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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 28.03.2006
Aktenzeichen: WVerg 4/06
Rechtsgebiete: VOB/A


Vorschriften:

VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. c
1. Ist ein Einzelbieter mit einem anderen Unternehmen, welches Mitglied einer Bietergemeinschaft ist, über eine gemeinsame Holdinggesellschaft verbunden, besteht eine Vermutung für eine wettbewerbsbeschränkende Abrede (§ 25 Nr. 1 Abs 1 Buchst. c VOB/A) jedenfalls dann nicht, wenn die Verbindung der "Schwesterunternehmen" bei Angebotsabgabe noch nicht rechtswirksam war.

2. Verneinen die Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich ein Verbot von Minuspreisen, bedeuten negative Einheitspreise nicht ohne weiteres ein Fehlen der geforderten Preisangabe (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A); sie lösen auch nicht in jedem Falle eine Pflicht der Vergabestelle aus, dem Bieter zur Ausräumung des Verdachts einer unzulässigen Mischkalkulation Erläuterungen abzuverlangen.

3. Ist nach den Ausschreibungsunterlagen die Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag ohnehin vorgesehen und für die wertungsmäßige Berücksichtigung eines unbedingten Nachlasses eine Angabe an bestimmter Stelle im Angebotsschreiben verlangt, so kann ein (lediglich) in einem Nebenangebot enthaltener Nachlass für den Fall der "uneingeschränkten Einhaltung der VOB/B als Vertragsgrundlage" nicht gewertet werden.


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: WVerg 4/06

Verkündet am 28.03.2006

In Sachen

wegen Vergabenachprüfungsverfahren

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2006 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richter am Oberlandesgericht Bokern

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen vom 26.01.2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und der Beigeladenen trägt die Antragstellerin. Die Beiziehung anwaltlicher Bevollmächtigter im Beschwerdeverfahren wird auf Seiten des Beschwerdegegners und der Beigeladenen für erforderlich erklärt.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 370.880,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Auftraggeber und Beschwerdegegner schrieb im Juli 2005, endvertreten durch das Straßenbauamt , europaweit im offenen Verfahren Bauleistungen für die geplante Ortsumgehung S , Bauabschnitt , aus. Die Aufforderung an die Bieter zur Angebotsabgabe sah unter Nr. 9 ("Maßgebende Kriterien für die Angebotswertung gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A") vor:

"- Preis, Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert, Gestaltung.

- Bei Nebenangeboten/Änderungsvorschlägen zusätzlich mindestens Gleichwertigkeit mit der geforderten Leistung.

- Mindestbedingungen für Nebenangebote/Änderungsvor- schläge: siehe Abschnitt 1.5 der Baubeschreibung.

- ...

- Weitere Kriterien: Für die Vergabe gilt das Sächsische Vergabegesetz."

In Ziffer 1.5 der Baubeschreibung waren die Mindestbedingungen für Nebenangebote wie folgt formuliert:

"1. Sämtliche Vertragsbedingungen müssen erfüllt werden, insbesondere Verdingungsunterlagen, technische Vorschriften, technische Norm und Lastangaben.

..."

Die gemäß Nr. 6 der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu beachtenden Bewerbungsbedingungen bestimmten unter A.3.4 u.a.:

"Soweit Preisnachlässe ohne Bedingungen gewährt werden, sind diese an der bezeichneten Stelle aufzuführen; sonst dürfen sie bei der Wertung der Angebote nicht berücksichtigt werden.

Preisnachlässe mit Bedingungen für die Zahlungsfrist (Skonti) werden bei der Wertung der Angebote nicht berücksichtigt."

Für Nebenangebote oder Änderungsvorschläge regelte A.4 der Bewerbungsbedingungen:

"4.1 Nebenangebote oder Änderungsvorschläge sind an der im Angebotsschreiben bezeichneten Stelle aufzuführen.

4.2 Der Bieter hat die in Nebenangeboten oder Änderungsvorschlägen enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben; die Gliederung des Leistungsverzeichnisses ist, soweit möglich, beizubehalten.

Nebenangebote oder Änderungsvorschläge müssen alle Leistungen umfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind. ...

4.3 Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, die in technischer Hinsicht von der Leistungsbeschreibung abweichen, sind auch ohne Abgabe eines Hauptangebotes zugelassen. Andere Nebenangebote oder Änderungsvorschläge sind nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen.

4.4 Nebenangebote oder Änderungsvorschläge sind, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme).

4.5 Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, die den Nr. 4.1 erster Halbsatz, 4.2, 4.3 und 4.4 nicht entsprechen, werden von der Wertung ausgeschlossen."

Gemäß Nr. 10.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe galt die Regelung in B.3.1 der Bewerbungsbedingungen ("Hauptangebote mit negativen Preisen werden von der Wertung ausgeschlossen") ausdrücklich nicht.

Zur Submission am 30.08.2005 lagen Angebote von neun Bietern vor. Acht von ihnen hatten zusätzlich ein oder mehrere Nebenangebote abgegeben. Das Hauptangebot der Beschwerdeführerin endet mit 7.417.717,29 EUR. Im formularmäßig vorgegebenen Angebotsschreiben verneinte sie unter Ziffer 4 einen Preisnachlass ohne Bedingungen. Ihr Nebenangebot 1 enthält eine rechnerisch korrigierte Einsparung von 1.006.992,52 EUR, die darauf beruht, dass statt der im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Zwischenlagerung von Bodenmassen (Positionen mit den Endziffern 71-74, 277-279, 477 und 478 sowie 676) ein gleichlaufender sofortiger Ein- und Ausbau der Erdmassen offeriert wird. Mit ihrem Nebenangebot 2 gewährte die Beschwerdeführerin einen Nachlass von 2 %, "sofern von Ihnen die VOB/B als Vertragsgrundlage uneingeschränkt eingehalten wird". Der Auftraggeber wertete das Nebenangebot 1, ließ aber das Nebenangebot 2 unberücksichtigt, weil der Nachlass an eine "unechte" Bedingung geknüpft sei und deshalb im Angebotsschreiben an der vorgesehenen Stelle hätte angegeben werden müssen. Mit dem Nebenangebot 1 liegt die Beschwerdeführerin preislich an zweiter (6.410.724,77 EUR), mit ihrem Hauptangebot an sechster Stelle des Submissionsergebnisses. Das nach Einschätzung der Vergabestelle wirtschaftlichste Angebot, auf das der Auftraggeber den Zuschlag erteilen möchte, gab die Beigeladene ab (6.238.576,43 EUR); die beiden nächstplatzierten Angebote anderer Bieter schließen mit Wertungssummen von rund 6,75 Mio EUR bzw. 6,62 Mio EUR (Hauptangebot bzw. gewertetes Nebenangebot) und 7,15 Mio EUR.

In einem ersten von der Beschwerdeführerin angestrengten Nachprüfungsverfahren verpflichtete die Vergabekammer den Auftraggeber, die Wertung zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen; insbesondere hatte er das wirtschaftlichste Angebot anhand der bekannt gemachten Zuschlagskriterien zu ermitteln. Wegen der Einzelheiten wird auf den unangefochten gebliebenen Beschluss der Vergabekammer vom 29.11.2005 - 1/SVK/137-05 - verwiesen.

Die Vergabestelle stellte anschließend Ermittlungen dazu an, ob das Angebot der Beigeladenen bei Öffnung am 30.08.2005 unterschrieben war, bejahte dies und wiederholte den Wertungsvorgang mit identischem Ergebnis. Den nach unverzüglicher Rüge gestellten erneuten Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin hat die Vergabekammer mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 26.01.2006, auf den Bezug genommen wird, als unbegründet abgelehnt.

Mit der sofortigen Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin, den Beschwerdegegner zu verpflichten, primär das Vergabeverfahren aufzuheben, hilfsweise die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senates zu wiederholen; äußerst hilfsweise beantragt sie festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt ist. Auf den mit der Beschwerde verbundenen Antrag gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 GWB hat der Beschwerdegegner erklärt, die Weitergeltung des Zuschlagsverbotes nach § 115 Abs. 1 GWB freiwillig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu beachten.

Ihren Hauptantrag begründet die Beschwerdeführerin damit, dass eine Aufhebung der Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 c VOB/A unumgänglich sei. Der Auftraggeber habe zum einen gegen § 22 Nr. 8 VOB/A verstoßen, da die Unterlagen des Vergabeverfahrens auch Personen zugänglich gewesen seien, die mit dem vorliegenden Vergabeverfahren nichts zu tun gehabt hätten. Das belegten die auf der Rückseite des Protokolls zur ersten Durchsicht des Angebots der Beigeladenen vorhandenen Notizen des nicht in die Wertung eingebundenen Herrn J . Zweitens bestünden, folge man der - nach Ansicht der Beschwerdeführerin allerdings unzutreffenden - Argumentation der Vergabekammer zur fehlenden Wertbarkeit des Nebenangebotes 1, Widersprüche zwischen Vergabebekanntmachung und Vergabeunterlagen, mindestens aber nicht anders als durch Aufhebung der Ausschreibung behebbare Unklarheiten bei den Bedingungen für zulässige Nebenangebote. Drittens sei die Aufhebung auch dann zwingend, wenn die Auffassung des Beschwerdegegners zuträfe, die neben dem Preis bekannt gemachten Zuschlagskriterien könnten bei Abgabe eines Hauptangebotes gar nicht unterschiedlich bewertet werden. In diesem Falle habe die Vergabestelle in der Ausschreibung unrichtige Wertungskriterien mitgeteilt; jeder objektive Bieter habe annehmen dürfen, dass die Kriterien einer differenzierten Beurteilung zugänglich seien und nicht der Preis allein entscheide.

Den Hilfsantrag stützt die Beschwerdeführerin in erster Linie auf den unterlassenen Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen; dadurch sei sie sowohl hinsichtlich ihrer Nebenangebote als auch ihres Hauptangebotes in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Das Angebot der Beigeladenen sei auszuschließen, weil nach wie vor davon auszugehen sei, dass es bei Abgabe am 30.08.2005 nicht wie vorgeschrieben unterzeichnet gewesen sei. Ein weiterer Ausschlussgrund liege in der Nichteinhaltung des Geheimwettbewerbs. Die Beigeladene sei wie die Partnerin einer mitbietenden Arbeitsgemeinschaft, die S , Konzerngesellschafterin der S . Das rechtfertige die Vermutung einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache der beiden Gesellschaften. Dieser Einwand sei der Beschwerdeführerin nicht deshalb verwehrt, weil sie ihn im ersten Nachprüfungsverfahren nicht durch entsprechende Antragstellung durchgesetzt habe. Ferner enthält das Angebot der Beigeladenen nach Auffassung der Beschwerdeführerin nicht die Zwischenlagerung aller auszuhebenden Erdmassen der entsprechenden Positionen des Leistungsverzeichnisses. Anders sei der erhebliche Preisvorsprung - im Übrigen auch anderer Bieter - nicht erklärbar. Damit liege in Wahrheit ein nicht als solches gekennzeichnetes Nebenangebot vor; zugleich fehle die erforderliche Angabe des für die Hauptleistung wirklich verlangten Preises. Beide Umstände rechtfertigten den Angebotsausschluss.

Der Hilfsantrag sei darüber hinaus begründet wegen unzureichender Ermittlung der maßgebenden Umstände für die Wertungsentscheidung. Die Vergabestelle habe bezüglich des Angebotes der Beigeladenen die gebotene Preisaufklärung sowohl im Hinblick auf die angegebenen Minuspreise, die objektiv den größtmöglichen Hinweis auf Preisverlagerungen darstellten, als auch im Hinblick auf die Angemessenheit des Gesamtpreises fehlen lassen. Zudem habe sie das in den Minuspreisen liegende Preisrisiko unzutreffend eingeschätzt. Weitere Vergabefehler, die eine Neuwertung erforderlich machten, lägen schließlich in der erneut allein anhand des Kriteriums Preis vorgenommenen Wertung, in der unzureichenden Dokumentation des Wertungsvorgangs und in der unzulässigen Nichtwertung des Nebenangebotes 2.

Der Beschwerdegegner und die Beigeladene beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Sie treten dem Beschwerdevorbringen jeweils im Einzelnen entgegen.

II.

Das gemäß §§ 116, 117 GWB zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die auch im Verfahren der sofortigen Beschwerde zu prüfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens liegen vor. Auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer unter II 1 der Beschlussgründe wird verwiesen.

2. Das nunmehr - in Umkehrung des Verhältnisses von Haupt- und Hilfsantrag im Verfahren vor der Vergabekammer - primär verfolgte Begehren, den Beschwerdegegner zur Aufhebung des Vergabeverfahrens zu verpflichten, ist unbegründet.

Nach § 26 Nr. 1 c VOB/A, der hier - in Verbindung mit §§ 114, 123 GWB - in den Blick zu nehmenden Bestimmung, kann die Ausschreibung bei Vorliegen schwerwiegender Gründe aufgehoben werden. Hieran sind nach allgemeiner Ansicht strenge Anforderungen zu stellen (BGH WM 2001, 2015, 2019; OLG Düsseldorf NZBau 2005, 354). Ein rechtlicher Fehler des Vergabeverfahrens etwa kann im Einzelfall einen schwerwiegenden Grund bedeuten, wenn er einerseits von so großem Gewicht ist, dass die Fortsetzung des Verfahrens mit den Bindungen des öffentlichen Auftraggebers an Gesetz und Recht nicht zu vereinbaren wäre, und andererseits von den Bietern, insbesondere auch mit Blick auf die Schwere des Fehlers, erwartet werden kann, dass sie auf die rechtlichen und tatsächlichen Bindungen des Ausschreibenden Rücksicht nehmen (vgl. BGH a.a.O.). Schutzwirkungen zugunsten des Bieters entfalten die Regelungen des § 26 VOB/A i.V.m. §§ 97 Abs. 7, 100 GWB und § 6 VgV für Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge vornehmlich in der Weise, dass der Auftraggeber die Aufhebung der Ausschreibung nicht als Maßnahme der Diskriminierung einzelner Bieter missbrauchen darf (vgl. BGHZ 154, 32, 38), etwa indem er einen vermeintlich wichtigen Grund nur vorschiebt, um sich von der Ausschreibung lossagen zu können oder um den Zuschlag nicht auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, sondern den Auftrag an einen "genehmeren" Unternehmer zu vergeben (Ingenstau/Korbion/Portz, 15. Aufl. § 26 VOB/A Rn. 18). Auch in umgekehrter Richtung kann den Regelungen bieterschützende Wirkung zukommen, soweit der Bieter Gründe i.S.v. § 26 Abs. 1 VOB/A anführen kann, die eine Aufhebung zulassen. Ein Anspruch auf Aufhebung des Vergabeverfahrens besteht indessen nur im Falle einer Ermessenreduzierung auf Null (vgl. Senat VergabeR 2003, 64, 67; zuletzt OLG Düsseldorf ZfBR 2006, 87, 90).

Nach diesen Maßstäben kann die Beschwerdeführerin nicht die Aufhebung der Ausschreibung verlangen.

a) Ein Verstoß gegen die Pflicht der Vergabestelle, die Angebote und ihre Anlagen sorgfältig zu verwahren und geheim zu halten (§ 22 Nr. 8 VOB/A), lässt sich nicht feststellen.

Allein der Umstand, dass der mit dem konkreten Vergabevorgang nicht befasste Mitarbeiter der Vergabestelle J auf der Rückseite einer Prüfungsunterlage für die Kollegin R bestimmte, ein anderes Ausschreibungsverfahren betreffende Notizen gemacht hat, rechtfertigt nicht den Verdacht, außen stehende Dritte hätten Zugriff auf die Angebotsunterlagen gehabt oder entgegen dem Gemeinhaltungsgebot Kenntnis hiervon erlangt. Auch eine Verletzung der Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung, die vor allem die Sicherung von Beweismitteln für die Zukunft bezweckt (Ingenstau/Korbion/Kratzenberg a.a.O. § 22 VOB/A Rn. 45), ist nicht erkennbar. Insbesondere sind dem Senat sämtliche abgegebenen Angebote übermittelt worden, ohne dass bei Durchsicht Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit bestehen.

Abgesehen davon zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, inwieweit der geltend gemachte Verstoß gegen § 22 Nr. 8 VOB/A einen "schwerwiegenden" Grund darstellen soll. Nichts spricht dafür, dass der etwaige Mangel konkrete und tatsächlich genutzte Manipulationsmöglichkeiten Unbefugter eröffnet oder die Wertungsentscheidung in sonstiger Weise beeinflusst hat.

b) Die Widersprüche und Unklarheiten, die die Beschwerdeführerin mit Blick auf die Zulässigkeit von Nebenangeboten zwischen Bekanntmachung und Vergabeunterlagen sieht, haben jedenfalls kein solches Gewicht, dass ihretwegen eine Aufhebung der Ausschreibung gerechtfertigt wäre.

Selbst wenn insoweit Widersprüche bzw. Unklarheiten unterstellt werden, bestand für die Bieter objektiv die Möglichkeit, auf deren Behebung frühzeitig hinzuwirken. Hieran ändert nichts, dass der Auftraggeber einen diesbezüglichen Mangel der Ausschreibung zunächst selbst nicht erkannt hatte und deshalb möglicherweise zu Unrecht von der Wertbarkeit bestimmter Nebenangebote ausgegangen ist. Zudem können von dem in Rede stehenden Mangel von vornherein nur Nebenangebote, nicht aber die Hauptangebote aller neun Bieter betroffen sein. Ausweislich der Zusammenstellung der Ausschreibungsergebnisse vom 22.09.2005 haben alle anderen Bieter entweder keine oder nur solche Nebenangebote abgegeben, deren Einsparpotenzial höchstens 2 % der Hauptangebotssumme beträgt. Lediglich das Nebenangebot 1 der Beschwerdeführerin, dessen Wertbarkeit unterstellt werden mag (s.u.), enthält mit deutlich mehr als 10 % eine ganz außergewöhnliche Abweichung vom Hauptangebot.

Bei dieser Sachlage kommt eine Aufhebung der Ausschreibung wegen der behaupteten Widersprüche bzw. Unklarheiten in Bezug auf die Zulässigkeit von Nebenangeboten schlechthin nicht in Betracht. Es liegt unter den gegebenen Umständen vielmehr auf der Hand, dass der Beschwerdegegner dadurch in unvertretbarer Weise das schutzwürdige Vertrauen aller anderen Bieter auf eine tatsächlich erfolgende Vergabe enttäuschen würde.

c) Ein ausschreibungsrelevanter Mangel des Vergabeverfahrens liegt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht darin, dass eine Wertung anhand der bekannt gemachten Zuschlagskriterien nicht möglich ist.

Das Gegenteil ist der Fall. Die bekannt gemachten Zuschlagskriterien (Preis, Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert, Gestaltung) sind genau solche Merkmale, die § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 VOB/A zur Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots beispielhaft benennt. Sie sind seit langem bekannt und als taugliches Mittel zur Auswahl des bestmöglichen Angebots bewährt. Die Beschwerdeführerin rügt denn auch im Grunde nur scheinbar die Unmöglichkeit einer Wertung anhand dieser Kriterien. In Wirklichkeit beanstandet sie - dies zeigt ihr weiteres Vorbringen -, dass eine Wertungsentscheidung unter adäquater Berücksichtigung der besagten Kriterien erneut unterblieben sei.

3. Das Hilfsbegehren (Neuwertung der Angebote) hat ebenfalls keinen Erfolg.

a) Ob die Vergabestelle das Nebenangebot 1 der Beschwerdeführerin zu Recht gewertet hat oder ob der Vergabekammer in ihren Hilfserwägungen zu folgen ist, dieses Nebenangebot verstoße aufgrund des Verzichtes auf die im Leistungsverzeichnis vorgegebene Zwischenlagerung von Erdaushub gegen die festgelegten Mindestbedingungen (Nr. 9 der Aufforderung zur Angebotsabgabe i.V.m. Nr. 1.5 der Baubeschreibung), kann dahinstehen. Selbst bei Berücksichtigung des Nebenangebotes 1 ist die getroffene Wertungsentscheidung nicht zu beanstanden.

aa) Das Angebot der Beigeladenen ist nicht auszuschließen.

(1) Ein Verstoß gegen § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A liegt nicht vor. Es steht fest, dass das Angebot der Beigeladenen, wie in der Aufforderung zur Angebotsabgabe verlangt, bei Abgabe unterschrieben war. Damit kommt es auf die von der Beschwerdeführerin angesprochenen Beweislastfragen nicht an.

Aus den zutreffenden Erwägungen der Vergabestelle und der Vergabekammer ist von einem bloßen Versehen der Mitarbeiterin R auszugehen, als sie nach Angebotsöffnung auf dem Formular der ersten Durchsicht ankreuzte, eine Unterschrift sei nicht vorhanden. Schon die insgesamt fünf eidesstattlichen Versicherungen, die die Vergabestelle nach der ersten Entscheidung der Vergabekammer eingeholt hat, sprechen überaus deutlich für das bereits ursprüngliche Vorhandensein der zwei Unterschriften der Verantwortlichen der Beigeladenen B und G . Auch im Übrigen ist der Beweiswürdigung der Vergabekammer, die mehrere Angestellte der Vergabestelle vernommen hat, trotz einzelner Ungereimtheiten in unwesentlichen Details der Zeugenaussagen beizutreten.

Ein bloßes Versehen von Frau R ist insbesondere deshalb glaubhaft, weil ihr die einschneidende Bedeutung der Angebotsunterschrift allgemein bewusst war und daher ohne weiteres nachvollziehbar ist, dass ihr das etwaige Fehlen in Erinnerung geblieben wäre, wenn sie es denn damals tatsächlich wahrgenommen hätte. Das Formular zum Prüfungspunkt "Unterschrift" enthält überdies den - die Bedeutung des Prüfungspunktes hervorhebenden - ausdrücklichen Zusatz: "wenn nein, im Angebotsschreiben eindeutig kenntlich machen". Entgegen dieser formularmäßigen Anweisung ist das Fehlen einer Unterschrift im Angebotsschreiben der Beigeladenen aber gerade nicht kenntlich gemacht worden. Auch dass der Mitarbeiterin R bei der ersten Durchsicht einzelne Minuspreise im Angebot der Beigeladenen verborgen geblieben sind, belegt die Flüchtigkeit, mit der sie am 30.08.2005 - nach ihren Angaben damals ziemlich gestresst - zu Werke gegangen ist. Ferner machte bei ganz oberflächlicher Betrachtung das ausgefüllte Formular einen Ankreuzfehler keineswegs offensichtlich. Die Spalten "Ja" und "Nein", anhand derer die insgesamt elf Prüfungspunkte abzuarbeiten waren, kreuzte Frau R ungefähr gleich häufig an. Eine Überprüfungsbedürftigkeit der gerade auf die Angebotsunterschrift bezogenen Feststellung ("nein") musste sich ihr unmittelbar vor eigener Unterzeichnung des Durchsichtsprotokolls also nicht gleichsam auf den ersten Blick erschließen.

(2) Das Angebot der Beigeladenen ist nicht wegen Nichteinhaltung des Geheimwettbewerbs gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 c VOB/A auszuschließen.

Es spricht bereits alles dafür, dass die Beschwerdeführerin mit diesem Einwand nicht mehr gehört werden kann. Zwar hat sie die konzernrechtliche Verbindung der Beigeladenen und der Bieterin S als Ausschlussgrund sowohl nach der ersten als auch nach der zweiten ihr mitgeteilten Wertungsentscheidung unverzüglich gegenüber der Vergabestelle gerügt. Im ersten Nachprüfungsverfahren hatte sie aber ihr mit einem entsprechenden Hauptantrag anfänglich verfolgtes Ziel, den Angebotsausschluss zu erreichen, nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Verhandlungstermin fallen lassen und lediglich auf eine Verpflichtung des Auftraggebers angetragen, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den fehlerhaften Punkten zu wiederholen. Dies spricht dagegen, ihr die Wiederholung des Einwandes zu gestatten, nachdem die Vergabestelle bei der neuen Wertungsentscheidung - wie nach dem geschilderten Ablauf nicht anders zu erwarten - das Angebot der Beigeladenen nicht wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen ausgeschlossen hat. Darüber hinaus hat die Vergabekammer in den im Zusammenhang mit der Beschlussformel zu lesenden Entscheidungsgründen, über ein bloßes obiter dictum hinausgehend, "für das konkrete Verfahren (festgestellt), dass die wettbewerbliche Abrede nicht erwiesen ist". Blieben aber diese Feststellung und die damit im Zusammenhang stehenden weiteren Rechtsausführungen der Vergabekammer unangefochten, durfte die Vergabestelle von der bestandskräftigen Entscheidung in diesem Punkt nicht abweichen und war es der Beschwerdeführerin anschließend verwehrt, den Gesichtspunkt nunmehr von neuem als Ausschlussgrund ins Feld zu führen.

Unabhängig davon trifft der Standpunkt der Vergabekammer, wie er in beiden Beschlüssen zum Ausdruck gekommen ist, auch in der Sache zu. Beweiserleichterungen, namentlich in Form tatsächlicher Vermutungen, mögen dem für den Ausschlussgrund einer wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweise beweispflichtigen Konkurrenten zugute kommen, wenn sich ein Bieter mit einem eigenen Angebot beteiligt und gleichzeitig Mitglied einer ebenfalls anbietenden Bietergemeinschaft ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 16.09.2003 - Verg 52/03, VergabeR 2003, 690 und vom 14.09.2004 - W [Kart] 25/04, Volltext in Juris; OLG Naumburg, Beschluss vom 30.07.2004 - 1 WVerg 10/04, OLGR 2005, 412). Dahinter steht der Gedanke, dass es mit dem vergaberechtlichen (Geheim-)Wettbewerbsprinzip unvereinbar ist, wenn ein Bieter an der Ausschreibung teilnimmt, dem das Angebot eines Mitbewerbers um den Zuschlag ganz oder teilweise bekannt ist (vgl. auch OLG Jena, Beschluss vom 06.07.2004 - 6 WVerg 3/04, NZBau 2004, 629, Volltext in Juris). Letzteres wie auch eine wettbewerbsbeschränkende Abrede mag regelmäßig zu vermuten sein, wenn ein Einzelbieter zugleich Mitglied einer Bietergemeinschaft ist. Eine solche Vermutung ist aber nicht gerechtfertigt, wenn - wie hier - zwei bei Angebotsabgabe gesellschaftsrechtlich noch nicht wirksam über eine Holdinggesellschaft verbundene Bieter an der Ausschreibung teilnehmen. In einem solchen Falle liegt eine wechselseitige oder einseitige Kenntnis vom Angebot des künftigen "Schwesterunternehmens" nicht auf der Hand, sondern bedarf es des konkreten Nachweises wettbewerbsbeschränkender Absprachen. Hierfür fehlt jeder Vortrag der Beschwerdeführerin und ist auch sonst nichts ersichtlich.

(3) Mit ihrem Vorbringen zum - im weitesten Sinne - Fehlen einer Preisangabe kann die Beschwerdeführerin einen Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen ebenfalls nicht erreichen (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A).

Dem steht hinsichtlich der Preisangaben für die Positionen der Zwischenlagerung von Erdstoffen bereits die bestandskräftig geäußerte und die Beteiligten bindende - im Übrigen zutreffende - Rechtsauffassung der Vergabekammer im Beschluss vom 29.11.2005 entgegen. Danach hat die Beigeladene insoweit eindeutige Preise angegeben, die zudem keine besonderen Auffälligkeiten zeigen und bei Vergleich mit denen anderer Bieter auch keine Überprüfung nahe legen.

Der nach Akteneinsicht im ersten Nachprüfungsverfahren unverzüglich erhobene Vorwurf, die Beigeladene habe ausweislich der im Angebot enthaltenen Minuspreise eine unzulässige Mischkalkulation vorgenommen bzw. nicht die für die beschriebene Leistung wirklich beanspruchte Vergütung wiedergegeben, ist der Beschwerdeführerin nicht verwehrt; der (erste) Beschluss der Vergabekammer geht auf diesen Gesichtspunkt nicht ein. In der Sache erweist sich der Einwand jedoch als unbegründet. Minuspreise (hier bei einzelnen Positionen für den Abtrag von Oberboden) sind, selbst wenn die entsprechenden Positionen des Leistungsverzeichnisses dem Bieter voraussichtlich einen nicht zu vermeidenden Aufwand abverlangen, nicht von vornherein ausgeschlossen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Ausschreibungsunterlagen - wie hier - negative Einheitspreise ausdrücklich gestatten. Die geforderte Preisangabe - der Betrag, der für die betreffende Leistung beansprucht wird (BGHZ 154, 32, 45) - "fehlt" nicht allein deshalb, weil sie negativ ist. Bedenklich können Minuspreise allerdings werden, wenn der konkrete Verdacht einer grundsätzlich unzulässigen Mischkalkulation besteht, bei der durch "Aufpreisen" der Einheitspreise anderer angebotener Positionen Preise benannt werden, die kompensatorisch wirken und deshalb die geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch zutreffend wiedergeben (vgl. BGHZ 159, 186). Für eine solche unzulässige Verlagerung oder für ein "Verstecken" der geforderten Preisangaben finden sich im Angebot der Beigeladenen jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte. Die Vergabestelle war deshalb auch nicht verpflichtet, der Beigeladenen nähere Erläuterungen abzuverlangen. Unabhängig davon hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar und ohne inhaltlichen Widerspruch der Beschwerdeführerin dargelegt, die negativen Preise habe sie anbieten können, weil sie mit einem Dritten bereits eine ihr zufließende Vergütung für die Überlassung des abzutragenden Oberbodens vereinbart gehabt habe. Vor diesem Hintergrund begegnen die bei erster Betrachtung in der Tat auffälligen Minuspreise erst recht keinen Bedenken.

bb) Die Bewertung der Vergabestelle, die erneut dem Angebot der Beigeladenen den Vorzug gegenüber dem Nebenangebot 1 der Beschwerdeführerin gibt, ist auch inhaltlich vergabefehlerfrei. Das hat die Vergabekammer zutreffend begründet.

(1) In eine nähere Prüfung möglicher Unangemessenheit des Gesamtangebotspreises der Beigeladenen (§ 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A) musste die Vergabestelle nicht eintreten.

Zwar wich die Angebotsendsumme (6.238.576,43 EUR) von der ursprünglichen Schätzung des Auftraggebers (8,5 Mio EUR) ganz erheblich nach unten ab. Diese Schätzung ging aber auf eine bereits fünf Jahre alte Finanzplanung zurück. Nach den nicht zu beanstandenden, auf ausführliche und nachvollziehbare Erläuterungen des Leiters des Straßenbauamtes im Verhandlungstermin vom 18.01.2005 gestützten Feststellungen der Vergabekammer entwickelte sich das allgemeine Preisniveau in der Folgezeit deutlich nach unten. So war in einem anderen Los der Ortsumgehung die veraltete Kostenschätzung von 5,2 Mio EUR später um rund 25 % auf 3,9 Mio EUR korrigiert worden. Deshalb ist es plausibel, wenn der Amtsleiter bei seiner Anhörung vor der Vergabekammer die ursprüngliche Kostenschätzung als überholt angesehen, bei Ansatz von 75 % einen Betrag von 6.375.000 EUR für realistisch gehalten und das Bild der hier abgegebenen Angebote insgesamt als nicht ungewöhnlich bezeichnet hat. Hierfür spricht zusätzlich, dass nicht weniger als sieben der insgesamt neun Angebote mehr als 1 Mio EUR und damit bereits deutlich mehr als 10 % unterhalb der Ausgangsschätzung des Auftraggebers liegen; nur eines überschreitet diese Schätzung geringfügig. Selbst wenn man aus Vorsichtsgründen eine zulässige Korrektur des ursprünglichen Schätzwertes um lediglich 20 % zugrunde legt, ergibt sich als belastbare neue Kostenschätzung ein Betrag von 6,8 Mio EUR. Diesen unterschreitet der Angebotspreis der Beigeladenen um weniger als 10 %.

Eine zur Angemessenheitsprüfung zwingende Besonderheit weist die Angebotsendsumme der Beigeladenen auch nicht bei Vergleich mit den Angeboten der Konkurrenten auf. Das nächstgünstige Hauptangebot ist lediglich 8,22 % teurer. Bei einem Preisabstand von weniger als 10 % besteht regelmäßig keine Pflicht der Vergabestelle, die Angemessenheit des günstigsten Angebotes in Zweifel zu ziehen und aufzuklären (statt aller Noch, Vergaberecht kompakt, 3. Aufl., S. 329 m.w.N.).

Da das Hauptangebot der Beigeladenen weder von der aktualisierten Schätzung der Auftragssumme durch den Auftraggeber noch von der nächstgünstigen Angebotsendsumme eines Konkurrenten um mindestens 10 % abweicht, ergab sich eine Aufklärungspflicht nicht aus § 7 SächsVergabeG i.V.m. § 6 Abs. 3 SächsVergabeDVO. Offen bleiben kann daher, ob die Vergabestelle diese grundsätzlich auf Vergaben unterhalb der Schwellenwerte zugeschnittenen Regelungen deshalb hätte beachten müssen, weil die Aufforderung zur Angebotsabgabe die Geltung des Sächsischen Vergabegesetzes für das vorliegende Vergabeverfahren ausdrücklich bestimmt hatte.

(2) Das Preisrisiko, welches aus den Minuspreisen im Angebot der Beigeladenen für den Auftraggeber resultiert, hat die Vergabestelle erwogen und im Wertungsvermerk mit plausiblen, ausreichenden Erwägungen für gering erachtet. Die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Einwände stellen die Vertretbarkeit der Einschätzung nicht in Frage.

(3) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin berücksichtigt die neue Wertungsentscheidung hinreichend alle benannten Zuschlagskriterien (§ 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A).

Der Wertungsvermerk enthält unter Punkt 4.7 die einleitenden Sätze: "Alle Bieter haben ohne jeglichen Unterschied, bis auf den Preis, ein Hauptangebot zum gleichen Produkt abgegeben. Somit sind die zur Angebotsabgabe benannten Zuschlagskriterien Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert und Gestaltung für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes für alle Hauptangebote gleich." Das mag bei isolierter Betrachtungsweise nicht ganz unbedenklich wirken; jedenfalls in Verbindung mit den näheren Erläuterungen des Amtsleiters der Vergabestelle in der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2006, die die Vergabekammer zutreffend herangezogen hat, steht aber fest, dass die Vergabestelle - entsprechend der verbindlichen Vorgabe durch den Kammerbeschluss im ersten Nachprüfungsverfahren - die neben dem Preis verlautbarten Zuschlagskriterien einer näheren Prüfung unterzogen hat. Dabei ist sie in vertretbarer Weise zur Einschätzung einer diesbezüglichen Gleichwertigkeit aller Hauptangebote gelangt.

Die Vertretbarkeit dieser Bewertung wird zusätzlich dadurch erhärtet, dass das Leistungsverzeichnis detaillierte Vorgaben für die Straßenbaumaßnahme machte. Auch die Beschwerdeführerin vermag nicht aufzuzeigen, dass ihr Hauptangebot in Bezug auf die genannten Kriterien besondere und zwingend in die Wertung einzustellende Vorzüge aufweist. Soweit es das Nebenangebot 1 betrifft, hat die Vergabestelle im Wertungsvermerk einen spürbaren Einfluss des Verzichtes auf Erdstoffzwischenlagerung auf die Zuschlagskriterien Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert und Gestaltung ebenfalls in nachvollziehbarer Weise verneint. Sie hat auch gesehen, dass eine Reduzierung von Zwischenlagerflächen den Vorteil einer Verringerung des zwischenzeitlichen Grunderwerbs bieten könnte, dies aber vertretbar nicht als einen dauerhaften Vorteil des Auftraggebers gewichtet.

b) In Bezug auf das Hauptangebot der Beschwerdeführerin scheidet ein Erfolg des Hilfsantrages aus den unter II 3 a dargestellten Gründen ebenfalls (erst recht) aus.

c) Dies gilt in gleicher Weise für das Nebenangebot 2 der Beschwerdeführerin, gegen dessen Ausschluss sie sich im Übrigen auch ohne Erfolg wendet.

aa) Zum einen ist sie mit diesem Einwand im vorliegenden Verfahren bereits präkludiert, § 107 Abs. 3 S. 1 GWB.

Die erste Mitteilung gemäß § 13 VgV vom 11.10.2005 machte ihr unmissverständlich deutlich, dass und warum die Vergabestelle das Nebenangebot 2 nicht berücksichtigte. Dies hat die Beschwerdeführerin anschließend, auch im gesamten ersten Nachprüfungsverfahren, nicht gerügt. Beanstandet hat sie diesen Punkt vielmehr erstmals, als sie das insoweit wegen unterlassener Rüge absehbar identische zweite Informationsschreiben des Straßenbauamtes vom 09.12.2005 erhielt. Mit dem Zweck des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ist es ersichtlich nicht zu vereinbaren, wenn der Bieter einen vor Einleitung eines ersten Nachprüfungsverfahrens erkannten Vergabeverstoß "zurückhält", um ihn dann - nach aus anderen Gründen erfolgreichem Nachprüfungsantrag, der zur Verpflichtung der Vergabestelle führt, die Wertung zu wiederholen - erst nach erneuter, denselben vermeintlichen Fehler wiederholender Wertungsentscheidung unverzüglich nachzuschieben. Die Beschwerdeführerin macht auch nicht etwa geltend, sie bzw. ihr bereits damals tätiger Verfahrensbevollmächtigter hätten den nunmehr gerügten Verstoß seinerzeit nicht bemerkt.

bb) Zum anderen hat die Vergabestelle das Nebenangebot 2 zu Recht von der Wertung ausgenommen.

Als relevante Bedingung im Sinne vom A.3.4 der Bewerbungsbedingungen ist die "uneingeschränkte Einhaltung der VOB/B als Vertragsgrundlage" nicht anzusehen, da dieses Regelwerk nach den Ausschreibungsunterlagen ohnehin Vertragsbestandteil wird. Die von der Beschwerdeführerin angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen (BauR 2004, 860 ff.) besagt nichts Gegenteiliges. Sie verhält sich - ebenso wie die beiden dort abgedruckten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Celle und Oldenburg - nur zu der materiellrechtlichen Frage, ob das vom Auftraggeber angenommene Angebot des Auftragnehmers, welches eine identische Preisnachlassregelung enthielt, den Auftraggeber zum Abzug des Nachlasses auch dann berechtigt, wenn er das in § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B vorgegebene Zahlungsziel nicht einhält. Alle drei Entscheidungen verneinen dies. Hier dagegen geht es um die Frage, ob ein so formulierter Nachlass bei der vergaberechtlichen Wertung berücksichtigt werden darf. Das beurteilt sich nach den Ausschreibungsunterlagen. Anhand dieser hat die Vergabestelle zu Recht auf eine "unechte" Bedingung geschlossen und eine Angabe des Preisnachlasses an der geforderten Stelle vermisst. Im Übrigen legt das Vorbringen der Beschwerdeführerin nahe, sie habe mit dem Nebenangebot 2 allein die zügige Begleichung von Rechnungen innerhalb der Zahlungsfristen der VOB/B belohnen wollen. Skonti sind indessen nach den Regelungen in A.3.4 der Bewerbungsbedingungen bei der Wertung ausdrücklich nicht zu berücksichtigen.

4. Der weitere Hilfsantrag der Beschwerdeführerin (Feststellung) hat ebenfalls keinen Erfolg. Nach dem Gesagten ist die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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