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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.06.2001
Aktenzeichen: 24 U 100/00
Rechtsgebiete: PV, NV, BGB, AGBG, ZPO


Vorschriften:

PV § 5
PV § 5 S. 2
PV § 7 PV
NV § 2
NV § 3
NV § 6
NV § 7
BGB § 94
BGB § 95
BGB § 556
BGB § 568
BGB § 581
BGB § 584
BGB § 946
AGBG § 9
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 100/00

Verkündet am 26.Juni 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2001 durch seine Richter Z, E und R

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil vom 3. April 2001 bleibt aufrechterhalten.

Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Mit Pachtvertrag vom 26.August/30.September 1975(nachfolgend: PV) verpachtete die Klägerin dem Beklagten das in ihrem Eigentum stehende Grundstück Gemarkung O., Flur 1, Flurstücke 2, 3 und 6 (teilweise) zur Nutzung als Ponyweide. Mit weiterem Pachtvertrag vom 6./13. April 1981 wurde die Nutzfläche erweitert. Nach § 5 PV galt als Pacht- und Wirtschaftsjahr die Zeit vom 1. November eines Jahres bis zum 31. Oktober des darauf folgenden Jahres. Die Klägerin war berechtigt, den Vertrag jederzeit mit sofortiger Wirkung zu lösen, ohne dass dem Beklagten hieraus ein Entschädigungsanspruch zustand.

Aufgrund von Aufbauten schlossen die Parteien am 23. Juni/5. Juli 1985 einen ersten Nachtragsvertrag (NV) zum Pachtvertrag vom 6./13. April 1981. Nach § 6 NV hatte der Beklagte bei Beendigung des Vertragsverhältnisses die Bauwerke zu beseitigen, das Grundstück zu räumen und in einem einwandfreien Zustand zurückzugeben. Entschädigungsansprüche standen ihm deshalb nicht zu. In § 7 NV vereinbarten die Parteien den Ausschluss des § 568 BGB. Mit zweitem Nachtragsvertrag zum Pachtvertrag vom 6./13. April 1981 und Nachtragsvertrag vom 23. Juni/5. Juli 1985 wurde das Pachtobjekt um eine weitere Fläche von ca. 200 qm erweitert (§ 1 PV vom 4./15. Juni 1988). Die Jahrespacht für die Gesamtfläche von ca. 18.810 qm wurde in § 2 dieses Nachtragsvertrages auf 1.693 DM festgelegt. Die für die Aufbauten von der Klägerin ab Pachtjahr 1992 verlangte Nutzungsentschädigung von jährlich 240 DM, wurde im Februar 1998 auf einen Jahresbetrag von 480 DM erhöht.

Mit Schreiben vom 20. März 1998 kündigte die Klägerin das Pachtverhältnis unter Bezugnahme auf die vertraglichen Vereinbarungen zum 31. Dezember 1998. Gleichzeitig widersprach sie der weiteren Nutzung gemäß § 568 BGB.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. das von ihr gepachtete und als Ponyweide genutzte Grundstück, gelegen an der E. Straße/A 2, O. Flur 1, Flurstücke 2, 3, 55 und 56 teilweise, mit insgesamt ca. 18.810 qm zu räumen und an sie herauszugeben;

2. die von ihm auf dem Grundstück gemäß Ziffer 1. errichteten Einrichtungen und untergebrachten Gegenstände, insbesondere

a) die Betonfundamente für Stützpfeiler des Begrenzungszaunes

b) das Gartenhaus, ca. 4 qm

c) den abschließbaren Blechcontainer, ca. 35 qm

d) die Scheune mit Pferdeboxen, ca.180 qm

e) den gemauerten Grillkamin, ca. 2 qm

f) das Gartenhaus mit Carport für Wohnwagen, ca. 60 qm

g) das Gewächshaus, ca. 4 qm

h) den Brunnen

i) die betonierte Sitzgruppe auf seine Kosten zu entfernen.

Der Beklagte, der die Rechtsauffassung vertreten hat, die Kündigung des Pachtverhältnisses sei unwirksam, hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Räumung und Beseitigung der Einrichtungen/Aufbauten verurteilt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung des Beklagten, mit welcher er seine Rechtsauffassung, die Kündigung des Vertragsverhältnisses verstoße gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und sei deshalb unwirksam, wiederholt und vertieft.

Nachdem der Beklagte im Termin vom 3. April 2001 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war, hat der Senat entsprechend dem Antrag der Klägerin Versäumnisurteil vom selben Tage gegen ihn erlassen, durch das die Berufung zurückgewiesen wurde.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 5. April 2001 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagten am 17. April 2001 Einspruch eingelegt.

Er beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils und in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch hat keinen Erfolg. Die zulässige Berufung des Beklagten, mit welcher er seine vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der im Tenor der Entscheidung bezeichneten Grundstücksfläche sowie zur Entfernung sämtlicher Aufbauten auf seine Kosten bekämpft, ist nicht begründet.

1.

Die Räumungs- und Herausgabepflicht des Beklagten folgt aus §§ 581, 556 BGB, weil das im Jahre 1975 begründete Pachtverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Klägerin zum 31. Dezember 1998 beendet worden ist.

a)

Die Kündigung vom 20. März 1998 war wirksam.

Für die Kündigung von Pachtverhältnissen über Grundstücke gilt § 584 BGB. Ist - wie im Entscheidungsfall - die Pachtzeit nicht bestimmt, ist die Kündigung nur für den Schluss eines Pachtjahres zulässig; sie hat spätestens am 3. Werktag des halben Jahres zu erfolgen, mit dessen Ablauf die Pacht enden soll. Das Pachtjahr entspricht nicht zwingend dem Kalenderjahr (vgl. § 594 a Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Parteien haben in § 5 des PV vom 6./13. April 1981 das Pacht- und Wirtschaftsjahr vertraglich festgelegt (1. November eines Jahres bis zum 31. Oktober des darauffolgenden Jahres); davon abweichende Regelungen sind in den Nachtragsverträgen nicht erfolgt. Da die Klägerin die vorgenannten gesetzlichen Kündigungsfristen beachtet hat, sind weitere Erörterungen dazu, ob das ihr in § 5 S. 2 des PV vom 6./13. April 1981 formularmäßig eingeräumte außerordentliche Kündigungsrecht einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhält, entbehrlich.

b)

Dem Beklagten ist zwar grundsätzlich darin zuzustimmen, dass auch die Kündigung eines Pachtverhältnisses den allgemeinen Schranken des bürgerlichen Rechts, vor allem denjenigen aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), unterliegt. Die Klägerin war im Streitfall aus solchen Gesichtspunkten heraus jedoch nicht an einer ordentlichen Kündigung und einer Durchsetzung ihres daraus folgenden Räumungsanspruches gehindert.

aa)

Die Beendigung des Pachtverhältnisses zum 31. Dezember 1998 ist nicht bereits deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Beklagte das Pachtobjekt seit dem 1. September 1975 - und damit mehr als 23 Jahre - genutzt hat. Das Gesetz sieht vor, dass selbst Nutzungsverhältnisse mit einer Vertragsdauer von mehr als 30 Jahren grundsätzlich ordentlich gekündigt werden können (vgl. § 594 b BGB, § 567 BGB).

bb)

Obwohl eine Begründung für eine ordentliche Kündigung gesetzlich nicht vorgesehen ist, hat die Klägerin im Streitfall dargelegt, dass sie das Pachtobjekt als Kompensationsfläche (Ausgleich für den Straßenbau und Schienenverkehr) benötige und bereits im ersten Rechtszug weitere sachbezogene Erläuterungen abgegeben (vgl. behördeninterner Vermerk vom 16. April 1998, Sachstandsbericht vom 29. Oktober 1998 ).

Darüber hinaus hat sie zu dem Einwand des Beklagten, die behauptete Kompensationsmaßnahme sei u. a. aufgrund von Versorgungsleitungstrassen nicht durchführbar, eingehend Stellung genommen. Angesichts des ausführlichen Sachvortrages erweist sich der Einwand der Berufung, nachvollziehbare Kündigungsgründe seien nicht vorhanden, weil das Pachtgrundstück tatsächlich nicht als Kompensationsfläche benötigt werde, als unsubstantiiert und ist deshalb nicht geeignet, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin zu belegen.

cc)

Aus dem Akteninhalt ist ferner nicht ersichtlich, dass die Klägerin nach Ablauf der Kündigungsfrist eine Räumung (bisher) durchgesetzt hätte. Dies bedeutet, dass seit dem Zugang der Kündigung mittlerweile ca. 3 Jahre verstrichen sind, in denen der Beklagte Gelegenheit hatte, ein passendes Ersatzgrundstück zu finden, welches ihm die Gewähr artgerechter Pferdehaltung bietet.

dd)

Der Senat unterstellt zugunsten der Berufung, dass der Beklagte das im September 1975 in Besitz genommene Grundstück "aufgeräumt und gärtnerisch gestaltet" sowie gleichzeitig Jugendlichen (Langzeitarbeitslosen) aus sozialen Brennpunkten eine Begegnung mit Tieren und dem Reitsport ermöglicht hat. Auch insoweit gelten die vorstehenden Erwägungen (cc). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Betreuungs- und Aktivitätskonzept, welches der Beklagte erarbeitet und durchgeführt hat und dessen Erfolg maßgeblich auf sein persönliches und soziales Engagement zurückzuführen ist, nicht auf einem Ersatzgrundstück zukünftig weiter verwirklicht werden könnte. Der Senat vermag daher auch aus diesem Grund die von der Klägerin erklärte Kündigung nicht als unzulässiges Druckmittel zur Durchsetzung vertragsfremder Ziele zu bewerten.

ee)

Letztlich stellt die ordentliche Kündigung des langjährigen Pachtverhältnisses eine unzulässige Rechtsausübung auch nicht deshalb dar, weil der Beklagte das Grundstück im Jahre 1996/1997 auf Verlangen der Klägerin komplett neu auf eigene Kosten eingefriedet hat. Es ist nicht dargetan, dass durch diese Aufforderung der Klägerin ein Vertrauenstatbestand in Form einer bestimmten Pachtdauer entstanden ist und der Beklagte im Hinblick darauf die finanziellen Aufwendungen für eine neue Einfriedung getätigt hat. Schon § 3 des ersten Nachtragsvertrages vom 23. Juni/5. Juli 1985 begründete vielmehr eine Verpflichtung des Beklagten zur Einfriedung, wobei die von ihm zu beachtenden Anforderungen näher konkretisiert wurden. Das Verwendungsrisiko des neuen Zauns traf daher grundsätzlich den Beklagten. Im übrigen werden etwaige Ausgleichsansprüche des Pächters aufgrund werterhöhender Maßnahmen durch das ordentliche Kündigungsrecht des Verpächters nicht berührt.

2.

Das Pachtverhältnis hat sich im übrigen nicht dadurch verlängert, dass der Beklagte trotz der Kündigung über den 31. Dezember 1998 hinaus das Grundstück genutzt und nicht herausgegeben hat. Auf die Regelungen der §§ 581, 568 BGB kann sich der Beklagte nämlich nicht mit Erfolg berufen, da die Anwendung von § 568 BGB in § 7 PV vom 23. Juni/5. Juli 1985 ausdrücklich und wirksam ausgeschlossen worden ist. Zudem hat die Klägerin zugleich mit der Vertragskündigung am 20. März 1998 einer Fortsetzung des Gebrauchs durch Nutzung ausdrücklich widersprochen.

3.

Mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses ist der Beklagte nicht nur zur Rückgabe des Grundstücks an die Klägerin, sondern auch zur Entfernung sämtlicher Einrichtungen und Aufbauten verpflichtet.

Soweit die Aufbauten Gegenstand des Nutzungsverhältnisses der Parteien waren, beseitigt dies die Räumungsverpflichtung des Beklagten nicht. Denn dieser ist gemäß § 6 des ersten Nachtragsvertrages vom 23. Juni/5. Juli 1985 verpflichtet, sämtliche von der Klägerin geduldeten Aufbauten (§ 1 PV) bei Vertragsbeendigung zu beseitigen. Es kommt daher nicht darauf an, ob es sich bei den Aufbauten um wesentliche Grundstücksbestandteile nach § 94 BGB, die gemäß § 946 BGB in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergegangen sind, oder nur um sog. Scheinbestandteile im Sinne von § 95 BGB (vgl. BGH NJW-RR 1994, 847; 848) handelt.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz und den ersten Rechtszug wird unter gleichzeitiger Abänderung der Streitwertfestsetzung des Landgerichts (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG) auf 12.173 DM festgesetzt (Klageantrag zu 1 gemäß § 16 Abs. 2 GKG: 2.173 DM [1.693 DM + 480 DM], Klageantrag zu 2 gemäß § 3 ZPO: 10.000 DM).

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000 DM nicht.

Es besteht kein Anlass, aus den Gründen des § 546 Abs.1 ZPO die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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