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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.05.2001
Aktenzeichen: 24 W 25/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 319
ZPO § 319 Abs. 3 1. Alt.
ZPO § 319
ZPO § 319 Abs. 1
ZPO § 99 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 107
ZPO § 91
GKG § 25 Abs. 2 Satz 9
GKG § 25 Abs. 2
GKG § 25 Abs. 2 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

24 W 25/01

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z, T und RH am 16. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - vom 28. Februar 2001 aufgehoben.

Auf Antrag des Beklagten vom 3. Juli 2000 wird die Kostenentscheidung des am 25. April 2000 verkündeten Urteils der Einzelrichterin des Landgerichts Düsseldorf - 8 O 338/99 - wie folgt geändert:

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 70,7 % und der Beklagte zu 29,3 %.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

Gründe:

I.

Der Kläger nahm den Beklagten auf Zahlung von Anwaltshonorar in Höhe von 10.225,90 DM in Anspruch. Durch Urteil des Landgerichts vom 25. April 2000 wurde der Beklagte zur Zahlung von 2.999,03 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger zu 26 % und dem Beklagten zu 74 % auferlegt. In dem Urteil ist der Streitwert unter Annahme von Hilfsaufrechnungen auf DM festgesetzt worden.

Am 3. Juli erhob der Beklagte gegen die Festsetzung des Streitwerts Beschwerde mit dem Ziel, den Wert auf 10.225,40 DM festzusetzen. Zugleich beantragte er, die Kostenentscheidung auf der Grundlage des abgeänderten Streitwerts dahin zu berichtigen, dass der Kläger 70,7 % und er selbst 29,3 % zu tragen hätten.

Am 10. August 2000 hat der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Durch Beschluss vom 29. August 2000 hat das Landgericht der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Durch Beschluss vom 18. September 2000 (24 W 53/00 - MDR 2001, 113) hat der Senat der Streitwertbeschwerde in vollem Umfang stattgegeben. Zur Entscheidung über den ihm nicht angefallenen Berichtigungsantrag hat der Senat die Sache an das Landgericht zurückgegeben.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2000 hat der Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts unselbständige Anschlussberufung eingelegt. Am 18. Dezember 2000 hat der Kläger die Berufung zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2001 hat der Beklagte eine Entscheidung des Landgerichts über seinen Berichtigungsantrag begehrt. Der Kläger hat sich mit der beantragten Berichtigung einverstanden erklärt.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Berichtigungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, es liege kein Fall des § 319 BGB vor. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde des Beklagten ist zulässig und begründet. Antragsgemäß war die Kostenentscheidung abzuändern.

1.

Die Beschwerde des Beklagten ist zulässig.

Zwar findet gemäß § 319 Abs. 3 1. Alt. ZPO gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung des Urteils zurückgewiesen wird, kein Rechtsmittel statt. Grundsätzlich erfolgt nämlich bei Ablehnung der beantragten Berichtigung die Anfechtung nur zusammen mit derjenigen des Urteils. Abgesehen davon, dass dies im vorliegenden Fall wegen des Eintritts der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils vor Erlass der die Berichtigung ablehnenden Entscheidung des Landgerichts nicht möglich war, ist nach weit verbreiteter Meinung, der sich der Senat anschließt, die einfache Beschwerde ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Ablehnung zur aus prozessualen Gründen erfolgt ist und keine sachliche Entscheidung über den Antrag enthält (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 319 Rdnr. 27; Baumbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 319 Rdnr. 35).

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Berichtigungantrag ist vom Landgericht ohne sachliche Überprüfung der im Urteil vom 25. April 2000 getroffenen Kostenentscheidung abgelehnt worden. Das Landgericht hat sich nicht mit der Frage befasst, ob der vom Senat durch Beschluss vom 18. September 2000 anderweitig festgesetzte Streitwert eine Änderung der Kostenentscheidung rechtfertigt. Vielmehr hat das Landgericht die unmittelbare oder entsprechende Anwendbarkeit von § 319 ZPO grundsätzlich verneint, wenn eine rechtskräftige Kostenentscheidung im Falle nachträglicher Streitwertänderung unrichtig wird.

2.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

In entsprechender Anwendung von § 319 Abs. 1 ZPO ist die Kostenentscheidung im Urteil vom 25. April 2000 dahin abzuändern, dass der Kläger 70,7 % und der Beklagte 29,3 % tragen.

a)

Dem Landgericht ist zuzugeben, dass eine unmittelbare Anwendung von § 319 ZPO auf Fälle der nachträglichen Unrichtigkeit einer Kostenentscheidung infolge einer geänderten Streitwertfestsetzung nicht in Betracht kommt. Denn die zunächst getroffene Kostenentscheidung stellt nicht eine Schreibfehlern und Rechnungsfehlern vergleichbare offenbare Unrichtigkeit des Urteils dar. Davon könnte allenfalls die Rede sein, wenn die Streitwertfestsetzung auf einem aus dem Urteil erkennbaren Rechenfehler beruht und es dadurch zu einer unrichtigen Kostenentscheidung gekommen ist (vgl. OLG Düsseldorf, 9. ZS, OLGR 1997, 291). Denn nur in diesem Fall weicht die Willenserklärung des Gerichts von seiner Willensbildung ab. Zwar ist auch dann die mit dem falschen Streitwert übereinstimmende Kostenentscheidung für sich gesehen nicht offenbar unrichtig. Ihr liegt aber eine im Sinne von § 319 Abs. 1 ZPO offenbar unrichtige Bezugsgröße, nämlich der unrichtige Streitwert zugrunde.

b)

Ob § 319 Abs. 1 ZPO in Fällen nachträglicher Unrichtigkeit der Kostenentscheidung aufgrund geänderter Streitwertfestsetzung entsprechend anzuwenden ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

aa)

Zunächst wird die Auffassung vertreten, im Falle einer rechtskräftigen Kostenentscheidung dürfe der Streitwert nachträglich nicht verändert werden, weil die Kostenentscheidung dadurch unrichtig würde. Auf diese Weise soll der Schein einer richtigen Kostenentscheidung erhalten werden (vgl. BGH. MDR 1977, 925 mit abl. Anm. Schneider; OLG Düsseldorf 9. ZS a.a.O. und OLGA 1992, 278 = NJW RR 1992, 1532; vgl. auch die Nachweise bei Schneider/Herget Streitwertkommentar 11. Aufl., Rdnr. 4162). Auch der erkennende Senat hat sich dieser Auffassung in früheren Entscheidungen angeschlossen (Beschlüsse vom 20.04.1998 - 24 W 23/98 - und vom 27.07.1992 - 24 W 55/89 - jeweils nicht veröffentlicht).

Ob daran festzuhalten ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil der Senat im vorliegenden Rechtsstreit den Streitwert schon anderweitig festgesetzt hat, als die Entscheidung in der Hauptsache und mit ihr die Kostenentscheidung noch nicht rechtskräftig geworden waren.

Ebensowenig kann offenbleiben, ob eine Streitwertberichtigung auf Antrag oder von Amts wegen jedenfalls dann zulässig ist, wenn der Streitwert ermäßigt wird, weil es dadurch - absolut gesehen - zu einer Verminderung der Kostenbelastung für jede der Prozessparteien kommt, mag sich auch das der Kostenentscheidung zugrundegelegte Verhältnis des beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens dadurch mit der Folge eines relativen Nachteils für eine Prozesspartei, verschoben haben (OLG Düsseldorf, 9. ZS, NJW 1990, 844; OLGA 1992, 279; als unzureichend abgelehnter von Schneider/Herget a.a.O.).

bb)

Indessen muss nach ganz überwiegender Auffassung auch eine Kostenentscheidung, die sich im Nachhinein als falsch erwiesen hat, bestehen bleiben, weil sie gemäß § 99 Abs. 1 ZPO unanfechtbar ist. Dies wird überwiegend von derjenigen vertreten, die es für notwendig halten, die fehlerhafte Streitwertfestsetzung ohne Rücksicht auf die Kostenentscheidung des Urteils zu berichtigen (vgl. die Nachweise bei Schneider/Herget a.a.O.).

Demgegenüber kann nach anderer Auffassung der Kostennachteil durch die Streitwertänderung auf Beschwerde in der Regel durch eine weitherzige Auslegung des § 319 ZPO berichtigt werden (vgl. OLG Frankfurt NJW 1970, 936; OLG Düsseldorf, 19. ZS, OLGR 1992, 136 = NJW-RR 1992, 1907; wohl auch OLG Koblenz MDR 2000, 113; zustimmend Markl GKG, 4. Aufl., § 25 Rdnr. 27; Zöller/Herget a.a.O., § 91 Rdnr. 13 "Berichtigung"; Zöllen/Vollkommen, a.a.O. § 319 Rdnr. 18; Baumbach-Hartmann, a.a.O. § 319 Rdnr. 5; Hartmann, Kostengesetze 30. Aufl., GKG, § 25 Rdnr. 40).

cc)

Dieser Auffassung ist zu folgen. Der Senat hält die entsprechende Anwendung von § 319 ZPO für geboten, weil die gesetzlichen Regelungen lückenhaft sind. Es ergibt sich ein Widerspruch zwischen dem Verbot, eine Kostenentscheidung isoliert anzufechten (§ 99 Abs. 1 ZPO), und der Zulässigkeit anderweitiger Streitwertfestsetzung innerhalb der von § 25 Abs. 2 Satz 9 niedergelegten Sechsmonatsfrist, beginnend mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache.

Dieser Widerspruch kann nicht allein dadurch aufgelöst werden, dass eine anderweitige Streitwertfestsetzung im Falle einer rechtskräftigen Kostenentscheidung abgelehnt wird (vgl. BGH MDR 1977, 925; OLG Düsseldorf, 9. ZS, OLGR 1992, 278). Da mit der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache auch die Rechtskraft der Kostenentscheidung verbunden ist, wäre die Sechsmonatsfrist des § 25 Abs. 2 Satz 9 GKG in allen Fällen einer Kostenentscheidung nach § 92 Abs. 1 ZPO gegenstandslos und behielte nur Bedeutung für Fälle des vollständigen Obsiegens einer Partei mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO. Gleichgültig, ob man eine Streitwertminderung nach § 25 Abs. 2 GKG für unzulässig hält oder ohne Rücksicht auf mögliche Auswirkungen auf die Kostenentscheidung zulässt, es wird stets eine Ungerechtigkeit in Kauf genommen, nämlich ein sachlich unzutreffender Streitwert oder eine sachlich unrichtige Kostenentscheidung. Es ist deshalb geboten, sowohl zu einer richtigen Streitwertfestsetzung als auch zu einer richtigen Kostenentscheidung zu gelangen.

Stellt sich heraus, dass ein endgültig festgesetzter Wert sachlich unrichtig ist, so muss er geändert werden, solange die hierfür vorgesehene Frist des § 25 Abs. 2 Satz 4 GKG noch nicht abgelaufen ist. Von der Höhe des Streitwerts hängen u.a, die den Rechtsanwälten zu zahlenden Gebühren ab, so dass der Gebührenwert materiell-rechtliche Auswirkungen hat. Das Interesse der Rechtsanwälte grundsätzlich geringer zu werten als die Kostenbelastung der Parteien, stellt einen auch verfassungsrechtlich nicht unbedenklichen Eingriff in die Berufsausübung der Rechtsanwälte dar (vgl. Markl, a.a.O. Rdnr. 37).

Ebensowenig ist zu rechtfertigen, dass eine bei richtigem Streitwert unrichtige Kostenentscheidung aufrechterhalten werden muss. Vielmehr ist es dann Aufgabe der Gerichte, die durch eine gebotene Streitwertänderung nachträglich fehlerhaft gewordene Grundlage für die Kostenentscheidung in eine richtige umzuwandeln. Wenn nämlich wie im vorliegenden Fall das Urteil die Parteien des Rechtsstreits quotenmäßig mit den Kosten belastet, so beruhen die Kostenquoten - von gegebenenfalls zu berücksichtigenden Nebenforderungen abgesehen - auf dem Verhältnis, in dem die Parteien hinsichtlich des mit dem Gegenstandswert bewerteten Streitgegenstands obsiegt haben oder, unterlegen sind. Wird demgemäß der Streitwert abgeändert, erweisen sich die Kostenquoten (nunmehr) als offenbar unrichtig und sind nach Maßgabe der Streitwerterhöhung oder -ermäßigung und des sich daraus ergebenden veränderten Verhältnisses des Obsiegens und Unterliegens zu korrigieren (vgl. OLG Düsseldorf, 19. ZS a.a.O.).

Die Parteien können regelmäßig auf eine solche Verfahrensentwicklung keinen oder nur geringen Einfluss nehmen. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall: Der zu nur verhältnismäßig geringer Zahlung verurteilte Beklagte hatte keine Veranlassung, das Urteil selbständig mit der Berufung anzugreifen. Denn die vom Landgericht berücksichtigten Hilfsaufrechnungen waren für ihn nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung, selbst wenn er den ihm auferlegten Kostenanteil von 74 % berücksichtigte. Demgemäß hielt, es der Beklagte - aus seiner Sicht wirtschaftlich vernünftig - für angeraten, Streitwertbeschwerde zu erheben und einen Berichtigungsantrag zu stellen. Erst als der Beklagte das wirtschaftliche Risiko eines Rechtsmittels gegen das Urteil des Landgerichts als gering einstufen konnte, weil der Senat den Streitwert deutlich niedriger festgesetzt hatte, bestand für ihn Anlass, unselbständige Anschlussberufung einzulegen.

Der Kläger wiederum hatte keinen Grund, das Rechtsmittel nur deshalb durchzuführen, um dem Beklagten u.a. zu einer günstigeren Kostenentscheidung zu verhelfen. Dazu bestand um so weniger Veranlassung, als der Kläger aufgrund der unselbständigen Anschlussberufung das vollständige Unterliegen im Rechtsstreit befürchten musste.

Da es aber für die Handhabung solcher Fälle eine unmittelbar anwendbare Vorschrift - wie etwa § 107 ZPO für das Kostenfestsetzungsverfahren - nicht gibt, bietet sich die sinngemäße Anwendung von § 319 ZPO an, um die Gesetzeslücke in angemessener Weise zu schließen. Das Verfahrensrecht ist nicht um seiner selbst Willen da, sondern es hat die Aufgabe, die Durchsetzung sachlicher Ansprüche zu ermöglichen. Zeigt sich wie hier eine Lücke im Verfahrensrecht, die zu ungerechten Ergebnissen führt, ist es Aufgabe der Gerichte, diese Lücke in angemessener Weise zu schließen (so zutreffend Markl, a.a.O.). Dies lässt sich auch insoweit noch mit § 319 ZPO in Einklang bringen, als sich die ursprünglich ausgeurteilten Kostenquoten nunmehr als offenbar unrichtig erweisen. Rechnerisch ergibt sich aus der geänderten Streitwertfestsetzung ein anderes Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens.

c)

Dass sich der Kläger mit einer Anpassung der Kostenentscheidung einverstanden erklärt hat, ist zwar rechtlich unerheblich, weil die Kostenentscheidung nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegt, zeigt aber, dass auch ihm die von dem Beklagten beantragte Kostenquote gerechter erscheint.

d)

Da der Beklagte auf der Grundlage des Streitwerts von 10.225,40 DM die Kostenquote mit 70,7 % (Kläger) und 29,3 (Beklagter) berechnet hat, war seinem Berichtigungsbegehren in vollem Umfang zu entsprechen.

e)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Beschwerdewert: 2.970,31 DM.

Ende der Entscheidung

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