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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.01.2002
Aktenzeichen: 23 U 78/01
Rechtsgebiete: BGB, StBerG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 282
BGB §§ 249 ff
StBerG § 68
ZPO § 256 I
ZPO § 287
ZPO § 92 I
ZPO § 713
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 78/01

Verkündet am 29.01.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15.1.2001 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht D die Richterin am Oberlandesgericht F und den Richter am Landgericht B

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22.1.2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen dadurch entstanden ist bzw. noch entstehen wird, dass sie auf Grund der von der Beklagten im November 1996 erstellten fehlerhaften Prognose über ihr, der Kläger, zu versteuerndes Einkommen in 1996 es im November 1996 unterlassen haben, einen Kommanditanteil im Wert von 300.000 DM an der Kommanditgesellschaft "G" (im folgenden abgekürzt:) zu zeichnen.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu 1/3 der Beklagten und zu 2/3 den Klägern zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch überwiegend Erfolg.

I.

Die Feststellungsklage ist in der mit der Berufungserwiderung klargestellten Fassung zulässig.

Es ist auf Grund des Steuerberatungsvertrages i. V. m. dem unstreitigen Fehlverhalten der Beklagten im November 1996 (s.u.) zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis i. S. von § 256 I ZPO entstanden, das die Grundlage des Anspruchs der Kläger auf Ersatz ihres gegenwärtigen und künftigen Schadens sein könnte. Nach der summarischen Darstellung der Kläger ergibt der rechnerische Vergleich ihrer tatsächlichen Vermögenslage nach Bekanntgabe des Steuerbescheids für 1996 vom 26. 2. 1999 mit derjenigen, die bei einer Beteiligung an der Flugzeugleasinggesellschaft eingetreten wäre (sog. Differenzhypothese, nach der der Vertrauensschaden gemäß §§ 249 f BGB zu ermitteln ist) mit der für die Zulässigkeit der Feststellungsklage ausreichenden Wahrscheinlichkeit einen ersten Teilschaden, da die Steuerbelastung der Kläger im Jahre 1999 für 1996 im Falle einer Beteiligung an der Flugzeugleasinggesellschaft auf Grund von erheblichen Verlustzuweisungen niedriger ausgefallen wäre. Zur Bejahung des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung der Schadensersatzpflicht reicht es in einem solchen Fall aus, dass die Verwirklichung weiterer Schäden in absehbarer Zeit nach Art der Verletzung möglich erscheint; eine genauere Darstellung der wahrscheinlichen späteren Schadensentwicklung ist entbehrlich (BGH NJW 1993, 648/653). Hinzu kommt, dass mit dem wahrscheinlichen Eintritt des 1. Teilschadens die 3 jährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG in Gang gesetzt worden ist und die Kläger ein berechtigtes Interesse daran hatten, die Verjährung ihres gesamten Schadensersatzanspruchs durch Erhebung der Feststellungsklage zu unterbrechen (BGH GI 2001, 213/214 = NJW-RR 2001, 1351). Auf Grund der Ungewissen Schadensentwicklung und der drohenden Verjährung können die Kläger auch nicht auf eine Leistungsklage verwiesen werden.

II.

Die Feststellungsklage ist teilweise begründet.

1.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig und von der Beklagten anlässlich ihrer Parteivernehmung durch das Landgericht auch ausdrücklich eingeräumt worden, dass die Kläger im November 1996 die Beklagte gebeten haben, eine Prognose über die Höhe des von ihnen voraussichtlich zu versteuernden Einkommens im Jahre 1996 zu erstellen, und dass Anlass dieser Bitte für die Beklagte erkennbar Überlegungen der Kläger gewesen sind, zum Zwecke der Steuerersparnis Beteiligungen an der zu erwerben.

Unstreitig ist des weiteren, dass die Beklagte das voraussichtlich zu versteuernde Einkommen der Kläger trotz deren Angaben über einen zu erwartenden Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von rund 600.000 DM auf Grund zweier Eingabefehler in den PC mit nur 268.000 DM, statt mit mehr als/dem doppelten Betrag errechnet hat. Die Beklagte hat hierdurch ihre Pflichten aus denn Steuerbratungsvertrag verletzt. Ihr Verschulden ist zu vermuten, § 282 BGB.

2.

Eine haftungsbegründende Kausalität im Sinne eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Fehler der Beklagten und dem geltend gemachten Schaden besteht insoweit, als die Kläger es unterlassen haben, sich in Höhe von 300.000 DM an der zu beteiligen.

a.

Für die gemäß §§ 249 ff BGB im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität maßgebliche Frage, was geschehen wäre, wenn die Beklagte die Kläger im November 1996 richtig informiert hätte und wie die Vermögenslage der Kläger sich unter diesen Voraussetzungen dargestellt hätte, tragen die Kläger die Beweislast, wobei ihnen wegen der bei der haftungsausfüllenden Kausalität regelmäßig auftretenden Beweisschwierigkeiten die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO und des Anscheinsbeweises zugute kommen können (BGH NJW 2000, 2814; GI 2001 213/214). Der Anscheinsbeweis, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, gilt bei Verträgen mit Anwälten und Steuerberatern dann, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten des Mandanten nahe gelegen hätte; dem Berater steht die Möglichkeit offen, den Anscheinsbeweis durch den Beweis von Tatsachen zu entkräften, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten sprechen (BGH NJW 1993, 3259).

b.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht der Senat unter Würdigung des unstreitigen Sachverhalts und des Ergebnisses der Parteivernehmung der Beklagten davon aus, dass die Kläger sich im November 1996 mit 300.000 DM an der beteiligt hätten.

Sie hätten eine Kapitalanlage in dieser Höhe problemlos aus den ihnen damals zur Verfügung stehenden Kapitalguthaben finanzieren können. Dies ist bereits den Zinserträgen von 101.466 DM zu entnehmen, die sie lt. Steuerbescheid vom 26. 2. 1999 im Jahre 1996 erzielt haben. Im übrigen ist das pauschale Bestreiten der im Schriftsatz der Kläger vom 28. 3. 2000 im einzelnen aufgezählten Bankguthaben per 11/96 durch die Beklagte unsubstanziiert, da dieser der Umfang der Bankguthaben jedenfalls in grobem Umfang seit der Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 1996 bekannt sein müsste.

Die hohe Wahrscheinlichkeit der umstrittenen Investierung von 300.000 DM im November 1996 in die P ergibt sich aus dem tatsächlichen Anlageverhalten der Kläger in den Jahren 1996 und 1997.

Unstreitig hatten die Kläger bereits im Mai 1996 Kommanditanteile an dieser Gesellchaft im Wert von 400.000 DM und im Juni 1996 weitere Anteile im Wert von USD 200.000 an der erworben. Des weiteren haben sie im Jahre 1997 Kommanditanteile im Wert von 200.000 DM an der und im Wert von 100.000 DM an der erworben. Sämtliche Anlagen dienten vor allem der Reduzierung des zu versteuernden Einkommens. Dies hat die Beklagte selbst eingeräumt. Sie hat nur dafür einzustehen, dass die Kläger eine Beteiligung an der P unterlassen haben, da die Kläger nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien gerade diese Beteiligung bei ihrem Gespräch im November 1996 konkret in Betracht gezogen und gegenüber der Beklagten erwähnt haben. Gemäß § 287 ZPO schätzt der Senat die Summe des hypothetisch angelegten Betrages auf 300.000 DM, da auch die übrigen Kapitalanlagen der Kläger in den Jahren 1996/97 in dieser Größenordnung erfolgt sind.

3.

Die weiter gehende Feststellungsklage ist unbegründet.

Dass die Kläger bei richtiger Information noch im Jahre 1996 höhere Beträge bis zu 1.000.000 DM in die risikobehaftete oder in andere verlustzuweisende Leasinggesellschaften investiert hätten, hält der Senat für unwahrscheinlich, da ein solches Verhalten, das nicht nur den Einsatz des gesamten Kapitalvermögens sondern auch die Aufnahme von Darlehen in Höhe von 250.000 DM erfordert hätte, unvernünftig gewesen wäre. Dass die Beklagte bei richtiger Berechnung des voraussichtlichen Einkommens der Kläger einen entsprechenden Ratschlag erteilt hätte, um das zu versteuernde Einkommen im Jahre 1996 unter 300.000 DM zu drücken, haben die Kläger nicht bewiesen. Die auf ihren Antrag vom Landgericht als Partei vernommene Beklagte hat dies nicht nur nicht bestätigt, sondern im Gegenteil bekundet, sie hätte hiervon abgeraten.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 I, 708 Nr. 10, 713 ZPO

Streitwert 2 Instanz: 24.542,01 Euro

Beschwer beider Parteien: unter 20.000 Euro

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 n.F. ZPO)+.

Ende der Entscheidung

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