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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.03.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 170/00
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 57
StGB § 68 f Abs. 2
StPO § 454 Abs. 1
StPO § 463 Abs. 3 Satz 1
Sieht die Strafvollstreckungskammer vor der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung oder darüber, ob die gesetzlich eintretende Führungsaufsicht entfällt, von der grundsätzlich vorgeschriebenen mündlichen Anhörung des Verurteilten ab, weil dieser hierauf verzichtet habe, so ist diese Verfahrensweise nur dann rechtsfehlerfrei, wenn ein solcher Verzicht für das Gericht zweifelsfrei feststeht, also in der Regel ausdrücklich erklärt worden ist.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

1 Ws 170/00 208 VRs 11482/96 StA Düsseldorf

In der Strafvollstreckungssache

hat der 1. Strafsenat durch die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Stüttgen und die Richterin am Oberlandesgericht Magiera-Steinacker am

13. März 2000

auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Krefeld vom 23. Dezember 1999 - 32 StVK 604/99 - nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Am 11. November 1999 ist die Verurteilte nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren aus dem Urteil der XX. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. März 1996 aus der Strafhaft entlassen worden.

Durch den angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, daß die Verurteilte kraft Gesetzes unter Führungsaufsicht steht und von einer Anordnung gemäß § 68f Abs. 2 StGB abgesehen. Sie hat die Höchstdauer der Führungsaufsicht auf drei Jahre abgekürzt, die Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihr Weisungen erteilt.

II.

Hiergegen wendet sich die Verurteilte mit ihrer sofortigen Beschwerde, die gemäß §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 3 StPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig ist. Sie ist auch (vorläufig) begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

1.

Nach §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 1 Satz 3 StPO ist der Verurteilte vor einer Entscheidung gemäß § 68f Abs. 2 StGB darüber, ob die Führungsaufsicht entfällt, mündlich anzuhören.

Eine solche Anhörung hat nicht stattgefunden.

Nach § 454 Abs. 1 Satz 4 StPO kann grundsätzlich nur unter den dort genannten Voraussetzungen von ihr abgesehen werden, die hier nicht vorliegen.

Darüber hinaus hat die Rechtsprechung ausnahmsweise von der Notwendigkeit einer mündlichen Anhörung u.a. dann abgesehen, wenn der Verurteilte auf sie verzichtet hat. Angesichts der Bedeutung der mündlichen Anhörung sowohl für die Entscheidung nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB als auch nach § 68f Abs. 2 StGB muß dieser Verzicht jedoch für das Gericht zweifelsfrei feststehen und deshalb in der Regel ausdrücklich erklärt sein (vgl. Senat VRS 88, 369; StV 1996, 558 (LS)).

Hier hat die Strafvollstreckungskammer die Verurteilte am 24. November 1999 angeschrieben, sie auf den Inhalt und die Bedeutung der anstehenden Entscheidung nach § 68f Abs. 2 StGB hingewiesen und ihr eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen gesetzt. Abschließend heißt es in dem Schreiben:

"Sollten Sie eine mündliche Anhörung wünschen, so vereinbaren Sie bitte einen Termin (Tel....).

Andernfalls wird angenommen, dass Sie auf eine mündliche Anhörung verzichten."

Auf dieses ihr am 3. Dezember 1999 durch Niederlegung zugestellte Schreiben hat die Verurteilte weder schriftlich noch durch fernmündliche Vereinbarung eines Anhörungstermins reagiert.

Dieses Schweigen der Verurteilten ist, zumal der Zugang des Schreibens nicht feststeht, nicht geeignet, zweifelsfrei festzustellen, daß sie nicht mündlich angehört werden wollte. Gründe für ihre unterbliebene Reaktion können z.B. auch Gleichgültigkeit und mangelnde Sorgfalt sein.

2.

Die Unterlassung der zwingend vorgeschriebenen Anhörung nach §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 1 Satz 3 StPO stellt einen erheblichen Verfahrensmangel dar, der es dem Senat geboten erscheinen läßt, ausnahmsweise von einer eigenen Entscheidung gemäß § 309 Abs. 2 StPO abzusehen und die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. Februar 1990 - 1 Ws 134-135/90 - und 20. Dezember 1994 - 1 Ws 1008 und 1018/94 -).

Ende der Entscheidung

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