Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.03.2001
Aktenzeichen: 24 U 178/00
Rechtsgebiete: BGB, VerbrKrG, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 145
BGB § 146
BGB § 151
BGB § 125
BGB § 126 Abs. 2
BGB § 126 Abs. 2 Satz 1
VerbrKrG § 4
VerbrKrG § 6
VerbrKrG § 6 Abs. 2
VerbrKrG § 1 Abs. 2
VerbrKrG § 12 Abs. 1
VerbrKrG § 3 Abs. 2 Nr. 1
VerbrKrG § 4 Abs. 1 Satz 1
VerbrKrG § 4 Abs. 1 Satz 2
VerbrKrG § 4 Abs. 1 Satz 3
AGBG § 10 Nr. 6
AGBG § 10 Nr. 1
AGBG § 9 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 178/00

Verkündet am 20. März 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2001 durch seine Richter Z, E und H-R

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. August 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob der Leasing-Vertrag aufgrund eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung oder aufgrund finanzieller Überforderung der Beklagten (§ 138 Abs. 1 BGB) nicht wirksam zustandegekommen ist; denn diese Rechtsfolge ergibt sich hier bereits daraus, daß der Leasing-Vertrag nicht das Formerfordernis der §§ 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG, 126 Abs. 2 Satz 1 BGB erfüllt. Der Senat braucht deshalb auch nicht der Frage nachzugehen, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten rechtswirksam die Kündigung des Leasing-Vertrages gemäß § 12 Abs. 1 VerbrKrG erklärt hat.

Die Beklagte ist aufgrund des Leasing-Vertrages vom 24. Juni/ 7. Juli 1993 nicht zu Zahlungen an die Klägerin verpflichtet, weil ihre Erklärung unwirksam ist.

1.

In zwischenzeitlich ständiger Rechtsprechung ist anerkannt (BGH vom 5. Juni 1996 - MDR 1996, 890 = NJW 1996, 2156; vom 10. Juli 1996 - MDR 1996, 1106 = NJW 1996, 2865; vom 25. Februar 1997 - NJW 1997, 1443; vom 30. Juli 1997 - MDR 1997, 1006 = NJW 1997, 3169; vom 11. März 1998 - NJW 1998, 1637) und vom 28. Juni 2000 - NJW 2000, 3133), dass

- ein Leasing-Vertrag als Kredit-Vertrag im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrKrG anzusehen ist,

- das Verbraucherkreditgesetz entsprechend auf den Schuldbeitritt eines Verbrauchers zu einem Kreditvertrag im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrKrG anzuwenden ist, und zwar unabhängig davon, ob der "Hauptschuldner" Verbraucher ist oder nicht.

Danach war das Verbraucherkreditgesetz jedenfalls analog auf den Vertrag mit der Beklagten, die keiner selbständigen oder gewerblichen Tätigkeit nachging, anwendbar (vgl. BGH NJW 2000, 3133, 3135).

Die Beklagte war auch nicht Bürge, sondern ausweislich der Vertragsurkunde "Leasingnehmer 2", also Vertragspartnerin des Leasing-Vertrages.

2. a)

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG bedarf ein Verbraucherkreditvertrag der Schriftform. Dies bedeutet, daß entweder eine die vertraglichen Abreden enthaltende Urkunde von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB) oder bei gleichlautenden Urkunden das jeweils für die andere Seite bestimmte Exemplar von einer Vertragspartei zu unterzeichnen war (§ 126 Abs. 2 Satz 2 BGB); die Unterschriften müssen dabei den gesamten Vertragstext abdecken (vgl. BGH vom 30. Juli 1997 - MDR 1997, 1006 = NJW 1997, 3169). Davon abweichend läßt § 4 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung vom 27. April 1993 eine getrennte schriftliche Erklärung von Angebot und Annahme zu.

b)

Diesen Anforderungen wurde die unterzeichnete Urkunde zwar insoweit gerecht, als beide Parteien den vollständigen Vertragstext unterzeichnet haben.

c)

Darüber hinaus ist es zur Erfüllung des Schriftformerfordernisses des § 126 Abs. 2 BGB aber notwendig, daß die formgerecht errichtete Urkunde der anderen Vertragspartei zugeht; es reicht nicht aus, daß die antragstellende Vertragspartei die Urkunde unterzeichnet, diese der Gegenseite übersendet, welche sie ihrerseits unterzeichnet, ohne wiederum ihre Erklärung formgerecht dem Antragenden zugehen zu lassen (BGH NJW 1962, 1388, 1389; Senat, Urteile vom 11. November 1997 - 24 U 219/96, n.v. und vom 4. Mai 1999, OLGR 2000, 91, 92; Schölermann/Schmid-Burgk, DB 1991, 1968, 1969; Bohner NJW 1992, 3135, 3137; Ulmer a.a.O. § 4 VerbrKrG Rdz. 22). Unzureichend ist dabei der Zugang einer Fotokopie der unterschriebenen Urkunde oder eines Auszuges aus dem Vertrag. Erforderlich ist vielmehr der Zugang der mit der Originalunterschrift versehenen Urkunde (neben dem oben Genannten vgl. auch BGH vom 30. Juli 1997 - MDR 1997, 1006 = NJW 1997, 3169 unter II. 2. b) bb)). Wie aus den unterschiedlichen Daten hervorgeht, ist die Urkunde nicht in Gegenwart sämtlicher Vertragspartner gleichzeitig unterzeichnet worden: Die bloße Unterzeichnung der Urkunde am 24. Juni 1993 durch die Beklagte reichte danach nicht aus.

d)

Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 27. April 1993 hat zwar insoweit eine Erleichterung gebracht, als Angebot und Annahme jeweils getrennt schriftlich erklärt werden können; auch bedarf die Annahmeerklärung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 VerbrKrG in der genannten Fassung unter den dort genannten Umständen nicht mehr der Unterzeichnung; an der Zugangsbedürftigkeit der Annahmeerklärung (§ 130 BGB) hat sich jedoch durch die Neufassung nichts geändert. Eine derartige Annahmeerklärung ist an die Beklagte nicht übersandt worden, und die Vorlage im Prozeß ist verspätet (§ 148 BGB, I Satz 2 der Leasing-Bedingungen der Klägerin).

Allerdings ist in I Satz 3 der Leasing-Bedingungen vorgesehen, daß der Leasing-Vertrag abgeschlossen ist, wenn die Klägerin ihn annimmt oder die Leasingnehmer den Leasinggegenstand übernommen haben. Außerdem verzichteten die Leasingnehmer auf den Zugang der Annahmeerklärung. Die zuletzt genannte Klausel findet sich auch unmittelbar vor der Unterschriftszeile auf dem Leasing-Vertragsformular.

Diese Klauseln sind jedoch im Verhältnis zur Beklagten unwirksam.

aa)

Allerdings wird es vielfach unter Hinweis auf eine Äußerung in der Gesetzesbegründung sowie auf die Bedürfnisse eines Massengeschäftes für zulässig angesehen, daß bei Verbraucherkrediten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf das Erfordernis des Zugangs der Annahmeerklärung verzichtet werden kann (vgl. Münstermann/Hannes, § 4 VerbrKrG Rdz. 193; Graf von Westphalen, 2. Aufl., § 4 VerbrKrG Rdz. 30-38 m.w.N.; Ulmer a.a.O.. § 4 VerbrKrG Rdz. 23; Seibert in DB 1991, 430; Godefroid in BB 1994, Beilage 6, Seite 17; kritisch Schölermann a.a.O.; a.A. Kessler, § 4 VerbrKrG Rdz. 29).

bb)

Dabei wird jedoch übersehen (anders nur Schölermann a.a.O.), daß Rechtsprechung und Literatur einen Zugangsverzicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich für unzulässig halten. Dies wird mit zwei Erwägungen begründet:

Zum einen kehrt ein Zugangsverzicht die Regel des Zugangserfordernisses, die durch die Vorschrift des § 151 BGB nur in Ausnahmefällen durchbrochen wird, um und weicht daher von dem Grundgedanken des Rechts ab; aus diesem Grunde hat bereits das OLG Hamm (Urteil vom 14. März 1986 - NJW-RR 1986,- 927 unter 3. b)) eine entsprechende Klausel in einem Leasing-Vertrag für unwirksam gehalten. Die Literatur verweist zudem auf § 10 Nr. 6 AGBG, dem sich entnehmen lasse, daß der Zugang wichtiger Erklärungen - entgegen Graf von Westphalen (a.a.O.) handelt es sich bei der Annahmeerklärung um eine solche (BGH . vom 24. März 1988 - MDR 1988, 649 = NJW 1988, 2106) - vom Gesetzgeber als unverzichtbar angesehen werde (Ulmer/Brandner/ Hensen, AGBG, 8. Aufl. § 10 Nr. 10 Rdz. 1; Basedow in MünchKomm./BGB, a.a.O. § 10 AGBG Rdz. 67; Wolf/Horn/Lindacher AGBG, 3. Aufl., § 9 Rdz. V 15; § l0 Nr. 6 Rdz. 17).

Zum anderen verstößt die Klausel gegen den Rechtsgedanken des § 10 Nr. 1 AGBG. Eine Bindungsfrist war zwar vereinbart. Die Klägerin konnte den Vertrag daher nur innerhalb einer bestimmten Frist annehmen (§ 148 BGB); bis dahin war die Beklagte an ihren Antrag gebunden, §§ 145, 146 BGB. Ob und wann der Vertrag zustandekam und wie lange sie an ihr Angebot gebunden war, war für sie nicht einmal bestimmbar, weil zur Einhaltung der Frist ein Ereignis genügen sollte - die Unterzeichnung der Urkunde durch die Klägerin (wenn die Klägerin "ihn annimmt") -, das allein in der Kenntnissphäre des Verwenders lag. Die Beklagte blieb über den Fristablauf hinaus im Ungewissen, ob der Vertrag zustandegekommen war oder nicht.

Der Bundesgerichtshof hat sogar eine Klausel, derzufolge für die Einhaltung der Bindungsfrist die Aushändigung des Annahmeschreibens an die Post ausreichte, mit Zustimmung der Literatur für unwirksam gehalten (BGH MDR 1988, 649 = NJW 1988, 2106 unter II. 2.; Ulmer/Brandner/ Hensen a.a.O. § 10 Nr. 1 Rdz. 8; Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O. § 10 Nr. 6 Rdz. 18 f.). Dem tritt der Senat für den hier zu entscheidenden Fall bei, weil die Klägerin die Annahmeerklärung nicht einmal in den Verkehr zu geben brauchte.

Erheblichen Bedenken begegnet auch die weitere Alternative unter I. der Leasing-Bedingungen, nach der der Vertrag bereits abgeschlossen sein soll, wenn .... die Leasingnehmer den Leasinggegenstand übernommen haben. In diesem Falle käme es sogar ohne Annahme zum Vertrag. Dies erscheint mit § 4 VerbrKG nicht vereinbar.

Ob eine Klausel zulässig wäre, derzufolge sich der Verwender zum Ausgleich für einen Zugangsverzicht zur unverzüglichen Mitteilung über die Annahme oder deren Verweigerung verpflichtet (vgl. Schölermann a.a.O.; anders jedoch der Sache nach BGH MDR 1988, 649 = NJW 1988, 2106; dafür dürfte seit dem 1. Mai 1993 infolge der Einführung des § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 VerbrKrG kein Bedürfnis mehr bestehen), kann offenbleiben, da die AGB der Klägerin eine derartige Verpflichtung nicht vorsehen. Die Klägerin versprach nicht einmal die Zusendung einer gesonderten Kreditbestätigung. Jedenfalls ohne eine Verpflichtung zur unverzüglichen Zusendung eines Annahmeschreibens verstieß ein Zugangsverzicht gegen § 9 Abs. 1 AGBG (Senat im Urteil vom 4. Mai 1999 - 24 U 44/98 -, OLGR 2000, 91, 92). Dafür spricht auch Anhang 2. Klauseln a) und b) der EU-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln, die einen Zugangsverzicht für bestimmte Mitteilungen nur dann gestatten, wenn sich der Verwender zur unverzüglichen Mitteilung verpflichtet.

3.

Folge dieses Mangels ist die Unwirksamkeit der Schuldbeitrittserklärung der Beklagten, § 125 BGB. § 6 VerbrKrG ist im Hinblick auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 VerbrKrG auf einen Leasing-Vertrag nicht anwendbar (übersehen von BGH vom 30. Juli 1997 - MDR 1997, 1006 = NJW 1997, 3169 unter II. 2. c)). Eine Heilung nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG durch Invollzugsetzung des Vertrages ist daher nicht erfolgt. Im übrigen würde eine Heilung allein im Verhältnis zu der Vertragspartei erfolgen, an die die Leistung erfolgte (BGH MDR 1997, 1006 = NJW 1997, 3169 unter II. 2. c)); dies war nicht die Beklagte, sondern ihr damaliger Ehemann.

4.

Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis stehen der Klägerin ebenfalls nicht zu. Die Nutzung des Fahrzeuges erfolgte durch den damaligen Ehemann der Beklagten. Eine Nutzung der Beklagten selbst hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin weder dargetan noch unter Beweis gestellt. Die alleinige Nutzung durch den damaligen Ehemann der Beklagten entsprach auch den Vorstellungen der Vertragsparteien, da nach dem Vorbringen beider Parteien der Beitritt der Beklagten als "2. Leasingnehmer" lediglich zwecks Absicherung der klägerischen Ansprüche gegen den damaligen Ehemann der Beklagten erfolgte.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlaß, die Revision zuzulassen.

Streitwert für die Berufungsinstanz,

zugleich Höhe der Beschwer für die Klägerin: 26.267,64 DM.

Ende der Entscheidung

Zurück