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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.07.2001
Aktenzeichen: 1 U 113/00
Rechtsgebiete: BGB, SGB X, SGB VII, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831 Abs. 1 S. 1
SGB X § 116
SGB X § 116 Abs. 1
SGB VII § 105 Abs. 1 S. 1
SGB VII § 106 Abs. 3
ZPO § 92 Abs. Abs. 1 S. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 S. 1
ZPO § 108 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 113/00

Verkündet am 2. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. E und die Richter am Oberlandesgericht P und

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das am 9. Mai 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefaßt:

Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin

66.983,11 DM

zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 14. Dezember 1999 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren in der Person ihres Versicherten, A R, anläßlich des Arbeitsunfalls vom 16. Januar 1998 noch zu erbringenden Aufwendungen zu erstatten, soweit die Klägerin nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs verpflichtet ist, ihrem Versicherten unfallbedingte und übergangsfähige Leistungen zu erbringen.

II.

Die Berufung des Beklagten zu 2. gegen das unter Nr. I. bezeichnete Urteil wird zurückgewiesen.

III.

Die Kosten beider Rechtszüge werden wie folgt verteilt:

Die Klägerin trägt die Hälfte der Gerichtskosten und ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten sowie sämtliche außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1..

Der Beklagte zu 2. trägt die andere Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie sämtliche eigenen außergerichtlichen Kosten.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 1. durch Sicherheitsleistung in Hohe von 19.000,-- DM und der Beklagte zu 2. darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 76.000,-- DM abwenden, wenn nicht die jeweils die Zwangsvollstreckung betreibende Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch die unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse oder einer der Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Volksbanken und Raiffeisenbanken angeschlosssenen Genossenschaftsbank erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin macht als Unfallversicherer Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend.

Der bei der Klägerin gesetzlich unfallversicherte Zeuge A R, Kraftfahrer bei der P & K, M G & C K, transportierte am 16. Januar 1998 im Auftrag seiner Arbeitgeberin mit einem Silo-Lkw seiner Arbeitgeberin Mehl zu der Betriebsstätte der Beklagten zu 1. in Sch.

Er fuhr auf das Betriebsgelände, um dort das Mehl mittels eines an dem Silo-Lkw befindlichen Kompressors über Schläuche in einen Vorratsbehälter der Beklagten zu 1. zu blasen. Dazu war es technisch notwendig, daß außer dem Kompressor auch der Motor des Silo-Lkw lief. Nach dem Anschließen der Schläuche und dem Einschalten des Kompressors stand R neben dem Silo-Lkw mit Blickrichtung zu dem Silo-Lkw.

Der bei der Beklagten zu 1. als Gabelstapler-Fahrer angestellte Beklagte zu 2. fuhr mit einem elektromotorisch angetriebenen Gabelstapler der Beklagten zu 1. an dem Silo-Lkw entlang. Er übersah bei dieser Rückwärtsfahrt den neben dem Silo-Lkw stehenden Zeugen R, der wegen der Motorengeräusche des Silo-Lkw den Gabelstapler nicht gehört hatte. R wurde von dem Gabelstapler von hinten erfaßt und am linken Fuß erheblich verletzt.

Er wurde wegen einer massiven Weichteilquetschung des linken Fußes mit Verdacht auf Fraktur des dritten Mittelfußstrahls im St. Antonius-Hospital in Schwalmtal stationär behandelt.

Die Klägerin erbrachte an bzw. für den Versicherten in der Zeit bis zum 6. Januar 1999 Leistungen von 66.983,11 DM. Diese waren unfallbedingt erforderlich. Weitere Zahlungen von Verletztengeld sowie weitere unfallbedingte Sachleistungen sind zu erwarten.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin aus übergegangenem Recht ihres Versicherten R (§ 116 SGB X)

die Beklagten als Gesamtschuldner auf Erstattung der bereits gezahlten 66.983,11 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Zustellung der Klageschrift in Anspruch genommen

sowie die Feststellung begehrt,

daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin alle weiteren in der Person ihres Versicherten, A R, anläßlich des Arbeitsunfalls vom 16. Januar 1998 noch zu erbringenden Aufwendungen zu erstatten, soweit die Klägerin nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs verpflichtet sei, ihrem Versicherten unfallbedingte und übergangsfähige Leistungen zu erbringen.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Der Beklagte zu 2. hafte dem Versicherten R wegen schuldhafter Körperverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB).

Die Beklagte zu 1. habe dem Versicherten R für das Verhalten ihres Verrichtungsgehilfen, des Beklagten zu 2., einzustehen (§ 831 Abs. 1 BGB).

Diese Ansprüche seien auf die Klägerin übergegangen (§ 116 SGB X).

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten mit dem Vorbringen:

Eine Schadensersatzverpflichtung aus unerlaubter Handlung sei ausgeschlossen (§ 106 Abs. 3 SGB VII). Die Verletzung des Zeugen R sei auf einer gemeinsamen Betriebsstätte der Beklagten zu 1. und der Arbeitgeberin des Zeugen R geschehen. Aus diesem Grunde seien Schadensersatzansprüche des Zeugen R gegen den Beklagten zu 2. ausgeschlossen. Diese Haftungsprivilegierung wirke ferner zugunsten der Beklagten zu 1.. Wenn man dies anders sehe, so müsse berücksichtigt werden, daß der Gabelstapler über ein intaktes gelbes Rundum-Warnlicht verfügt habe, das bei seiner Inbetriebnahme eingeschaltet gewesen sei. Ferner sei ein akustisches Warnsignal zu hören gewesen, das sich automatisch beim Rückwärtsfahren des Gabelstaplers einschalte.

Der Beklagte zu 2. -so die weitere Behauptung der Beklagten zu 1.- sei seit Beginn seiner Tätigkeit regelmäßig von dem Lagerleiter R überwacht worden. Bis zu dem Unfall habe es keinerlei Anlaß zu Klagen über den Beklagten zu 2. gegeben. Der Unfall sei das erste negative Vorkommnis gewesen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil der Klage stattgegeben und ausgeführt:

Der Beklagte zu 2. hafte der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB, § 116 SGB X. Er habe den Versicherten R fahrlässig verletzt (ungenügende Rückschau). §§ 105 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 3 SGB VII ständen der Haftung nicht entgegen, da der Versicherte und der Beklagte zu 2. nicht auf einer "gemeinsamen" Betriebsstätte tätig gewesen seien. Dafür genüge nicht, daß zwei Personen mit räumlichem und zeitlichem Kontakt tätig würden. Es müsse hinzu kommen, daß beiden Tätigkeiten ein gemeinsamer Zweck im weitesten Sinne zugrundeliege. An dem letztgenannten Merkmal habe es hier gefehlt.

Die Beklagte zu 1. hafte für den Beklagten als ihren Verrichtungsgehilfen nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB, § 116 SGB X. Eine zu ihrer Entlastung erforderliche genügende Überwachung des Beklagten zu 2. habe sie nicht dargelegt.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgen die Beklagten den Antrag auf Klageabweisung weiter. Sie tragen vor:

Dem Geschädigten hätten keine Ansprüche gegen den Beklagten zu 2. zugestanden. Beide seien auf einer "gemeinsamen" Betriebsstätte tätig gewesen. Dazu sei lediglich erforderlich ein zeitlicher und räumlicher Kontakt der nebeneinander oder nacheinander stattfindenden Verrichtungen, wie er hier vorgelegen habe. Der gleiche Haftungsausschluß greife zugunsten der Beklagten zu 1.

Im übrigen könne die Beklagte zu 1. sich von vermutetem Verschulden entlasten. Der bei ihr seit 1991 angestellte Beklagte zu 2. habe 1995 die Prüfung zum Gabelstaplerführer abgelegt und sei von der Beklagten seither als solcher eingesetzt worden. Seine Tätigkeit sei durch den Lagerleiter R fortlaufend überwacht worden. Sie habe keinerlei Anlaß zur Klage gegeben. Bei dem hier interessierenden Vorfall habe es sich um das erste negative Vorkommnis gehandelt.

Vorsorglich werde ein Mitverschulden des Geschädigten geltend gemacht. Der Gabelstapler habe über intaktes gelbes Rundumwarnlicht verfügt, welches bei seiner Inbetriebnahme automatisch eingeschaltet werde. Ferner ertöne beim Rückwärtsfahren automatisch ein akustisches Signal. Beide Warnvorrichtungen seien zum Unfallzeitpunkt aktiviert gewesen. R hätte auf dem Betriebsgelände mit Entladefahrzeugen rechnen und auf solche besonders achten müssen. Er hätte auch die Warnsignale bemerken müssen. Durch Ausweichen oder Rufen hätte er die Kollision vermeiden können.

Die Beklagten beantragen,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt insbesondere vor:

Von einer "gemeinsamen" Betriebsstätte könne nur gesprochen werden bei einem Mindestmaß von gemeinsamer Organisation und loser Verknüpfung im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsergebnisses oder Ziels. Selbst wenn der Beklagte zu 2. die Warneinrichtungen eingeschaltet gehabt haben sollte -was bestritten werde-, sei an dessen grobem Verschulden nicht zu zweifeln.

Die Beklagte zu 1. habe nach wie vor Einzelheiten zur angeblichen Überwachung des Beklagten zu 2. nicht dargelegt.

Wenn der Lagerleiter tatsächlich in der Lage sein sollte, die Aktivierung der Warneinrichtungen zum Unfallzeitpunkt zu bestätigen, so ergebe sich die Haftung der Beklagten zu 1. schon daraus, daß der Lagerleiter nicht eingegriffen habe, um den Unfall abzuwenden. Ein Mitverschulden des Geschädigten komme nicht in Betracht. Er habe neben seinem Lkw gestanden, in eine andere Richtung geblickt, habe wegen des zur Durchführung des Abladens laufenden Motors seines Fahrzeugs nichts hören können und habe nicht damit zu rechnen brauchen, daß ein Gabelstapler ohne genügende Rückschau des Fahrers zurückgesetzt werde.

Ergänzend legt die Klägerin ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Oktober 2000 vor (VI ZR 67/00/ vgl. BGH in NJW 2001, S. 443), durch welches sie ihre Auffassung zur "gemeinsamen" Betriebsstätte bestätigt sieht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf die zu den Gerichtsakten überreichten Unterlagen, auf die Sitzungsniederschriften und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Senat hat den Beklagten zu 2. angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R und R. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. Mai 2001 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1. ist begründet, während die zulässige Berufung des Beklagten zu 2, erfolglos bleibt.

I.

Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zu 2. zur Erstattung des von der Klägerin unfallbedingt an bzw. für ihren Versicherten R bereits gezahlten Betrags von 66.983,11 DM zuzüglich Zinsen in dem zuerkannten Umfang verurteilt sowie die Verpflichtung des Beklagten zu 2. zur Erstattung von künftig wegen des Unfalls an den Versicherten noch zu erbringenden Leistungen festgestellt.

Dem durch den Beklagten zu 2. geschädigten, bei der Klägerin gegen Arbeitsunfälle versicherten Lkw-Fahrer R stand gegen den Beklagten zu 2. ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu, der gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen ist.

1.

Der Beklagte zu 2. fügte dem Versicherten R körperliche Verletzungen zu, indem er diesem beim Zurücksetzen mit dem Gabelstapler über den linken Fuß fuhr.

2.

Das geschah fahrlässig. Hätte der Beklagte zu 2. vor und bei dem Zurücksetzen mit dem Gabelstapler die erforderliche Sorgfalt beachtet, insbesondere die erforderliche Rückschau gehalten, so hätte er den neben seinem Silo-Lkw stehenden Versicherten wahrnehmen und rechtzeitig vor diesem anhalten oder in sicherem Abstand um diesen herumfahren können.

Das hat sich im Senatstermin bestätigt.

Der Zeuge R hat vor dem Senat glaubhaft bekundet: Er habe zum Ausblasen des Mehls in eine kleine Einfahrt hineinfahren müssen, um den Verkehr auf der Straße nicht zu behindern. Nach dem Anschließen der Schläuche und dem Einschalten des Kompressors habe er bei weiterlaufendem Motor neben seinem Fahrzeug gestanden und das direkt hinter dem Führerhaus an dem Silokessel befindliche Druckmeßgerät beobachtet. Da sei er plötzlich von dem rückwärtsfahrenden Gabelstapler angefahren worden.

Der Beklagte zu 2. ist dieser Darstellung bei seiner anschließenden Anhörung nicht entgegengetreten. Er hat erklärt:

Er habe das Silofahrzeug da stehen sehen. Aus diesem Grunde sei er rückwärts gefahren. Irgendwie müsse er dabei den Zeugen R übersehen haben.

3.

Ein Mitverschulden des Versicherten R (§ 254 BGB), welches die Klägerin sich anspruchsmindernd anrechnen lassen mußte, kann der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen.

Der Zeuge R konnte das Mehl nicht von der schmalen Straße aus entladen, die zwischen der Produktionsstätte und dem zugehörigen Rohstofflager der Beklagten zu 1. verlief, weil er dabei mit seinem großen Silo-Lkw den Verkehr zu stark behindert hätte. Er durfte in die in seiner Skizze (Anlage zum Protokoll vom 21. Mai 2001) dargestellte recht schmale Einfahrt auf das Betriebsgelände fahren. Das tat er, wie üblich, so, daß der Gabelstapler, der Ware von dem Rohstofflager zur Fertigung transportierte, an dem Silo-Lkw noch vorbeifahren konnte. Dazu ließ er nach eigener Einschätzung etwa 1,5 m Platz, jedenfalls soviel Platz, daß der Gabelstapler gut durchkommen konnte.

Der Unfall ereignete sich nach seiner glaubhaften, von dem Beklagten zu 2. anschließend auch nicht in Abrede gestellten Schilderung genau in der Phase, als R sich betriebsbedingt neben dem Silo-Lkw aufhalten mußte. Er hatte die Schläuche zum Ausblasen bereits angeschlossen und bei notwendigerweise weiterlaufendem Motor zusätzlich den Kompressor eingeschaltet, um Druck auf den Kessel zu bekommen. Beim Erreichen von 1,5 bar konnte und sollte das Ausblasen beginnen. Um den Druckaufbau zu kontrollieren und den richtigen Zeitpunkt abzupassen, mußte R das Druckmeßgerät im Auge behalten, das sich unmittelbar hinter dem Führerhaus an dem Silokessel befand. Diese Sichtkontrolle war nicht vom Führerhaus aus möglich. Dazu mußte R vielmehr neben dem Siloauflieger stehen. Dabei war er starker Lärmeinwirkung ausgesetzt, welche einerseits von dem nahen Motor seines Silo-Lkw, andererseits von dem sehr lauten Kompressor ausging.

Kurz bevor der zum Ausblasen nötige Druck sich eingestellt hatte, wurde R von dem Gabelstapler angefahren.

Bei dem Gabelstapler handelte es sich um ein recht leises Gerät, das von einem Elektromotor angetrieben wurde. Zur Unfallzeit war dieses Fahrzeug, wie der Beklagte zu 2. ausgeführt hat, weder mit einer Warnbeleuchtung noch mit einer akustischen Warnvorrichtung ausgerüstet.

Unter diesen Umständen sieht der Senat keinen Ansatzpunkt für einen gegen den Zeugen R zu richtenden Vorwurf eines Mitverschuldens.

R hielt sich nicht unnötigerweise neben seinem Silo-Lkw auf, sondern zu einer notwendigen Verrichtung. Er hatte den zum Ausblasen erforderlichen Druckaufbau eingeleitet und mußte diesen überwachen, was nur bei einem Aufenthalt neben dem Fahrzeug möglich war. Dabei mußte er zwar nicht ununterbrochen auf das Druckmeßgerät an seinem Siloauflieger schauen. Er mußte es aber im Auge behalten und konnte deshalb nicht ständig nach allen Seiten Umschau halten, ob sich von irgendwoher, insbesondere in seinem Rücken, ein Gabelstapler näherte. Auch wenn ihm bewußt war, daß während des Entladevorgangs ein Gabelstapler vorbeifahren konnte -das wußte er von früheren Besuchen, und deshalb hatte er den Silo-Lkw absichtlich so abgestellt, daß ein Gabelstapler gut durchkommen konnte-, kann ihm unter diesen Umständen eine ungenügende Beobachtung des Umfelds und der Fahrzeugbewegungen im Bereich der Einfahrt nicht angelastet werden.

Das gilt um so mehr, als es sich bei der beschriebenen Art der Fahrzeugentladung um einen auch dem Beklagten zu 2. als Gabelstaplerfahrer wohlvertrauten Vorgang handelte. R erschien regelmäßig, nahezu täglich, mit einem Silo-Lkw voll Mehl an dieser Betriebsstätte der Beklagten zu 1. und entlud das Mehl in der geschilderten Weise. Er durfte deshalb davon ausgehen, daß der Beklagte zu 2., nach der Bekundung des Lagerleiters R ohnehin der einzige Gabelstaplerfahrer in dieser Betriebsstätte, darauf eingestellt sei, daß sich der anliefernde Lkw-Fahrer zeitweilig, insbesondere kurz vor dem Beginn des Ausblasens, neben seinem Silo-Lkw aufhalten könne, und daß der Gabelstaplerfahrer deshalb bei der unter den ohnehin beengten Verhältnissen gebotenen langsamen Vorbeifahrt an dem Silo-Lkw den Lkw-Fahrer nicht übersehen werde.

4.

Ein Haftungsausschluß nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 3 SGB VII greift zugunsten des Beklagten zu 2. nicht ein.

Er wäre nur unter der Voraussetzung in Betracht gekommen, daß der Versicherte und der Beklagte zu 2. auf einer für sie "gemeinsamen" Betriebsstätte tätig geworden wären.

Das aber war nicht der Fall.

Wie der Bundesgerichtshof in seiner -soweit ersichtlich- ersten einschlägigen Entscheidung vom 17. Oktober 2000 (VI ZR 67/00, vgl. BGH in NJW 2001, S. 443) in Auseinandersetzung mit dem bisherigen Meinungsstreit ausgeführt und seither mehrfach bekräftigt hat (vgl. zuletzt BGH in NJW-RR 2001, S. 741), reicht für eine gemeinsame Betriebsstätte ein bloßes Nebeneinander von Unternehmensaktivitäten nicht aus. Der Begriff umfaßt vielmehr über die Falle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt.

Dem schließt der Senat sich an. Auch nach seiner Auffassung entspricht diese Auslegung am ehesten der erkennbaren Zielrichtung des Gesetzgebers -die Haftungsfreistellung des Schädigers im Vergleich zum bisherigen Recht deutlich zu erweitern- einerseits und dem unbefangenen Gesetzesverständnis -gemeinsame Betriebsstätte ist mehr als dieselbe Betriebsstätte- andererseits.

Bei Zugrundelegung dieser Auffassung erlitt der Versicherte R seine Verletzungen nicht bei einer betrieblichen Tätigkeit auf einer "gemeinsamen" Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 SGB VII. Er wurde nicht bei Aktivitäten verschiedener Unternehmen, die bewußt und gewollt ineinandergriffen, miteinander verknüpft waren, sich ergänzten oder unterstützten, tätig. Vielmehr hatte er mit einem Silo-Lkw seiner Arbeitgeberin Mehl zu dem Betriebsgelände der Beklagten zu 1. transportiert und war dort damit beschäftigt, die Entladung des Mehls unter Einsatz der Motorkraft und des Kompressors seines Fahrzeugs vorzubereiten und diesen Vorgang zu beobachten. Währenddessen fuhr der Beklagte zu 2. mit einem Gabelstapler der Beklagten zu 1. über das Betriebsgelände, ohne daß er in irgendeiner Weise in den Entladevorgang hinsichtlich des Silo-Lkw einbezogen gewesen wäre. Das Entladen des Silo-Lkw durch den Versicherten und der andere Vorgang, bei dessen Verrichtung der Beklagte zu 2. mit dem Gabelstapler auf dem Betriebsgelände herumfuhr, vollzogen sich beziehungslos nebeneinander und trafen rein zufällig bei dem Unfallgeschehen aufeinander.

5.

Unter diesen Umständen hat die Klägerin gegen den Beklagten zu 2. wegen der bis zur Klageerhebung an bzw. für den Versicherten erbrachten Leistungen den geltend gemachten Zahlungsanspruch aus übergegangenem Recht.

6.

Da mit weiteren unfallbedingt erforderlich werdenden Leistungen zu rechnen ist, ist auch ihr zulässiger Feststellungsantrag begründet, soweit er sich gegen den Beklagten zu 2. richtet.

II.

Hinsichtlich der Beklagten zu 1. sind die geltend gemachten Ansprüche nicht begründet.

Es fehlt an Schadensersatzansprüchen des Versicherten R gegen die Beklagte zu 1., welche auf die Klägerin übergegangen sein könnten.

1.

Eine Halter-Gefährdungshaftung der Beklagten zu 1. (§ 7 StVG) besteht nicht.

Der Unfall wurde unstreitig durch ein Fahrzeug verursacht (elektromotorisch betriebener Gabelstapler), welches auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann, und für solche langsam bewegliche Kraftfahrzeuge ist die Gefährdungshaftung ausgeschlossen (§ 8 StVG).

2.

Für eine Haftung der Beklagten zu 1. wegen unmittelbaren eigenen Verschuldens (§ 823 BGB) sieht der Senat keine Ansatzpunkte.

a)

Ein Organisationsverschulden im Zusammenhang mit dem Entladevorgang des Silo-Lkw ist der Beklagten zu 1. nicht anzulasten.

Die Beklagte zu 1. war nicht verpflichtet, für die Zeit der Vorbereitung und Durchführung des Entladens den Bereich der Einfahrt, in welchem der Silo-Lkw stand, zu sperren, Fahrten mit dem Gabelstapler zu unterbinden oder solche nur mit der Einschränkung zu gestatten, daß ein Einweiser zugegen war.

Trotz der Enge des zwischen dem eingefahrenen Silo-Lkw und der Mauer verbleibenen Raums war es, wenn der Gabelstaplerfahrer die zum Führen eines Kraftfahrzeugs allgemein erforderliche Sorgfalt aufbrachte, ohne weiteres möglich, an dem Silo-Lkw und gegebenenfalls an dem sich zeitweilig neben dem Silo-Lkw aufhaltenden Lkw-Fahrer schadlos vorbeizukommen.

Der Anlieferungs- und Entladevorgang, wie er am 16. Januar 1998 stattfand, vollzog sich zudem in gleicher Weise nahezu täglich. Mit seinem Ablauf waren sowohl der anliefernde Lkw-Fahrer R und seine Arbeitskollegen als auch der Fahrer des einzigen in dieser Betriebsstätte der Beklagten zu 1. eingesetzten Gabelstaplers, der Beklagte zu 2., seit langem vertraut. Zu vergleichbaren Zwischenfällen war es bis zum 16. Januar 1998 nicht gekommen.

b)

Der Beklagten zu 1. kann auch nicht der begründete Vorwurf gemacht werden, den Gabelstapler nicht ordnungsgemäß mit vorgeschriebenen Warneinrichtungen ausgerüstet zu haben.

Zwar verfügte des Fahrzeug nach den Angaben des Beklagten zu 2. zum Unfallzeitpunkt weder über gelbes Rundumblinklicht noch über eine akustische Warnvorrichtung. Der Senat kann aber nicht erkennen, daß derartige Warneinrichtungen für ein elektromotorisch angetriebenes Flurförderfahrzeug im innerbetrieblichen Werksverkehr seinerzeit zwingend vorgeschrieben gewesen sein sollten. Das wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Daß solche Einrichtungen, auch wo sie nicht vorgeschrieben sind, grundsätzlich sinnvoll sind, bleibt davon unberührt. Damit läßt sich aber jedenfalls ein Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht begründen.

3.

Auch eine Haftung der Beklagten zu 1. für die widerrechtliche Schadenszufügung durch ihren Verrichtungsgehilfen, den als Gabelstaplerfahrer bei ihr angestellten und zum Unfallzeitpunkt im Rahmen seiner betrieblich übertragenen Aufgaben tätig gewordenen Beklagten zu 2., besteht nicht (§ 831 Abs. 1 BGB).

Die Beklagte zu 1. hat sich insoweit in zweifacher Hinsicht von der Haftung entlastet.

a)

Sie hatte bei der Auswahl ihres Verrichtungsgehilfen und der anschließenden Überwachung seiner Tätigkeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB).

aa)

Wie der Zeuge R, nach seinen glaubhaften Angaben damals Schichtführer und als Lagerleiter der unmittelbare Vorgesetzte des ausschließlich für die Zusammenstellung und den Transport der Rohstoffe von dem Lager zu den Produktionsabteilungen zuständigen Beklagten zu 2., bekundet hat, war der Beklagte zu 2. für die Beklagte zu 1. zunächst als Fahrer im Außendienst tätig gewesen. Er hatte dann den sogenannten "Staplerschein" gemacht.

Das bezog sich ersichtlich auf den in Kopie vorgelegten "Fahrausweis für motorisch angetriebene Flurförderfahrzeuge im innerbetrieblichen Werksverkehr", ausgestellt von der TÜV-Akademie Rheinland am 18. Juni 1995, demzufolge der Beklagte zu 2. an einem Lehrgang für Fahrer von Gabelstaplern teilgenommen und die abschließende Prüfung bestanden hatte.

Als eine Stelle im Lager frei wurde, so der Zeuge weiter, bewarb der Beklagte zu 2. sich mit Erfolg. Er fuhr fortan den einzigen Gabelstapler der Betriebsstätte und war ausschließlich für das Rohstofflager zuständig. Seine Aufgabe bestand darin, die benötigten Rohstoffe zu konfektionieren und mit dem Gabelstapler zu den einzelnen Produktionsabteilungen zu transportieren.

Mangelnde Sorgfalt der Beklagten zu 1. bei der Auswahl des Beklagten zu 2. für die ihm dauerhaft übertragene Aufgabe des innerbetrieblichen Transports von Rohstoffen zwischen Lager und Produktion ist unter diesen Umständen nicht zu erkennen.

bb)

Der Beklagten zu 1. kann auch nicht der begründete Vorwurf gemacht werden, nach der Übertragung der genannten Aufgabe die Tätigkeit des Beklagten zu 2. nicht genügend überwacht zu haben.

Insoweit sind, wie stets, strenge Anforderungen zu stellen, wobei aber auf die Besonderheiten des Einzelfalls Rücksicht genommen werden muß.

Hier kommt wesentliche Bedeutung der Tatsache zu, daß die Tätigkeit des Beklagten zu 2. als Gabelstaplerfahrer sich -mit der Maßgabe, daß zwischen Rohstofflager und Produktion eine schmale öffentliche Straße zu überqueren war- im innerbetrieblichen Bereich abspielte. So sinnvoll es ist, wenn bei einem angestellten Kraftfahrer, der sich mit einem betriebseigenen Fahrzeug im Außendienst fernab des Betriebsgeländes im allgemeinen Straßenverkehr bewegt, zur ausreichenden Überwachung Kontrollfahrten gefordert werden, bei denen seine Fahrweise aus einem anderen Fahrzeug beobachtet werden kann (vgl. z. B. BGH in NJW 1997, S. 2756 f.), so wenig Sinn macht es andererseits, vergleichbare Anforderungen auf den Fall zu übertragen, daß ein Fahrzeug/Arbeitsgerät innerbetrieblich in einem Rahmen geführt wird, wie es hier der Fall war.

Die Tätigkeit des Beklagten zu 2. war genau umrissen und vollzog sich innerhalb eines von den Ablaufen und der Örtlichkeit her überschaubaren Betriebs. Der Beklagte zu 2. hatte im Rohstofflager die für die Produktion benötigten/angeforderten Rohstoffe zu konfektionieren und mit dem Gabelstapler zu den einzelnen Abteilungen der Produktion zu befördern. Zwischen Lager und Backhaus war dabei eine Entfernung von gerade einmal 60 bis 80 m zurückzulegen. Damit war für den Schichtführer und Lagerleiter R, den unmittelbaren Vorgesetzten des Beklagten zu 2., ständig und zwanglos die Möglichkeit eröffnet, die Tätigkeit des Gabelstaplerfahrers wahrzunehmen und zu beobachten, die sich sozusagen unter seinen Augen abspielte.

Der Senat hält es für überzogen, unter solchen Bedingungen noch zusätzlich gesonderte Beobachtungs- und Überwachungsmaßnahmen zu fordern. Bei einem im Außendienst tätigen Fahrer müssen sie dem Geschäftsherrn abverlangt werden, weil er nur so eine Tätigkeit überwachen kann, die sich außerhalb seiner unmittelbaren Wahrnehmungssphäre abspielt. Bei einer innerbetrieblichen Tätigkeit unter den hier gegebenen Bedingungen indessen ist die Beobachtungsmöglichkeit und damit die Möglichkeit, Fehlverhalten des Verrichtungsgehilfen zu entdecken und abzustellen, ständig und in sehr viel breiterem Umfang gegeben, auch ohne daß besondere Überwachungsmaßnahmen angesetzt und durchgeführt werden müssen.

Zusätzliche Maßnahmen waren im konkreten Fall des Beklagten zu 2. um so weniger zu fordern, als der Beklagte zu 2. nach den Angaben seines Vorgesetzten R seinen Dienst ordentlich gemacht hatte und bis zu dem Unfall irgendwelche Unregelmäßgikeiten nicht bekannt geworden waren.

b)

Selbst wenn man von der Beklagten zu 1. noch zusätzliche Überwachungsmaßnahmen hätte verlangen wollen, wäre eine Ersatzpflicht ausgeschlossen, weil der konkrete Schaden auch bei gehöriger Aufsichtführung entstanden sein wurde (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB).

Der Schaden trat dadurch ein, daß der Beklagte zu 2. bei der Rückwährtsfahrt mit dem Gabelstapler für einen Augenblick die nötige Sorgfalt vermissen ließ und infolgedessen den neben dem Silo-Lkw stehenden Zeugen R übersah.

Ein solches momentanes Versagen eines erfahrenen und bis dahin unfallfreien Gabelstaplerfahrers wäre auch durch zusätzliche Überwachungsmaßnahmen in gewissen Abständen letztlich nicht zu verhindern gewesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 108 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf

102.936,11 DM

festgesetzt.

Die Beschwer der Klägerin und die Beschwer des Beklagten zu 2. betragen jeweils

102.936,11 DM.

Ende der Entscheidung

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