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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 11.12.2002
Aktenzeichen: 2 Ws 280/02
Rechtsgebiete: StPO, UVollzO


Vorschriften:

StPO § 119 Abs. 3
UVollzO Nr. 27 Abs. 1
Die akustische Überwachung des Besuchs eines Untersuchungsgefangenen setzt konkrete Anhaltspunkte voraus, dass ohne eine solche Maßnahme der Haftzweck oder die Anstaltsordnung gefährdet ist.

Insoweit reicht aus, dass sich - etwa aus den Umständen der verfolgten Tat - Anzeichen für eine Verdunkelung ergeben.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2 Ws 280/02 2 Ws 281/02

In der Disziplinarsache

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat der 2. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., den Richter am Oberlandesgericht B. und die Richterin am Oberlandesgericht R.-H. am

11. Dezember 2002

auf die Beschwerde des Gefangenen gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 3. Strafkammer des Landgerichts Duisburg vom 26. August 2002 und auf die Beschwerde des Gefangenen gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 3. Strafkammer des Landgerichts Duisburg vom 6. September 2002 in der Fassung des Beschlusses vom 4. Oktober 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht Duisburg hat den Beschwerdeführer am 8. März 2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen, davon in drei Fällen bandenmäßig begangen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Angeklagte befindet sich in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Wuppertal.

Unter dem 15. August 2002 beantragte der Verteidiger des Angeklagten die Aufhebung der akustischen Besuchsüberwachung in der Justizvollzugsanstalt sowie die Aufhebung der Überwachung eines jeden Besuchs durch die Kriminalpolizei. Dies lehnte der Vorsitzende der Strafkammer durch Beschluss vom 6. September 2002 ab. Der dagegen gerichteten Beschwerde des Angeklagten half er insoweit ab, als er die Anordnung der polizeilichen Überwachung der Besuche aufhob. Im übrigen hielt er die Besuchsüberwachungsmaßnahme aufrecht.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 26. August 2002 hat der Vorsitzende der Strafkammer gegen den Beschwerdeführer auf Antrag der Anstaltsleitung einen Disziplinararrest von drei Tagen verhängt, weil der Angeklagte durch seine Beteiligung an einer Schlägerei mit einem Mitgefangenen am 13. August 2002 gegen die Sicherheit und Ordnung der Anstalt verstoße habe. Das von den Beamten der Justizvollzugsanstalt festgestellte provokante Verhalten des Angeklagten schließe einen rechtfertigenden Grund für die Beteiligung an der Schlägerei aus.

Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO, Nr. 74 Abs. 1 UVollzO zulässigen Beschwerden des Angeklagten gegen die Beschlüsse des Vorsitzenden der Strafkammer sind nicht begründet.

1.

Gegen den Gefangenen ist zu Recht ein Disziplinararrest von drei Tagen festgesetzt worden. Dabei kann dahinstehen, ob der Gefangene in dem Disziplinarverfahren im Rahmen der nach § 69 UVollZO durchzuführenden Anhörung über seine Aussagefreiheit hätte belehrt werden müssen (vgl. zu der Problematik im Hinblick auf § 106 StVollzG: BGH NStZ 1997, 614 f) und die fehlende Belehrung zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Auch wenn die Aussage des Gefangenen nicht verwertet werden darf, steht auf Grund der Aussage des Mitgefangenen B. fest, dass der Angeklagte eine Schlägerei provoziert hat. Die Aussage des B. ist in sich geschlossen und widerspruchsfrei. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge den Angeklagten belastet, um sich selbst zu entlasten, liegen nicht vor. Dies folgt auch daraus, dass gegen B. seitens der Anstaltsleitung kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist, wie die Ermittlungen des Senats ergeben haben. Hätte nach Klärung des Sachverhalts durch den Leiter der Anstalt Anlass zu der Annahme bestanden, dass B. in erheblichem Umfang zu dem Vorfall beigetragen hat, so hätte es nahegelegen, auch gegen ihn Disziplinarmaßnahmen zu verhängen.

Die Justizvollzugsanstalt hat die physische Integrität der Gefangenen zu bewahren. Dazu gehört auch, Gefangene vor Attacken ihrer Mithäftlinge zu schützen. Der körperliche Angriff auf einen Mitgefangenen stört die Anstaltsordnung nachhaltig. Bei Schlägereien ist dem Gefangenen deutlich vor Augen zu führen, dass die Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung auch mit besonders belastenden Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden darf. Zur Wahrung dieser Ordnung war die Verhängung eines - regelmäßig nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen anzuordnenden - Arrestes (§ 119 Abs. 3 StPO, Nr. 68 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 4, 5 UVollzO) gerechtfertigt.

2.

Die angeordnete Überwachung der Besuche erfolgt nach § 119 Abs. 3 StPO, Nr. 27 Abs. 1 UVollzO zu Recht. Gemäß § 27 Abs. 1 UVollzO sind Besuche des Gefangenen grundsätzlich zu überwachen. Die Überwachung erstreckt sich auf den Inhalt der geführten Gespräche und die Übergabe von Sachen. Die akustische Besuchsüberwachung stellt einen ganz erheblichen Eingriff in den persönlichen, durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich des Gefangenen und seines Besuchers dar. Aus diesem Grunde hat der Richter stets zu prüfen, ob im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein akustisch nicht überwachter Besuch den Haftzweck oder die Anstaltsordnung gefährdet (BVerfG StV 1993, 592 f). Dass ein möglicher Missbrauch des Freiheitsrechts nicht völlig auszuschließen ist, reicht zur Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nicht aus (KG - Beschluss vom 15. August 1997, 4 Ws 175/97; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 119 Rn. 14).

Vorliegend hat das Landgericht zutreffend angenommen, die bestehende Verdunkelungsgefahr erfordere eine Besuchsüberwachung. Der Zweck der Untersuchungshaft besteht darin, die Durchführung des Strafverfahrens zu sichern. Dieser Zweck kann nicht nur durch Flucht des Angeklagten vereitelt werden, sondern auch dadurch, dass der Angeklagte die Aufklärung der Straftat durch Einwirkungen auf Beweismittel erschwert. Der Umstand, dass der Angeklagte bereits in erster Instanz zu einer erheblichen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden ist, schließt eine Verdunklungsgefahr nicht aus. Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden. Dies begründet die Möglichkeit einer Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht, sodass eine erneute Tatsachenverhandlung notwendig wird. Für die Verdunkelungsgefahr ist nicht maßgeblich, dass der Gefangene in dem anhängigen oder einem früheren Verfahren bereits Verdunkelungshandlungen vorbereitet. Er reicht vielmehr aus, dass andere Anzeichen für eine Verdunkelung gegeben sind. Derartiges kann sich auch aus den Umständen der verfolgten Tat ergeben, so etwa wenn die Taten nach Planung und Ausführung die Verdunklung vor und nach ihrer Begehung voraussetzen. So liegt der Fall hier. Die bandenmäßige Begehungsweise der Strafentaten im Drogenmilieu setzt eine Struktur voraus, die von den Strafverfolgungsbehörden nur schwer zu durchschauen ist. Zur Arbeitsweise derartiger Banden gehört erfahrungsgemäß die Verschleierung ihrer Taten und ihrer Organisation sowohl vor als auch nach der Tatbegehung (vgl. auch KG, a.a.O.). Die weitere Aufrechterhaltung der Sicherungsmaßnahme ist demnach auch weiterhin erforderlich, um der Verdunkelungsgefahr zu begegnen.

Ende der Entscheidung

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