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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.12.2003
Aktenzeichen: 1 U 4/03
Rechtsgebiete: BGB, PflVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 7 Abs. 1
BGB § 252
BGB § 288
BGB § 291 a.F.
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1
PflVG § 3 Nr. 1
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 4/03

Verkündet am 01. Dezember 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. X, den Richter am Oberlandesgericht X und die Richterin am Landgericht X

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung des Klägerin wird das am 11. Dezember 2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve - 2 O 526/99 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

1.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 21.602,08 € nebst 4 % Zinsen aus 13.682,17 € seit dem 18.12.1999 und aus 7.919,91 € seit dem 06.02.2001 zu zahlen.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 03.11.1997 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen und soweit über sie in diesem Verfahren noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist.

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 40 % der Klägerin und zu 60 % den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zu 51 % und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 49 % zur Last.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten wegen des Verkehrsunfalls vom 03.11.1997 gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG ein Anspruch auf Schmerzensgeld von insgesamt 23.008,13 € (45.000,- DM) zu; ihr sind deshalb zusätzlich zu den von der Beklagten zu 2. bereits gezahlten 9.203,25 € und den vom Landgericht zuerkannten 6.135,50 € weitere 7.669,38 €, insgesamt also 13.804,88 € nebst Zinsen zuzusprechen. Ferner haben die Beklagten der Klägerin gemäß §§ 7 Abs. 1, 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG deren unfallbedingten Verdienstausfallschaden in Höhe von 7.797,20 € nebst Zinsen zu ersetzen, so dass sich der tenorierte Gesamtbetrag von 21.602,08 € ergibt. Soweit die Klägerin darüber hinausgehendes Schmerzensgeld und Verdienstausfall verlangt, hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.

1.

Das von dem Landgericht für angemessen gehaltene Schmerzensgeld von insgesamt 15.338,76 € (30.000,- DM) wird dem Umfang der unfallbedingten Verletzungen, insbesondere den bis heute anhaltendem Verletzungsfolgen nicht hinlänglich gerecht.

Die Klägerin hat durch den Unfall im wesentlichen eine Fraktur des zweiten Halswirbelkörpers mit einer Absprengung des Wirbelbogens, Prellungen der rechten Thoraxhälfte, Rippenbrüche, Gurt- und multiple Prellungen an Extremitäten sowie eine Quetschung der rechten Brust mit Substanzverlust erlitten. Sie ist infolge der Verletzungen in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt; sie leidet seit dem Unfall an - auf das erlittene HWS-Syndrom zurückgehenden - chronischen Kopf- und Nackenschmerzen sowie an insbesondere morgendlich betontem unspezifischem Schwindel. Darüber hinaus sind psychische Beeinträchtigungen der Klägerin wegen der Entstellung ihrer Brust in Rechnung zu stellen.

Insbesondere die täglich empfundenen Dauerfolgen und Beeinträchtigungen, nämlich die Kopfschmerzen und die Schwindelgefühle, welche die Klägerin durch die Einnahme starker Medikamente bekämpfen muss, sowie die nicht als gering einzuschätzenden psychischen Beeinträchtigungen wegen der irreparablen Verletzung der Brust erfordern in der Gesamtschau mit den übrigen erlittenen Verletzungen ein schon deutlich über 15.000,- € liegendes Schmerzensgeld, das allerdings in dem zuerkannten Umfang auch ausreichend ist.

2.

Die Klägerin kann zudem Ersatz ihres Verdienstausfalls für die Zeit vom 01.05.1998 bis 31.05.2000 in Höhe von 7.797,20 € verlangen (25 Monate x 610,- DM = 15.250,- DM).

Soweit das Landgericht den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. X und Dr. X entnommen hat, dass die Klägerin in diesem Zeitraum lediglich zu 20 % in ihrer Haushaltstätigkeit beeinträchtigt war und deshalb einen Verdienstausfallschaden verneint hat, kann das keinen Bestand haben. Denn die gutachterlichen Ausführungen lassen hinreichende Feststellungen zur Entwicklung des Krankheitsbildes der Klägerin nach dem Unfall vom 03.11.1997 nicht erkennen. Insbesondere fehlt es an einer Auseinandersetzung der Sachverständigen mit den vorliegenden amtsärztlichen Untersuchungsergebnissen (Bl. 45, 46, 158 GA), die der Klägerin jedenfalls bis Ende Dezember 1999 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bescheinigen und erst im Februar 2000 eine (eingeschränkte) Arbeitsfähigkeit (Bl. 159 GA) bejahen. Aus dem Umstand, dass die Klägerin spätestens seit August 2000 bei Herrn Sch... als Haushaltshilfe arbeitete, lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass sie auch schon in der Zeit davor in gleicher Weise arbeitsfähig war.

Indes bedarf es diesbezüglich keiner weiteren aufwändigen Sachverhaltsaufklärung durch ein erneutes Sachverständigengutachten. Denn der Senat hält es schon angesichts der erlittenen Verletzungen der Klägerin und der vorgenannten amtsärztlichen Bescheinigungen gemäß § 287 ZPO für hinreichend wahrscheinlich, dass sie jedenfalls vom 01.05.1998 bis 31.01.2000 unfallbedingt arbeitsunfähig war und sie in dem Zeitraum ab Februar 2000, für den sie selbst angegeben hat, wieder teilweise arbeitsfähig gewesen zu sein, trotz intensiver Bemühungen (Bl. 220 ff GA) bis zum 31.05.2000 einen Arbeitsplatz nicht gefunden hat. Die Beklagten haben ihr deshalb für diesen Zeitraum von 25 Monaten den Verdienstausfall von monatlich 610,- DM, insgesamt 7.797,20 € zu ersetzen. Soweit die Klägerin allerdings erstmals mit der Berufung auch für den Monat Juni 2000 Verdienstausfall verlangt, hat sie diesen Anspruch schon nicht begründet.

3.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin einen Verdienstausfallschaden für die Zeit vom 01.08.2000 bis 31.12.2000 in Höhe von insgesamt 8.088,64 € geltend gemacht hat. Die Klägerin hat jedenfalls den Nachweis nicht erbracht, dass sie - ohne den Unfall - ab August 2000 einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen wäre. Hier führen auch die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsinstanz zu keinem anderen Ergebnis.

Bei der Beurteilung der voraussichtlichen beruflichen Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis ist gem. § 252 BGB eine Prognose entsprechend dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Vorkehrungen zu treffen, insbesondere auf der Grundlage dessen, was zur Ausbildung und bisherigen beruflichen Situation des Betroffenen festgestellt werden kann.

Dabei muss der Geschädigte zwar so weit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für diese Prognose dartun. Es dürfen jedoch auch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH VersR. 1993, 1284 f.; 1995, 422 ff. und 469, 470; MDR 1998, 534). Hierbei darf nämlich nicht außer Acht gelassen werden, dass es in der Verantwortlichkeit des Schädigers liegt, dass der Geschädigte durch das Unfallereignis aus der Bahn geworfen wurde, woraus sich erst die besondere Schwierigkeit ergibt, nun eine Prognose über deren Verlauf anzustellen.

Im Zweifel ist deshalb nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Basis die weitere Prognose hinsichtlich der entgangenen Einnahmen anzustellen und der Schaden gem. § 287 ZPO zu schätzen.

Auch unter Zugrundelegung dieser Grundsätze, welche der Klägerin den Nachweis ihres Schadens erleichtern, kann die von ihr gewünschte Prognose nicht gestellt werden, da es an hinreichenden Anhaltspunkten fehlt.

So läßt sich insbesondere aus der Vergangenheit der Wille der Klägerin, einmal voll zu arbeiten, jedenfalls nicht ableiten. Auch die infolge der Ehescheidung Anfang Dezember 1996 entstandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bedeuten nicht ohne weiteres, dass die Klägerin ohne den Unfall eine Vollzeitbeschäftigung angestrebt hätte, zumal diese Situation bis zu dem Unfall im November 1997 nahezu ein Jahr bestand. In dieser Zeit ging die Klägerin dessen ungeachtet aber lediglich einer Teilzeittätigkeit nach und bezog im übrigen Sozialhilfe. Es ist insoweit auch nicht plausibel, dass sie durch die Betreuung ihrer Kinder, die im Dezember 1996 immerhin schon 18 bzw. 15 Jahre alt waren, entscheidend von einer weitergehenden Arbeit abgehalten worden ist.

4.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB a.F. Zum 18.12.1999 waren die Zahlungsansprüche lediglich in Höhe von 13.682,17 € rechtshängig.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 31.536,54 € festgesetzt; die Beschwer der Parteien liegt jeweils unter 20.000,- €.

Ende der Entscheidung

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