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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: 23 U 8/03
Rechtsgebiete: BGB, StBGebV


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 195
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 15
BGB § 196 Abs. 2
BGB § 208
BGB § 222 Abs. 1
BGB § 224
BGB § 242
BGB § 305
BGB § 607 Abs. 2
BGB § 780
BGB § 781
BGB § 812
EGBGB Art. 229 § 5
EGBGB Art. 229 § 6
StBGebV § 7
1.

Eine mit "Darlehnsvertrag" überschriebene Vereinbarung zwischen dem Mandanten und dem Steuerberater, worin der Mandant anerkennt, dem Steuerberater "aus Gebührenrechnungen" einen bestimmten Geldbetrag zu schulden, ist ein Vereinbarungsdarlehen im Sinne von § 607 Abs. 2 BGB, das nur eine inhaltliche Abänderung der an sich bestehen bleibenden alten Schuld beinhaltet mit der Folge, dass die von der Abänderung nicht betroffenen Einwendungen aus dem alten Schuldverhältnis grundsätzlich weiter gelten.

2.

Hat der Schuldner bei Abgabe seiner Erklärung den Eintritt der Verjährung gekannt oder zumindest für möglich gehalten, hat er konkludent auf die Verjährungseinrede verzichtet.

3.

Die Ansprüche aus dem Schuldabänderungsvertrag verjähren ebenso wie die Steuerberaterhonorarforderungen gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB in 2 Jahren.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 4. Dezember 2002 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch des Klägers ist verjährt. Soweit für die rechtliche Beurteilung des Falles Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden sind, ist deren bis zum 31.12.2001 geltende Fassung maßgeblich, Art. 229 §§ 5, 6 EGBGB. I. Der ursprüngliche Anspruch des Klägers auf Zahlung von Honorar für Steuerberaterleistungen nebst Zinsen war bereits vor Abgabe des Anerkenntnisses vom 30.6.1998 verjährt. Die Verjährung des Honoraranspruchs des Steuerberaters richtet sich nach § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem die Vergütung nach § 7 StBGebV fällig geworden ist (§§ 198, 2O1 BGB), unabhängig davon, ob der Steuerberater seinem Auftraggeber eine Rechnung erteilt hat (BGH NJW 1997, 516). Die vierjährige Frist des § 196 Abs. 2 BGB ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift - anders als erstinstanzlich vom Kläger vertreten - auf die Fälle des § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB nicht anwendbar. Nach diesen Grundsätzen war Verjährung spätestens Ende 1996 eingetreten, weil die abgerechnete Tätigkeit des Klägers unstreitig im Jahre 1994 endete. II. Der "Darlehensvertrag" vom 30.6.1998 (Bl. 4 GA) hatte nicht einen im Zeitpunkt der Klageerhebung in diesem Verfahren noch unverjährten Anspruch des Klägers zur Folge. a) Die Vereinbarung vom 30.6.1998 hat nicht im Wege der Schuldumschaffung zur Begründung eines völlig neuen Schuldverhältnisses mit der Folge geführt, dass die Zahlungsansprüche des Klägers gemäß § 195 BGB in 30 Jahren verjähren. aa) Es handelt sich bei der Vereinbarung um ein Vereinbarungsdarlehen im Sinne des § 607 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann derjenige, der Geld aus einem anderen Grunde schuldet, mit dem Gläubiger vereinbaren, dass das Geld als Darlehen geschuldet werden soll. Genau dies haben die Parteien mit der "Darlehensvertrag" überschriebenen Vereinbarung vom 30.6.1998 getan. Dabei scheitert die Annahme eines Vertrages entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht bereits daran, dass die Erklärung nur von dem Beklagten unterschrieben wurde. Der Kläger war ebenfalls mit dem Abschluss des grundsätzlich nicht formbedürftigen Vertrages einverstanden. Das ergibt sich schon daraus, dass er es war, der die schriftliche Erklärung vorbereitet und dem Beklagten zur Unterschrift vorgelegt hatte. Es war auch der Kläger, der den ursprünglich vorgesehenen Zinssatz von 10 % handschriftlich in 8 % änderte und dies mit seiner Paraphe versah. Unter diesen Umständen kann kein Zweifel an einer entsprechenden Vertragserklärung auch des Klägers bestehen. Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch das vom Landgericht angenommene deklaratorische Schuldanerkenntnis regelmäßig den Vertragsinhalt ändert, was gemäß § 305 BGB ebenfalls eines Vertrages bedarf. Die Vereinbarung stellt auch nicht lediglich ein deklaratorisches Anerkenntnis der Honorarforderung dar. Sie geht nämlich über das - in ihr auch enthaltene - Anerkenntnis deshalb hinaus, weil eine Verzinsung der Forderung vereinbart wird. Das war offensichtlich der Grund dafür, dass die Parteien die Vereinbarung mit "Darlehensvertrag" überschrieben, obwohl in dem ersten Teil nur von einem Anerkenntnis der Honorarforderung die Rede ist. In dieser Bezeichnung sollte auch die vereinbarte Zinszahlung ihren Ausdruck finden, weil Zinsen regelmäßig bei einem Darlehen vereinbart werden, eine Honorarforderung aber außerhalb des Schuldnerverzugs nicht ohne weiteres zu verzinsen ist. Allein aus diesem Grund kann die Vereinbarung nicht auf das in ihrem ersten Teil zweifellos enthaltene Anerkenntnis reduziert werden, ohne auch die weitergehende Zinsvereinbarung zu berücksichtigen. bb) Dieses "Vereinbarungsdarlehen" hatte aber nicht die Begründung eines in 30 Jahren verjährenden Rückzahlungsanspruchs zur Folge. Das wäre nur dann der Fall, wenn mit der Vereinbarung vom 30.6.1998 eine rechtlich selbständige neue Darlehensverbindlichkeit mit einer eigenständigen Verjährungsfrist begründet werden sollte. Dies ist hier zu verneinen. Welche rechtliche Bedeutung einer Vereinbarung im Sinne des § 607 Abs. 2 BGB zukommt, ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Es können vorliegen (OLG Koblenz OLGR 1997, 12; Palandt/Putzo, 61. Aufl. 2002, § 607 Rdnr. 19 - 21):

- eine nur inhaltliche Abänderung der an sich bestehen bleibenden alten Schuld mit der Folge, dass die von der Abänderung nicht betroffenen Einwendungen aus dem alten Schuldverhältnis weiter gelten (Schuldabänderung),

- eine Umschaffung mit der Folge, dass die alte Schuld erlischt und auch die gegen die Schuld gegebenen Einwendungen wegfallen, es sei denn, dass die alte Schuld überhaupt nicht bestanden hätte (kausale Schuldumschaffung),

- eine - der Form der §§ 780, 781 BGB bedürfende - Umschaffung in eine neue, abstrakte Schuld, deren Begründung nicht einmal den rechtlichen Bestand der alten Verbindlichkeit voraussetzt, die jedoch bei Nichtbestehen der alten Schuld nach § 812 BGB kondiziert werden kann (abstrakte Schuldumschaffung).

Welche dieser Möglichkeiten vorliegt, ist eine Frage der Auslegung der Vereinbarung im jeweiligen Einzelfall. Diese führt hier dazu, eine Schuldabänderung anzunehmen. Bereits der Wortlaut der Vereinbarung spricht deutlich für die erste und gegen die oben zuletzt genannten beiden Varianten der Schuldumschaffung. Der erste, entscheidende, weil den Inhalt der vertraglichen Verpflichtung in der Hauptsache - abgesehen von der Zinszahlung - wiedergebende Satz lautet nämlich: "Herr P......S...... (Anm.: der Bekl.) erkennt hiermit an, Herrn R......N....... (Anm.: dem Kl.) aus Gebührenrechnungen DM 30.333,41 zu schulden".

Hieraus ergibt sich nichts, was auf eine (abstrakte oder kausale) Schuldumschaffung auch nur hindeuten könnte. Vielmehr ist die Forderung weiter als eine solche "aus Gebührenrechungen" bezeichnet. Sie sollte damit ihren Charakter als Honorarforderung beibehalten. Im übrigen ist von dem Darlehen - außer in der Überschrift - auch nur im Zusammenhang mit den Zinsen und der Angabe des Kontos für die Rückzahlung des "Darlehens" die Rede. Die Bezeichnung "Darlehen" sollte deshalb offenbar die Vereinbarung der Verzinsung zum Ausdruck bringen, aber im übrigen nichts an dem ausdrücklich anerkannten Charakter der Schuld als Honorarforderung ändern und insbesondere auch nicht eine völlig neue Verjährungsfrist (30 statt 2 Jahre) begründen. Auch die Umstände des Zustandekommens der Vereinbarung sprechen gegen einen Willen, eine derart weitreichende Vereinbarung abschließen zu wollen. Der Kläger präsentierte dem Beklagten nämlich auf dem Flughafen die von ihm vorbereitete Vereinbarung, der sie daraufhin unterzeichnete, weil der Kläger eine erneute Tätigkeit als Steuerberater hiervon abhängig machte. Auch dies spricht dafür, die Vereinbarung im Zweifel eher eng, das heißt in dem weniger folgenreichen Sinne einer Schuldabänderung auszulegen. b) Diese Schuldabänderung hat nicht zu einer bei Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage noch unverjährten Forderung des Klägers geführt. Welche Auswirkungen die Schuldabänderung auf die Verjährung der zugrunde liegenden, abgeänderten Forderung hat, inwieweit sich also die Schuldabänderung auch hierauf bezieht, ist ebenfalls eine Frage der Auslegung im Einzelfall. aa) Zunächst hatte entgegen der Auffassung des Landgericht das mit der Vereinbarung abgegebene Anerkenntnis nicht die Wirkung einer Unterbrechung der Verjährung nach § 208 BGB. Im Zeitpunkt des Anerkenntnisses am 30.6.1998 war Verjährung nämlich bereits eingetreten, wie bereits ausgeführt. Ein nach Eintritt der Verjährung abgegebenes Anerkenntnis kann die Verjährung nicht mehr unterbrechen (BGH NJW 1997, 516 m. w. Nachw.). bb) In dem Anerkenntnis kann aber ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung liegen. Nach Eintritt der Verjährung kann der Schuldner nämlich auf das daraus folgende Leistungsverweigerungsrecht (§ 222 Abs. 1 BGB) verzichten (BGH NJW 1996, 661, 663; BGHZ 83, 382, 389). Ob die Parteien mit dem Anerkenntnis überhaupt die Verjährungsfrage regeln wollten, erscheint nicht ganz zweifelsfrei. Das Anerkenntnis hat an sich nach seinem Wortlaut ("erkennt ... an, .... zu schulden") die Folge, dass alle im Zeitpunkt des Anerkenntnisses begründeten und bekannten Einwendungen/Einreden ausgeschlossen sind. Ob dazu im vorliegenden Fall auch die Einrede aus § 222 Abs. 1 BGB gehören sollte, ist aber nicht eindeutig. Ausdrücklich ist ein Verjährungsverzicht nicht ausgesprochen. Ein konkludenter Verzicht auf die Verjährungseinrede setzt in der Regel voraus, dass der Schuldner bei Abgabe seiner Erklärung den Eintritt der Verjährung gekannt oder zumindest für möglich gehalten hat (BGH NJW 1997, 516, 518). Die Verjährungsfrage war aber zwischen den Parteien in der Zeit vor dem Anerkenntnis nicht ausdrücklich zur Sprache gekommen, so dass man aus diesem Grunde das Anerkenntnis auch hierauf beziehen könnte. Gleichwohl war beiden Parteien bewusst, dass zwischen der Abgabe des Anerkenntnisses und der letzten Tätigkeit des Klägers ein langer Zeitraum (mehr als 4 Jahre) lag. Vor diesem Hintergrund mussten beide, auch der Beklagte, mit einer inzwischen eingetretenen Verjährung rechnen. Wenn der Beklagte vor diesem Hintergrund die Honorarforderung des Klägers anerkennt, so diente dies auch dem Zweck, die Durchsetzbarkeit seiner Forderung auch nach dieser längeren Zeit noch zu ermöglichen. Das bedeutet dann auch einen Verzicht auf die Geltendmachung einer inzwischen eingetretenen Verjährung. Näheres dazu kann aber offen bleiben. Auch wenn man in dem Anerkenntnis einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung sieht, bedeutet dies nicht, dass damit mangels ausdrücklicher Befristung oder vereinbarter Zeit für die Rückzahlung des "Darlehens" die Honorarforderung des Klägers unverjährbar gestellt worden wäre. Vielmehr geht das Anerkenntnis - wie ausgeführt - dahin, alle im Zeitpunkt des Anerkenntnisses begründeten Einreden/Einwendungen auszuschließen. Das bedeutet nicht, dass künftig, also nach Abgabe des Anerkenntnisses, nicht auch neue Einreden entstehen können. Ein derartiger Verjährungsverzicht kann deshalb nur dahin verstanden werden, dass eine neue Verjährungsfrist in Lauf gesetzt wird (so auch allgemein für nicht ausdrücklich befristete Verzichtserklärungen Staudinger/Peters, 2001, § 222 Rdnr. 33; Palandt/Heinrichs, 61. Aufl. 2002, § 222 Rdnr. 5 a. E. unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, NJW 1964, 1135). Das ist die für die anerkannte Honorarforderung maßgebliche Zwei-Jahres-Frist des § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB. Die neue Verjährungsfrist ist noch vor Rechtshängigkeit abgelaufen; insoweit kann ebenso auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden wie zu der Frage eines Anerkenntnisses durch die weiteren Zahlungen des Beklagten. III. Entgegen der Auffassung des Klägers in der Berufungsbegründung verstößt der Beklagte nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, wenn er sich jetzt auf die Verjährung des klägerischen Honoraranspruchs beruft, obwohl er Mitte 1998 die Forderung des Klägers anerkannt hatte. Der Kläger durfte aufgrund des Anerkenntnisses nicht darauf vertrauen, dass auch in der Zeit nach 1998 keine Einreden mehr entstehen können. Dem Kläger war insbesondere erkennbar, dass keine unverjährbare Forderung entstanden war. Die vorstehend vorgenommene Auslegung des Anerkenntnisses hat nämlich aus der Sicht des Klägers als eines durchschnittlichen, mit den Umständen des Falles vertrauten Erklärungsempfängers zu erfolgen, §§ 133, 157 BGB. Gesichtspunkte, die darüber hinausgehend das Verhalten des Beklagten als treuwidrig erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. IV. Der Zinsanspruch ist gemäß § 224 BGB ebenfalls verjährt, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Streitwert für das Berufungsverfahren: 16.632,36 EUR

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