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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.06.2001
Aktenzeichen: 21 U 27/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 622
BGB § 675
BGB § 305
BGB § 241
BGB § 826
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 254 Abs. 2
ZPO § 519 Abs. 2
ZPO § 519 Abs. 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 4
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

21 U 27/01

Verkündet am 26.06.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Vygen, die Richterin am Oberlandesgericht Härtung und die Richterin am Landgericht Goldschmidt-Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. gegen das am 19.07.2000 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beklagte zu 1. befasst sich mit der Vermittlung des An- und Verkaufs von amerikanischen Wertpapieren einschließlich OTC-Aktien sowie Wertpapier-/Währungsoptionen. Zur Durchführung dieser Geschäfte bedient sie sich freier Handelsvertreter. Der Kläger wurde von Herrn R B betreut. Der Beklagte zu 2. ist Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Beklagten zu 1..

Der Kläger, ein Diplom-Kaufmann, schloss am 11.03.1995 mit der Beklagten zu 1. eine sog. Kundenvereinbarung ab, welche auch Risikohinweise enthielt (Bl. 78 ff.). Dort war u.a. folgendes ausgeführt:

"Wie auf dem deutschen Wertpapiermarkt, so gibt es auch in den USA zum einen Aktien, die an den Börsen gehandelt werden (...) und zum anderen Papiere, die nur am Over-the-Counter Market, (OTC-Markt), der mit dem deutschen Freiverkehrsmarkt vergleichbar ist, erhältlich sind (sogenannte Unlisted Securities). Der OTC-Markt hat jedoch in den USA einen weit höheren Stellenwert als der Freiverkehrsmarkt in Deutschland. Als Anleger "auf dem OTC-Markt partizipieren sie am drittgrößten Wertpapiermarkt der Welt mit einer jährlichen Wachstumsrate, die weit über der an den Präsenzbörsen liegt.

Wer sich zu Anlagen am OTC-Markt entschließt, muß sich aber bewußt sein, daß damit ein ungleich höheres Risiko verbunden ist als bei Anlagen in "Listed Securities. ...

Meist werden am OTC-Markt Aktien von Unternehmen gehandelt, die in der Regel erst am Beginn ihrer Geschäftstätigkeit stehen. Da die Finanzierungen/Kapitalerhöhungen von amerikanischen Unternehmen in der Regel nicht über Bankkredite durchgeführt werden, sondern über Aktienausgaben, spekuliert der Kunde sozusagen in eine Geschäftsidee, die, wenn sie sich durchsetzt, den. Kurs der Aktie nach oben treiben, aber auch im Falle des Mißerfolgs zu dramatischen Kurseinbrüchen bis zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen kann. Das Insolvenzrisiko ist bei Unternehmen dieser Art also besonders hoch.

Der Handel am OTC-Markt wird über die sog. Market-Maker (Investmentbanken) per Telekommunikation abgewickelt. Die ... Kurse müssen sich nicht unbedingt nach Angebot und Nachfrage richten, sondern sie können auch auf den Angaben eines oder mehrerer Market Maker beruhen. ...

Der Vertrieb kann auch über einen Market Maker erfolgen. Ob und zu welchem Kurs dieser Market Maker den Handel mit einem bestimmten Papier aufrechterhält, ist ungewiß. Es gibt also keine Gewähr dafür, daß sich einmal erworbene Papiere ohne weiteres wieder veräußern lassen."

Im Rahmen des Vertrages kaufte und verkaufte der Kläger u.a. Standardwerte des amerikanischen Marktes. Daneben erwarb er auf eine Anzeige in dem von der Beklagten zu 1. herausgegebenen "Aktientip" und einer im Anschluss daran erfolgten zeitnahen telefonischen Kaufempfehlung durch die Filiale der Beklagten zu 1. in Ravensburg Papiere, die der Kläger als sog. Penny Stocks bezeichnet. Am 03.06.1996 kaufte er Capital Brands-Anteile, die er am 07.10.1996 mit einem Gewinn von 5.005,72 US $ wieder veräußerte. Weiterhin erwarb er am 30.07.1996 zunächst 22.000 Stück Aktien des Unternehmens "Eftek" zu je 1,20 US $. Dieses Papier unterlag der sog. Regulation S., welches eine 40-tägige Sperrfrist zum Verkauf beinhaltete. Nachdem der Kurs auf 0,83 US $ gefallen war, kaufte der Kläger am 30.04.1997 über die Beklagte zu 1. (vgl. Kontoauszug vom 30.04.1997, Bl. 11 + 197) weitere 16.600 Aktien der EFTEK Corp. hinzu. Insgesamt wandte der Kläger, einschließlich einer sog. Ticketgebühr von 35 US $, einen Betrag von 40.248,-- US $, auf. In der Folgezeit sank der Kurs, die Aktien notieren nur noch zu einem Erinnerungswert.

Der Schaden des Klägers beläuft sich im Zusammenhang mit dem Erwerb der von ihm als Penny Stocks bezeichneten Papiere nach seiner von der Beklagten nicht substantiiert beanstandeten Berechnung unter Berücksichtigung des bei der Capital-Brands-Anlage erzielten Gewinns auf 35.242,28 US $, wobei der Kläger einen DM-Betrag von 61.321,57 DM errechnet.

Der Kläger hat vorgetragen, von der Beklagten zu 1. nicht hinreichend über die mit dem Handel von Penny Stocks verbundenen Risiken aufgeklärt worden zu sein. Er habe nicht gewusst, dass der Marktmechanismus bei solchen Papieren quasi außer Kraft gesetzt sei, da der Kurs allein durch die Market-Maker, wovon es bei solchen Papieren auch nur wenige gebe, bestimmt werde. Er habe auf die Erfahrung der Beklagten zu 1. vertraut, die jedoch in ihrem "Börsentip" die kaufentscheidenden Qualitätsmerkmale der Aktie falsch wieder gegeben habe. Zum Nachkauf habe ihn Herr B animiert, den die Beklagte zu 1. zu einem solchen Verhalten angewiesen habe. Durch die Risikohinweise sei keine ausreichende Aufklärung erfolgt. Im übrigen habe er nicht gewusst, dass die Beklagte zu 1. bei solchen Papieren eine Innenprovision erhalte, welche den Kurs zusätzlich verteuere.

Er hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 61.321,57 DM nebst 4 % Zinsen aus 37.286,95 DM für die Zeit vom 31.07.1996 bis zum 29.04.1997 und aus 61.321,57 DM seit dem 30.04.1997 Zug um Zug gegen Zustimmung zur Überschreibung von 38.600 Stück Aktien der Bezeichnung Eftek an die Beklagte zu 1. zu zahlen.

Die Beklagten zu 1. und 2. haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben. Darüber hinaus tragen sie vor, der Kläger habe als Diplom-Kaufmann, keiner Aufklärung bedurft, da er durch sein wirtschaftswissenschaftliches Studium über die nötigen Grundkenntnisse des Aktiengeschäfts verfügt habe. Die Eftek-Aktie sei kein Penny-Stock, weshalb die für diese Werte geltenden Aufklärungsanforderungen vorliegend nicht bestanden hätten. Im übrigen sei die schriftliche Aufklärung in der Kundenvereinbarung ausreichend gewesen. Herr B habe den Kläger weiterhin mündlich über die Bedeutung der Regulation-S. und über die Innenprovision aufgeklärt.

Der Beklagte zu 2. habe stets alle erforderlichen Schritte unternommen, die Kunden der Beklagten zu 1. entsprechend den jeweiligen Anforderungen der Rechtsprechung aufzuklären.

Das Landgericht hat mit seinem am 19.07.2000 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben und dies mit einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten zu 1. aus pVV eines Vertrages nach § 622 BGB, § 675 BGB oder §§ 305, 241 BGB wegen nicht hinreichender Aufklärung über die Risiken des Erwerbs von Penny-Stock-Werten und des Beklagten zu 2. aus § 826 BGB begründet. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, welches den Beklagten am 08.08.2000 zugestellt worden ist. Hiergegen richtet sich ihre am 30.08.2000 eingegangene Berufung, die nach mehrmaliger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem am 18.12.2000 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz fristgerecht begründet wurde.

Die Beklagten zu 1. und 2. tragen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, ihre Vermittlungstätigkeit habe am 31.03.1997 geendet, weil Herr B mit seinen Kunden zur RMP Vermögensberatungs GmbH gewechselt sei. Die in deren Kundenvereinbarung erfolgte schriftliche Aufklärung des Klägers sei ausreichend gewesen, über die mit der Regulation-S. verbundenen Risiken sei er mündlich durch Herrn B aufgeklärt worden.

Nach Ablauf dieser Frist hätte der Kläger die Eftek-Papiere mit Gewinn veräußern können. Die vom Kläger am 25.04.1997 mit der RMP Vermögensberatung GmbH unterzeichnete Rahmenvereinbarung habe den Kläger über die Risiken hinreichend aufgeklärt. Hätte sich der Kläger dann aufklärungsrichtig verhalten und die Aktien verkauft, wäre der Verlust zu diesem Zeitpunkt fast vollständig vermieden worden.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er behauptet, über die mit der "Reg.S 40 Tage Sperrfrist" verbundenen Risiken nicht aufgeklärt worden zu sein. Vielmehr habe er auf die Erfahrung und Seriosität der Beklagten zu 1. und 2. vertraut. Diese hätten ihm von dem Erwerb von Penny Stocks abraten müssen. Statt dessen hätte ihm die Beklagte zu 1. zum Kauf der zweiten Tranche geraten. Bei der RMP Vermögensberatungs GmbH habe es sich um eine Folgeorganisation der Beklagten zu 1. gehandelt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1. und 2. hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Beklagten zur Zahlung von 61.321,57 DM Zug um Zug gegen Zustimmung zur Überschreibung der 38.600 Stück Eftek-Aktien verurteilt.

Das Urteil des Landgerichts ist richtig. Die Beklagte zu 1. hat im Rahmen des mit dem Kläger geschlossenen Vermittlungsvertrages ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzt, weil sie den Kläger nicht ausreichend über die Risiken des speziellen Geschäfts im Handel mit Penny Stock-Aktien aufgeklärt hat.

Die Beklagte zu 1. hatte im Vorfeld durch eigene Angaben und die Zusendung des "Börsentip" ein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen. In dem Schreiben vom 01.08.1995 (Bl. 9) weist sie auf ihre Fachkompetenz und ihre erfolgreiche und zuverlässige Beratungstätigkeit hin. In dem "Börsentip" spricht sie besondere Kaufempfehlungen aus. Damit stellt sie ihre Beratung und Hilfe bei Spekulationsgeschäften in Aussicht, ohne dies von irgendwelchen einschlägigen Erfahrungen des betreuten Kunden abhängig zu machen. Dies bringt schon im Vorfeld der vertraglichen Beziehung der Parteien die Verpflichtung mit sich, dem Kläger ein zutreffendes Bild von den Chancen und Gefahren der vermittelten Geschäfte zu verschaffen, so dass er sachgerechte Entschlüsse fassen konnte (BGHZ, 80, 80 (82); BGH NJW 1991, 1108).

Den sich daraus ergebenden Informationspflichten ist die Beklagte zu 1. nicht hinreichend nachgekommen. Die vermittelten Eftek-Aktien sind sog. Penny Stocks, mit deren Erwerb besondere Gefahren verbunden sind. Es handelt sich bei Penny Stocks um ausländische Billigaktien mit geringem Stückpreis oder geringem Nennwert (in der Regel bis zu 5 US $), die häufig von jungen, auch innovativen Unternehmen ausgegeben werden, um das für die Anlaufphase benötigte Risikokapital zu erhalten. Diese Aktien werden nicht an der Börse, sondern an von Brokern organisierten OTC-Märkten gehandelt (Schwark, EwiR 1991, 437).

Diese Gesichtspunkte treffen auf die Eftek-Aktien zu. Sie wurden zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger zu Kaufkursen von 1,20 bzw. 0,83 US $ gehandelt und über Market-Maker vertrieben. An einer Börse oder der NASDAQ wurde die Aktie nicht gehandelt. Dies ergibt sich aus der Alphabetical List of Bulletin Board Companies (vgl. Aufstellung der Firma Standard & Poor's Alphabetical List of OTC Bulletin Board Companies vom 03.05.2001) und ergibt sich weiterhin aus den eigenen Angaben der Beklagten zu 1. in dem "Aktientip" wo sie als "Börse,, "NASDAQ-EBB" angab, wobei sich die Bezeichnung "BB" auf Bulletin Board bezieht, in welchem die nicht an der NASDAQ gehandelten Papiere verzeichnet sind.

Dass es sich hierbei nach dem Vorbringen der Beklagten um 5-10 Market-Maker gehandelt haben soll, welche die Eftek-Aktien gehandelt haben, ist ohne Belang. Selbst wenn Penny Stocks von mehreren Brokern vertrieben werden, bietet dies keine Gewähr für einen effektiven breiten Markt, der eine realistische Preisbildung gewährleistet. Die für die meisten OTC-Titel typische Marktenge begünstigt im Gegenteil Kursmanipulationen durch Broker und Inhaber größerer Aktienpakete (BGH NJW 1991, 1108 (1109 mwN)). Sie macht zudem die Handelbarkeit der Papiere nicht nur vom Erfolg des Emittenten abhängig, sondern auch von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Händlers und seiner Bereitschaft, sich in diesem Markt dauerhaft zu engagieren. Die Enge der OTC-Märkte und die im Vergleich zu Börsen geringere Kontrollintensität durch externe und interne Instanzen begünstigt vielfältige Manipulationen zu Lasten des Anlegers. Fälle künstlicher Kurspflege und Verkäufe von nonvaleur Papieren sind eine nicht selten zu beobachtende Erscheinung auf den OTC-Märkten (Schwark, aaO). Dies bedeutet für den Anleger ein unkontrollierbares zusätzliches Risiko, welches in keinem Zusammenhang mit der Ungewissheit über den wirtschaftlichen Erfolg der emittierenden Aktiengesellschaft steht (BGH NJW 1991, 1108 (1109)).

Auf diese Risiken hat die Beklagte zu 1. nicht hinreichend hingewiesen. Insoweit ist allein auf den Inhalt der zwischen den Parteien geschlossenen Kundenvereinbarung (Bl. 78 ff.) mit den dort enthaltenen Risikohinweisen (Bl. 81) abzustellen. Denn grundsätzlich kann eine Aufklärung wirksam nur schriftlich erfolgen, weil der typischerweise unerfahrene Käuferkreis nur durch eine schriftliche Belehrung ein zutreffendes Bild von solchen Gefahren gewinnen kann (BGH NJW 1991, 1947 (1948)). Die schriftliche Information muss sich über die wesentlichen Grundlagen der Geschäfte, die wirtschaftlichen Zusammenhänge, die damit verbundenen Risiken und die Verminderung der Gewinnchancen durch versteckte Provisionen verhalten. Sie muss zutreffend, vollständig, gedanklich geordnet und auch von der Gestaltung her geeignet sein, einem unbefangenen, mit Geschäften dieser Art nicht vertrauten Leser einen realistischen Eindruck von den Eigenarten und Risiken solcher Geschäfte zu vermitteln. Dies ist auch sachgerecht, weil in all diesen Anlageformen branchenunerfahrene Käufer - regelmäßig telefonisch - akquiriert und unter Hinweis auf die möglichen, außergewöhnlich hohen Gewinnchancen zum Abschluss bewegt werden, während die Geschäfte gleichzeitig hochspekulativ und so mit einem erheblichen Verlustrisiko verbunden sind. Für unerfahrene Käufer ist dies auf den ersten Blick nicht erkennbar (OLG Frankfurt WM 1996, 253 (254)).

Wie das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, sprechen die Hinweise der Beklagten zwar einige Risiken des OTC-Marktes an (generelles Risiko des OTC-Marktes, Ausrichtung der Kurse nicht unbedingt nach Angebot und Nachfrage, Tätigkeit von Market-Makern), legen aber nicht mit der erforderlichen schonungslosen Offenheit dar, dass am OTC-Markt die Kursfeststellungen einzelner Market-Maker ohne jeglichen Zusammenhang zum wirtschaftlichen Erfolg der betroffenen Aktiengesellschaft erfolgen können. Motiv kann alleine eine gewollte Kursmanipulation zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil der Market-Maker sein. Die Gründe der Unkalkulierbarkeit des Handels mit Penny Stocks werden in den erforderlichen Einzelheiten nicht erläutert. Zusätzlich erschwerend wirkt, dass die Beklagte zu 1. in dem dem Kläger übersandten "Aktientip" den Eindruck erweckt, alleine der mögliche wirtschaftliche Erfolg der Eftek-Corp. aufgrund ihrer innovativen Produkte sei für die Kaufentscheidung maßgebend. Dass bei den Penny Stocks der wirtschaftliche Erfolg der Firma den Kurs möglicherweise nicht beeinflusst oder allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt, wird durch die Risikohinweise der Beklagten zu 1. nicht deutlich.

Darüber hinaus hat die Beklagte zu 1. den Kläger nicht über die mit der sog. Reg.S. verbundenen Risiken schriftlich aufgeklärt. Dies ist unstreitig. Soweit sie vorbringt, es sei eine mündliche Aufklärung durch Herrn B erfolgt, ist dies weder substantiiert dargelegt noch wäre es aus den oben genannten Gründen ausreichend.

Die vom Kläger am 25.04.1997 unterschriebene Rahmenvereinbarung mit Risikohinweisen der RMP Vermögensberatungsgesellschaft mbH (Bl. 199 ff.) vermittelte dem Kläger ebenfalls keine hinreichende Aufklärung. Sie hebt nicht hinreichend die mit dem Erwerb von Penny Stocks verbundenen Risiken hervor. Zwar sind die Risikohinweise ausführlicher als die der Beklagten zu 1.. Die Möglichkeit der Kursmanipulationen durch die Market Maker wird jedoch nicht angesprochen. Weiterhin wird der Eindruck erweckt, dass vor allem der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens eine Auswirkung auf die Nachfrage und damit den Aktienwert hat ("...Wer Aktien dieser Unternehmen erwirbt, spekuliert sozusagen in eine Geschäftsidee, die, wenn sie sich durchsetzt, den Kurs der Aktie nach oben treibt...", vgl. Bl. 202 erster Absatz). Auch wenn hinsichtlich der besonderen Hinweise für den Erwerb von Penny Stocks die Aussage insoweit relativiert wird ("der An- und Verkaufspreis von "Penny Stocks" wird nicht, wie bei herkömmlichen Wertpapieren, allein von Angebot und Nachfrage bestimmt."), werden die Marktmechanismen dem unbefangenen Leser nicht deutlich. Der Anleger muss vielmehr darauf hingewiesen werden, dass beim Handel mit Penny Stocks regelmäßig bereits die Schwelle des Betruges oder zumindest des Kapitalanlagebetruges überschritten sein wird (vgl. Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Auflage, § 9 Rn. 10 mwN), folglich die Gefahr besteht, dass die am Handel Beteiligten den unwissenden Anleger mit kriminellen Machenschaften um sein Geld bringen können. Denn nur eine Offenlegung aller für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte gibt dem Anleger die Möglichkeit, eine bewusste und sachgerechte Entscheidung zu treffen. Und zur Beschaffung gerade dieser Informationen ist die Beklagte zu 1. als Vermittlerin verpflichtet.

Soweit die Beklagten, nach der mündlichen Verhandlung Urteile vorlegen, die von der Beklagten zu 1. erteilte schriftliche Hinweise als ausreichend ansahen, ändert dies an der oben dargelegten Auffassung des Senats nichts. Abgesehen davon, dass in Ermangelung einer wörtlichen Wiedergabe der schriftlichen Aufklärung nicht überprüft werden konnte, ob die dort zugrunde gelegten Fassungen der Aufklärungshinweise der Beklagten zu 1. mit der dem Kläger zur Verfügung gestellten Fassung identisch waren, steht es dem Senat frei, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eigene, hiervon abweichende Würdigung der Aufklärungspflicht der Beklagten vorzunehmen.

Eine Aufklärung war auch nicht wegen der von den Beklagten behaupteten mangelnden Aufklärungsbedürftigkeit des Klägers entbehrlich. Hinsichtlich des Handels mit Penny Stocks am OTC-Markt kann nicht von bereits vorhandenen Kenntnissen des Klägers ausgegangen werden. Gerade die fehlende Regulierung der Kurse durch marktwirtschaftliche Kriterien und die erhebliche Betrugsgefahr können auch bei einem Dipl.-Kaufmann mit kaufmännischer Erfahrung nicht als bekannt vorausgesetzt werden. Woher der Kläger die dahingehenden Kenntnisse über die Marktmechanismen gewonnen haben soll, tragen die Beklagten nicht vor.

Der Kläger hat behauptet, er hätte keine Penny Stocks erworben, wenn das Risiko zutreffend dargestellt worden sei. Die Darlegungs- und Beweislast für das Gegenteil trägt die Beklagte zu 1. (BGH NJW-RR 1988, 831; NJW 1991, 1108 (1109)).

Soweit die Beklagten vortragen, die zweite Tranche der Eftek-Aktien habe nicht die Beklagte zu 1., sondern die R GmbH vermittelt, kann dies ihrem bisherigen Vorbringen und dem Akteninhalt nicht entnommen werden. Sowohl der Kontoauszug vom 31.07.1996 (Bl. 10) als auch die Auszüge vom 30.04.1997 (Bl. 11) und 30.05.1996 (Bl. 197) weisen als Vermittler der Eftek-Käufe die Beklagte zu 1. aus. Allein der Umstand, dass der Kläger in Geschäftsbeziehung zur R Vermögensberatungs GmbH trat, rechtfertigt nicht ohne weiteres die Annahme, sein Vertragsverhältnis zur Beklagten zu 1. sei damit ab diesem Zeitpunkt automatisch erloschen und die Beklagte zu 1. sei nicht mehr für ihn tätig geworden. Zu dahingehenden Umständen fehlt jegliches substantiierte Vorbringen der Beklagten.

Der Beklagte zu 2. haftet aus § 826 BGB. Die dahingehenden zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hat er in seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen. Weiterer Ausführungen hierzu bedarf es deshalb nicht. Soweit er im Schriftsatz vom 15.05.2001 die landgerichtliche Entscheidung hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen angreift, die über die mangelhafte Aufklärung des Klägers hinausgehen, ist schon fraglich, ob dieses Vorbringen nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 519 Abs. 2 und 3 ZPO zulässigerweise noch berücksichtigt werden kann oder ob die Berufung des Beklagten zu 2. insoweit unzulässig ist. Geht man jedoch davon aus, dass der Beklagte zu 2. mit seinem Angriff in der Berufungsbegründung gegen die Aufklärungspflichtverletzung gleichzeitig auch - stillschweigend - das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB in Frage stellt, hat er hiermit keinen Erfolg. Wie bereits ausgeführt, waren die Risikohinweise der Beklagten zu 1. in wesentlichen Punkten unzureichend. Dies hat der Beklagte zu 2. in seiner Eigenschaft als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 1. bewusst veranlasst, den dadurch entstandenen Wissensvorsprung missbraucht und eine Schädigung der Anleger durch die vermittelten Geschäfte bewusst in Kauf genommen. Der Handel mit Penny Stocks überschreitet regelmäßig die Schwelle des Betruges (vgl. Assmann/Schütze, aaO). Dies beinhaltet die erhebliche Gefahr, dass die am Handel Beteiligten den unwissenden Anleger mit kriminellen Machenschaften um sein Geld bringen können (s.o.). Wer diese Mechanismen kennt, und der Beklagte zu 2. musste sie kennen, der nimmt eine Schädigung seiner Kunden durch die Vermittlung solcher Geschäfte bewusst in Kauf.

Ein Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 Abs. 1 und 2 BGB kommt nicht in Betracht. Zu den von den Beklagten genannten Zeitpunkten in den Jahren 1996 und 1997 hatte der Kläger mangels einer hinreichenden Aufklärung durch die Beklagten keine Kenntnis über die mit dem Erwerb von Penny Stocks verbundenen Risiken und deshalb auch keinen Anlass, die Papiere zu verkaufen. Er hat sie vielmehr im Hinblick auf sein Vertrauen in die Erklärungen der Beklagten zur Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Erfolges des Unternehmens Eftek für die Wertentwicklung behalten. Dieses Verhalten kann ihm nicht vorgeworfen werden.

Der Kläger ist deshalb so zu stellen, wie er ohne die von der Beklagten zu 1. vermittelten Geschäfte gestanden hätte. Folglich haben ihm die Beklagten alle Verluste zu ersetzen, die ihm durch den Kauf der Penny Stock Aktien entstanden sind. Die Berechnung des Klägers haben die Beklagten nicht substantiiert angegriffen, weshalb die Schadenshöhe von 61.321,57 DM als unstreitig zu behandeln ist.

Der zutreffend ermittelte Zinsanspruch wurde von den Beklagten ebenfalls nicht angegriffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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