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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.05.1999
Aktenzeichen: 24 U 77/98
Rechtsgebiete: GVG, ZPO, VVG


Vorschriften:

GVG § 23 Nr. 2a)
ZPO § 10
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 1
VVG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 77/98 5 O 311/97 LG Krefeld

Verkündet am 18. Mai 1999

... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 1999 durch seine Richter B, T und

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 13. Februar 1998 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer zum Geschäftsbetrieb innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt als Sachversicherer wegen der aufgrund eines Brandfalles entstandenen Schadensbeseitigungskosten und des Mietzinsausfalls Rückgriff gegen den Beklagten. Letzterer hatte von der Versicherungsnehmerin der Klägerin eine Wohnung angemietet; zu den von ihm zu tragenden Nebenkosten zählen nach § 4 Nr. 2a) des Mietvertrages auch die Kosten der Sachversicherung.

Am 30.12.1995 kam der damals 29jährige Beklagte nach eigenen Angaben gegen 0.00 Uhr nach Hause und begab sich zu Bett. Am folgenden Morgen rauchte er im Bett eine Zigarette und verließ zwischen 6.OO Uhr und 6.30 Uhr seine Wohnung. Kurz nach 9.00 Uhr wurde von einem Dritten ein Brand in der Wohnung gemeldet. Dem im Ermittlungsverfahren 10 Js 119/96 StA Krefeld eingeholten Gutachten des Sachverständigen L vom 18.03.1996 zufolge ist der Brandherd in oder auf dem Bett, vermutlich verursacht durch glühende Teile von Zigaretten, zu suchen.

Die Klägerin hat den von ihrem Versicherungsnehmer angemeldeten Schaden (Gebäudeschaden, Abbruch- und Aufräumungskosten, Mietausfall) ersetzt. Sie hat die Auffassung vertreten, durch das Rauchen im Bett habe sich der Beklagte grob fahrlässig verhalten und daher beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 65.596,26 DM nebst 7 % Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheides (d.i. der 12.07.1997) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er hafte aufgrund des Regreßverzichtsabkommens der Feuerversicherer nur für grobe Fahrlässigkeit Diese habe jedoch nicht vorgelegen. Er sei frühzeitiges Aufstehen gewöhnt und am Morgen des 30.12.1995 bereits hellwach gewesen.

Das Landgericht hat der Klage - mit Abstrichen bei der Zinsforderung - stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, auf Grund des Regreßverzichtsabkommens zwischen der Klägerin und der Versicherung des Beklagten komme eine Haftung zwar nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten in Betracht. Rauchen im Bett sei jedoch grundsätzlich grob fahrlässig. In dem entspannten Zustand sei die Gefahr besonders groß, daß unbemerkt glimmende Teile der Zigarette auf die leicht brennbare Matratze falle. Dies gelte auch bei einer Morgenzigarette; die Gefahr des Wiedereinschlafens sei insbesondere angesichts des nur kurzen Schlafs nicht ausgeschlossen gewesen.

Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten. Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens vertritt er weiterhin die Auffassung, er habe nicht grob fahrlässig gehandelt, und beantragt daher, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und erläutert ihre erstinstanzliche Meinung, das Verhalten des Beklagten sei als grob fahrlässig einzustufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen. Die Akte 10 Js 114/96 StA Krefeld war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Der Beklagte ist der Klägerin nicht zu Schadensersatzleistungen aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG) seines Vermieters, sei es aus Vertrag, sei es aus unerlaubter Handlung, verpflichtet.

I.

Ob das Landgericht die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Krefeld gemäß § 23 Nr. 2a) GVG mißachtet hat, ist in der Berufungsinstanz nicht zu prüfen, § 10 ZPO.

II.

Der Klägerin kann entgegen der Auffassung des Landgerichts keinen Rückgriff bei dem Beklagten nehmen.

1.

Die Parteien sind sich zu Recht darüber einig, daß der Klägerin ein auf sie übergegangener Anspruch aus Verletzung des Mietvertrages und unerlaubter Handlung nur dann zusteht, wenn der Beklagte grob fahrlässig den schadensverursachenden Brand gelegt hat.

Dies ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1996, 715), der der Senat gefolgt ist (NJW-RR 1998, 1155), bereits daraus, daß der Beklagte ausweislich des Mietvertrages (§ 9 Nr. 2a)) - anteilig - die Kosten der Sachversicherung zu tragen hatte und daher erwarten durfte, entsprechend einer von ihm selbst abgeschlossenen Sachversicherung abgesichert zu sein und nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit (§ 61 VVG) selber den Schaden tragen zu müssen.

Ob sich dies auch aus einer Einbeziehung des Sachersatzinteresses des Mieters in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages ergibt (so Armbrüster r + s 1998, 221 m.w.N. auch zur gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs), kann offenbleiben.

2.

Die Klägerin hat jedoch nicht nachgewiesen, daß der Beklagte den Brand vorsätzlich oder grob fahrlässig gelegt hat. Da den Versicherer die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. Armbrüster r + s 1998, 221, 222 m.w.N.; OLG Hamm r + s 1998, 314; so auch Senat a.a.O.), geht dies zu Lasten der Klägerin.

a) Eine vorsätzliche Brandverursachung wirft auch die Klägerin dem Beklagten nicht vor. Dafür ergeben sich auch weder aus ihrem Vortrag noch aus der beigezogenen Ermittlungsakten Anhaltspunkte

b) Grob fahrlässig ist ein Verhalten, wenn der Schadensverursacher die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer acht läßt und das nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müßte; sein Verhalten muß auch subjektiv unentschuldbar sein.

Gemessen an diesen Kriterien kann im konkreten Falle das Rauchen im Bett nicht als grob fahrlässig angesehen werden. Der Senat ist ebenso wie das OLG Hamm (VersA 1989, 1256) der Auffassung, daß das Rauchen im Bett nicht stets als grob fahrlässig anzusehen ist, sondern es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.

Allerdings spricht vieles dafür, ein derartiges Verhalten im Zustande der Übermüdung, insbesondere als "Einschlafzigarette", als grob fahrlässig einzustufen. Die Gefahr, daß der Raucher dabei einschläft und die Zigarettenglut unbemerkt Textilien in Brand steckt, ist jedem einsichtig (vgl. OLG Köln r + s 1994, 24; so wohl auch die Fallgestaltung LG Duisburg VersA 1985, 827).

Eine solche Situation lag jedoch nicht nachweisbar vor. Der Beklagte hat unwiderlegbar vorgetragen, er habe sich - erst am frühen Morgen des 30.12.1995 - nach dem Aufwachen eine Zigarette angesteckt. Der Brand ist also nicht durch eine vor Einschlafen angezündete Zigarette entstanden; abgesehen davon, daß dies auch die Klägerin nicht behauptet, spricht der lange Zeitraum zwischen dem Schlafengehen und der Entdeckung des Brandes am nächsten Morgen gegen 9.00 Uhr dagegen.

Das Landgericht meint, der Aufstehende befinde sich "noch in einem Zustand verminderter Kreislauftätigkeit"; die Gefahr des Wiedereinschlafens sei nicht ausgeschlossen. Diese Bedenken sind nicht generell von der Hand zu weisen. Jedoch ist nicht feststellbar, daß derartige Tatsachen vorlagen. Der Beklagte behauptet, er sei "hellwach" gewesen und nicht wieder eingeschlafen. Die Klägerin versucht vergeblich das Gegenteil unter Hinweis auf die späte Rückkehr des Beklagten in seine Wohnung gegen Mitternacht darzutun. Ob sich jemand beim Aufstehen gegen 6.00 Uhr morgens "hellwach" oder nur "im Zustand verminderter Kreislauftätigkeit" befindet, hängt zu stark vor den Umständen des Einzelfalls (Alter, Aufstehgewohnneiten, Gesundheitszustand, psychische Verfassung, Witterung) ab, als daß sich allein aus der Mitteilung des Einschlafzeitpunktes und der Schlafdauer allgemeine Rückschlüsse ziehen ließen. Mit einem von der Klägerin beantragten Sachverständigengutachten läßt sich nicht mehr nachweisen, daß der Beklagte (damals 29jährig) am Morgen des 30.12.1995 noch schlaftrunken gewesen sein muß.

Das Landgericht weist allerdings zu Recht darauf hin, daß das Rauchen im Bett deshalb Gefahren mit sich bringt, weil glimmende Teile schnell an oder in leicht entflammbare Textilien (Bettzeug, Matratze) geraten könne. Diese Gefahr ist - für sich betrachtet - jedoch nicht derart groß, daß das Rauchen im Bett von vorneherein als grobe Vernachlässigung der Sorgfaltspflichten anzusehen wäre. Eine derartige Gefahr ist auch an vielen anderen Orten je nach Material vorhanden. (Sessel, Fauteuils, Teppichboden). Das Bett ist auch nicht sofort in Flammen aufgegangen; selbst wenn der Beklagte nach dem Aufstehen sich nicht gewaschen und nicht gefrühstückt haben sollte, muß zwischen dem Verlassen des Bettes und dem Verlassen der Wohnung einige Zeit vergangen sein, so daß er es bemerkt haben müßte, wenn das Bett in offenen Flammen gestanden hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die betroffene Stelle einige Zeit "nur" geglimmt hat und das Bett erst nach einiger Zeit in offene Flammen aufgegangen ist. Der Beklagte hat im übrigen auch den Aschenbecher benutzt, wie sich daraus ergibt, daß der im Ermittlungsverfahren eingeschaltete Sachverständige L neben dem Bett einen Aschenbecher mit 4 Kippen vorgefunden hat.

Unter diesen Umständen vermag es der Senat nicht als grob fahrlässig anzusehen, wenn dem Beklagten unbemerkt glimmende Teile auf das Bett gelangt sind und dieser vor Verlassen der Wohnung nicht oder nicht intensiv genug Nachschau gehalten hat.

III

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Da die Beschwer der Klägerin 60.000,00 DM übersteigt, bedarf es einer Entscheidung des Senats über die Zulassung der Revision nicht, § 546 Abs. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert: 65.546,26 DM.

Ende der Entscheidung

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