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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.07.2001
Aktenzeichen: 24 U 153/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, BRAGO


Vorschriften:

BGB § 286
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 2 a.F.
ZPO § 713
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 1
BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 2
BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 2 letzter Hs.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 153/00

Verkündet am 6. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2001 unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 09. Juni 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf -Einzelrichterin- teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 60.183,96 DM nebst 4% Zinsen aus 57.212,50 DM für die Zeit vom 01. Mai 1998 bis 24. Mai 1999 und 6,95% Zinsen für die Zeit ab 25. Mai 1999 zu zahlen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 23 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 77 %.

Die Kosten des Berufungsrechtszugs werden dem Kläger zu 92%, den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 8% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel des Klägers, mit welchem er die Teilabweisung seiner auf Zahlung gerichteten Klage (19.794,49 DM nebst Zinsen sowie (klageerweiternd) weitere Verzugsschäden geltend macht, ist zum Hauptanspruch unbegründet. Hinsichtlich des geltend gemachten weiteren Verzugsschadens hat es einen Teilerfolg.

II.

1. Der Kläger kann aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) keine Besprechungsgebühr (§ 118 Abs.1 Nr. 2 BRAGO) verlangen. Die Zedenten (Rechtsanwälte Sch und D) haben bei der außergerichtlichen Beratung der Beklagten durch den sachbearbeitenden Zedenten Rechtsanwalt Sch keine Tätigkeit entfaltet, die geeignet gewesen wäre, den in Rede stehenden Gebührentatbestand zu erfüllen. Die Ansicht des Klägers, die von Rechtsanwalt Sch im Auftrag der Mandanten (Mitgeschäftsführer der Beklagten zu 1)) geführten fernmündlichen Gespräche mit der Sachbearbeiterin der Hausbank und mit dem Steuerberater der Beklagten, jeweils mit dem Ziel, die Rücküberweisung durch den Beklagten zu 2) (jetziger Alleingeschäftsführer der Beklagten zu 1)) veruntreuter Gelder (rund 5,5 Mio. DM) kurzfristig herbeizuführen, seien Besprechungen i.S.d. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO, trifft nicht zu.

a) Nach der genannten Vorschrift erwächst die Gebühr u.a. für das Mitwirken an Besprechungen, die im Einverständnis mit dem Auftraggeber mit dem Gegner oder einem Dritten geführt werden. Für eine mündliche oder fernmündliche Nachfrage erhält der Rechtsanwalt diese Gebühr nicht (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 letzter Hs. BRAGO).

Die Besprechungsgebühr soll nach ganz einhelliger Meinung eine zusätzliche Leistung des Rechtsanwalts honorieren, die durch die Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) noch nicht abgegolten ist (vgl. nur Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 118 Rn. 8). Daraus folgt, dass alle Tätigkeiten, die von der Geschäftsgebühr erfasst werden, nicht geeignet sind, die Besprechungsgebühr auszulösen.

Ganz einhellig ist auch die Auffassung, dass die Informationsbeschaffung grundsätzlich durch die Geschäftsgebühr abgegolten wird (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO, Rn. 5, Schürmann/Geißinger BRAGO 2. Aufl. § 118 Rn. 21; Swolana/Hansens BRAGO 8. Aufl. § 118 Rn. 21; Riedel/Süßbauer/Schneider BRAGO 8. Aufl. § 118 Rn. 35; Göttlich/Mümmler/Braun/Rehberg BRAGO Sonstige Angelegenheiten S. 1347). Insoweit decken sich die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts und die Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO), welche er für seine im Rahmen eines Prozessauftrags entfalteten Tätigkeiten erhält. Im Rahmen des Prozessauftrags spielt es dabei keine Rolle, von wem der Rechtsanwalt die erforderlichen Informationen beschafft. Gleichgültig ist also, ob sie von dem Auftraggeber oder beliebigen Dritten erteilt werden. Alle diese Tätigkeiten werden mit der Prozessgebühr abgegolten (vgl. Senat OLGR 2000, 314 m.w.N.).

Die Verhandlungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) oder die ihr gleichgestellte Erörterungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO) werden erst ausgelöst, wenn der Rechtsanwalt auf der Grundlage der erteilten Informationen und ihrer Verwertung (z. B. durch Fertigung der Klageschrift) das Anliegen seines Auftraggebers weiter fördert, indem er (vor Gericht) mit dem Gegner den Rechtsstreit verhandelt oder erörtert. Es ist deshalb ohne Bedeutung, mit welchem Aufwand die Informationsbeschaffung und -verarbeitung verbunden gewesen ist. Der Gesetzgeber lässt in gleichsam pauschalierender Weise die Tätigkeiten des Rechtsanwalts honorieren.

Zutreffend wird deshalb darauf hingewiesen (vgl. nur Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO Rn. 8), dass die Verhandlungsgebühr (und nach Auffassung des Senats ebenso die Erörterungsgebühr) im wesentlichen der Besprechungsgebühr im außergerichtlichen Mandat entspricht. Dafür steht schon der Wortlaut "Mitwirken bei mündlichen Verhandlungen".

Wird mit der Deckungsgleichheit Ernst gemacht, kann die Besprechungsgebühr keinesfalls durch bloße Informationsbeschaffung bei Dritten ausgelöst werden. Darauf deutet der Wortlaut des letzten Halbsatzes "mündliche oder fernmündliche Nachfrage" hin.

Dennoch entspricht es einer verbreiteten, allerdings vielfach zu widersprüchlichen Ergebnissen (vgl. z.B. OLG München AnwBl. 1983, 573) neigenden Kasuistik in der instanzlichen Rechtsprechung, dass die Information des Rechtsanwalts durch Dritte, selbst wenn sie im Lager des Mandanten stehen, die Besprechungsgebühr auslösen soll (vgl. die Nachw. bei Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO Rn. 8). Eine Einschränkung wird insoweit vorgenommen, als Bevollmächtigte des Mandanten oder dessen gesetzliche Vertreter nicht als "Dritte" gelten (vgl. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert aaO; Swolana/Hansens aaO; Göttlich/Mümmler/Braun/Rehberg aaO S. 1348; Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl. BRAGO § 118 Rn. 51; ähnlich Riedel/Süßbauer/Schneider aaO Rn. 37: "Personen, die im Auftrag des Auftraggebers handeln"). Vielfach wird auch der informierende Ehegatte nicht als Dritter gesehen (Riedel/Süßbauer/Schneider aaO; Hartmann aaO Rn. 52; Swolana/Hansens aaO).

Der Senat hat schon früher auf den Willen des Auftraggebers abgestellt. Ist dieser darauf gerichtet, dass die Person, die zusätzlich eingeschaltet wird, neben dem Auftraggeber oder an seiner Stelle den Rechtsanwalt informiert, so ist diese Person nicht Dritter (Senat JB 1994, 352). Es muss dem Willen des Mandanten entsprechen, dass der Rechtsanwalt in einer Besprechung mit dem Dritten auch die Interessen des Auftraggebers gerade diesem Dritten gegenüber wahrnimmt, wenn eine Besprechung im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO angenommen werden soll (Senat aaO). Daran hält der Senat fest.

b) Hinzu kommt folgendes:

Die Zuerkennung einer Besprechungsgebühr für die Informationsbeschaffung widerspricht dem im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Anliegen, dass die Informationsaufnahme und -verarbeitung einen eigenen einheitlichen Gebührentatbestand darstellt. Damit verträgt sich weder systematisch noch aus Gründen der Gerechtigkeit, für die Informationsaufnahme zwei Gebührentatbestände zu schaffen, nämlich je nachdem, ob Informant der Auftraggeber oder ein Dritter ist. Für diese Beurteilung spricht auch, dass die Informationsaufnahme zwar zu der wichtigsten Tätigkeit des Rechtsanwalts bei Mandatsbeginn gehört (vgl. Vollkommer, Anwaltshaftung Rn. 101), dass er aber nicht verpflichtet ist, eigene Nachforschungen zur Vervollständigung der Informationen zu betreiben (Vollkommer, aaO Rn. 112). Das gilt nur insoweit nicht, als der Rechtsanwalt im Informationsgespräch Hinweise auf Register oder Verfahrensakten erhält. Diese muss er beiziehen und/oder einsehen (Vollkommer, aaO Rn. 113). Diese bisweilen umfangreichen Recherchen lösen aber ebenfalls über die Geschäftsgebühr hinaus keine weitere Gebühr aus, was ganz unbestritten ist (vgl. nur Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO Rn. 5). Besprechungen und Verhandlungen mit Dritten lösen deshalb nur dann die Besprechungsgebühr aus, wenn es dem Gegenstand nach nicht um Informationserteilung geht, sondern darum, die Angelegenheit des Mandanten auf der Grundlage der erteilten Informationen weiter zu fördern.

c) Unter Anlegung dieses Maßstabs haben die beiden hier umstrittenen Gespräche die Besprechungsgebühr nicht ausgelöst.

aa) Das mit der Banksachbearbeiterin geführte fernmündliche Gespräch diente dazu, in Erfahrung zu bringen, aus welchem Grunde die Überweisung ausgeführt wurde, obwohl nach dem Gesellschaftsvertrag der Beklagte zu 2) nur gemeinsam mit einem weiteren Komplementär vertretungsberechtigt gewesen ist. Diese Information wurde wunschgemäß erteilt, löste aber nach dem Vorhergesagten keine Besprechungsgebühr aus.

Die Bitte des Rechtsanwalts Sch, die Bank möge ihren Einfluss auf den Beklagten zu 2) geltend machen und ihn zur Rücküberweisung des entnommenen Geldes veranlassen, löste ebenfalls keine Besprechungsgebühr aus, und zwar deshalb nicht, weil sich die Banksachbearbeiterin nach dem Vortrag des Klägers von vornherein auf eine diesbezügliche Besprechung nicht eingelassen hatte (vgl. Hartmann aaO Rn. 49 m.w.N.).

bb) Aber auch das fernmündliche Gespräch mit dem Steuerberater der beklagten Gesellschaft vermochte die Besprechungsgebühr nicht auszulösen, obwohl der Steuerberater nach bestrittener Darstellung des Klägers auf das Anliegen (Einflussnahme auf den Beklagten zu 2), um ihn zur Rücküberweisung zu veranlassen) eingegangen ist. Die Besprechungsgebühr konnte deshalb nicht anfallen, weil der Steuerberater im Lager der Auftraggeber gestanden hat. Ihm gegenüber hatte Rechtsanwalt Sch Interessen des Mandanten nicht wahrzunehmen. Die Besprechung mit dem Steuerberater war deshalb auch (noch) nicht geeignet, das Anliegen der Auftraggeber besonders zu fördern. Das konnte erst durch das Gespräch mit dem Beklagten zu 2) geschehen, dessen Führung der Steuerberater versprochen hatte und welches dann auch tatsächlich geführt worden sein soll. An diesem Gespräch war Rechtsanwalt Sch aber nicht beteiligt gewesen, was andernfalls eine Besprechungsgebühr hätte auslösen können (vgl. dazu Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, aaO Rn. 8)

2. Verzugsschaden/Zinsen

a) Soweit der Kläger aus abgetretenem Recht über zuerkannte 4% Zinsen aus dem (unangegriffen) zuerkannten Zahlbetrag (57.212,50 DM) weitere Verzugszinsen geltend macht, sind sie gemäß §§ 284 Abs. 1, 286, 288 Abs. 2 BGB a.F. begründet für die Zeit vom 28. November 1997 bis 30. April 1998. Der Kläger hat (von den Beklagten unangegriffen) dargelegt (vgl. GA 317f) , dass er im vorgenannten Zeitraum in Höhe eines die zuerkannte Forderung übersteigenden Betrags Zinsen und Überziehungszinsen wie folgt in Anspruch genommen hat:

 MonatÜberziehungszinsenÜberziehungszinsenHöhe der ÜberziehungRestforderungNormalzinsenNormalzinsenZinstagSumme
 v.H.-SatzDMDMDMv.H.-SatzDM DM
11/9714,25498,0841.943,5815.268,929,75124,062,0041,48
12/9714,50374,9431029,5226.182,9810,00218,1930,00593,13
01/9814,50379,1031.373,7925.838,7110,00215,3230,00594,42
02/9814,50345,1728.565,7928.646,7110,00238,7230,00583,89
03/9814,50330,2827.333,5229.878,9810,00248,9930,00579,27
04/9814,5330,2827.333,5229.878,9810,00248,9930,00579,27
Summe       2.971,46

b) Soweit der Kläger aus abgetretenem Recht darüber hinaus weiteren Zinsschaden (8% statt zuerkannter 4%) für die Zeit vom 01. Mai 1998 bis 24. Mai 1999 geltend macht, ist das Rechtsmittel unbegründet. Der Kläger hat die angekündigte Zinsbescheinigung trotz Bestreitens der Beklagten nicht vorgelegt.

3. Verzugsschaden/Kontoauszugsduplikate (444,00 DM)

Das Rechtsmittel ist insoweit unbegründet. Der Kläger hat schon nicht dargelegt, dass die von ihm vorgelegten fünf (!) Kontoauszüge (GA 317f) Kosten in der behaupteten Höhe vorgelegte Schreiben (GA 319) belegt einen solchen Kostenaufwand nicht, weil aus ihm eine genau beschriebene Leistung nicht hervorgeht. Der Senat hält es auch für ausgeschlossen, dass die Fertigung von fünf Kontoauszugsduplikaten einen derartigen Kostenaufwand verursacht haben könnte. Es gibt Kreditinstitute, die für derartigen Aufwand 20,- DM pro Duplikat berechnen. Der Kläger hat indessen eine Schätzungsgrundlage (vgl. § 287 ZPO) nicht dargetan.

Keiner Beantwortung bedarf darin mehr die Frage, warum Rechtsanwalt Sch Kontoinhaber Duplikate hat fertigen lassen, statt die ihm erteilten Auszüge (in Kopie) vorzulegen. Der Kläger als Zessionar hat auf deren Überlassung Anspruch (vgl. § 402 BGB).

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die von den Parteien erlittene Beschwer erreicht nicht den die Wertrevision eröffnenden Betrag von mehr als 60,000,00 DM; der Senat sieht auch keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 546 Abs. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert:

Zahlung 19.794,49 DM Mehrzinsen 28.11.1997 - 30.04.1998 (2.971,46 - 966,25) 2.005,21 DM Mehrzinsen 01.05.1998 - 24.05.1999 2.441,07 DM Kontoauszüge 444,00 DM Summe 24.689,77 DM

Ende der Entscheidung

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