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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.03.2002
Aktenzeichen: 10 U 17/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1922 Abs. 1
BGB § 554 Abs. 1 Nr. 1 a.F.
BGB § 554 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 a.F.
BGB § 556 Abs. 1 a.F.
BGB § 569 a.F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 U 17/01

Verkündet am 28. März 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K. sowie die Richter am Oberlandesgericht E. und W. auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. November 2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 DM, die auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden kann, abzuwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet, zu der ebenfalls Bank- oder Sparkassenbürgschaft zugelassen wird.

Tatbestand:

Mit Vertrag vom 30.1.1975 (Bl. 6 ff. d.A.) vermietete die Klägerin an Herrn Peter S. senior, den Vater des am 8.7.1984 geborenen Beklagten, das Grundstück D., B.straße 33 mit Gaststätte. In einem Nachtrag vom 22.11.1990 (Bl. 18 d.A.) wurde eine Vertragsdauer bis zum 31.12.2000 mit einem Optionsrecht von fünf Jahren für den nunmehr als "Pächter" bezeichneten Vertragspartner der Klägerin vereinbart, von dem dieser auch Gebrauch gemacht hat, so dass der Vertrag am 31.12.2005 endet (Bl. 172 d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten der getroffenen Regelungen wird auf die Vertragsurkunden Bezug genommen.

Am 18.1.2000 verstarb der Vater des Beklagten, der ausweislich des Erbscheins vom 7.2.2000 (Bl. 141 d.A.) alleiniger Erbe ist. Die eingangs beschriebene Gaststätte wurde unter der Bezeichnung "W. B." in der Folgezeit von der Mutter und gesetzlichen Vertreterin des Beklagten weitergeführt.

Mit Anwaltsschreiben vom 4.3.2000 (Bl. 19/20 d.A.) kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis, in das der Beklagte als alleiniger Erbe seines Vaters eingetreten war, fristlos. Zur Begründung gab sie an, die vereinbarte Miete von zuletzt 8.745 DM zuzüglich Mehrwertsteuer sei in den Monaten Februar und März 2000 nicht gezahlt worden, so dass ein Rückstand von 20.330,90 DM aufgelaufen sei.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Gaststätte in Anspruch, da nach ihrer Auffassung das Vertragsverhältnis mit ihm aufgrund der Kündigung vom 4.3.2000 mit sofortiger Wirkung beendet worden ist.

Der Beklagte hat mit der Begründung Klageabweisung beantragt, die Mietzinszahlungen seien seitens des Vertriebsleiters der Klägerin am 1.2.2000 gestundet worden, so dass Zahlungsverzug hinsichtlich der Monate Februar und März 2000 nicht eingetreten sei.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht nach Beweiserhebung die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung der Klägerin habe nicht zur Vertragsbeendigung geführt. Die in erster Instanz durchgeführte Zeugenvernehmung habe nämlich ergeben, dass am 4.3.2000 Zahlungsverzug nicht vorgelegen habe. Darüber hinaus sei die fristlose Kündigung der Klägerin unter den gegebenen Umständen treuwidrig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr ursprüngliches Klageziel weiterverfolgt. Dazu wiederholt und ergänzt sie ihr Vorbringen erster Instanz. Sie beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung (richtig: Abänderung) des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie die auf dem Grundstück B.straße 33 in D. gelegene Gaststätte "W. B.", bestehend aus einem Bierkeller im Kellergeschoss, einem Gastraum, einer Küche, einem Aufenthaltsraum und einer WC-Anlage, diese wiederum bestehend aus einem Damen- und einem Herren-WC-Raum, gelegen im Erdgeschoss, einem Lagerraum sowie einer Terrasse im ersten Obergeschoss nebst einem weiteren Lagerraum, einem Personalraum, einem Waschraum sowie einem Stauraum im zweiten Obergeschoss gelegen, zu räumen und an sie herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Auch er wiederholt und ergänzt sein früheres Vorbringen. Dem ergänzenden Vorbringen der Klägerin tritt er entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien und die bei den Akten befindlichen schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist sachlich nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auch ihr zweitinstanzliches Vorbringen rechtfertigt keine für die Klägerin günstigere Entscheidung.

1.)

Die zwischen der Klägerin und dem Rechtsvorgänger des Beklagten mit Vertrag vom 30.1.1975 (Bl. 6 ff. d.A.) begründeten Rechtsbeziehungen sind als Mietverhältnis zu qualifizieren. Der Vertrag ist zwar nicht ausdrücklich als Mietvertrag bezeichnet. In Ziffer 1 heißt es jedoch expressis verbis, die streitgegenständliche Gaststätte werde vermietet. Außerdem ist durchgehend von "Vermieter" und "Mieter" sowie von "Mietzins" und "Mietzeit" die Rede. Damit steht zweifelsfrei fest, dass die gesetzlichen Regelungen über den Pachtvertrag vorliegend keine Anwendung finden. Dass in der Nachtragsvereinbarung vom 22.11.1990 (Bl. 17/18 d.A.) erstmals von "Verpächter" und "Pächter" die Rede ist, ist demgegenüber schon deswegen ohne Bedeutung, weil ausdrücklich auf den Mietvertrag vom 30.1.1975 verwiesen und dieser als im wesentlichen fortbestehend bezeichnet wird.

2.)

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Mieters gemäß § 1922 Abs. 1 BGB kein Räumungs- und Herausgabeanspruch auf der Grundlage des § 556 Abs. 1 BGB a.F. zu. Das Mietverhältnis, in das der Beklagte auf der Mieterseite eingetreten ist, ist durch die Kündigung der Klägerin nicht beendet worden, sondern besteht fort.

Der Klägerin stand zwar wegen des Todes des Mieters Peter S. sen. ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 569 BGB a.F. zu. Dieses Kündigungsrecht hat sie jedoch nicht innerhalb der ihr insoweit zustehenden Frist von einem Monat ausgeübt. Ihre Kündigung datiert nämlich vom 4.3.2000 (Bl. 19/20 d.A.), während Herr Peter S. bereits am 18.1.2000 verstorben ist.

Ob die Regelung in Ziffer 6.1 des Vertrages vom 30.1.1975 (Bl. 10 d.A.), wonach mit sofortiger Wirkung gekündigt werden kann, wenn "der Mieter sich mit irgendeiner Zahlung gegenüber der Vermieterin länger als drei Wochen in Verzug befindet, sofern der Rückstand mindestens 50 % des zur Zeit der Kündigung gültigen monatlichen Mietzinses beträgt", wirksam ist und ob die vorgenannten Voraussetzungen gegeben sind, kann dahinstehen. Die Klägerin macht nämlich zu Recht geltend, dass im Zeitpunkt der Zustellung ihres Kündigungsschreibens am 4.3.2000 (Bl. 21 d.A.) die Voraussetzungen des § 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. vorlagen. Der Beklagte hatte nämlich den zu zwei aufeinanderfolgenden Terminen fällig gewordenen Mietzins nicht gezahlt, weil er die Mieten für Februar und März 2000, die jeweils am dritten Werktag fällig geworden waren, unstreitig erst am 7.3.2000 im Wege der Bareinzahlung an die Klägerin geleistet (Bl. 29/34/74 d.A.). Die nachträgliche Zahlung des Rückstands machte die somit grundsätzlich gerechtfertigte Kündigung der Klägerin - anders als im Falle der Vermietung von Wohnraum gemäß § 554 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB a.F. - nicht hinfällig.

Die Kündigung der Klägerin wäre jedoch unwirksam, wenn die Parteien hinsichtlich der Miete für die Monate Februar und März 2000 die vom Beklagten behauptete Stundungsvereinbarung getroffen hätten, zu der das Landgericht Beweis erhoben hat. Ob dies der Fall war, ob also der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils gefolgt werden kann, kann indes dahinstehen. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wäre es unter den gegebenen Umständen mit den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar, wenn der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt würde, sich im Hinblick darauf mit sofortiger Wirkung aus dem langjährigen Mietverhältnis zu lösen, dass vorübergehend über einen geringfügigen Zeitraum von etwas mehr als einem Monat ein Zahlungsrückstand des Beklagten hinsichtlich des Mietzinses zu verzeichnen war, der zunächst eine Monatsmiete und für einige wenige Tage eine weitere Monatsmiete umfasste.

Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis zur Zeit der Kündigung der Klägerin mehr als 25 Jahre bestand. Zu nennenswerten Zahlungsverzögerungen war es während dieses gesamten Zeitraums nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht gekommen, und auch in der Folgezeit waren mangels gegenteiliger Anhaltspunkte verspätete Zahlungen des Beklagten nicht zu verzeichnen. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus die üblichen Schwierigkeiten, die mit dem Ableben des bisherigen Mieters verbunden waren und die offenbar vorübergehend zu Zahlungsschwierigkeiten geführt haben, die jedoch alsbald dauerhaft behoben werden konnten, was auch der Grund dafür war, dass die Parteien jedenfalls miteinander im Gespräch waren, um die aufgetretenen Probleme zu überwinden. Bei dieser Sachlage wäre es in der Tat mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, wenn man der Klägerin im Hinblick auf das einmalige und kurzfristige Vorliegen der formellen Kündigungsvoraussetzungen die Möglichkeit zubilligen würde, das bis dahin offenkundig auch zu ihrer Zufriedenheit verlaufene Mietverhältnis mit dem Ziel einer lukrativen Neuvermietung oder -verpachtung mit sofortiger Wirkung zu beenden. Der Fall ist demjenigen vergleichbar, dass sich dem Vermieter der Schluss aufdrängen muss, die Zahlung der Miete sei nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit zurückzuführen, sondern beruhe auf einen bloßen Versehen des Mieters. In Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Hamm (ZMR 1998, 493 m.w.N.; vgl. auch LG Berlin WuM 1997, 216) wäre die Klägerin daher ausnahmsweise zu einer Abmahnung verpflichtet gewesen, deren es im Falle der Kündigung wegen Zahlungsverzugs normalerweise nicht bedarf. Eine derartige Abmahnung ist indes unstreitig nicht erfolgt. Dem Oberlandesgericht Hamm ist daher in der Annahme zu folgen, ohne eine solche vorherige Abmahnung entfalte die ausgesprochene Kündigung als treuwidriges Verhalten keine Rechtswirkungen. Auch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten bestehen gegen diese Annahme keine Bedenken, da der Verpflichtung, dem Beklagten Gelegenheit zu geben, seine Zahlungsrückstände kurzfristig auszugleichen, keine billigenswerten Belange der Klägerin entgegenstanden. Dies gilt um so mehr, als auf die Warenlieferungen laufend Akontozahlungen geleistet wurden, die schließlich sogar zu einer Überzahlung geführt haben.

3.)

Insgesamt ist die Klägerin somit an die festvereinbarte und durch Ausübung des der Mieterseite zugebilligten Optionsrechts verlängerte Vertragsdauer gebunden, so lange die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nicht in Zukunft begründet werden.

II.

Nach allem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Zur Zulassung der Revision bestand mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO kein Anlass.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 8.745 DM x 12 = 104.940 DM = 53.654,97 €.

Die Beschwer der Klägerin beläuft sich auf mehr als 20.000 €.

Ende der Entscheidung

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