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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.03.2000
Aktenzeichen: 20 U 66/99
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 66/99 8 O 152/98 LG Mönchengladbach

Verkündet am 19. März 2000

G, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. S und W

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mönchengladbach vom 15. April 1999 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

1. es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für die Anwerbung von Mitgliedern für ihre Betriebskrankenkasse Prämien in der nachstehend wiedergegebenen Form anzukündigen:

und/oder eine derart angekündigte Prämie zu gewähren;

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

2. an die Klägerin 315,65 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12.11.1998 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Prozeßführungsbefugnis des Klägers ist vorliegend - anders - als in den vorgelegten Urteilen des Landgerichts W vom 28. Oktober 1997 - 14 O 88/97 - und des Senats vom 24. November 1998 - 20 U 176/97 = WRP 99, 568 - zu Recht nicht im Streit.

Für die Begründetheit der Klage fehlt es nicht an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Das Vorbringen der Beklagten, die mit dem im Tenor abgebildeten Flugblatt angekündigte "Mitgliederwerbeaktion" sei zum 1. Januar 1999 abgeschlossen worden, und eine Wiederholung nicht beabsichtigt, ist unerheblich, weil die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Grundsätzlich kann der Verletzer nach einem Wettbewerbsverstoß die zu vermutende Wiederholungsgefahr lediglich durch eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung beseitigen. Ohne Unterwerfung ist ein Fortfall der Wiederholungsgefahr heute allenfalls in ganz ungewöhnlichen Ausnahmefällen denkbar. Zu diesen Ausnahmefällen gehört aber nicht die Beendigung der beanstandeten Werbeaktion und das bloße Versprechen künftiger Unterlassung. Vielmehr spricht gegen den Wegfall der Wiederholungsgefahr schon der Umstand, daß die Beklagte trotz der von ihr dargelegten Umstände keine Unterwerfungserklärung abgegeben hat (vgl. BGH NJW-RR 98, 1571, 1572 - Brennwertkessel; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 7, Rdnr. 6, 8 f.).

Die Werbung von Kunden mit dem im Tenor abgebildeten Flugblatt ist eine nach § 1 UWG unzulässige Laienwerbung. Allerdings ist die Einschaltung von nicht berufsmäßigen Kundenwerbern gegen Gewährung von Werbeprämien nicht schon an sich wettbewerbsfremd, so daß es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung solcher Werbemaßnahmen auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommt. Wegen der vielfältigen Bedenken gegen diese Art der Kundenwerbung sind dabei jedoch strenge Maßstäbe anzulegen (BGH NJW 95, 729, 725 - Laienwerbung für Augenoptiker). Diese Bedenken beruhen auf einer Kommerzialisierung der Privatsphäre des Laienwerbers, der sich zu Zwecken des Wettbewerbs nicht scheuen wird, sich an Verwandte, Freunde und Bekannte zu wenden. Da der Angesprochene von den Prämieninteressen des Laienwerbers meistens nichts weiß, wird er dessen Erklärungen regelmäßig unkritisch gegenüberstehen. Für eine wettbewerbswidrige Beeinflussung durch eine einseitig positive oder unzulässig vergleichende Werbung wird hier ein weiter Raum eröffnet. Häufig wird der Umworbene sich scheuen, das Angebot des ihm bekannten Werbers abzulehnen, so daß Güte und Preiswürdigkeit nicht mehr die entscheidenden Kriterien seines Entschlusses sind. Zu berücksichtigen sind auch eine mangelnde Sachkunde der Laienwerber oder die Gefahr der Nachahmung durch Mitbewerber (Köhler/Piper, UWG, § 1, Rdnr. 78). Wettbewerbswidrig wird der Einsatz von Laienwerbern insbesondere beim Versprechen überhöhter Prämien, weil dies den Laienwerber veranlassen kann, sich die Prämie unter Einsatz auch unsachlicher Mittel, insbesondere unrichtiger oder einseitiger Produktinformationen zu verdienen. Ob eine Prämie einen übermäßigen Anreiz bildet und damit unzulässig hoch ist, beurteilt sich nicht nach ihrem absoluten Wert, sondern nach dein Verhältnis von "Aufwand und Ertrag" und nach den Vermögensverhältnissen bei den Laienwerbern (Köhler/Piper a.a.O., § 1, Rdnr. 29).

Der Wert der Prämie im Streitfall, nämlich der versprochenen Kur-Reise nach Abano betrug vorliegend knapp 1.000 DM. Das ist zwar weniger als in dem Fall, den das Landgericht W und der Senat in den vorgelegten Urteilen zu entscheiden hatten. Dort waren noch der 4. bis 6. Preis jeweils 9.000 DM wert. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß man diese Preise erst einmal gewinnen mußte, denn wer ein neues Mitglied warb, nahm nur an einer entsprechenden Verlosung teil Hier wird dem Werber sogleich "diese zauberhafte Kultur- und Kur-Reise" in Aussicht gestellt.

Dafür muß er allerdings 30 neue Mitglieder der Beklagten werben. In diesem Mißverhältnis von Aufwand und Erfolg hat das Landgericht den Hauptgrund für seine Feststellung gesehen, daß die ausgesetzte Prämie "reizlos" sei. Dem ist zuzugeben, daß die Anreizwirkung bei abwägender und nüchterner Betrachtungsweise tatsächlich gering ist. Der Kläger hat selbst in erster Instanz vorgetragen, daß es außerordentlich schwierig sei, nicht nur ein neues Mitglied, sondern deren 30 in persönlichen Gesprächen anzuwerben. Für einen Werber, der vorsichtig und überlegt an die Sache herangeht, muß dieser Aufwand ganz außer Verhältnis zu der versprochenen Prämie stehen. Es ist jedenfalls plausibel, wenn der Geschäftsführer der Beklagten in der Verhandlung vor dem Landgericht mitgeteilt haben soll, daß sich während der einjährigen Laufzeit der Aktion, nur zwei Personen gemeldet hätten, die die Prämie hätten in Anspruch nehmen können. Hinzu kommen die "Schwächen" der versprochenen Reise, die das Landgericht hervorgehoben hat (Unterbringung in "Einzel- oder Doppelzimmer", usw.), und die einem kühl prüfenden, etwa an die kritische Lektüre von Reiseprospekten gewohnten Leser auch auffallen müssen.

Aber - und das ist der springende Punkt - nicht jeder, dem das Flugblatt der Beklagten in die Hände fällt, geht so kritisch und überlegt an die Sache heran. Davon ist offensichtlich auch die Beklagte ausgegangen, denn wer sich eine Werbung ausdenkt, tut das nach aller Lebenserfahrung nicht, damit sie ein "Schlag ins Wasser" wird. Es kann in der Praxis so kommen, aber beabsichtigt wird es vernünftigerweise nie. Gerade die Unkundigen jedoch, die das Mißverhältnis von Aufwand und Erfolg von vornherein nicht überblicken, sind als Werber für das umworbene Publikum am "gefährlichsten". Selbst wenn als Adressaten des angegriffenen Flugblatts nur Mitglieder der Beklagten - und nicht jedermann - in Betracht kamen, ist gerade von jemandem, der den "Pferdefuß" der Prämie nicht bemerkt, nur eine besonders unqualifizierte und unsachliche Beratung des Umworbenen zu erwarten.

Solche Werber werden, worauf der Kläger schon hingewiesen hat, mit ihren Werbebemühungen zunächst einmal beginnen, bevor sie nach einiger Zeit merken, daß sich der Aufwand nicht lohnt. Bis dahin können sie schon genügend Schaden angerichtet, zum Vorteil der Beklagten jedoch einige Mitglieder geworben haben, wofür sie, wiederum zum Vorteil der Beklagten, jedoch von ihr nichts bekommen, wie die Berufungserwiderung hervorhebt. Der Kläger hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß ein Werber, der nicht aufgrund verspäteter Einsicht "aufgibt", zwangsläufig immer mehr unter Druck geraten muß, je mehr Arbeit er schon investiert und je mehr Mitglieder er bereits geworben hat. Wem es bereits gelungen ist, 20 neue Mitglieder anzuwerben, der wird immer weniger Skrupel haben, wenn es gilt, die Quote von 30 endlich zu erfüllen.

Dabei ist die Sachkunde von Laienwerbern auf diesem Gebiet schon an sich gering. Niemand hat Sachkunde hinsichtlich von Krankenversicherungen, nur weil er selbst krankenversichert ist. Das gilt - entgegen dem Vortrag der Beklagten - auch für ihre Mitglieder. Im Gegenteil liegt ein Element der Unlauterkeit auch darin, daß die Beklagte mit dem angegriffenen Flugblatt ihre Mitglieder dazu einlädt, sich eine solche Sachkenntnis doch zuzutrauen. Wem das aber plausibel gemacht werden kann, der unterschätzt mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Mühen, die mit der Anwerbung von 30 neuen Mitgliedern verbunden sind.

Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die vom Landgericht angeführten Gesichtspunkte ihre Bedeutung verlieren, wenn man sich vorstellt, daß weder Werber noch Umworbene die Dinge so nüchtern und abwägend prüfen wie das Landgericht. Als Werber kommt typischerweise eine Verkäuferin in der Unternehmensgruppe T und als neu zu werbendes Mitglied etwa eine Berufsanfängerin in Frage, die in demselben Geschäft tätig ist: In solchen Fällen wird dann möglicherweise auch noch das Argument benutzt, daß der Arbeitgeber T es gern sehe, wenn man auch seiner Betriebskrankenkasse beitrete (vgl. OLG Z, NJWE-Wettbewerbsrecht 2000, 40). Aber auch sonst sind sachliche und sachkundige Werbeversuche eher unwahrscheinlich. Man muß sich nur als Werber bzw. Umworbenen nicht etwa einen Filialleiter der T-Gruppe, sondern die normale Verkäuferin und Kassiererin vorstellen.

Wie oben bereits ausgeführt, kann auch die Gefahr der Nachahmung die Unlauterkeit einer Laienwerbung mitbegründen. Die Werbung der Beklagten könnte bei ihren Konkurrenten Nachahmer finden, weil sie ausgesprochen kostengünstig ist. Nach Aussage des Vorstandes der Beklagten vor dem Landgericht haben sich in einem Jahr nur zwei Werber die ausgelobte Prämie verdienen können. Gleichzeitig dürften aber auch andere Werber der Beklagten neue Kunden zugeführt haben, ohne daß dies die Beklagte etwas gekostet hätte, weil diese Werber die geforderte Quote nicht erreichen und möglicherweise nur ein oder zwei neue Mitglieder finden konnten. In diesen Fällen ist jedenfalls für die Beklagte das Verhältnis von Aufwand und Erfolg ausgesprochen günstig. Damit widerlegt jedenfalls die vorliegende Laienwerbung das Argument, Laienwerbung durch eine Inaussichtstellung hoher Prämien sei ausgesprochen teuer, und deshalb erweise sich die von den Gerichten in den Vordergrund gerückte Gefahr einer Nachahmung durch eine Vielzahl von Konkurrenten bei näherem Zusehen als "haltlose Unterstellung" (so Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 5. Aufl., S. 303).

Wegen dieser Nachahmungsgefahr ist die Werbung der Beklagten auch geeignet, den Wettbewerb auf dem Markt für Krankonversicherungen wesentlich zu beeinträchtigen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Hierzu wird im übrigen auf die vom Kläger in den Prozeß eingeführten Urteile des Landgerichts W und des Senats (14 und 32 f. GA = WRP 99, 569) verwiesen, in denen festgestellt wurde, daß auf dem Gebiet der Laienwerbung für Krankenkassen eine "Marktverwilderung" (Teplitzky a.a.O., Kap. 13, Rdnr. 12 g) bereits eingetreten ist.

Dem Kläger steht auch die eingeklagte Abmahnpauschale zu (vgl. Pastor/Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 18, Rdnr. 32). Dagegen hat die Beklagte auch nichts vorgebracht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten: 30.315,65 DM.

Ende der Entscheidung

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