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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.06.2003
Aktenzeichen: 20 U 155/02
Rechtsgebiete: GWB, ZPO, BGB


Vorschriften:

GWB § 34
ZPO § 263 a. F.
ZPO § 290
ZPO § 422
ZPO § 429
ZPO § 543 Nr. 7 b
ZPO § 580 Nr. 4
ZPO § 580 Nr. 7 b
ZPO § 582
ZPO § 584 Abs. 1, 2. Alt.
ZPO § 586 Abs. 1
BGB § 812
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Restitutionsklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Restitutionsklägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Restitutionsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 6.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Restitutionsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Restitutionsbeklagte, der für die Restitutionsklägerin mit Wirkung bis zum 31.03.1991 als Handelsvertreter tätig war, leitete gegen sie im Juli 1990 wegen rückständiger Lizenzgebühren für den Monat Juni 1990 ein Mahnverfahren ein. Im sich daran anschließenden Rechtsstreit vor dem Landgericht Düsseldorf (4 O 99/91) verlangte der Restitutionsbeklagte von der Restitutionsklägerin Lizenzgebühren für die Monate Juni 1990 bis Februar 1991 aufgrund des Patentlizenzvertrages vom 01.12.1981 und der als Anlage zum Vertrag beigefügten Auflistung der Schutzrechte (Bl. 17 - 22 der Beiakte). Das Landgericht wies die Klage durch Urteil vom 31.12.1991 (Bl. 121 - 141 der Beiakte) ab mit der Begründung, dass der Patentlizenzvertrag wegen Verstoßes gegen § 34 GWB formnichtig sei; die Liste der Schutzrechte bis laufende Nummer 8062 (Bl. 22 der Beiakte) hätte mit dem sie in Bezug nehmenden Patentlizenzvertrag körperlich fest verbunden sein müssen; die Schutzrechtsanmeldungen bzw. Schutzrechte mit den laufenden Nummern 8260 - 9004 seien nicht einmal in der im Lizenzvertrag in Bezug genommenen Anlage erwähnt. Bereicherungsansprüche habe der Restitutionsbeklagte nicht hinreichend schlüssig dargelegt. Mit der gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten Berufung verfolgte der Restitutionsbeklagte sein auf die Zeit bis März 1991 erweitertes Begehren im Wege der Stufenklage auf Rechnungslegung und Zahlung von mindestens 251.424,72 DM weiter. Der Kartellsenat verurteilte die Restitutionsklägerin zur Rechnungslegung und verwies die Sache zur Entscheidung über den Zahlungsanspruch an das Landgericht zurück, das die Restitutionsklägerin nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Zahlung von 757.407,56 DM Lizenzgebühren verurteilte (Schlussurteil vom 13.03.1997). Im anschließenden Berufungsverfahren griff die Restitutionsklägerin das landgerichtliche Urteil insoweit an, als sie zur Zahlung von mehr als 280.052,40 DM verurteilt wurde; der Restitutionsbeklagte verfolgte im Wege der Anschlussberufung sein Zahlungsbegehren von weiteren 305.471,09 DM weiter. Der Senat (Urteil vom 09.06.1998) änderte das Urteil des Erstgerichtes dahingehend ab, dass er die Restitutionsklägerin zur Zahlung von 280.052,40 DM verurteilte und ihrer Berufung damit statt gab. Auf die Revision des Restitutionsbeklagten hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 14.03.2000) die Sache an den Senat zurückverwiesen. Auf die erneute Verhandlung wurde die Klägerin nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens und mündlicher Anhörung des Sachverständigen zur Zahlung von 694.219,70 DM verurteilt (Senatsurteil vom 11.09.2001). Dieses Urteil ist durch den Nichtannahmebeschluss des Bundesgerichtshofes vom 28.01.2003 rechtskräftig geworden.

Die Restitutionsklägerin will mit der Restitutionsklage die Aufhebung der Senatsurteile vom 09.06.1998 und 11.09.2001 sowie des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 14.03.2000 und insgesamt eine Klageabweisung erreichen. Hierzu macht sie geltend, seit dem 15.08.2002 in der Lage zu sein, den Originalpatentlizenzvertrag vorlegen und damit den Beweis führen zu können, dass dieser sehr wohl formwirksam geschlossen worden sei.

Die Restitutionsklägerin behauptet, dass der Lizenzvertrag vom 01.12.1981, die in § 1 Abs. 1 des Vertrages in Bezug genommene Anlage zum Patentlizenzvertrag sowie die zwischen ihrem früheren Geschäftsführer R. und dem Restitutionsbeklagten getroffene Vereinbarung über die Übertragung bestimmter Schutzrechte von R. auf den Restitutionsbeklagten fest als eine zusammengeheftete Urkunde verbunden gewesen seien. Der Lizenzvertrag und die Zusatzvereinbarung seien am 01.12.1981 im Haus der Restitutionsklägerin unterschrieben worden, wobei nur der Restitutionsbeklagte und der damalige Geschäftsführer der Restitutionsklägerin Herr R. bei der Unterzeichnung und Heftung zugegen gewesen seien. Die Schutzrechtsliste sei seinerzeit auch vom Restitutionsbeklagten paraphiert worden. Wer die Paraphe des Restitutionsbeklagten auf dem Papier weggeschnitten habe, entziehe sich der Kenntnis der Restitutionsklägerin. Anfang 1987 seien weitere Schutzrechte in den Vertrag einbezogen worden, weshalb die Heftung des Vertrages gelöst, eine weitere paraphierte Anlage eingefügt und das Vertragswerk insgesamt wieder neu zusammengeheftet worden sei. Über den Originalpatentlizenzvertrag habe sie (die Restitutionsklägerin) nicht mehr verfügt, nachdem sich im Herbst 1990 sechs Einbruchsdiebstähle, bei denen eine Vielzahl wichtiger Unterlagen und Disketten entwendet worden sei, bei ihr ereignet hätten. Zur Wiedererlangung der Urkunde sei es durch ihren ehemaligen Mitarbeiter C., der bei ihr seinerzeit ebenfalls zum 31.03.1991 ausgeschieden sei und mit dem Restitutionsbeklagten das Konkurrenzunternehmen D. GmbH & Co. KG gegründet habe, gekommen. Nachdem sich der Zeuge C. mit dem Restitutionsbeklagten überworfen habe, habe er den Geschäftsführer der Restitutionsklägerin davon unterrichtet, im Besitz der Urkunde zu sein, die er als Anlage zu einem Anwaltsschreiben im Frühjahr 2000 "gesichtet" habe. Zum Zerwürfnis des Zeugen C. mit dem Restitutionsbeklagten soll es gekommen sein, weil die Mitgesellschafter der D. nicht bereit gewesen seien, den Zeugen C., der vom Landesarbeitsgericht (5 (1) SA 1/99) zum Ersatz des Schadens, der der Restitutionsklägerin durch die Entwendung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entstanden ist, verurteilt worden ist, finanziell zu unterstützen. Am 10.08.2000 habe ihr früherer Geschäftsführer R. mit dem Zeugen C. die schriftlich fixierte Vereinbarung (Anlage K 21) mit folgendem Inhalt getroffen:

Herr C. wird Herrn R. im Original den zwischen E. und Herrn Ra. geschlossenen Patent-Lizenzvertrag (inklusive Anlagen) nebst Zusatzvereinbarung R./Ra. zur Verfügung stellen. Firma E. und Herr R. stellen sicher, dass von dieser Urkunde niemand Gebrauch macht, solange Herr C. dies nicht genehmigt. Bei einem Verstoß gegen diese Bestimmung muss Firma E. oder Herr R. eine Vertragsstrafe an Herrn C. in Höhe von DM 4 Mio. zahlen.

Die Originalurkunde sei am 16.08.2000 im Safe von Rechtsanwalt Dr. R. deponiert worden. Am 15.08.2002 habe der Zeuge C. die Freigabe der Urkunde erklärt, nachdem er sich mit der D. unter dem 29.03.2001 über einen Aufhebungsvertrag geeinigt habe.

Die Klägerin, die sich in der Klageschrift zunächst nur auf den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 b ZPO, später auch auf den des § 580 Nr. 4 ZPO gestützt hat, meint, dass der Zeitpunkt der Heftung der Urkunde ebenso wie deren Echtheit im Restitutionsverfahren mit allen Beweismitteln beweisbar sei. Allein die Vorlage der Urkunde im Vorprozess hätte ausgereicht, um die Anwendung bereicherungsrechtlicher Vorschriften, aufgrund derer der Anspruch des Restitutionsbeklagten schließlich für begründet erachtet wurde, auszuschließen.

Die Restitutionsklägerin ist weiter der Ansicht, dass der Restitutionsbeklagte im Vorprozess - wie auch in diesem Verfahren - die Formwirksamkeit des Lizenzvertrages bestritten hätte und sie - die Restitutionsklägerin - damals den Beweis nicht durch Zeugen hätte führen können, da der jetzt als Zeuge benannte Herr R. damals Geschäftsführer (und damit Partei) gewesen sei. Der Restitutionsbeklagte hätte im Vorprozess allenfalls bis zum abweisenden Urteil des Landgerichts vom 31.12.1991 die Wirksamkeit des Vertrages nicht bestritten; vorgenanntes Urteil sei jedoch nicht Gegenstand des Restitutionsverfahrens.

Außerdem hält die Restitutionsklägerin auch den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 4 ZPO für gegeben, weil der Restitutionsbeklagte durch Verschweigen eines form-unwirksamen Vertrages im Vorprozess einen Prozessbetrug begangen habe.

Die Restitutionsklägerin beantragt,

1. das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. September 2001, AZ 20 U 69/97, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. März 2000, AZ X ZR 115/98 sowie das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Juni 1998, AZ 20 U 69/97, aufzuheben;

2. die Klage des Restitutionsbeklagten und früheren Klägers unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 13. März 1997, AZ 4 O 99/91, abzuweisen;

3. die Anschlussberufung des Restitutionsbeklagten im Verfahren AZ 20 U 69/97 zurückzuweisen;

4. dem Restitutionsbeklagten die Kosten des gesamten Rechtsstreits aufzuerlegen.

Der Restitutionsbeklagte beantragt,

die Restitutionsklage abzuweisen.

Der Restitutionsbeklagte behauptet: Die Parteien seien sich weder im Jahre 1981 noch im Jahre 1987 bewusst gewesen, dass der Patentlizenzvertrag einer bestimmten Form bedurft hätte, weshalb auch keine Zusammenheftung der Vertragsbestandteile - wie jetzt von der Klägerin vorgetragen - stattgefunden hätte. Die Unterzeichnung der Vertragsexemplare habe 1981 bei Patentanwalt Dr. S. stattgefunden.

Es habe zwar Ende 1986/Anfang 1987 Verhandlungen über eine Erweiterung des Lizenzvertrages gegeben; der Restitutionsbeklagte hat der Restitutionsklägerin (unstreitig) mit Schreiben vom 16.01.1987 - Anlage L 7 - den Entwurf eines Patentlizenzvertrages 2 zugesandt; zu einer Einigung der Parteien sei es jedoch nicht gekommen, insbesondere nicht in der Form, dass die Liste über die weiteren Schutzrechte in den ursprünglichen Lizenzvertrag vom 01.12.1981 eingefügt werden sollte. Die von der Restitutionsklägerin so hergestellte und mit der Restitutionsklage eingereichte Urkunde sei unecht.

Der Restitutionsbeklagte weist darauf hin, dass im Rahmen der Korrespondenz, die anlässlich der Kündigung des Lizenzvertrages im Jahre 1991 ausgetauscht wurde, nie von einer Erweiterung des Vertrages bzw. Einbeziehung der nach dem 01.12.1981 entwickelten Schutzrechte von Seiten der Restitutionsklägerin die Rede gewesen sei. Dies gelte auch für den im Widerspruch zum jetzigen Vortrag stehenden Prozessvortrag der Restitutionsklägerin in den Verfahren 4 O 97/91, 4 O 250/91, 4 O 251/91, 4 O 148/92 und 4 O 492/96 LG Düsseldorf sowie im Vorprozess 4 O 99/91 (20 U 69/97) zu diesen Restitutionsverfahren.

Der Beklagte bestreitet den Vortrag der Klägerin zur Auffindung der nunmehr vorgelegten Urkunde; Rechtsanwalt Dr. G. habe nie über ein Vertragsoriginal verfügt, weshalb er es dem Zeugen C. auch nicht (versehentlich) übersandt haben könne.

Der Restitutionsbeklagte hält die Restitutionsklage wegen Verstoßes gegen § 582 ZPO für unzulässig, weil die Klägerin im Verfahren 20 U 69/97 durch einen Vorlegungsantrag gemäß § 429, 422 ZPO die wieder benutzbare Urkunde in den Rechtsstreit hätte einführen können. Im Übrigen habe die Restitutionsklägerin den Restitutionsgrund bereits erfolglos im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof geltend gemacht, weshalb sie darauf keine gesonderte Restitutionsklage mehr stützen könne. Schließlich sei auch die Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt.

Entscheidungsgründe:

Die Restitutionsklage, für die das angerufene Gericht gemäß § 584 Abs. 1, 2. Alt. ZPO zuständig ist und deren verfrühte Erhebung mit Eintritt der Rechtskraft geheilt worden ist (Stein/Jonas, 21. Aufl., § 586 ZPO Rdnr. 9), ist unzulässig.

Die von der Restitutionsklägerin angeführten Restitutionsgründe des § 580 Nr. 7 b ZPO und des § 580 Nr. 4 ZPO greifen nicht durch.

1. Nach § 580 Nr. 7 b ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

Im vorliegenden Fall macht die Restitutionsklägerin geltend, durch die ihr nunmehr zur Verfügung stehende Urkunde, deren Zusammenheftung und damit die Formwirksamkeit des Lizenzvertrages im Sinne von § 34 GWB beweisen zu können, was für sie (die Restitutionsklägerin) insofern zu einer günstigeren Entscheidung des Vorprozesses geführt hätte, als dem Restitutionsbeklagten kein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Lizenzvergütungen in Höhe von 694.219,70 DM zuzusprechen gewesen wäre. Dabei ist festzustellen, dass die Restitutionsklägerin in Verbindung mit ihrer Erklärung, zu welchem (Beweis-)Zweck sie die Urkunde benutzen will, hier im Restitutionsverfahren neu vorträgt, dass der Lizenzvertrag vom 01.12.1981 damals zusammen mit der Schutzrechtsliste und der Zusatzvereinbarung zwischen ihrem früheren Geschäftsführer R. und dem Restitutionsbeklagten durch Heftung fest verbunden worden sei ebenso wie auch im Jahre 1987 die weitere (Schutzrechte ab dem 01.01.1982 betreffende) Liste durch Lösung der vorhandenen Heftung und anschließender Neuheftung eingefügt worden sei.

Im Vorprozess hatte sie auf Seite 2 der Berufungserwiderung vom 09.10.1992 (Bl. 232 BA) ausgeführt, dass mit dem Landgericht von der Nichtigkeit des Patentlizenzvertrages gemäß § 34 GWB auszugehen sei und damit den vom Restitutionsbeklagten in der Berufungsbegründung vom 28.04.1992 mehrfach erwähnten Umstand der Formnichtigkeit des Vertrages, der Voraussetzung für den von ihm geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch gewesen ist, ausdrücklich zugestanden. Die Restitutionsklägerin hat sich gegenüber dem gesetzlichen Anspruch auf Wertersatz, dessen Ermittlung zwischen den Parteien streitig gewesen ist, gerade nicht (wie jetzt) auf einen wirksamen Vertrag als Rechtsgrund im Sinne von § 812 BGB berufen, sondern sich mit Aufrechnungsforderungen verteidigt.

Es stellt sich damit insgesamt die Frage nach der Beziehung des früheren Prozessstoffes zu den im Restitutionsverfahren vorgetragenen Tatsachen, die mit der Urkunde bewiesen werden sollen, und zwar unter dem Gesichtspunkt, worauf für die Feststellung, ob die Urkunde im Vorprozess eine günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte, abzustellen ist.

Generell zu diesem Problem hat schon das Reichsgericht (RGZ 35, 409, 410) unter Darlegung der Entstehungsgeschichte des früheren § 543 Nr. 7 b ZPO die Auffassung vertreten, die Vorschrift stelle nicht das Erfordernis auf, dass die Tatsache, welche durch neu entdeckte Urkunden erwiesen werden solle, im Vorprozess schon vorgebracht worden sein musste; es sei vielmehr gleichgültig, ob die durch die Urkunde zu erweisende Tatsache im Vorprozess rechtzeitig vorgebracht war oder nicht. Die Ansicht, dass neue, sich aus dem Urkundeninhalt ergebende Tatsachen im Restitutionsverfahren vorgetragen werden können, wird (soweit ersichtlich) in Rechtsprechung und Literatur (BGH NJW 1960, 818, 819; BGH MDR 1980, 31; OLG Celle, NJW 1962, 1401, 1402; Stein/Jonas, 21. Aufl., § 580 ZPO, Rdnr. 33; Baumbach/Lauterbach, 57. Aufl., § 580 ZPO Rdnr. 19; Zöller-Greger, 23. Aufl., § 580 ZPO, Rdnr. 26, 27; Münchener Kommentar-Braun, 2. Aufl., § 580 ZPO Rdnr. 51, 52; Musielak, 3. Aufl., § 580 ZPO Rdnr. 17; Gaul, Die Grundlagen des Wiederaufnahmerechtes, 1956, S. 132 Fußnote 61) einhellig bejaht.

Ein besonderer Fall neuen Vortrags ist jedoch - wie hier - gegeben, wenn die sich aus der Urkunde ergebenden, im Restitutionsverfahren neu vorgebrachten Tatsachen im Widerspruch zum Vorbringen des Restitutionsklägers im Vorprozess stehen, sei es, dass er dort den Vortrag des Gegners nicht bestritten oder sogar ausdrücklich zugestanden hat.

Für diese Konstellation wird von Musielak (ZPO, 3. Aufl., § 580 ZPO Rdnr. 19) die Auffassung vertreten, der erforderliche Bezug der Urkunde auf den Prozessstoff des früheren Verfahrens schließe es aus, dass durch die Urkunde neue Tatsachen vorgetragen werden, durch die ein seinerzeit nicht bestrittener Vortrag widerlegt werden solle. In diesem Sinne ist auch das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (AP Nr. 4 zu § 580 ZPO) zu verstehen, dass sich die Urkunde im Sinne von § 580 Nr. 7 b ZPO nur dann eigne, das Ergebnis des Urteils des Vorprozesses zu ändern, wenn das, was die nachträglich zugänglich gewordene Urkunde enthält, im Vorprozess dem Restitutionsbeklagten unbekannt war oder von ihm mangels Wissens um die Urkunde oder mangels Zugänglichkeit der Urkunde nicht bewiesen werden konnte.

Das Reichsgericht hat in der bereits erwähnten Entscheidung (RGZ 35, 409, 411) zur Zulässigkeit neuen Vorbringens im Restitutionsverfahren jedenfalls für den Sonderfall des Angehens gegen im Vorprozess durch gerichtliches Geständnis feststehende Tatsachen erkannt, dass dies nur unter den Voraussetzungen des § 263 ZPO a. F. (jetzt § 290 ZPO) möglich ist (ebenso Wieczorek, § 580 ZPO, Rdnr. E II. b; Stein/Jonas, 21. Aufl., § 580 ZPO, Rdnr. 32).

Diese Auffassung teilt der Senat. Denn wenn durch die Restitutionsklage das frühere (durch rechtskräftiges Urteil bereits abgeschlossene) Verfahren wieder aufgenommen, das heißt fortgesetzt werden soll, bleibt dessen Prozessstoff erhalten und kann nicht unter Missachtung der Verfahrensregeln, die im früheren Prozess gegolten hätten, beliebig ersetzt werden. Die Restitutionsklage ist mithin nicht zulässig zu dem Zweck, aufgrund der nachträglich aufgefundenen Urkunde ein Geständnis zu widerrufen, ohne die dafür nach § 290 ZPO erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen; zum Teil wird es sogar als zweckwidrig angesehen, eine im Vorprozess nicht bestrittene Behauptung des Gegners jetzt zu bestreiten (OLG Celle, NJW 1962, 1401; Thomas/Putzo, 25. Aufl., § 580 ZPO Rdnr. 19). Andernfalls würde - wie in Bezug auf den hier zu entscheidenden Fall noch näher ausgeführt werden wird - der prozesstaktischen Missachtung der Wahrheitspflicht freie Entfaltung zugebilligt. Deshalb ist auch der Ansicht von Hartmann (Baumbach/Hartmann, 62. Aufl., § 580 ZPO, Rdnr. 20), dass die fragliche Tatsache im Vorprozess absichtlich verschwiegen worden sein konnte, zu widersprechen.

Der Vortrag der Restitutionsklägerin zu der nunmehr aufgefundenen Urkunde lässt keinen anderen Rückschluss als denjenigen zu, dass ihr die Vorgänge um das Zustandekommen des Lizenzvertrages im Jahre 1981 und seiner (angeblichen) Ergänzung im Jahre 1987 genau bekannt waren, sie also wusste, dass der Patentlizenzvertrag zusammengeheftet und formwirksam gewesen ist und sie dessen ungeachtet die Formunwirksamkeit des Vertrages (mangels Zusammenheftung) zugestanden hat. Ausgehend vom eigenen Vortrag der Restitutionsklägerin hat sie damit in Bezug auf den vom Restitutionsbeklagten im Vorprozess geltend gemachten Bereicherungsanspruch ein bewusst unwahres Geständnis abgegeben, das nicht widerrufen werden kann (Zöller-Greger, 23. Aufl., § 290 ZPO Rdnr. 3).

Die Voraussetzungen für ein gerichtliches Geständnis der Restitutionsklägerin lagen vor, jedenfalls für ein antizipiertes. Das Gutachten bezog sich zwar nicht auf die anfangs vom Restitutionsbeklagten angeführte vertragliche Anspruchsgrundlage; hier bedeutete der Vortrag der Restitutionsklägerin vielmehr ein Bestreiten. Mit dem Vortrag zum Fehlen eines formwirksamen Vertrags hat die Restitutionsklägerin dann aber ein notwendiges Element für den gesetzlichen Anspruch zugestanden.

Entgegen den Ausführungen der Restitutionsklägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 6. Juni 2000 entsprach ihr zuvor aufgezeigtes Prozessverhalten auch maßgeblich ihrer damaligen Interessenlage (und nicht der des Restitutionsbeklagten). Es ist keineswegs so gewesen, dass der Restitutionsklägerin beim damaligen Stand des Verfahrens daran gelegen gewesen wäre, durch Behaupten eines Rechtsgrundes, für dessen Fehlen der Restitutionsbeklagte im Rahmen des § 812 die Darlegungs- und Beweislast gehabt hätte (vgl. Palandt, 62. Aufl., § 812 BGB Rdnr. 106) sich gegen den Bereicherungsanspruch zu verteidigen. Dies hätte zwangsläufig zur Folge gehabt, dass der vom Restitutionsbeklagten ursprünglich mit seiner Klage allein verfolgte vertragliche Anspruch gerechtfertigt gewesen wäre. Die Restitutionsklägerin ging seinerzeit davon aus, dass eine Zahlungspflicht aus Vertrag wegen dessen Formnichtigkeit zu verneinen sein würde und das ein Anspruch aus Gesetz in der geltend gemachten Höhe nicht hinreichend zu substantiieren und zu beweisen sein würde. Es war im Gegenteil der Restitutionsbeklagte, der auch noch im ersten (durch Urteil des Kartellsenats vom 9. März 1993 abgeschlossenen) Berufungsverfahren vehement darum kämpfte, die für die Nutzung der Schutzrechte herauszugebende Bereicherung nach den vertraglich vereinbarten Lizenzgebühren zu berechnen und der eine Beweisaufnahme über die Höhe des nach § 812 BGB zu leistenden Wertersatzes in Anbetracht der Gefahr, dass "der Rechtsstreit völlig unübersichtlich und nicht mehr handhabbar werden" (vgl. die Ausführungen des Restitutionsbeklagten in der Berufungsbegründung vom 28. April 1992, Bl. 176 der Beiakte) könnte, auf jeden Fall vermeiden wollte.

Es besteht daher kein Zweifel, dass dem Restitutionsbeklagten nichts willkommener gewesen wäre, als dass die Restitutionsklägerin anstelle ihres (aus ihrer heutigen Sicht) falschen Geständnisses einen formwirksam zustande gekommenen Lizenzvertrag behauptet hätte. Der Restitutionsbeklagte wäre dem seinerzeit nicht entgegen getreten, auch wenn er jetzt im Restitutionsverfahren den Vortrag der Restitutionsklägerin zur Zusammenheftung des Lizenzvertrages vom 01.12.1981 und seiner Ergänzung im Jahre 1987 bestreitet. Insofern ist für die Frage, ob es im früheren Rechtsstreit des Urkundenbeweises zur Herbeiführung einer günstigeren Entscheidung bedurft hätte, auf den damaligen Verfahrensstand abzustellen. Ohne dass es hier um eine vorweggenommene Beweiswürdigung geht, mag nicht unerwähnt zu bleiben, dass die zuvor dargelegte Interessenlage der Parteien erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des im Restitutionsverfahren vorgebrachten Sachvortrages der Restitutionsklägerin begründet. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Restitutionsklage ist das Vorbringen der Restitutionsklägerin als wahr zu unterstellen.

Der vorliegende Fall zeigt eindrucksvoll, dass es mit dem auf Gerechtigkeit und Billigkeit (vgl. Hahn Mat., S. 378 und S. 382; Gaul a.a.O. S. 73, 74) beruhenden Restitutionsprinzip unvereinbar wäre, im Restitutionsverfahren den Widerruf im Vorprozess erklärter bewusst unwahrer Geständnisse zuzulassen. Bedenklich ist aber auch schon das Bestreiten früher nicht bestrittener Behauptungen. Es ist vielmehr zu fordern, dass sich die mit der wieder aufgefundenen Urkunde neu vorgebrachten Tatsachen mit dem Prozessstoff des früheren Verfahrens in Einklang bringen lassen und ihm nicht - wie hier - konträr gegenüberstehen.

Auch wenn es darauf nicht mehr entscheidend ankommt, tendiert der Senat in Bezug auf den Beweiswert der jetzt vorgelegten Urkunde dazu, sie als nicht geeignetes (urkundliches) Beweismittel im Sinne von § 580 Nr. 7 b ZPO zu erachten.

Mit dem Restitutionsgrund des 580 Nr. 7 b ZPO soll der besonderen Bedeutung des Urkundenbeweises Rechnung getragen werden (BGH MDR 1980, 31). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vorschrift allerdings nicht auf den Bereich der formellen Beweiskraft (§ 415 ff. ZPO) beschränkt, sondern meint auch Urkunden, die für die zu beweisende Tatsache lediglich einen frei zu würdigenden Beweiswert haben. Erforderlich ist, dass die Urkunde aufgrund des in ihr verkörperten Gedankeninhaltes einen eigenen Beweiswert hat und geeignet ist, das angefochtene Urteil in seinen tatsächlichen Grundlagen für jedermann erkennbar und in einer für das allgemeine Rechtsgefühl unerträglichen Weise zu erschüttern (BGH MDR 1980, 31; BGH NJW-RR 1991, 380, 381).

Zwar beinhaltet der Urkundenbeweis einen Augenschein an der vorgelegten Urkunde hinsichtlich ihrer gegenständlichen Existenz unabhängig von ihrem gedanklichen Inhalt (vgl. Zöller, 23. Auf., § 371 ZPO Rdnr. 2). Diese Inaugenscheinnahme der Urkunde bezieht sich jedoch nur auf ihren gegenwärtigen Zustand und besagt, worauf es hier ankommen würde, nichts darüber, ob die Urkunde von den Parteien damals schon so hergestellt worden ist wie sich heute präsentiert. Im Streitfall ergibt die fragliche Urkunde nichts dazu, ob sie allein von der Restitutionsklägerin ohne Mitwirkung des Restitutionsbeklagten so geschaffen wurde. Insofern fehlt jegliche Erschütterung der Urteilsgrundlage durch die vorgelegte Urkunde als solche. Es käme vielmehr auf Zeugen an, die den entsprechenden Vortrag der Restitutionsklägerin bestätigten. Soweit die Restitutionsklägerin diesem in der mündlichen Verhandlung erörterten Gesichtspunkt im nachgelassenen Schriftsatz vom 06.06.2003 unter Berufung auf Zöller (§ 580 ZPO Rdnr. 29) und Hartmann (Baumbach/Lauterbach, § 580 ZPO Rdnr. 23) entgegenhält, dass zum Beweis der Echtheit der Urkunde alle Beweismittel zulässig seien, trifft dies nicht die Besonderheiten des Falles. Die nichts beweisende Urkunde kann hier gänzlich weggedacht werden, so dass die Restitutionsklage allein auf die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung, die Urkunde sei damals zusammengeheftet worden, gestützt wird und damit nicht vom Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 b ZPO erfasst wird.

2. Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 4 ZPO, den die Restitutionsklägerin im Schriftsatz vom 8. Mai 2003 zusätzlich angeführt hat, greift ebenfalls nicht durch.

Nach dieser Vorschrift findet die Restitutionsklage statt, wenn das Urteil vom Gegner durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist.

Die Restitutionsklägerin macht insoweit geltend, dass der Restitutionsbeklagte durch das Verschweigen des streitgegenständlichen formwirksamen Zustandekommens des Vertrages einen (durch Verjährung jetzt nicht mehr verfolgbaren) Prozessbetrug zu ihren Lasten begangen habe. Der Angriff befremdet in Anbetracht der obigen Ausführungen zum Gang des Vorprozesses; er ist auch nicht gerechtfertigt, weil es an der Kausalität fehlt. Wie bereits ausgeführt, hat der Restitutionsbeklagte seine Klage auf Lizenzvergütung ausdrücklich auf vertragliche Ansprüche gestützt und auch im ersten Berufungsverfahren im Rahmen des Bereicherungsausgleich für eine Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarung plädiert, so dass der Rechtsstreit, wenn die Restitutionsklägerin damals die Formwirksamkeit des Vertrages mit dem jetzt behaupteten Sachverhalt dargelegt hätte, sein schnelles Ende durch ein den vertraglichen Anspruch zusprechendes Urteil gefunden hätte. Das Urteil beruht daher auf dem unterlassenen Vortrag der Restitutionsklägerin zur (angeblichen) Zusammenheftung des Vertragswerkes, nicht auf einem Verschweigen des Restitutionsbeklagten.

Neben der fehlenden Kausalität ist auch ein auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils zu Lasten der Restitutionsklägerin gerichteter Vorsatz des Restitutionsbeklagten nicht feststellbar. Er wollte, gestützt auf den Vertrag (und zwar auch im Rahmen des Bereicherungsausgleichs), zunächst nicht mehr als die ihm danach unstreitig zustehende Lizenzvergütung geltend machen und eine Beweisaufnahme über die Angemessenheit des für die Nutzung der Lizenzrechte zu leistenden Wertersatzes vermeiden.

Näher liegt es, auf Seiten der Restitutionsklägerin einen Schädigungsvorsatz anzunehmen, da sie durch ihren damaligen Vortrag zum Fehlen der Zusammenheftung dem Restitutionsbeklagten den Anspruch auf vertragliche Lizenzvergütung versagen wollte, in Unkenntnis, dass der gesetzliche Anspruch mehr als doppelt so viel ergeben würde.

3. Schließlich gilt für beide Restitutionsgründe, dass die Restitutionsklage in Höhe eines Betrages von 280.052,40 DM schon deshalb nicht zulässig ist, weil die Restitutionsklägerin diese Summe auf jeden Fall zu zahlen hat und insoweit auch das Schlussurteil des Landgerichts vom 13.03.1997 mit Rechtsmitteln nicht angegriffen hatte. Den Ausführungen der Restitutionsklägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 6. Juni 2003, der Restitutionsbeklagte habe sein Begehren ausschließlich auf Bereicherungsrecht gestützt und vertragliche Ansprüche seien nicht Streitgegenstand gewesen, ist entgegenzuhalten, dass die Klage ursprünglich allein auf vertragliche Ansprüche gestützt war und im Übrigen der vorliegende Zusammenhang vertragliche und gesetzliche Zahlungsansprüche den selben Streitgegenstand bilden (vgl. BGH GRUR 2002, 787, 788 - Abstreiferleiste -).

Den mit Schriftsatz vom 8. Mai 2003 angekündigten Hilfsantrag auf Verweisung des Rechtsstreits hat die Restitutionsklägerin im Termin vom 13. Mai 2003 fallengelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO in Verbindung mit § 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, § 543 Abs. 2 ZPO.

Die maßgebliche Rechtsfrage, inwieweit im Restitutionsverfahren neuer, im Widerspruch zum Prozessstoff des früheren Verfahrens stehender Sachvortrag des Restitutionsklägers zuzulassen ist, ist nach den Grundsätzen der bislang hierzu ergangenen Rechtsprechung entschieden worden. Es ist auch nicht zu erwarten, dass diese Rechtsfrage in einer unbestimmten Vielzahl von weiteren Fällen auftreten wird.

Streitwert: 354.948,90 EUR.

Ende der Entscheidung

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