Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 01.06.2005
Aktenzeichen: SS (OWi) 213/05
Rechtsgebiete: StVG, StVZO, StVZOAusnV 49, BKatV, BKat


Vorschriften:

StVG § 24
StVZO § 18 Abs. 1
StVZO § 69a Abs. 2 Nr. 3
StVZOAusnV 49 § 1
BKatV § 1
BKat Nr. 178
Eine Fahrt mit einem Oldtimer-Kraftfahrzeug, das mit einem roten Kennzeichen aufgrund der 49. Ausnahmeverordnung zur StVZO versehen ist, dient nicht der Wartung, wenn die Fahrt zu dem ausschließlichen Zweck durchgeführt wird, das Fahrzeug zu betanken.
Oberlandesgericht Dresden

Senat für Bußgeldsachen

Aktenzeichen: Ss (OWi) 213/05

Beschluss

vom 01. Juni 2005

in der Bußgeldsache gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser vom 19. Januar 2005 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Inbetriebnahme eines nicht zugelassenen Fahrzeugs zu einer Geldbuße von 50,00 EUR verurteilt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts fuhr der Betroffene am 26. Juni 2004 mit einem Oldtimer-Fahrzeug der Marke General Motors - GMC mit dem roten Kennzeichen S an den Grenzübergang Bad Muskau. Er hatte die Absicht, das Fahrzeug preiswert in der Republik Polen zu betanken. Aus einer Gesamtschau der vom Amtsgericht getroffenen Festsstellungen - insbesondere der Ziffernfolge des Kennzeichens - ergibt sich, dass die roten Kennzeichen aufgrund der 49. Ausnahmeverordnung zur StVZO vom 15. September 1994 (BGBl. I 2416) - StVZOAusnV 49 - ausgegeben worden waren.

Gegen das Urteil richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, das Fahrzeug zum Zwecke des Verkaufs geführt zu haben. Er meint, die Fahrt sei auch zur Wartung des Fahrzeuges durchgeführt worden, weil das Betanken allgemein zu Wartungsarbeiten zähle.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, den Zulassungsantrag als unbegründet zu verwerfen.

II.

Mit Beschluss vom heutigen Tag hat der Senat für Bußgeldsachen - Der Einzelrichter - die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen; der Senat entscheidet über die Rechtsbeschwerde nunmehr in der Besetzung mit drei Richtern (§ 80 a Abs. 3 OWiG).

1. Die von dem Betroffenen erhobene Aufklärungsrüge erweist sich bereits als unzulässig, weil sie nicht die Tatsache bezeichnet, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat. Die Rechtsbeschwerde erweckt vielmehr den Eindruck, als hätte das Gericht über die Rechtsfrage Beweis erheben sollen, ob der Betroffene das Fahrzeug zu Verkaufszwecken hätte führen dürfen.

2. Eine Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Insbesondere die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Das Amtsgericht ist danach rechtsfehlerfrei zu der Annahme gelangt, dass der Betroffene die Fahrt ausschließlich zum Zwecke des Betankens durchgeführt hat. Die damit entscheidungserhebliche Frage, ob mit einem mit roten Kennzeichen gemäß der StVZOAusnV 49 versehenen Kraftfahrzeug eine Fahrt mit dem ausschließlichen Ziel, das Fahrzeug zu betanken, durchgeführt werden kann, ist - soweit ersichtlich - noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen; das Amtsgericht hat diese Frage zutreffend verneint.

3. Das von dem Betroffenen geführte Fahrzeug bedurfte neben anderen - im vorliegenden Fall erkennbar nicht einschlägigen Ausnahmetatbeständen der StVZOAusnV 49 - dann keiner Zulassung nach § 18 Abs. 1 StVZO, wenn die Fahrt zum Zwecke der Wartung des betreffenden Fahrzeuges durchgeführt wurde (§ 1 Abs. 1 Satz 2 StVZOAusnV 49). Das Betanken eines Fahrzeugs stellt jedoch keine Wartung im Sinne dieser Vorschrift dar.

a) Nach Artikel 103 Abs. 2 GG kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Vorschrift verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 71, 108 [114]; 73, 206 [234]; 92, 1 [12] m.w.N.). Gleiches gilt für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (vgl. BVerfGE 81, 132 [135]; 87, 399 [411]).

Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem diese hineingestellt ist (BVerfGE 1, 299; 11, 126; 48, 256).

Der Begriff der "Wartung" in § 1 Abs. 1 Satz 2 StVZOAusnV 49 kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass ihm auch das Betanken eines Kraftfahrzeuges unterfällt.

b) Der Gesetzgeber hat dem Begriff "Wartung" bisher keinen speziellen Sinn gegeben. Weder die StVZO noch die StVZOAusnV 49 oder andere Bestimmungen definieren den Begriff.

c) Bereits die grammatische Auslegung des Begriffs "Wartung" führt jedoch dazu, dass das Betanken eines Kraftfahrzeugs nicht unter diesen Begriff gefasst werden kann.

Unter "Wartung" wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine Maßnahme der vorbeugenden Instandhaltung verstanden, die grundsätzlich vor Eintritt eines bestimmten schadensbedingten Zustandes durchgeführt wird (vgl. Gabler, Wirtschafts-Lexikon, 14. Aufl. 1997). Dazu gehört zwar auch das Nachfüllen von Betriebsstoffen; dieses Nachfüllen kann jedoch nur dann als Wartung verstanden werden, wenn es als vorbeugende Maßnahme dazu dient, Verschleißerscheinungen zu vermindern oder zu verhindern (vgl. Gabler Wirtschafts-Lexikon, 14. Aufl. 1997). Das Betanken eines Kraftfahrzeuges erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

d) Diese Auslegung wird durch den erklärten Willen des (historischen) Verordnungsgebers bestätigt. Der Verordnungsgeber hielt die StVZOAusnV 49 für veranlasst, weil die Zahl der Personen und Vereinigungen gewachsen war, die sich um die Förderung und Pflege von Oldtimer- und Veteranenfahrzeugen bemühte. Diese Fahrzeuge sah der Verordnungsgeber nicht mehr als übliche Beförderungsmittel, sondern vielmehr als Gegenstände der Pflege von Automobiltradition und technischem Kulturgut an. Die Freistellung von der Zulassungspflicht und die generelle Verwendung von roten Kennzeichen soll die Teilnahme der Fahrzeuge an entsprechenden Veranstaltungen ermöglichen. Der bis zum In-Kraft Treten der StVZOAusnV 49 allein geltende § 28 StVZO hatte dagegen die Verwendung von roten Kennzeichen auf Prüfungs-, Probe- und Überführungsfahrten beschränkt. Die roten Kennzeichen gemäß § 1 Abs. 1 StVZOAusnV 49 dürfen deshalb davon abweichend auch für die Zu- und Abfahrten der Fahrzeuge im Zusammenhang mit solchen Veranstaltungen sowie für Fahrten ausgegeben und verwendet werden, die der Begutachtung oder Prüfung zum Beispiel durch eine Prüfstelle, der Reparatur, Wartung oder dem Standortwechsel dienen. Der Verordnungsgeber ist dabei davon ausgegangen, dass der Wartungs- und Pflegezustand der Fahrzeuge den wichtigsten heutigen Standards der Verkehrssicherheit entspricht (VkBl. 1994, 672 [673]).

Mit dieser Begründung hat der Verordnungsgeber zu erkennen gegeben, dass er Fahrten mit nicht regulär zugelassenen Oldtimer-Fahrzeugen, für die in der Regel auch eine Betriebserlaubnis nach §§ 19 ff. StVZO nicht besteht, auf das für die Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes und im Hinblick auf die Verkehrssicherheit unabdingbare Mindestmaß beschränken wollte. Die Rechtsfolgen der Ausgabe und Verwendung des roten Kennzeichens aufgrund der StVZOAusnV 49 sollen sich deutlich von der Zulassung nach § 18 Abs. 1 StVZO unterscheiden (vgl. im Einzelnen Hachemer, VD 1997, 30; Hentschel, NJW 1997, 2934).

4. Nachdem die Fahrt des Betroffenen nicht durch § 1 Abs. 1 StVZOAusnV 49 gedeckt war, hat das Amtsgericht zu Recht einen Verstoß gegen § 18 Abs. 1 i.V.m. § 69 a Abs. 2 Nr. 3 StVZO angenommen (vgl. auch BayObLG NStZ 1988, 543; DAR 1989, 361) und die Regelgeldbuße in Höhe von 50,00 EUR gemäß § 1 BKatV i.V.m. Nr. 178 BKat verhängt.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

Zurück