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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.10.2001
Aktenzeichen: 10 U 116/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 765
BGB § 535 Satz 2
BGB § 554
BGB § 284
BGB § 286
ZPO § 291
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 U 116/00

Verkündet am 25. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht die Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 26. Mai 2000 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Anschlussberufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 18.543,13 DM nebst 4 % Zinsen seitdem 1.3.2000 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Kläger zu 4 %, der Beklagte zu 96 %.

Die Kosten der Berufung tragen die Kläger zu 6 %, der Beklagte zu 94 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Über den durch das Landgericht zuerkannten Betrag von 6.392,27 DM hinaus können die Kläger von dem Beklagten als Bürgen die Zahlung weiterer 12.150,86 DM verlangen. Ihnen stehen darüber hinaus auf den Gesamtbetrag von 18.543,13 DM ab 1.3.2000 Prozesszinsen zu. Der weitergehende Zinsanspruch und die geltend gemachte Forderung auf Zahlung einer anwaltlichen Besprechungsgebühr in Höhe von 822,21 DM sind aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils nicht begründet. Die zulässige Anschlussberufung hat in der Sache keinen Erfolg.

A. Berufung der Kläger

1.

Den Klägern steht gegen den Beklagten gemäß §§ 765, 535 Satz 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung der unstreitigen Mietrückstande der Hauptschuldnerin auch für die Zeit ab November 1999 zu. Dementsprechend schuldet der Beklagte den Klägern über den zuerkannten Betrag von 6.392,27 DM hinaus die Zahlung weiterer 12.150,86 DM.

Der Beklagte erhebt gegenüber seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft ohne Erfolg den Einwand der Verwirkung (§ 242 BGB), weil die Kläger ihn nicht über den Zahlungsverzug der Hauptschuldnerin unterrichtet haben. Weder traf die Kläger eine diesbezügliche Informationspflicht noch waren sie - wie das Landgericht jedoch angenommen hat - gegenüber dem Beklagten ab November 1997 verpflichtet, das Mietverhältnis mit der Hauptschuldnerin, der Nachmieterin des Beklagten, fristlos zu kündigen.

Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten ist nicht teilweise dadurch erloschen, dass die Kläger ihm gegenüber zu beachtende Nebenpflichten aus dem Bürgschaftsvertrag verletzt hätten. Abgesehen davon, dass jeder plausible Vortrag darüber fehlt, was der Beklagte bei rechtzeitiger Unterrichtung über den Mietrückstand unternommen hätte, um das weitere Anwachsen der Hauptschuld zu verhindern, bestand keine Pflicht der Kläger, den Beklagten über die Entwicklung der Hauptschuld auf dem Laufenden zu halten. Im Rahmen des einseitig verpflichtenden Bürgschaftsvertrages bestehen grundsätzlich keine Sorgfaltspflichten des Bürgschaftsgläubigers. Dieser hat gegenüber dem Bürgen zwar im Einzelfall Rücksicht zu wahren (vgl. BGH WM 1984, 586) und es ist ihm verwehrt, das Risiko für den Bürgen zu erhöhen (vgl. KG NJW-RR 1988, 108). Hiervon abgesehen ist es aber grundsätzlich Sache des Bürgen, sich die notwendigen Informationen über die Vermögenslage des Hauptschuldners selbst zu beschaffen (OLG Hamburg, ZMR 1999, 630, 632 m.w.N.). Es oblag daher im eigenen Interesse allein dem Beklagten, sich fortlaufend über die Entwicklung der Hauptschuld zu unterrichten. Macht der Bürge hiervon - wie der Beklagte - keinen Gebrauch, kann er sich gegenüber seiner späteren Inanspruchnahme nicht auf eine Verletzung vertraglicher Informationspflichten berufen.

Das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelfall verlangte von den Klägern auch nicht, für den streitgegenständlichen Zahlungszeitraum gegenüber der Hauptschuldnerin von ihrem Kündigungsrecht aus § 554 BGB Gebrauch zu machen. Dem Bürgschaftsgläubiger ist es im Verhältnis zum Bürgen nicht grundsätzlich verwehrt, dem Hauptschuldner - etwa durch Absehen von einer Kündigung des Vertragsverhältnisses - anderweit Kredit zu geben, selbst wenn sich hierdurch die Tilgungsaussichten für die durch Bürgschaft gesicherte Forderung verringern (OLG Hamburg, a.a.O. unter Berufung auf BGH WM 1971, 614, 615).

Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 30.3.1995 (NJW 1995, 1886, 1888). Die Anwendung der Grundsätze dieser zum Leasingvertrag ergangenen Entscheidung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich um unterschiedliche Sachverhalte handelt. Beim Leasingvertrag besteht für den Leasinggeber aus vernünftigem wirtschaftlichen Interesse Veranlassung für eine zeitnahe fristlose Kündigung bei einem Zahlungsverzug des Leasingnehmers. Die Leasingsache verliert nämlich mit Zeitablauf ständig an Wert, so dass ihre frühzeitige Verwertung den Schaden für den Leasinggeber möglichst gering halten kann. Demgegenüber unterliegt die Mietsache keinem vergleichbaren Wertverlust. Für den Vermieter besteht in erster Linie nur die Gefahr, dass er den Mietzins nicht erhält und eine Neuvermietung unterbleibt, die den Schaden begrenzen würde. Da zudem die Mietpreise, insbesondere bei Gewerbemieten, erheblichen Schwankungen unterliegen und auch sinken können, muss es im Ermessen des Vermieters liegen, ob er von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht und den Versuch unternimmt, den Mietausfallschaden durch eine alsbaldige Neuvermietung gering zu halten. In diesem Fall läuft er zudem Gefahr, das Mietobjekt zu einem geringeren Preis vermieten zu müssen, wobei sodann Streit mit dem Mieter darüber entstehen kann, warum keine Vermietung zum bisherigen Mietpreis möglich war (so ausdrücklich KG, Urt. v. 5. Juli 2001, GE 2001, 1196). Hierauf muss sich der Vermieter auch im Interesse des Bürgen nicht einlassen.

Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass der Vermieter bei einem Zahlungsverzug des Bürgen nicht unabsehbare Zeit warten darf, bis er von der Möglichkeit einer fristlosen Kündigung Gebrauch macht, so war die den Klägern danach zuzubilligende Angemessenheitsgrenze hier jedenfalls nicht überschritten. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Hauptschuldnerin nach dem vorgelegten Mietkontoauszug für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht jegliche Mietzahlungen eingestellt hat, sondern es nach persönlicher Intervention des Klägers zu 2) immer wieder zu einzelnen Mietzahlungen gekommen ist.

Unabhängig von vorstehenden Überlegungen entsprach eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses auch nicht dem Sinn und Zweck des Bürgschaftsvertrages. Zwischen den Parteien bestand ein bis zum 31.3.1999 befristetes Mietverhältnis aus dem der Beklagte gegen Gestellung der Hauptschuldnerin als Nachmieterin nur deshalb entlassen worden ist, weil sich der Beklagte bis zum Ablauf der ursprünglichen Vertragslaufzeit in Höhe der bisherigen Miete + Nebenkosten verbürgt hatte. Den Klägern kam es hierbei ersichtlich darauf an, die Zahlung der mit dem Beklagten vereinbarten Miete bis zum Ablauf der mit diesem ursprünglich vereinbarten Mietzeit sicherzustellen. Wären die Kläger verpflichtet gewesen, das Mietverhältnis vorzeitig zu kündigen, hätten sie hierdurch eine werthaltige Bürgschaftsverpflichtung gegen eine ungesicherte und wertlose Schadenshaftung der Hauptschuldnerin eingetauscht. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bürgschaftsurkunde waren andere als Mietzins- und Nebenkostenansprüche nicht Gegenstand seiner Bürgenhaftung. Unabhängig davon, ob dieses Verständnis zutrifft, waren die Kläger bei dieser Sachlage jedenfalls nicht zu einer Kündigung verpflichtet, um den Bürgen zu schonen.

Ob die Kläger verpflichtet gewesen wären, die Mieträume erneut dem Beklagten zu überlassen oder einen von diesem gestellten Nachmieter zu akzeptieren, mag dahinstehen. Ein dahin gehendes Angebot hat der Beklagte den Klägern zu keinem Zeitpunkt unterbreitet.

2.

Eine Verzinsung ihrer Forderung ab 21.7.1999 können die Kläger nicht gemäß §§ 284, 286 BGB verlangen, weil sich der Beklagte nicht in Verzug befunden hat.

Ob eine Zuvielmahnung im Umfange des tatsächlich bestehenden Anspruchs wirksam ist, entscheidet sich nach der Rechtsprechung des BGH unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben; eine unverhältnismäßig hohe Zuvielforderung kann den zu Recht angemahnten Teil so in den Hintergrund treten lassen, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich nicht als wirksam gemahnt ansieht (BGH NJW 1991, 1286, 1288, NJW-RR 1987, 679, 682 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen nach den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts, denen sich der Senat anschließt, vor. Rechtserhebliches hierzu ist dem Vorbringen der Berufung nicht zu entnehmen. Unstreitig haben die Kläger zunächst den Umfang der Bürgschaft verkannt und den Beklagten zu Zahlung von 30.751,55 DM aufgefordert. In diesem Betrag war der von der Hauptschuldnerin für die angemietete Wohnung geschuldete Mietrückstand von 12.208,42 DM enthalten (= 31.751,55 DM - 18.543,13 DM). Dass der Beklagte aus dem "Mahnschreiben,, die Höhe der von ihm aufgrund der eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung zu zahlenden Mietrückstände aus dem gewerblichen Mietverhältnis mit der Hauptschuldnerin konkret ersehen konnte, so dass ihm der Umfang seiner Zahlungsverpflichtung klar sein musste, ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht aus der dem Mahnschreiben nach ihrem Vortrag beigefügten Fehlbetragsaufstellung. Zu einer rechnerischen Ermittlung der von ihm als Bürgen zu zahlenden Forderung war der Beklagte nicht verpflichtet.

3.

War der Beklagte aber nicht in Verzug, steht den Klägerin ein Anspruch auf Ersatz einer anwaltlichen Vergleichsgebühr bereits aus diesem Grund nicht zu.

4.

Die Kläger können jedoch Prozesszinsen gemäß § 291 ZPO ab Rechtshängigkeit, d.h. ab 1.3.2000 verlangen.

B. Anschlussberufung des Beklagten

Aus den Ausführungen zur Berufung der Kläger folgt zugleich, dass die zulässige Anschlussberufung des Beklagten keinen Erfolg haben kann.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 546 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert für die Berufung: 12.973,07 DM + 234,62 DM (= 4 % Zinsen aus 2.659,70 DM für die Zeit vom 21.7.1999 - 04.10.2001)

Streitwert für die Anschlussberufung: 3.732,57 DM

Beschwer für beide Parteien: unter 60.000 DM

Ende der Entscheidung

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