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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.11.2001
Aktenzeichen: 10 U 125/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 859 ff.
BGB § 861 Abs. 1
BGB § 858 Abs. 1
BGB § 869 Satz 2
ZPO § 888 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 545 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 U 125/01

Verkündet am 15. November 2001

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht L. sowie die Richter am Oberlandesgericht E. und G. auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 12. Juni 2001 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Besitz an dem in D.-H. gelegenen "Jägerhaus", E. L. 60 nebst zugehörigem Weideland von 2,6 ha wieder einzuräumen.

Es wird angeordnet, daß die Antragsgegnerin zur Vornahme der vorstehend beschriebenen Handlung durch Zwangsgeld in Höhe von 5.000 DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft von einem Tag für jeweils 1.000 DM anzuhalten ist.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Antragsgegnerin zur Last.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Antragstellers ist auch sachlich gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils sind die Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten einstweiligen Verfügung gegeben.

I.

Der auf Wiedereinräumung des Besitzes gerichtete Verfügungsanspruch des Antragstellers ergibt sich aus § 861 Abs. 1 BGB. Die Antragsgegnerin besitzt ihm gegenüber fehlerhaft, weil ihm der Besitz durch verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB entzogen worden ist. Dies ergibt sich im einzelnen aus folgenden Erwägungen:

1.

Der Antragsteller hatte, wovon auch das Landgericht ausgegangen ist, infolge der Übernahme des streitgegenständlichen Objekts aufgrund des Pachtvertrages vom 23. April 1991 (Bl. 25 ff. GA) unmittelbaren Mitbesitz neben seiner zwischenzeitlich von ihm geschiedenen Ehefrau, der Zeugin H., erlangt. Dies zieht auch die Antragsgegnerin nicht in Zweifel.

2.

Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegnerin (vgl. dazu z.B. Palandt/Bassenge, 60, Aufl., § 858 BGB Rdn. 9) hat die Aufgabe seines Mitbesitzes durch den Antragsteller, die seine Entziehung durch verbotene Eigenmacht ausschlösse (vgl. dazu OLG Köln ZMR 1997,463), nicht glaubhaft gemacht. Daher ist davon auszugehen, daß er sein Besitzrecht bis zum Austausch der Schlösser, das - wie noch auszuführen sein wird - unter den gegebenen Umständen als verbotene Eigenmacht zu werten ist (vgl. z.B. OLG Koblenz ZMR 1999, 251), ausgeübt hat.

Unmittelbarer Besitz ist als Innehabung der tatsächlichen Gewalt, also als tatsächliche Machtbeziehung zu verstehen, die von einem Besitzwillen getragen ist. Ist der unmittelbare Besitz wie vorliegend einmal erlangt, sind an die Annahme seiner Aufgabe strenge Anforderungen zu stellen (so z.B. Palandt/Bassenge, a.a.O., § 854 BGB Rdn. 3 und § 856 BGB Rdn. 4). Das Landgericht hat fälschlich angenommen, diesen Anforderungen sei Genüge getan, wobei es ersichtlich die Frage der Beweislastverteilung unzutreffend beurteilt hat.

Der Scheidungsfolgevertrag, den der Antragsteller unter dem 16. Juni 1999 mit seiner damaligen Ehefrau, mit der er gemeinsam den unmittelbaren Besitz ausübte, geschlossen hat (UR-Nr. 831/1999 des Notars B. in D. - Bl. 22 ff. BA 20 C 50159/01 AG Düsseldorf -) rechtfertigt nicht die Annahme, er habe dessen Vollzug seinen unmittelbaren Mitbesitz aufgegeben. Besitzfragen sind in diesem Vertrag nicht geregelt. Die Tatsache, daß die Zeugin H. den Gewerbebetrieb allein führen sollte, läßt für sich allein keine Rückschlüsse hinsichtlich der Verteilung der Sachherrschaft an dem Gesamtobjekt zu, zumal der Antragsteller im Verhältnis zur Antragsgegnerin aus dem Pachtvertrag vom 23. April 1991 verpflichtet blieb.

Daß der Antragsteller seit dem 24. Dezember 1999 nicht mehr in der zum Pachtobjekt gehörenden Wohnung übernachtet hat, ist vor diesem Hintergrund ebenfalls kein Umstand, der eine Besitzaufgabe belegen könnte. Vielmehr lassen die auf den Erlaß einstweiliger Verfügungen gegen die Zeugin H. gerichteten Anträge vom 1. August und 1. September 2000 erkennen, daß der Antragsteller auch weiterhin die tatsächliche Gewalt über das gesamte Anwesen für sich in Anspruch nahm, zu dem er aufgrund des Besitzes der Schlüssel nach wie vor ungehinderten Zugang hatte. Als ihm dieser Zugang dadurch unmöglich gemacht wurde, daß die Zeugin H. im Juli 2000 das Schloß auswechselte, erwirkte er durch die mit Urteil vom 6. September 2000 bestätigte einstweilige Verfügung vom 1. August 2000 die Wiederherstellung des früheren Zustands, wie sich dies aus dem Vorbringen der dortigen Parteien in dem Verfahren über die Festsetzung eines Zwangsgeldes aufgrund des vorgenannten Titels (Bl. 99 ff. BA 56 C 50478/00 AG Düsseldorf) ergibt.

Bis zum Austausch der Schlösser durch die Antragsgegnerin ist es zu einer wesentlichen Veränderung der Besitzverhältnisse in der Folgezeit nicht gekommen. Zwar hat der Antragsteller im März 2001 noch die im Scheidungsfolgenvertrag vom 16. Juni 1999 aufgeführten Gegenstände abgeholt. Als er dann am 16. März 2001 feststellte, daß die Zeugin H. damit begonnen hatte, u.a. Badezimmereinrichtungen auszubauen, hat er am 17. März 2001 sogleich eine weitere einstweilige Verfügung gegen sie erwirkt, durch die ihr ein derartiges Vorgehen untersagt wurde (20 C 50159/01 AG Düsseldorf).

Demgegenüber reichen die eidesstattlichen Versicherungen der Zeugin H. vom 31. Mai 2001 (Bl. 160 GA) und die Bekundungen des Zeugen Dr. L. bei seiner Vernehmung vom 15. Mai 2001 durch das Landgericht (Bl. 137/138 GA) nicht aus, um gleichwohl die Annahme einer Besitzaufgabe durch den Antragsteller zu rechtfertigen. Dies geht, wie bereits ausgeführt, zu Lasten der Antragsgegnerin.

3.

Der somit fortbestehende Besitz ist dem Antragsteller, wie bereits angedeutet, durch verbotene Eigenmacht seitens der Antragsgegnerin entzogen worden, da der von ihr vorgenommene Austausch der Schlösser ohne seinen Willen erfolgt ist und diese Maßnahme auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Regelung gestattet war.

Daß die Zeugin H. als unmittelbare Mitbesitzerin ihrerseits ausweislich der Übergabeerklärung vom 21. März 2001 (Bl. 168 GA) geräumt und das Pachtobjekt zurückgegeben hat, steht der Annahme verbotener Eigenmacht zu Lasten der Antragsgegnerin nicht entgegen. Der Antragsteller hatte gegenüber Dritten unbeschränkten Besitzschutz (so z.B. Palandt/Bassenge, a.a.O. § 866 BGB Rdn. 4). Will der weitere Mitbesitzer den Mitbesitz nicht wieder übernehmen oder nicht länger ausüben, geht der Anspruch auf Rückübertragung entsprechend § 869 Satz 2 BGB auf Einräumung des Alleinbesitzes (Palandt/Bassenge, a.a.O. § 866 Rdn. 6). Eine die Annahme verbotener Eigenmacht ausschließende rechtfertigende Zustimmung muß von allen Mitbesitzern getragen sein. Andernfalls ist nur der Zustimmende an der Ausübung der Rechte aufgrund der § 859 ff. BGB gehindert (so z.B. Staudinger, 1995, § 866 BGB Rdn. 24; Westermann, Sachenrecht, 7. Aufl., § 25, 3). Auf die Kenntnis des Zeugen L. hinsichtlich der Besitzverhältnisse kommt es insoweit nicht an.

Die Kündigung des Vertragsverhältnisses der Parteien durch die Antragsgegnerin vermag die von ihr vorgenommene Besitzentziehung selbst dann zu rechtfertigen, wenn sie berechtigt gewesen sein sollte, worüber in diesem Rechtsstreit nicht zu befinden ist. Ein etwaiger Besitzeinräumungsanspruch kann nämlich nicht eigenmächtig realisiert werden, sondern ist grundsätzlich durch Inanspruchnahme der dafür vorgesehenen staatlichen Institutionen durchzusetzen.

4.

Schließlich bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, die Antragsgegnerin könne deswegen nicht zur Rückübertragung des Besitzes an den Antragsteller verpflichtet sein, weil sie den unmittelbaren Besitz an einen Dritten weitergegeben habe. Auch wenn ein Dritter im Hinblick auf einen noch abzuschließenden Miet- oder Pachtvertrag im Objekt Umbauarbeiten vornimmt, bedeutet dies noch nicht, daß er unmittelbaren Besitz erlangt hat (vgl. dazu etwa OLG Köln ZMR 1998, 696; vgl. auch KG MDR 1999, 927). Daß bereits ein Vertrag mit dem Interessenten H. abgeschlossen wäre, ist mangels Vorlage einer entsprechenden Urkunde oder auch nur eines Vorvertrages durch die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht. Dadurch, daß die Zeugin H. die Schlüssel "auf Weisung des Herrn Dr. L. des Herrn H. dem Hausmeister übergeben hat", ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Wiedereinräumung des Besitzes an den Antragsteller ebenfalls nicht entfallen, zumal nicht ersichtlich ist, daß die vorgenannten Personen zur Besitzaufgabe berechtigt waren.

II.

Der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes, also einer besonderen Dringlichkeit der beantragten Anordnung, bedarf es bei der Geltendmachung eines auf Wiedereinräumung des Besitzes gerichteten Anspruchs im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht (OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1516 und OLG Köln MDR 2000, 152, jeweils m.w.N.). Den Erlaß einer einstweiligen Verfügung kann darüber hinaus auch nicht entgegengehalten werden, sie führe bereits zur endgültigen Befriedigung des Gläubigers (OLG Köln JurBüro 1996, 217, 218 m.w.N.).

III.

Die Anordnungen der Festsetzung eines Zwangsgeldes bzw. von Zwangshaft beruht auf § 888 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Eine Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, da das Urteil nach § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht anfechtbar ist.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 1.600 DM x 12 = 19.200 DM.

Ende der Entscheidung

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