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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.05.1999
Aktenzeichen: 22 U 228/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
Leitsätze:

1.

Es fällt grundsätzlich in den Risikobereich des Anspruchstellers, den richtigen Schädiger in Anspruch zu nehmen; dem Beklagten ist es nicht deshalb, weil er sich im selbständigen Beweisverfahren widerspruchslos eingelassen hat, im Hauptsacheverfahren verwehrt, sich gegen unberechtigte Inanspruchnahme zur Wehr zu setzen.

2.

Die Problematik der Raumbeständigkeit von Müllverbrennungsasche beim Einsatz als Verfüllmaterial unter starren Bauwerken ist in Fachkreisen erst nach 1993 mit dem Auftreten von Bauschäden bekannt geworden.


Oberlandesgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes Urteil

22 U 228/98 42 O 31/98 LG Duisburg

Verkündet am 28. Mai 1999

Kauertz, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Mucket und die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 42. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 21. August 1998 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 1 durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 130.000,00 DM und die der Beklagten zu 2 durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 23.000,00 DM abwenden, wenn die Beklagten nicht in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Sicherheiten können auch durch Bank- oder Sparkassenbürgschaften erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin errichtete im Auftrage der H GmbH auf deren Betriebsgelände in E eine Industriehalle mit etwa 6.000 m2 Grundfläche. Unterhalb des Hallenbodens hat die Klägerin zur Geländeauffüllung ca. 1 m hoch Müllverbrennungsasche (MV-Asche) angeschüttet. Der auf diese Schicht aufgebrachte Hallenboden besteht aus einer 20 cm starken Stahlfaserbetonplatte. Die Halle wurde im Februar 1994 fertiggestellt.

In der Folgezeit traten in der Bodenplatte Verformungen (Risse und lokale Hebungen) auf; in den Randbereichen der Halle kam es zu Verschiebungen, die zu klaffenden Fugen zwischen Bodenplatte und Außenwänden führten.

Die H GmbH verlangt von der Klägerin Mängelbeseitigung. Sie hat mit schriftlicher Vereinbarung vom 22.09.1997 (Anl. MV3 - Bl. 40 bis 42 GA) ihre Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB gegen eine Firma K als Lieferantin der MV-Asche an die Klägerin "treuhänderisch zur Einziehung" abgetreten. In der Abtretungsvereinbarung heißt es weiter unter § 2 Abs. 2 und 3:

Soweit die Firma B mit der Sanierung in Vorleistung gegangen ist, kann der Vorleistungsbetrag gegenüber der Firma K unmittelbar zur eigenen Einziehung geltend gemacht werden, ansonsten zur Zahlung an H.

Im Rahmen der Feststellungsklage gegen die Firma K auf Feststellung, daß die Firma K für den gesamten Schaden aufgrund des fehlerhaft gelieferten Materials (MV-Asche) ist die Firma B aktivlegitimiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abtretungsvereinbarung vom 22.09.1997 (Bl. 40-42 GA) Bezug genommen.

Mit der zunächst nur gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage hat die Klägerin Ersatz ihrer Aufwendungen, die sie bis zur Klageerhebung zur Mängelbeseitigung gemacht und auf 91.302,33 DM beziffert hat, sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, ihr alle Schäden aus der Lieferung von MV-Asche für das Bauvorhaben der Firma H zu bezahlen, soweit sie nicht von dem bezifferten Betrag erfaßt sind.

Durch das Versäumnisurteil vom 26.06.1998 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten zu 1, mit der diese die Werklohnforderung für das Abfahren und -kippen von Bodenaushub einer Baustelle in D gemäß Rechnung vom 08.09.1997 geltend gemacht hat, verurteilt, an die Beklagte zu 1) 56.580,00 DM nebst 14,5 % Zinsen seit dem 09.09.1997 zu zahlen.

Nach form- und fristgerecht gegen das Versäumnisurteil eingelegtem Einspruch hat die Klägerin die Klage auch gegen die Beklagte zu 2 erhoben.

Die Klägerin hat behauptet:

Sie habe die ursprünglichen Vertragsverhandlungen über die Lieferung der unter dem Hallenboden angeschüttete MV-Asche mit der Beklagten zu 2 geführt. Die Asche sei jedoch von der Beklagten zu 1 bereit gestellt worden. Sie habe die Asche in dem Betrieb der Beklagten zu 1 in D, V straße 36, bezogen und abgeholt, den die Beklagte zu 2 in ihrem Werbeschreiben vom 19.02.1993 (Bl. 43, 173 GA) als "unsere Recycling-Anlage in D" bezeichnet habe. Zwischen beiden Beklagten bestehe "im Prinzip" Personenidentität. Sie habe sich nach dem Auftreten der Schäden an der Halle sowohl an die Adresse der Beklagten zu 1 als auch an die der Beklagten zu 2 gewandt; beide hätten sachlich Stellung genommen, ohne sich darauf berufen zu haben, nicht beteiligt zu sein. Die Beklagte zu 1 habe auch in dem selbständigen Beweisverfahren 1 OH 7/97 LG Kleve, das sie, die Klägerin, gegen diese eingeleitet habe, mit keinem Wort erwähnt, daß sie nicht Vertragspartnerin für die Asche-Lieferungen sei, sondern die Sache in ihrem Schriftsatz vom 05.05.1997 so dargestellt, daß sie ihr, der Klägerin, das Angebot vom 19.02.1993 (Bl. 43, 173 GA) gemacht habe. Sie meint, der Beklagten zu 1 sei es unter diesen Umständen nach Treu und Glauben versagt, nunmehr die Passivlegitimation zu rügen.

Ursache der Verformungen des Hallenbodens und der Verschiebungen in den Randbereichen sei eine Volumenzunahme der MV-Asche infolge andauernder chemischer Reaktionen. Die gelieferte MV-Asche habe in ihrer Zusammensetzung nicht mit den Ergebnissen der Eigenanalyse der Beklagten übereingestimmt und sei für die Verwendung unter der Betonsohle des Hallenbodens ungeeignet gewesen. Auf die mangelnde Eignung hätten die Beklagten nicht hingewiesen, obwohl sie, die Klägerin, in ihrem Schreiben an die Beklagte zu 2 vom 04.07.1993 (Anl. MV5 - Bl. 44 GA) auf die beabsichtigte Verwendung der MV-Asche als Füllmaterial unter der Betonplatte eines Hallen-Neubaus hingewiesen habe. Sie hat darin eine Verletzung der Instruktionspflicht durch die Beklagten gesehen.

Im übrigen hat die Klägerin gegenüber dem von der Beklagten zu 1 mit der Widerklage geltend gemachten Vergütungsanspruch ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, das sie aus dem mit dem Feststellungsantrag verfolgten Anspruch herleitet. Hilfsweise hat sie mit der bezifferten Klageforderung gegen die Widerklageforderung aufgerechnet.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 26.06.1998 aufzuheben und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 91.302,33 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche Schäden aus der fehlerhaften Lieferung von MV-Asche bezüglich des Bauvorhabens Halle H in E, Gemarkung E, Flur 11, Flurstück 52, zu bezahlen, soweit nicht bereits von Ziffer 1 erfaßt;

3. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten - die Erstbeklagte, nachdem sie die Widerklage hinsichtlich der 5 % Jahreszinsen seit Rechtshängigkeit übersteigenden Zinsforderung mit Zustimmung der Klägerin zurückgenommen hat - haben beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe,

1. daß auch die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage abgewiesen wird und

2. die Klägerin auf die Widerklage verurteilt wird, an die Beklagte zu 1) 56.580,00 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten:

Die Abtretungsvereinbarung zwischen der GmbH und der Klägerin vom 22.09.1997 (Bl. 40 ff GA) sei unwirksam, sie gehe ins Leere, da in ihr lediglich von einer Firma K die Rede sei, ohne daß ersichtlich werde, gegen welches Unternehmen sich die Ansprüche richteten, die abgetreten werden sollten. Im übrigen könne die Beklagte zu 1, die - so behaupten sie - erst am 09.01.1995 gegründet und am 22.03.1995 in das Handelsregister eingetragen worden sei, nicht für die behaupteten Schäden haftbar gemacht werden. Gegenüber etwaigen Ansprüchen der Klägerin aus der Lieferung von MV-Asche durch die Beklagte zu 2 haben die Beklagten die Verjährungseinrede erhoben.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil das Versäumnisurteil mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß der der Beklagten zu 1 zuerkannte Zinssatz 5 % beträgt, und auch die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die gegen beide Beklagte gerichtete Klage sei weder aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 BGB noch nach dem Produkthaftungsgesetz begründet.

Eine Haftung der Beklagten zu 1 scheide schon deshalb aus, weil diese ausweislich des vorgelegten Auszuges aus dem Handelsregister z. Zt. der Lieferung der MV-Asche noch gar nicht existiert habe. Der Umstand, daß die Beklagte zu 1 sich auf das von der Klägerin eingeleitete selbständige Beweisverfahren eingelassen habe, könne auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ihre Haftung für den behaupteten Schaden nicht begründen. Es sei Sache der Klägerin, den richtigen Schädiger in Anspruch zu nehmen. Die Voraussetzungen, in denen die von der Klägerin zitierte "Durchgriffshaftung" in Betracht gezogen werden könne, habe die Klägerin nicht dargetan.

Demgemäß sei der mit der Widerklage verfolgte Vergütungsanspruch der Beklagten zu 1 begründet, da die Klägerin ihr keine Gegenrechte aus der Lieferung der MV-Asche entgegenhalten könne.

Auch gegen die Beklagte zu 2 sei ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht gegeben und zwar selbst dann nicht, wenn - was nicht der Fall sei - feststünde, daß die Beklagte zu 2 und nicht ein Dritter Herstellerin und Lieferantin der MV-Asche sei, die zur Geländeauffüllung unterhalb des Hallenbodens verwandt worden sei. Zwar habe die Klägerin unstreitig in der fraglichen Zeit von der Beklagten zu 2 MV-Asche bezogen. Diskrepanzen zwischen den Analysenergebnissen ließen es aber nicht ausgeschlossen erscheinen, daß die Klägerin - worauf sich die Beklagte zu 2 ausdrücklich berufe - auch von anderen Herstellern MV-Asche bezogen und mit der der Beklagten zu 2 vermischt habe.

Aber auch dann, wenn die gesamte bei dem Bauvorhaben H zur Auffüllung des Geländes verwandte Asche von der Beklagten zu 2 stamme, scheide deren Haftung für die an der Halle der H GmbH aufgetretenen Schäden aus und zwar sowohl nach den Regeln der unerlaubten Handlung (§§ 823 ff BGB) als auch nach dem Produkthaftungsgesetz. Nach dem Gutachten, das der Sachverständige Prof. Dr. K in dem selbständigen Beweisverfahren 1 OH 7/97 LG Kleve erstattet habe, stehe fest, daß die Zusammenhänge über das Verhalten der MV-Aschen sowie über die Randbedingungen, die beim Einsatz dieser MV-Aschen im Bereich von Bodenplatten Volumenveränderungen bewirken und dadurch zu Bauschäden führen können, in der Fachwelt seinerzeit noch nicht bekannt gewesen seien. Es könne auch nicht festgestellt werden, daß die Beklagte zu 2 einer ihr obliegenden Instruktionspflicht nicht nachgekommen sei. Eine solche Instruktionspflicht der Beklagten könne allenfalls dann bestanden haben, wenn ihr der von der Klägerin beabsichtigte Einsatz der Asche im Hochbau bekannt gewesen wäre. Das lasse sich aber nicht feststellen. Zwar habe die Klägerin behauptet, sie habe in ihrem Schreiben an die Beklagte zu 2 vom 04.07.1993 ausdrücklich auf den beabsichtigten Verwendungszweck hingewiesen und sogar eine Garantie für die Eignung des Materials für diesen Zweck erbeten. Die Beklagte zu 2 habe aber bestritten, dieses Schreiben erhalten zu haben, und es sei nicht erwiesen, daß sie es doch erhalten habe. Die von der Beklagten unter Beweis gestellte Absendung des Schreibens sei nicht geeignet zu beweisen, daß der Beklagten zu 2 das Schreiben auch zugegangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung sowie wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre zuletzt im ersten Rechtszug gestellten Anträge gegen beide Beklagte weiter.

Die Klägerin wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründung vom 01.02.1999 (Bl. 316 - 329 GA).

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Versäumnisurteil der 42. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 26. Juni 1998 aufzuheben und

1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 91.302,33 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche Schäden aus der fehlerhaften Lieferung von MV-Asche für das Bauvorhaben Halle H in E, Gemarkung E, Flur 11, Flurstück 52, zu erstatten, soweit sie über 91.302,33 DM hinausgehen;

3. die Widerklage der Beklagten zu 1 abzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt ferner,

ihr für jeden Fall der Sicherheitsleistung zu gestatten, diese auch durch Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Kreditinstituts zu erbringen.

Auch sie wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag und zwar nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 19.03.1999 (Bl. 355-363 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und die diesen beigefügten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlichen Schlußanträge weiterverfolgt, ist nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht unter Aufrechterhaltung seines Versäumnisurteils vom 26.06.1998 die ausschließlich aus abgetretenem Recht der H GmbH in E hergeleitete Schadensersatzklage der Klägerin abgewiesen und der gegen diese gerichteten Widerklage der Beklagten zu 1 stattgegeben.

I. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1

Schadensersatzansprüche der H GmbH gegen die Beklagte zu 1, die diese an die Klägerin abgetreten haben könnte, sind nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin leitet die mit der Klage verfolgten Ersatzansprüche der H in GmbH wegen der an deren Hallen-Neubau aufgetretenen Schäden aus der Verwendung ungeeigneten Materials (MV-Asche) her, das sie in der Zeit vom 19.07.1993 bis zum 29.10.1993 für das Bauvorhaben beschafft und zur Geländeauffüllung verwandt hat. Als Täterin einer möglicherweise durch die Lieferung des Materials begangenen Verletzung des Eigentums der GmbH an dem mit der Halle bebauten Grundstück i. S. d. §§ 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 305 StGB scheidet die Beklagte zu 1 schon deshalb aus, weil sie zur Zeit der Lieferungen noch nicht existierte. Sie ist, wie aus dem Handelsregisterauszug (HRA 6249 AG Duisburg) hervorgeht, den die Beklagten mit Schriftsatz vom 31.07.1998 vorgelegte haben (Anl. 10 - Bl. 237 GA), erst am 19.1.1995, also mehr als ein Jahr nach den hier in Rede stehenden Lieferungen, durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrages existent geworden und kann deshalb nicht Lieferantin des Materials gewesen sein.

Die Klägerin behauptet zwar, die Beklagte zu 1 habe ihren Geschäftsbetrieb nicht erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister, sondern schon zu Beginn des Jahres 1993 aufgenommen (vgl. Bl. 318). Das ist - abgesehen vom Fehlen eines Beweisantritts der Klägerin für diese Behauptung - nicht nur in sich widersprüchlich, denn vor ihrer Gründung durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrages existierte die Beklagte zu 1 noch nicht und es konnte deshalb auch noch nicht in ihrem Namen gehandelt werden. Es läßt sich auch nicht mit der weiteren, unmittelbar daran anschließenden Darstellung der Klägerin vereinbaren, die Beklagte zu 2 habe ihre Recyclinganlage in D, V straße 36, unter der Firma der Beklagten zu 1 betrieben und zwar schon vor [deren] Eintragung in das Handelsregister (vgl. Bl. 318 GA). Denn wenn die Beklagte zu 2 tatsächlich die Recyclinganlage in D schon seit Beginn des Jahres 1993 unter der Firma der Beklagten zu 1 betrieben haben sollte, so haftet sie für die daraus entstandenen Verbindlichkeiten und nicht die erst zwei Jahre später gegründete Beklagte zu 1.

Eine Haftung der Beklagten zu 1 für Schäden an der Halle der H GmbH, die durch die vor ihrer Gründung gelieferte MV-Asche verursacht worden sind, kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß die Beklagte zu 1 sich auf das selbständige Beweisverfahren 1 OH 7/97 LG Kleve, das die Klägerin wegen der an der Halle der H GmbH aufgetretenen Schäden gegen sie eingeleitet hatte, widerspruchslos eingelassen hat. Es fällt - worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat - grundsätzlich in den Risikobereich des Anspruchstellers, den richtigen Schädiger in Anspruch zu nehmen. Dem zu Unrecht als Schädiger in Anspruch Genommenen kann es nach Treu und Glauben auch dann nicht verwehrt sein, sich im Hauptsacheverfahren gegen die unberechtigte Inanspruchnahme zur Wehr zu setzen, wenn er die fehlende Identität mit dem Schädiger in einem zuvor gegen ihn eingeleiteten Beweisverfahren nicht offenbart hat.

II. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 2

Schadensersatzansprüche der H GmbH gegen die Beklagte zu 2 wegen der an ihrer Halle aufgetretenen Schäden, die die Klägerin aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 22.09.1997 (Bl. 40 ff GA) in Verbindung mit den Erklärungen der H GmbH in dem Schreiben der Rechtsanwälte M pp. in M vom 17.06.1998 (Anl. MV12 - Bl. 176 GA) erworben haben könnte, sind ebenfalls nicht begründet.

Gegenstand des Abtretungsvertrages, den die Klägerin am 22.09.1997 mit der GmbH getroffen hat, sind nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung ausschließlich Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 BGB. Ersatzansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz werden dagegen von der Abtretung nicht erfaßt. Sie scheiden im übrigen aber auch schon deshalb von vornherein aus, weil die Produkthaftung des Herstellers für Sachschäden gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG auf Schäden an anderen Sachen als dem fehlerhaften Produkt beschränkt ist, die ihrer Art nach gewöhnlich für der privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten auch hauptsächlich verwendet worden sind. Zu diesen zählt die beschädigte Industriehalle der H GmbH unzweifelhaft nicht.

Aber auch ein Schadensersatzanspruch der H gegen die Beklagte zu 2 aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 oder 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit 305 StGB) ist nicht begründet.

Es kann schon nicht festgestellt werden, daß es sich bei der MV-Asche, die zur Auffüllung des Geländes unterhalb der Bodenplatte der Industriehalle der H GmbH verwandt worden ist, um Material handelt, das die Klägerin von der Beklagten zu 2 bezogen hat. Zwar hat die Klägerin unstreitig in der Zeit vom 19.07. bis zum 29.10.1993 mehr als 12.000 t MV-Asche von Betrieben der Beklagten zu 2 in D und O abtransportiert (vgl. die Aufstellungen der einzelnen Fuhren Bl. 330 - 335 GA). Schon allein im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung der Industriehalle der H GmbH durch die Klägerin liegt daher die Annahme nahe, daß das abtransportierte Material auch für das BV der H verwandt worden ist, zumal die Beklagte zu 2 andere Baustellen, für die das Material verbraucht worden sein könnte, nicht benennt. Zweifel daran, daß das zur Geländeauffüllung unterhalb des Hallenbodens der H GmbH eingebrachte Material MV-Asche aus dem Betrieb der Beklagten zu 2 ist, ergeben sich jedoch aus Erklärungen der Klägerin im Zusammenhang mit der von ihr beantragten wasserrechtlichen Genehmigung für das Auffüllen des Geländes.

Die Klägerin hat in dem Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis für die Anfüllung des Geländes mit MV-Asche, den sie unter dem 08.07.1993 an den Oberkreisdirektor in Kleve gerichtet hat (Anl. B3 - S. 8 des mit Schriftsatz der Beklagten vom 13.03.1998 vorgelegten Anlagenhefters), unter "Herkunft des Materials" angegeben, die MV-Asche stamme aus der Müllverbrennungsanlage D/NL; Lieferant sei die S-Baustoff-Vertriebs GmbH in D. Diese Angaben hat sie gegenüber der Genehmigungsbehörde auch nicht etwa berichtigt, nachdem sie am 19.07.1993 damit begonnen hatte, MV-Asche bei der G Gesellschaft für Schlackenaufbereitung mbH in O abzuholen, obwohl dazu - sofern das von der Beklagten zu 2 bezogene Material tatsächlich für die Halle der H GmbH bestimmt war - bis zur Erteilung der Erlaubnis durch den Bescheid des Oberkreisdirektors in Kleve vom 3. August 1993 Gelegenheit bestanden hätte. Unter diesen Umständen ist nicht auszuschließen, daß die Klägerin anderes als das von der Beklagten zu 2 stammende Material zur Auffüllung unterhalb des Hallenbodens der H GmbH verwandt hat. Die Klägerin betreibt, wie aus dem Kopf der seinerzeit von ihr benutzten Briefbögen (vgl. Bl. 8 GA) hervorgeht, neben dem Hochbau u. a. auch Tiefbau und Erdbewegungen. Von daher erscheint es durchaus denkbar, daß sie MV-Asche, die sie seinerzeit vom Beklagten erworben hat, an einer anderen Baustelle verarbeitet hat, während das zur Auffüllung des Geländes unter der Halle der H GmbH verwandte Material - wie in dem Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis angegeben - zumindest teilweise von einem anderen Lieferanten stammte.

Die Klägerin hat allerdings in der Berufungsbegründung dafür, daß die bei der Beklagten zu 2 abgeholten und in den Aufstellungen Bl. 300-335 GA aufgeführten Mengen MV-Asche ausnahmslos zu der Baustelle H transportiert und dort unterhalb des Hallenbodens eingebaut worden sind, Beweis angetreten durch das Zeugnis von insgesamt 19 Fahrern ihrer Transportfahrzeuge (vgl. Bl. 323 f GA). Welche der nach ihrer Darstellung insgesamt mehr als 500 Fuhren von weichen Fahrern ausgeführt worden sind, trägt die Klägerin aber nicht vor. Sie hat auch weder die unterschiedlichen, durch Angabe der amtlichen Kennzeichen bezeichneten Fahrzeuge bestimmten Fahrern zugeordnet noch Lieferscheine über die einzelnen Fuhren vorgelegt.

Etwaigen Zweifeln, ob unter diesen Umständen den Beweisantritten der Klägerin durch Vernehmung aller als Zeugen benannten Fahrzeugführer nachzugehen ist, braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, da die Frage, ob die in D und O abgeholte MV-Asche tatsächlich zur Baustelle H verbracht worden und dort unterhalb des Hallenbodens eingebaut worden ist, letztlich offen bleiben kann. Selbst wenn die MV-Asche unter der Halle der H GmbH von der Beklagten zu 2 stammt, würde die Beklagte zu 2 für die aufgetretenen Gebäudeschäden nur haften, wenn ihr insoweit ein Verschulden zur Last fiele. Ein solches könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die Beklagte zu 2 den für die MV-Asche vorgesehenen Verwendungszweck gekannt und darüber hinaus gewußt oder doch zumindest damit gerechnet hätte, daß es bei der geplanten Verwendung infolge mangelnder Raumbeständigkeit des Materials zu Gebäudeschäden kommen konnte.

Schon die erste Voraussetzung, daß die Beklagte zu 2 den Verwendungszweck der von der Klägerin abgeholten MV-Asche als Verfüllmaterial unter einem starren Bauwerk gekannt hat, läßt sich - jedenfalls beim gegenwärtigen Verfahrensstand - nicht feststellen.

Die Beklagte zu 2 hatte der Klägerin die MV-Asche in ihrem Schreiben vom 19.02.1993 (Bl. 43, 173 GA) unter der Überschrift "Müllverbrennungsasche nach dem Merkblatt über die Verwendung von industriellen Nebenprodukten im Straßenbau" angeboten. Hierin sowie in der abschließenden Beurteilung in dem beigefügten (vgl. Nr. 5 des Schreibens vom 19.02.1993 - Bl. 43, 173 GA) Bericht der Sch Ingenieurgesellschaft war lediglich von einer Verwendung des Materials im Straßenbau die Rede. Ohne einen ausdrücklichen Hinweis der Klägerin hatte die Beklagte zu 2 deshalb keinen Anlaß zu der Annahme, diese wolle das Material als Verfüllmaterial unter einem starren Bauwerk verwenden.

Daß die Klägerin der Beklagte, wie sie bereits im ersten Rechtszug behauptet hat, mit dem Schreiben vom 04.07.1993 (Bl. 44 GA) den beabsichtigten Verwendungszweck mitgeteilt hat, ist nicht erwiesen. Die Beklagte zu 2 hat den Erhalt dieses Schreibens bestritten. Die erstinstanzlich unter Beweis gestellte Absendung des Schreiben kann, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht den Beweis erbringen, daß das Schreiben der Beklagten zu 2 auch tatsächlich zugegangen ist.

Die Klägerin behauptet zwar nunmehr in der Berufungsbegründung unter Beweisantritt, ihr Mitarbeiter H habe dem damaligen Mitarbeiter [der Beklagten zu 2] und jetzigen Geschäftsführer der Beklagten zu 1 anläßlich der Erfragung der Liefermöglichkeit erläutert, daß die Klägerin die MV-Asche für eine von ihr in E zu errichtende Industriehalle benötige und zwar zum geländeauffüllenden Einbau unter der Betondecke des Hallenbodens (vgl. Bl. 320 GA), und stellt diese Behauptung durch das Zeugnis ihres Mitarbeiters H unter Beweis (Bl. 320/321 GA). Auch diesem Beweisantritt braucht letztlich nicht nachgegangen zu werden, da jedenfalls nicht festgestellt werden kann, daß die Beklagte zu 2 - sofern sie den von der Klägerin beabsichtigten Verwendungszweck kannte - wußte, daß das Material für den beabsichtigten Verwendungszweck nicht geeignet war und sie zumindest mit der Möglichkeit rechnete, daß es beim Einbau unter einem starren Bauwerk wie dem Betonboden einer Industriehalle zu Gebäudeschäden kommen könnte.

Wie der Sachverständige Prof. Dr. K in seinem schriftlichen Gutachten vom 29.05.1998 (Bl. 216 ff, 234 GA), das er in dem von der Klägerin - allerdings gegen die Beklagte zu 1 - eingeleiteten Beweisverfahren 1 OH 7/97 LG Kleve erstattet hat, ausgeführt hat, ist die Problematik der Raumbeständigkeit von MV-Aschen beim Einsatz als Verfüllmaterial unter starren Bauwerken in Fachkreisen erst nach 1993 mit dem Auftreten von Bauschäden bekannt geworden. Als Ursachen kommen komplexe, mit den Randbedingungen der jeweiligen Verwendung in Zusammenhang stehende chemische Reaktionsvorgänge in Betracht, die zum Zeitpunkt des Einbaus unter der Halle der H GmbH (Sommer 1993) in der Fachwelt noch nicht bekannt waren und auch bis heute noch nicht erforscht sind (Bl. 234/235 GA).

Soweit die Klägerin unter Berufung auf das von dem Sachverständigen Prof. Dr. K bereits in seinem Gutachten vom 29.05.1998 zitierte "Merkblatt über die Verwendung von industriellen Nebenprodukten im Straßenbau" behauptet, dort werde unter Nr. 5 ausdrücklich darauf hingewiesen, für MV-Asche, die nicht im Straßenoberbau vorgesehen sei, sei der Nachweis der Eignung für den geplanten Verwendungszweck zu führen (Bl. 325/326 GA), ergibt sich daraus für den vorliegenden Fall keine andere Beurteilung der Schuldfrage. Der Sachverständige Prof. Dr. K hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07.12.1998 (Bl. 336 ff GA), die er in dem Verfahren 1 OH 7/97 LG Kleve auf diesbezügliche Fragen der Klägerin und damaligen Antragstellerin abgegeben hat, seine oben wiedergegebene Feststellung wiederholt, daß das Raumbeständigkeitsverhalten von MV-Aschen bei der Anwendung als Verfüllmaterial unter starren Bauwerken sowie die Auswirkungen der mangelnden Raumbeständigkeit zum Einbauzeitpunkt (Sommer 1993) noch nicht bekannt waren (Bl. 342 GA). Zwar lagen, wie der Sachverständige in seinem ergänzenden Gutachten weiter ausgeführt hat, bereits seit Anfang der 80er Jahre Erkenntnisse über chemische Reaktionen in frisch aufbereiteten MV-Aschen vor, die in dem Merkblatt durch Hinweise auf eine "nicht in jedem Fall vollständig raumbeständige" MV-Asche ihren Niederschlag gefunden und den weiteren Darlegungen des Sachverständigen zufolge zu der Empfehlung geführt. haben, vor der Verwendung im Straßen- und Dammbau zur Verbesserung der Raumbeständigkeit eine mindestens dreimonatige Auslagerung der aufbereiteten MV-Asche durchzuführen (Bl. 342/343 GA). Die Kenntnis dieser Umstände mußte der Beklagten zu 2 aber nach damaligem Wissenstand - ebenso wenig wie anderen Baubeteiligten - die Einsicht vermitteln, es könne auch nach dreimonatiger Auslagerung der aufbereiten MV-Asche bei der Verwendung als Füllmaterial unter der Betonsohle eines Bauwerks noch zu erheblichen Volumenveränderungen und dadurch zu Schäden am Bauwerk kommen. Bei dieser Sachlage kann entgegen der Ansicht der Klägerin eine gemäß § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 305 StGB zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 auch nicht darin erblickt werden, daß sie - ihre Kenntnis von der beabsichtigten Verwendung der MV-Asche unterstellt - einen Hinweis unterlassen hat, daß die Eignung als Füllmaterial unter der Betonsohle eines Bauwerks noch nicht positiv nachgewiesen war. Andere der Beklagten zu 2 schon zur Zeit der Lieferung im Sommer 1993 bekannte Umstände, die geeignet gewesen sein könnten, Zweifel an der Eignung der MV-Asche für die von der Klägerin beabsichtigte Verwendung zu begründen, trägt die Klägerin nicht vor.

III. Widerklage

Der mit der Widerklage verfolgte Vergütungsanspruch der Beklagten zu 1 ist als solcher weder dem Grunde noch der Höhe nach im Streit.

Gegenrechte, die die Klägerin gegenüber dem Anspruch der Beklagten zu 1 zur Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) oder zur Aufrechnung (§ 387 ff BGB) berechtigten, bestehen nach den vorstehenden Ausführungen zu I nicht.

IV. Nebenentscheidungen

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 284 Abs. 1 S. 2 BGB, 352 Abs. 1 S. 1 HGB, 91, 92 Abs. 2, 97, 344, 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz und zugleich Beschwer der Klägerin im Verhältnis zu der Beklagten zu 1: 647.882,33 DM (bezifferter Klageantrag - 91.302,33 DM; Feststellungsantrag - 500.000,00 DM; Widerklageantrag 56.580,00 DM); im Verhältnis zu der Beklagten zu 2: 591.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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