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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 18.12.2000
Aktenzeichen: 8 W 663/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 688 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 688 Abs. 3
ZPO § 691 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 696 Abs. 1
§§ 688 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 691 Abs. 1 Nr. 1, 696 Abs. 1 ZPO

Stellt sich erst nach Erlass des Mahnbescheids heraus, dass das Mahnverfahren aus einem der in § 688 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 ZPO genannten Gründe nicht stattfinden kann, muss der Antragsteller eine Entscheidung des Mahngerichtes nach § 691 Abs. 1 Nr. 1 ZPO herbeiführen oder seinen Mahnantrag zurücknehmen. Eine Überleitung in das streitige Verfahren in entsprechender Anwendung von § 696 Abs. 1 ZPO ist nicht möglich.

OLG Dresden, 8. Zivilsenat, Beschluss vom 18.12.2000, Az: 8 W 663/00


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 8 W 0663/00 3 O 1618/00 LG Leipzig

des 8. Zivilsenats

vom 18.12.2000

In dem Rechtsstreit

wegen Schuldanerkenntnisses;

hier: Beschwerde gegen Rückgabe der Sache an das Mahngericht

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner,

Richterin am Landgericht Haller und

Richter am Landgericht Kadenbach

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Leizig - Az: 3 O 1618/00 - vom 06.03.2000 wird

zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 757,80 DM.

Gründe:

Die gemäß §§ 567 Abs. 1, 569 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Sache an das Amtsgericht Leipzig - Mahnabteilung - zurückgegeben.

I.

Die Beschwerde stellt die Rechtsfrage zur Entscheidung, ob entsprechend § 696 ZPO die Abgabe ins streitige Verfahren zulässig ist, wenn sich im Mahnverfahren nachträglich herausstellt, dass der Mahnbescheid nicht zugestellt werden kann, weil der Aufenthaltsort des Antragsgegners unbekannt ist (vgl. §§ 688 Abs. 2 Nr. 3, 203 ff. ZPO) oder dieser sich in einem ausländischen Staat aufhält, mit dem kein nach dem AVAG durchzuführendes Abkommen besteht (vgl. § 688 Abs. 3 ZPO, §§ 34, 35, 41 Abs. 2 AVAG). Während ein Teil der Instanzengerichte und der Literatur dies unter Hinweis auf die Praktikabilität und Kostenersparnis befürwortet (vgl. OLG Frankfurt, MDR 1987, 64; OLG Koblenz, OLGR 1998, 270; LG Frankfurt, Rechtspfleger 1980, 303; LG Hamburg, Rechtspfleger 1985, 119; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 688 Rdn. 9; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 688 Rdn. 5, 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 688 Rdn. 8; Musielak/Voit, ZPO, 2. Aufl., § 688 Rdn. 7; § 693 Rdn. 2), vermisst die Gegenansicht (OLG Hamm, OLGR 1999, 332; OLG Naumburg, OLGR 2000, 24; LG Oldenburg, Rechtspfleger 1983, 117; LG Karlsruhe, MDR 1980, 236; LG Flensburg, Rechtspfleger 1989, 377; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 696 Rdn. 2; Münchener Kommentar zur ZPO/Holch, § 688 Rdn. 15 f.; Wieczorek/Schütze/Olzen, ZPO, 3. Aufl., § 688 Rdn. 24; Blechinger, Rechtspfleger 1990, 81) die für eine Analogie notwendige Regelungslücke. Der Senat folgt der letztgenannten, auch vom Landgericht vertretenen Auffassung, wobei er den verjährungsrechtlichen Gesichtspunkt der Streitfrage für ausschlaggebend hält.

In vielen Fällen wird der Antragsteller, der nachträglich mit der Unzustellbarkeit des Mahnbescheides konfrontiert wird, vom Mahnverfahren vor allem auch deshalb Gebrauch gemacht haben, um auf einfachem Wege die Verjährung des geltend gemachten Anspruches durch rechtzeitige Einreichung des Antrages gemäß § 693 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu unterbrechen. Diese Wirkung tritt aber nur ein, wenn der Mahnbescheid auch tatsächlich (demnächst) zugestellt wird. Eine alsbaldige Abgabe an das Prozessgericht in analoger Anwendung von § 696 ZPO wäre insoweit unbehelflich, denn die Rückwirkungsfiktion des § 696 Abs. 3 ZPO (i.V.m. § 209 Abs. 1 BGB) setzt ebenfalls die Zustellung des Mahnbescheides voraus. Das OLG Koblenz (OLGR 1998, 270, 271) und das LG Frankfurt (Rechtspfleger 1980, 303, 304) meinen insoweit, dem Antragsteller dadurch beistehen zu können, dass § 696 Abs. 3 ZPO mit der Maßgabe angewandt wird, die Zustellung des Mahnbescheides könne durch die öffentliche Zustellung der nachgereichten Anspruchsbegründung ersetzt werden. Der Senat vermag allerdings nicht zu erkennen, dass eine solche Auslegung der Vorschrift - wie die genannten Gerichte zur Begründung ausführen - "zwanglos" gestattet ist. Vielmehr spricht es umso mehr gegen das Vorhandensein einer planwidrigen Regelungslücke in Bezug auf die Abgabemöglichkeit bei Unzustellbarkeit des Mahnbescheids, wenn es gleich einer zweifachen Analogie bedürfte, um sie vollständig schließen zu können. Tatsächlich besteht eine Lücke in Bezug auf die Verjährungsunterbrechung nicht, denn das Gesetz hält für den Antragsteller eine Möglichkeit bereit, die durch die rechtzeitige Einreichung des Mahnantrags erlangte Rechtsposition ins Klageverfahren nach §§ 253 ff. BGB zu übertragen. Entgegen einer teilweise geäußerten Auffassung (OLG Hamm, OLGR 1999, 332; Münchener Kommentar zur ZPO/Holch, a.a.O., § 688 Rdn. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 696 Rdn. 2) hat sich nämlich das Mahnverfahren nicht ohne Weiteres "erledigt", wenn sich die Unzustellbarkeit des Mahnbescheids nachträglich herausstellt. Vielmehr kann der Antragsteller auch in diesem Falle die Zurückweisung seines Mahnantrages gemäß § 691 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 688 Abs. 2 Nr. 3 ZPO bzw. § 688 Abs. 3 ZPO herbeiführen und anschließend binnen einer Frist von einem Monat seit der Zustellung der Zurückweisung Klage einreichen. Wird diese dann durch öffentliche Bekanntmachung bzw. im Ausland demnächst zugestellt, so wirkt die dadurch eintretende Unterbrechung der Verjährung gemäß § 691 Abs. 2 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung oder Anbringung des Antrages auf Erlass des Mahnbescheides zurück. Die Zurückweisung des Mahnantrages gemäß § 691 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nach erfolglosem Zustellversuch wird nicht dadurch gehindert, dass der Mahnbescheid bereits erlassen worden ist, denn mangels Zustellung ist er wirkungslos geblieben (vgl. Wieczorek/Schütze/Olzen, a.a.O., § 688 Rdn. 24).

Nach allem wird daher vorliegend die Klägerin die Entscheidung des Mahngerichtes nach § 691 Abs. 1 ZPO noch einholen oder aber ihren Mahnantrag zurücknehmen müssen. Der zu diesem Zweck vom Landgericht angeordneten Rückgabe steht nicht entgegen, dass das Mahngericht die Sache an jenes in entsprechender Anwendung von § 696 ZPO abgegeben hat. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass sich die Regelung des § 696 Abs. 5 ZPO, wonach das Empfangsgericht durch die Abgabe in seiner Zuständigkeit nicht gebunden ist, sich nur auf dessen sachliche und örtliche Zuständigkeit bezieht, jedoch durch die Abgabe eine Bindungswirkung zumindest insoweit eintritt, als das streitige Verfahren begonnen hat und eine "Rückkehr" ins Mahnverfahren ausgeschlossen ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 696 Rdn. 2). Diese Bindungswirkung setzt allerdings voraus, dass das Mahnverfahren beendet ist. Maßgeblich dafür wiederum ist gem. § 694 ZPO der Eingang eines Widerspruchs des Antragsgegners (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Vor § 688 Rdn. 5 m.w.N.), woran es vorliegend fehlt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich nach dem Interesse der Klägerin, nicht mit den Kosten des Mahnverfahrens belastet zu sein.

Ende der Entscheidung

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