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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.03.2002
Aktenzeichen: 23 U 82/01
Rechtsgebiete: HGB, BGB, StBerG, AO, ZPO


Vorschriften:

HGB § 142
BGB § 123
BGB § 282
BGB § 255
BGB §§ 249 f.
StBerG § 68
AO § 75
AO § 45
AO § 45 Abs. 1 Satz 1
AO § 75 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 4
ZPO § 287
ZPO § 711
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 709 Satz 2
ZPO § 108 Abs. 1 Satz 2 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 82/01

Verkündet am 05.03.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2002 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht D, den Richter am Oberlandesgericht T und die Richterin am Oberlandesgericht F

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. Januar 2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von folgenden Steuerverbindlichkeiten freizustellen:

1.

Umsatzsteuer nebst steuerlichen Nebenkosten zu Steuer-Nr. 134/5821/0317 (früher: 134/0017/1275) Finanzamt Duisburg-West

- für 1987 gemäß Steuerbescheid vom 29.09.1998 6.690,00 DM

- für 1988 gemäß Steuerbescheid vom 29.09.1998 8.120,00 DM

- für 1989 gemäß Steuerbescheid vom 29.09.1998 10.064,02 DM

- für 1990 gemäß Steuerbescheid vom 29.09.1998 15.084,08 DM

- für 1991 gemäß Steuerbescheid vom 29.09.1998 27.023,40 DM,

2.

Gewerbesteuer nebst steuerlichen Nebenkosten zu Gewerbesteuerkonto Nr. 918-0-807-2 der Oberbürgermeisterin der Stadt Duisburg

- für 1987 gemäß Steuerbescheid vom 09.10.1998 6.127,00 DM

- für 1998 gemäß Steuerbescheid vom 09.10.1998 9.911,00 DM

- für 1989 gemäß Steuerbescheid vom 09.10.1998 9.933,00 DM und Bescheid über Zinsen vom 09.10.1998 2.376,00 DM

- für 1990 gemäß Steuerbescheid vom 09.10.1998/ 31.03.1999 (10.427 - 2.150 =) 8.277,00 DM und Bescheid über Zinsen vom 09.10.1998/ 31.03.1999: (2.496 - 528 =) 1.968,00 DM

- für 1991 gemäß Steuerbescheid vom 09.10.1998 13.136,00 DM

und Bescheid über Zinsen vom 09.10.1998 3.144,00 DM.

Zu 1. und 2:

Zug-um-Zug gegen Abtretung folgender Ansprüche:

a. gegen das Finanzamt D nach eventueller Änderung der unter 1. genannten Steuerbescheide auf Rückzahlung zuviel gezahlter Umsatzsteuern für 1987 bis 1991,

b. gegen die Oberbürgermeisterin der S nach eventueller Änderung der den unter 2. genannten Steuerbescheiden zugrunde liegenden Gewerbesteuermessbescheiden des Finanzamts D auf Rückzahlung zuviel gezahlter Gewerbesteuern für 1987 bis 1991,

c. gegen Frau F aus dem Kaufvertrag vom 26.05.1992 bzw. aus dem Gesetz sich ergebende Ansprüche auf Freistellung von den unter 1. und 2. genannten Steuerverbindlichkeiten bzw. auf Erstattung insoweit geleisteter Zahlungen,

d. gegen Herrn J aus dem Kaufvertrag vom 31.12.1992 bzw. aus dem Gesetz auf Freistellung von den unter 1. und 2. genannten Steuerverbindlichkeiten, bzw. auf Erstattung insoweit geleisteter Zahlungen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu 9 % dem Kläger, zu 91 % dem Beklagten zur Last.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei darf die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den beklagten Steuerberater auf Schadensersatz in Anspruch, weil er von diesem anlässlich des Erwerbs von Geschäftsanteilen an einer BGB-Gesellschaft nicht ausreichend über seine Haftung für vor seinem Eintritt in die Gesellschaft begründete Steuerschulden der Gesellschaft aufgeklärt worden sei.

Er erwarb zunächst durch Vertrag vom 26.05.1992 mit Wirkung zum 01.06.1992 von Frau I deren hälftigen Gesellschaftsanteil an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Restaurant A (im folgenden abgekürzt: GbR). In diesem Vertrag heißt es unter § 7:

"Der Käufer übernimmt keinerlei Verpflichtungen vom Verkäufer weder Lieferanten, Finanzamt bzw. sonstige Darlehensgeber (z. B. Spielautomaten)."

Durch Vertrag vom 31.12.1992 erwarb er mit Wirkung zum 31.12.1992 von Herrn S dessen hälftigen Gesellschaftsanteil an der vorgenannten Gesellschaft. Dieser Vertrag enthält unter § 4 u.a. die Regelung:

"Betriebliche Steuerschulden, für die eine Haftung nach § 75 AO anzuwenden wäre, bestehen nicht. Sollte das Finanzamt den Käufer laut § 75 AO in Anspruch nehmen, kann der Käufer sowohl mit dem Kaufpreis verrechnen als auch weitere Forderungen direkt beim Käufer geltend machen."

An beiden Vertragsschlüssen war der Beklagte, der für den Kläger seit 1987 mit Ausnahme weniger Monate im Jahre 1992 sämtliche steuerlichen Angelegenheiten erledigt hatte, beteiligt.

Mit Gewerbesteuerbescheid und Bescheid über Zinsen zur Gewerbesteuer vom 09.10.1998 der Oberbürgermeisterin der Stadt C und mit Umsatzsteuerbescheiden des Finanzamts D vom 29.09.1998 wurde der Kläger als Gesamtrechtsnachfolger zur Bezahlung von Steuerschulden der GbR aus den Jahren 1987 bis 1992 herangezogen.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat über die Klagen des Klägers gegen die Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide in den Verfahren 1 K 2173/99 G und 5 K 2211/99 noch nicht entschieden. Von der Finanzverwaltung eingeleitete Vollstreckungsgesuche sind bisher ergebnislos geblieben.

Der Kläger hat behauptet:

Die Kaufverträge vom 26.05.1992 und 31.12.1992 seien vom Beklagten vorbereitet und von ihm, dem Kläger, ohne jede Änderung unterzeichnet worden. Zum Ankauf der zweiten Hälfte der Gesellschafsanteile habe er sich auf Anraten des Beklagten entschlossen. Hätte der Beklagte ihn auf die Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 45 AO hingewiesen, hätte er, der Kläger, von einer Beteiligung an der GbR von vornherein abgesehen. Im Übrigen hätte seine jetzige Haftung durch andere vertragliche Gestaltungen, insbesondere durch Erwerb des gesamten Betriebes vermieden werden können.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihn, den Kläger, gegenüber dem Finanzamt D von Umsatzsteuerverbindlichkeiten für die Jahre 1987 bis 1992 nebst steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 53.833 DM freizustellen, den Beklagten außerdem zu verurteilen, ihn, den Kläger gegenüber der Stadtverwaltung D von den Verbindlichkeiten aus Gewerbesteuer für 1987 bis 1991 nebst steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von 57.550 DM freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, er habe die Verträge weder entworfen noch gestaltet, vielmehr lediglich nach den Vorgaben des Klägers aufgenommen bzw. - beim ersten Vertrag - den Vordruck ausgefüllt. Er hat die Auffassung vertreten, eine Belehrung über haftungsrechtliche Folgen des Vertragsschlusses seien nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger bereits seit 1087 verschiedene Imbissstuben und Gaststätten betrieben und die Problematik der in diesem Geschäft üblichen Schwarzgeschäfte gekannt habe. Über die Rechtsfolgen nach § 45 AO habe er den Kläger bei Vertragsschluss im Dezember 1992 nicht aufklären müssen, da diese Vorschrift nicht anwendbar sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Der Beklagte hat Berufung eingelegt.

Er trägt vor:

Der Kläger könne sein Begehren allenfalls im Wege einer Feststellungsklage geltend machen, da wegen der noch laufenden finanzgerichtlichen Verfahren nicht feststehe, ob überhaupt ein Schaden entstanden sei. Der behauptete Schaden sei im Übrigen nicht hinreichend dargelegt; es komme nicht allein auf die Steuerbelastungen, sondern auf die Gesamtvermögensverhältnisse an. Ferner müssten die Rückgriffsmöglichkeiten des Klägers gegen die Verkäufer berücksichtigt werden sowie die Tatsache, dass die Bescheide teilweise auf Schätzungen beruhten und es deshalb dem Kläger bzw. den Verkäufern möglich gewesen sei, durch Abgabe konkreter Erklärungen zur Reduzierung der Steuerlast beizutragen. Den Kläger treffe ein erhebliches Mitverschulden, weil er trotz Verschweigens der von den Verkäufern getätigten Schwarzgeschäfte und den daraus resultierenden Altschulden die Verträge nicht nach § 123 BGB angefochten habe.

Vorsorglich erhebt der Beklagte die Verjährungseinrede.

Er beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt - nach Hinweisen des Senats - ergänzend vor:

Hätte der Beklagten ihn, den Kläger, im Mai 1992 und/oder Dezember 1992 darauf hingewiesen, dass er die Gefahr der Belastung mit Steuerschulden der GbR, die vor seinem Eintritt in die Gesellschaft begründet worden waren, erheblich reduzieren könnte, wenn er den Gaststättenbetrieb im Wege der Einzelrechtsübertragung erwerbe, hätte er diesen Weg bereits im Mai 1992 gewählt bzw. im Dezember 1992 seinen hälftigen Gesellschaftsanteil an Herrn S zurückübertragen und anschließend zum 01.01.1993 den gesamten Gaststättenbetrieb durch Einzelrechtsübertragung erworben. Herr und Frau S wären bereits im Mai 1992 mit einer Übertragung des gesamten Betriebes einverstanden gewesen, da sie Schulden gehabt hätten und dringend auf sein, des Klägers, Geld angewiesen gewesen wären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Berichterstattervermerk vom 05.02.2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und überwiegend begründet.

A.

Der Kläger hat, obwohl er nach wie vor im Klagewege gegen den Bestand der Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide vorgeht (das Urteil des Finanzgerichts vom 11.12.2001 betrifft nur die Gewerbesteuerbescheide, die im Falle der Änderung der Messbescheide gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden könnten), bereits jetzt ein berechtigtes Interesse daran, dass der Beklagte ihn von den Steuerverbindlichkeiten der GbR für die Jahre 1987 bis 1991 freistellt, und braucht sich nicht auf die Feststellungsklage verweisen zu lassen.

Allerdings hat der Geschädigte dann, wenn der Schaden in der Belastung mit einer Steuerverbindlichkeit liegt und die Festsetzung der Steuerschuld noch nicht bestandskräftig geworden ist, grundsätzlich kein berechtigtes Interesse daran, vom Schuldner Freistellung oder, soweit der Schuldner diese endgültig ablehnt, Zahlung zu verlangen. In einem solchen Fall ist grundsätzlich die Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht bzw. Freistellung der richtige Weg (BGH NJW 1993, 1137/1139). Eine Ausnahme hiervon hat der BGH (NJW 1992, 2817 f.) dann gemacht, wenn der Schuldner Zahlung geleistet und er anschließend vom Schädiger Erstattung verlangt hat. Gleiches muss aber auch gelten, wenn die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betrieben wird, und zwar unabhängig davon, ob die Vollstreckung Erfolg hatte oder - wie es hier der Fall ist - fehlgeschlagen ist. Der Schädiger wird in diesem Fall hinreichend dadurch geschützt, dass er dem Freistellungsbegehren nur Zug-um-Zug gegen Abtretung eventueller Rückzahlungsansprüche des Geschädigten gegen die Finanzbehörden entsprechen muss (BGH a.a.O.).

B.

Der Kläger kann von dem Beklagten nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung in Verbindung mit den §§ 249 f. BGB Freistellung von den Umsatz- und Gewerbesteuerverbindlichkeiten für die Jahre 1987 bis 1991 verlangen.

I.

Er hat seine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag mehrfach, nämlich im Mai 1992 und nochmals im Dezember 1992 verletzt.

1.

Im Rahmen seines Auftrags hat der Steuerberater seinen Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten einschließlich insoweit bestehender zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten und deren Folgen zu unterrichten; dabei hat er von der Belehrungsbedürftigkeit seines Mandanten auszugehen. Darüber hinaus muss der Steuerberater seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren; er muss ihm deswegen den sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung unterbreiten. Hierbei hat er den Mandanten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung zu vermeiden (BGH NJW 1995, 958; 2108/2110; 3248; BGH NJW 1993, 2799/2800; NJW 1997, 1008/1011; NJW 1998, 1221; 1486; 1488/1489/1491). Seine rechtliche Prüfung sowie die hieran anschließenden Hinweise, Empfehlungen und sonstige Maßnahmen hat er an der im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme maßgeblichen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auszurichten, über die er sich laufend zu informieren hat (BGH NJW-RR 1993, 1212/1213; NJW 2001, 146/148; 675/678).

2.

a)

Diesen Verpflichtungen ist der Beklagte bereits im Mai 1992 nicht nachgekommen.

Der Eintritt des Klägers in die GbR durch Erwerb der ersten Hälfte der Gesellschaftsanteile von Frau I gemäß Kaufvertrag vom 26.05.1992 hatte für ihn zwar keine persönliche Haftung für vor seinem Eintritt bestehende Verbindlichkeiten der GbR begründet; der Gesellschafter einer GbR haftet nämlich für vor seinem Eintritt begründete Verbindlichkeiten mit seinem Privatvermögen nicht Kraft Gesetzes, sondern nur Kraft einer hier nicht getroffenen besonderen Vereinbarung mit dem Gläubiger; die für Handelsgesellschaften geltende Akzessorietät der Gesellschafterhaftung und Gesellschaftsschuld ist auf das Recht der GbR jedenfalls nach der bisher geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht übertragbar (BGHZ 74, 241 f.; NJW 1999, 3483/3484; zum Streit der Literatur nach dem Urteil des BGH vom 29.01.2001, NJW 2001, 1056/1061, vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 736 Rdn. 6). Etwas anderes gilt jedoch für die Haftung des Klägers mit seinem Gesellschaftsvermögen. Mit diesem haftet der eintretende Gesellschafter für sämtliche Altschulden (BGHZ 79, 374). Diese Haftung ist uneingeschränkt und daher weitergehender als die Haftung des Betriebsübernehmers gemäß § 75 AO, die sich nicht nur beschränkt auf das Betriebsvermögen, sondern auch auf Steuern/Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sind und bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebes durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden.

Auf diese unterschiedlichen Haftungsrisiken beim Erwerb von Anteilen an einer BGB Gesellschaft und bei Betriebsübernahme hätte der Beklagte den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages vom 26.05.1992 hinweisen müssen. Der Beklagte hat bei seiner informatorischen Anhörung eingeräumt, das Vertragsformular ausgefüllt zu haben. Dass hierbei auch konkret die Frage der Haftung des Klägers für alte Steuerverbindlichkeiten erörtert worden ist, ergibt sich aus den handschriftlichen Eintragungen des Beklagten unter § 7 des Vertrages. Der Kläger durfte als Ratsuchender darauf vertrauen, dass der Beklagte ihn in diesem Zusammenhang auch über sein, des Klägers, Haftungsrisiko gegenüber den Steuergläubigern der GbR informieren werde, denn ein vertraglicher Haftungsausschluss gegenüber dem Verkäufer ließ die Forderung des Gesellschaftsgläubigers unberührt und war wertlos bei Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers.

b)

Der Beklagte hat ein zweites Mal seine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag verletzt, als er für den Kläger den Vertrag vom 31.12.1992 entwarf.

Das Finanzamt D ist bei Erlass der umstrittenen Umsatz- und Gewerbesteuermessbescheide unter Beachtung der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 16.111989, veröffentlicht im Bundessteuerblatt 1990, Seite 272 f.) zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger, nachdem er durch den Ankauf der ersten Hälfte der Gesellschaftsanteile am 26.05.1992 Gesellschafter der GbR geworden war, mit dem Ankauf der zweiten Hälfte der Gesellschaftsanteile am 31.12.1992 Gesamtrechtsnachfolger der GbR im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 AO geworden ist. Die Gesamtrechtsnachfolge hat zur Folge gehabt, dass das Gesamthandvermögen ohne einzelne Übertragungsakte mit Aktiven und Passiven auf den Kläger übergegangen ist. Infolge der Übernahme ist er unbeschränkt persönlicher Schuldner aller bisherigen Gesamthandverbindlichkeiten geworden. Die Annahme der Gesamtrechtsnachfolge beruht nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 50, 307; NJW 1994, 796) auf einer entsprechenden Anwendung der bis 1998 für die OHG und KG geltenden Vorschrift des § 142 HGB, wonach sich die vermögensrechtliche Übernahme in einer Zweipersonengesellschaft nicht durch Einzelübertragung der Vermögensgegenstände von der Gesellschaft auf den Übernehmer, sondern im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter Umwandlung von Gesellschaftsvermögen in Eigentum des Übernehmers vollzieht. Eine § 142 HGB entsprechende Gesamtrechtsnachfolge findet bei der GbR statt, wenn deren beide letzte Gesellschafter sich darüber einig geworden sind, dass einer von ihnen ohne Auseinandersetzung über das Gesellschaftsvermögen (diese müsste gemäß §§ 130 f. BGB erfolgen) und ohne einzelne Übertragung der Gegenstände und Rechte der GbR das Gesellschaftsvermögen übernimmt (BGH a.a.O.; Ulmer, GbR und Partnergesellschaften, 3. Aufl., § 730 Rdnr. 50 bis 65). Dabei ist unerheblich, ob bereits der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel enthält oder die Gesellschafter später über die "Fortsetzung der GbR" durch einen Gesellschafter einig geworden sind. Wird - wie es hier geschehen ist - die Übernahme und der Vollzug der Übernahme in ein und demselben Vertrag geregelt, tritt immer dann Gesamtrechtsnachfolge ein, wenn der Vertrag keine Einzelübertragung der Aktiven und Passiven, sondern die Übernahme des Gesamtshandvermögens vorsieht. Letzteres ist beim Verkauf der Anteile des ausscheidenden Gesellschafters, wie er hier geregelt ist, zweifellos gewollt.

Der Beklagte hätte wissen müssen, dass der BFH, dessen Urteil vom 16.11.1989 in dem jedem Steuerberater zugänglichen Bundessteuerblatt veröffentlicht worden war, von einer Gesamtrechtsnachfolge im Sinne des § 45 AO ausgeht, wenn bei einer zweigliedrigen GbR ein Gesellschafter ausscheidet und der andere Gesellschafter dessen Anteil unter Fortsetzung des Betriebes übernimmt. Seine Auffassung, diese Rechtsprechung gelte nur, wenn keine schuldrechtliche Übertragung der Geschäftsanteile auf den Betriebsübernehmer stattgefunden hat, übersieht, dass es in den Fällen der Beendigung einer zweigliedrigen GbR durch die Übernahme der Aktiven und Passiven stets zu schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Ausscheidenden und dem Übernehmer über eine Abfindung bzw. einen Kaufpreis kommt, und diese Vereinbarungen keine Auswirkungen auf das Verhältnis des Übernehmers gegenüber den Gesellschaftsgläubigern hat.

II.

Jede der beiden aufgezeigten Pflichtverletzungen war ursächlich für die Inanspruchnahme des Klägers als Gesamtrechtsnachfolger der GbR auf Bezahlung der streitgegenständlichen Steuerschulden für die Jahre 1987 bis 1991.

1.

Für die gemäß §§ 249 f. BGB im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität maßgebliche Frage, was geschehen wäre, wenn der Beklagte den Kläger pflichtgemäß belehrt hätte, und wie die Vermögenslage des Klägers sich unter diesen Voraussetzungen dargestellt hätte, trägt der Kläger die Beweislast, wobei ihn jedoch wegen der bei der haftungsausfüllenden Kausalität regelmäßig auftretenden Beweisschwierigkeiten die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO und des Anscheinsbeweises zugute kommen können (BGH NJW 2000, 2814; NJW-RR 2001, 1351). Der Anscheinsbeweis, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, gilt bei Verträgen mit Anwälten und Steuerberatern dann, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten des Mandanten nahegelegen hätte; dem Berater steht die Möglichkeit offen, den Anscheinsbeweis durch Beweis von Tatsachen zu entkräften, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten sprechen (BGH NJW 1993, 3259).

2.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nach der Lebenserfahrung hier zu vermuten, dass der Kläger bei vertragsgerechter Belehrung durch den Beklagten bereits im Mai 1992 auf eine Beteiligung an der GbR wegen des oben aufgezeigten Haftungsrisikos verzichtet und versucht hätte, den gesamten Gaststättenbetrieb im Wege der Einzelrechtsübertrag zu erwerben. Der Senat hat keine Zweifel, dass dieser Versuch, wenn nicht schon im Mai 1992, dann doch spätestens Ende 1992 Erfolg gehabt hätte, da die Familie S wegen finanzieller Schwierigkeiten jedenfalls Ende 1992 ein starkes Verkaufinteresse hatte. Hätte der Kläger den Betrieb im Wege der Einzelrechtsübertragung übernommen, wäre zunächst seine Haftung als neueintretender Gesellschafter für Altschulden der GbR mit dem Gesellschaftsvermögen und später seine Haftung als Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 45 AO vermieden worden. Seine Haftung gemäß § 75 AO wäre nicht zum Tragen gekommen. Die Festsetzung der Steuerschulden ist erst im Jahre 1998 aufgrund einer 1997 beendeten Betriebsprüfung und damit mehr als 5 Jahre nach Ablauf der in § 75 Abs. 1 Satz 1 AO vorgesehenen Frist von einem Jahr nach der Gewerbeanmeldung erfolgt. Dass der Kläger seiner Anmeldungspflicht gemäß § 14 Gewerbeordnung ordnungsgemäß Anfang 1993 nachgekommen ist, wird von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Ohne Gewerbeanmeldung hätte das Finanzamt den Kläger auch kaum als Gesamtrechtsnachfolger des Gaststättenbetriebs ausfindig gemacht.

III.

Der nach § 282 BGB darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat keinerlei Umstände vorgetragen, die den Vorwurf einer schuldhaften Vertragspflichtverletzung auszuräumen geeignet wären.

IV.

Den Kläger trifft kein Mitverschulden; er hat keine ihn treffenden Obliegenheiten verletzt.

a)

Der Einwand des mitwirkenden Verschuldens ist ausgeschlossen, wenn die Verhütung des entstandenen Schadens nach dem Inhalt des Vertrages dem in Anspruch genommenen Schädiger allein oblag. Dem vertraglich zu Beratenden kann deswegen nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, er hätte das, worüber ihn sein - auf dem bestimmten Gebiet an Wissen überlegener - Berater hätte aufklären sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH NJW 1992, 307/309; BGH NJW 1997, 1008/1012; BGH NJW 1998, 1486/1488; BGH NJW-RR 2001, 201/204). Anderes gilt nur dann, wenn der Mandant etwas versäumt, was in den Bereich seiner Eigenverantwortung fällt. Voraussetzung hierfür ist, dass die Schadensursache nicht in der Verantwortungssphäre des gerade wegen seiner Sachkunde hinzugezogenen Beraters liegt, sondern in einem Bereich entstanden ist, den der Mandant eigenverantwortlich zu gestalten und zu überwachen hatte, und dass der Mandant die nach der Sachlage im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat (BGH, a.a.O.).

b)

Hiervon kann vorliegend nicht die Rede sein. Der Kläger hat den Beklagten gerade deshalb bei den Vertragsabschlüssen im Mai und Dezember 1992 hinzugezogen, weil er von ihm eine fachgerechte Beratung erwartete. Die Verhütung seiner Inanspruchnahme für vor seinem Eintritt begründete Steuerschulden der GbR gehörte dabei zu seinem Hauptanliegen. Der Beklagte konnte nicht erwarten, dass der Kläger aus früheren Beteiligungen (möglicherweise auch an BGB-Gesellschaften) in dieser Hinsicht steuerrechtliche oder zivilrechtliche Erkenntnisse gewonnen hatte.

Eine Abwendung des Schadens durch Anfechtung der Verträge von Mai und Dezember 1992 wegen arglistiger Täuschung war nicht möglich. Abgesehen davon, dass ein fehlerhaft vollzogener Beitritt zu einer GbR regelmäßig nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar ist (BGH NJW 2000, 3558, 3559), hat der Beklagte die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht schlüssig dargelegt. Es bestehen erhebliche Zweifel, dass Herr S die hier umstrittenen Steuern arglistig verschwiegen hat, da die Steuern erst nach einer im Jahre 1997 beendeten Betriebsprüfung im Jahre 1998 festgesetzt worden sind.

V.

Der Freistellungsanspruch erfasst die im Tenor aufgeführten Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerforderungen für die Jahre 1987 bis 1991 einschließlich der dort aufgeführten steuerlichen Nebenkosten. Die Summe der Steuerforderungen beträgt insgesamt 121.853,50 DM.

VI.

Der Schaden des Klägers kann nicht deshalb verneint werden, weil ihm gegen die Verkäufer aus den Kaufverträgen Ansprüche zustehen, deren Durchsetzung seinen Vermögensnachteil ausgleichen würde. Der Beklagte kann lediglich die Abtretung jener Ansprüche nach § 255 BGB verlangen (BGH NJW 1997, 2946/2948).

VII.

Der Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt. Die 3-jährige Verjährungsfrist gemäß § 68 StBerG begann erst mit der Bekanntgabe der den Kläger belastenden Steuerbescheide im September bzw. im Oktober 1998 (BGH NJW 1995. 2108/2109) und wurde rechtzeitig vor ihrem Ablauf durch Einreichung der Klage (3. 3. 2000) unterbrochen.

C.

Unbegründet ist der Anspruch des Klägers auf Freistellung von seiner Umsatzsteuerpflicht für 1992 gemäß Bescheid des Finanzamts Duisburg-West vom 04.11.1999 (Bl. 74/75 GA). Er würde nämlich für die ab 01.06.1992 begründeten Steuerschulden auch dann persönlich haften, wenn er ab diesem Zeitpunkt den Gaststättenbetrieb vollständig im Wege der Einzelrechtsübertragung erworben hätte. Der Steuerbescheid vom 04.11.1999 lässt nicht erkennen, ob er auch Umsatzsteuer erfasst, die vor dem 01.06.1992 begründet worden ist.

D.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO in der Fassung des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. 6. 2001 (BGBl. I S. 1887). Die Befugnis zur Sicherheitsleistung durch Bürgschaft ergibt sich nunmehr aus § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO n.F.

Es besteht kein Anlass (§ 543 ZPO n. F.), die Revision zuzulassen.

Der Streitwert wird für die erste und zweite Instanz auf 67.888,52 Euro (= 132.778,40 DM) festgesetzt.

Damit hat die Beschwerde des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts im Anschluss an das angefochtene Urteil (Aktenzeichen: 23 W 1/02 OLG Düsseldorf) in vollem Umfang Erfolg. Bei den vom Finanzamt D und der Oberstadtdirektorin der Stadt P festgesetzten steuerlichen Nebenforderungen handelt es sich um selbständige Schadenspositionen und nicht um Nebenforderungen im Sinne des § 4 ZPO.

Beschwer des Beklagten: 62.302.71 € (= 121.853,50 DM) Beschwer des Klägers: 5.585,81 € (= 10.924,90 DM).

Ende der Entscheidung

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