsachebetrag. Für den gesamten Verzugszeitraum ist der Klägerin lediglich der gesetzliche Zinssatz von 4 % zuzusprechen. Die erstinstanzlich vorgelegte Bankbescheinigung (Bl. 24 d.A.) datiert vom 05.07.1996. Die bestrittene Inanspruchnahme von Kredit zu 10,5 % in den maßgebenden Jahren 1998 und 1999 vermag sie nicht zu beweisen. Eines rechtlichen Hinweises an die Klägerin bedurfte es insoweit nicht, § 278 Abs. 3 ZPO.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO. Die Kostenquote berücksichtigt, dass die Klägerin einen deutlich übersetzten Verzugszinssatz verlangt hat.

Ende der Entscheidung

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