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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.07.1998
Aktenzeichen: 10 U 159/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 538
BGB § 541
Eine Schadensersatzverpflichtung des Vermieters wegen Entziehung des vertragsmäßigen Gebrauchs kommt auch dann in Betracht, wenn ein anderer Eigentümer einer Wohnungseigentumsanlage eine Gerichtsentscheidung herbeigeführt hat, wonach die vertraglich vereinbarte Nutzung der Mieträume zum Betrieb einer Kinderarztpraxis wegen Verstoßes gegen die Teilungserklärung nicht durchführbar ist.
OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat

Urteil vom 08.07.1998

Az.: 10 U 159/97

Tatbestand:

Mit Vertrag vom 2.5.1994 vermieteten die Beklagten dem Kläger im Hause N. 2 in D. Räume in einer Größe von insgesamt etwa 116 qm nebst zwei Tiefgarageneinstellplätzen mit Wirkung ab 1.7.1994 für die Dauer von fünf Jahren mit einem Optionsrecht des Klägers für fünf weitere Jahre "als Kinderarztpraxis". Der monatliche Mietzins wurde einschließlich Nebenkostenvorauszahlung mit 3.950 DM vereinbart. § 1 Ziffer 4 des Vertrages, auf dessen Inhalt im übrigen Bezug genommen wird, lautete u.a. wie folgt:

Der Vermieter leistet keine Gewähr dafür, daß die gemieteten Räume den für die Verwendung in Frage kommenden allgemeinen technischen Anforderungen sowie den behördlichen und anderen Vorschriften entsprechen...

Das vorstehend beschriebene Mietobjekt ist Teil einer Wohnungseigentumsanlage und steht im Eigentum der beklagten Ehefrau. Ausweislich der Beschreibung in § 1 der Teilungserklärung handelt es sich insoweit um Büroräume. In § 5 Ziffer 4 dieser Teilungserklärung ist folgende Regelung getroffen:

Bei Vermietung und Verpachtung müssen etwaige Zweckbindungen berücksichtigt werden...

Mit Beschluß vom 16.5.1995 (25 T 35/95 LG Düsseldorf) wurde der beklagten Ehefrau als Eigentümerin der in Rede stehenden Teileigentumseinheit auf Antrag der Eheleute C., die ebenfalls Wohnungseigentümer innerhalb der streitgegenständlichen Anlage sind, aufgegeben, deren Nutzung als Kinderarztpraxis zu unterlassen und das insoweit bestehende Mietverhältnis mit dem Kläger zu kündigen. Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde wies das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluß vom 20.9.1995 (3 Wx 259/95) zurück. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Nutzung der Mieträume als Kinderarztpraxis sei mit der Zweckbestimmung "Büroräume" unvereinbar.

Daraufhin kündigten die Beklagten mit Schreiben vom 4.11.1995 das Mietverhältnis mit dem Kläger. Dieser widersprach der Kündigung am 28.11.1995. Im Hinblick darauf, daß ihn die Eheleute C. mit Anwaltsschreiben vom 2.5.1996 unter Androhung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und der Erhebung einer entsprechenden Klage aufforderten, die Nutzung der Mieträume als Kinderarztpraxis zu unterlassen, kündigte er seinerseits mit Schreiben vom 10.5.1996 das Mietverhältnis mit den Beklagten zum 31.7.1996 mit der Begründung, diese seien nicht in der Lage, ihm den ungestörten Mietgebrauch zu gewähren. Am 29.7.1996 erfolgte die Rückgabe des Mietobjekts, nachdem der Kläger anderweitig Räume angemietet hatte, in denen er seither praktiziert.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz des Schadens in Anspruch, den er daraus herleitet, daß ihm durch die Notwendigkeit der Anmietung anderer Räumlichkeiten zum Betriebe seiner Kinderarztpraxis Mehraufwendungen entstanden seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung der Klageschrift Bezug genommen. Er hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 115.871,38 DM nebst 8,5 % Zinsen aus 114.391,04 DM für die Zeit ab 1.11.1996 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben das Bestehen einer Schadensersatzverpflichtung zu ihren Lasten dem Grunde nach in Abrede gestellt. Darüber hinaus sind sie den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Schadenspositionen entgegengetreten.

Durch das angefochtene Grundurteil hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger sei durch das Recht eines Dritten im Sinne der §§ 541, 538 BGB der vertragsmäßige Gebrauch der gemieteten Sache entzogen worden, so daß die Beklagten für den Nichterfüllungsschaden des Klägers einzustehen hätten, der zumindest zu einem Teil auch der Höhe nach mit hoher Wahrscheinlichkeit begründet sei.

Gegen dieses Grundurteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Dazu wiederholen und ergänzen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger begründet seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung seines früheren Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien und die bei den Akten befindlichen schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.

Die Akten 291 II 183/94 WEG AG Düsseldorf = 25 T 35/95 LG Düsseldorf = 3 Wx 259/95 OLG Düsseldorf lagen vor und waren zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist sachlich nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat ihre Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Kläger mit durchweg zutreffender Begründung dem Grunde nach zu Recht bejaht. Die dagegen gerichteten Berufungsangriffe sind ausnahmslos nicht geeignet, das angefochtene Grundurteil in Frage zu stellen. Dies ergibt sich im einzelnen aus folgenden Erwägungen:

1.

Einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten kann nicht mit Erfolg die Regelung in § 1 Ziffer 4 des Mietvertrages der Parteien vom 2.5.1994 entgegengehalten werden. Diese Regelung betrifft ersichtlich nicht den Fall, daß das Mietobjekt wegen Verstoßes gegen die in der Teilungserklärung getroffene Zweckbestimmung nicht der vertraglich vorgesehenen Verwendung zugeführt werden konnte. Die Vermietung ist ausdrücklich und ohne jede Einschränkung "als Kinderarztpraxis" erfolgt. Es kann indes nicht davon ausgegangen werden, daß die Parteien diesen Vertragszweck sogleich wieder in Frage stellen wollten, indem die Beklagten in dieser Hinsicht von jeglicher Haftung freigestellt wurden.

2.

Die Annahme des Landgerichts, dem Kläger sei mit der Folge einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten nach § 538 BGB im Sinne des § 541 BGB durch das Recht eines Dritten der vertragsmäßige Gebrauch der gemieteten Sache entzogen worden, ist auch unter Berücksichtigung des zweitinstanzlichen Verteidigungsvorbringens nicht zu beanstanden.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten sind Dritte im Sinne des § 541 BGB auch andere Wohnungseigentümer, die gegen den Mieter eines Sondereigentums unmittelbare Rechte geltend machen (so z.B. BGH NJW-RR 1995, 715 und Palandt/Putzo, 57. Aufl., § 541 BGB Rdn. 2). Das Recht der Eheleute C. auf Einhaltung der in der Teilungserklärung getroffenen Regelung, das bei der Vermietung oder Verpachtung die Zweckbestimmung "Büroräume" zu berücksichtigen war, war nicht ein solches, das sich nur gegen die Beklagten als Vermieter richtete. Dieses Recht haftete vielmehr der Mietsache unmittelbar an und richtete sich demnach auch gegen den Kläger in seiner Eigenschaft als Mieter. Dies zeigt vor allem auch die Tatsache, daß das OLG Düsseldorf mit Beschluß vom 20.9.1995 die Entscheidung des Landgerichts gebilligt hat, durch die der beklagten Ehefrau aufgegeben worden war, die Nutzung des streitgegenständlichen Objekts als Kinderarztpraxis zu unterlassen und das insoweit mit dem Kläger bestehende Mietverhältnis zu kündigen. Falls dieser rechtskräftig festgestellten Verpflichtung Folge geleistet wurde, wurde dem Kläger im Hinblick auf die diesbezüglichen Rechte der Eheleute C. notwendigerweise der Mietgebrauch entzogen, so daß die Unmittelbarkeit der Einwirkung auf die Mietsache selbst nicht zweifelhaft sein kann.

b) Ausweislich des Anwaltsschreibens vom 2.5.1996 haben die Eheleute C. den Kläger unter Klageandrohung mit dem Hinweis auf § 1004 BGB aufgefordert, die Nutzung der streitgegegenständlichen Räume als Kinderarztpraxis zu unterlassen und für den Fall, daß er dieser Aufforderung nicht nachkam, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen angekündigt. Bereits darin manifestierte sich eine Gebrauchsbeeinträchtigung, die einen Rechtsmangel im Sinne des § 541 BGB darstellte, ohne daß es dazu einer Klageerhebung mit dem Ziel der Räumung durch den Kläger bedurfte. Eine zu einem Rechtsmangel führende Beeinträchtigung der Gebrauchsgewährung liegt bei der Vermietung von Räumen nämlich schon dann vor, wenn der Dritte gegen den Mieter einen ihm zustehenden Herausgabeanspruch geltend macht und Räumung verlangt, ohne daß bereits gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen wird (vgl. z.B. BGH a.a.O. und NJW 1996, 46, 47 m.w.N.).

c) Die Schadensersatzverpflichtung des Vermieters nach § 538 setzt auch bei der Haftung für Rechtsmängel nach § 541 BGB ein Vertretenmüssen nur dann voraus, wenn es sich um einen nachträglich entstandenen Mangel handelt (siehe hierzu Staudinger/Emmerich, 13. Aufl., § 541 BGB Rdn. 25). War dieser dagegen schon beim Abschluß des Mietvertrages vorhanden, bedarf es nicht der Feststellung schuldhaften Verhaltens des Vermieters. Ein derartiger Fall ist indes vorliegend gegeben. Es kommt nämlich insoweit nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt sich die Eheleute C. eines Unterlassungsanspruchs berühmt haben, sondern darauf, daß die Vermietung zum Betriebe einer Kinderarztpraxis von vornherein aus den zutreffenden Erwägungen des bereits erwähnten Beschlusses vom 20.9.1995 gegen die Teilungserklärung verstieß.

d) Dem Kläger kann nicht entgegen gehalten werden, daß er das Anwaltsschreiben der Eheleute C. vom 2.5.1996 zum Anlaß genommen hat, das Mietverhältnis mit den Beklagten sogleich zu beenden und nicht zunächst die Erhebung der angekündigten Unterlassungsklage abgewartet hat (vgl. vorstehend unter 2 b). Darüber hinaus durfte der Kläger angesichts der vorangegangenen gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der beklagten Ehefrau und den Eheleuten C. davon ausgehen, daß der angedrohten Räumungsklage jedenfalls nicht von vornherein jede Erfolgsaussicht abgesprochen werden konnte.

3.

Da die geltend gemachte Klageforderung aus den vorstehend dargelegten Gründen dem Grunde nach gerechtfertigt ist, kommt es nicht darauf an, ob sie wie die Berufung erwägt, bei Verneinung eines Anspruchs aus §§ 541, 538 BGB auf andere Anspruchsgrundlagen gestützt werden könnte. Eines Eingehens auf die vom Beklagten insoweit aufgeworfenen Kausalitätsfragen bedarf es daher nicht.

4.

Schließlich hat das Landgericht, auf dessen entsprechende Ausführungen ergänzend verwiesen wird, zu Recht angenommen, daß der geltend gemachte Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (vgl. hierzu z.B. die Nachweise bei Zöller/Vollkommer, 20. Aufl., § 304 ZPO Rdn. 6).

II.

Nach allem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO zurückzuweisen (vgl. BGHZ 20, 397 = NJW 1956, 1235).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz und die Beschwer der Beklagten betragen jeweils 115.871,38 DM.

Ende der Entscheidung

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