Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: 2a Ss 338/00 - 84/00 II
Rechtsgebiete: BtmG, StGB


Vorschriften:

BtMG § 31 Nr. 1
StGB § 49 Abs. 2
Leitsatz:

Die Möglichkeit der Strafmilderung nach § 31 Nr. 1 BtmG ist nicht davon abhängig, ob das Aussageverhalten des Täters von Schuldeinsicht und Reue oder auch nur von einer altruistischen Aufklärungsmotivation getragen ist; vielmehr ist allein Art, Umfang und Gewicht des objektiven Aufklärungserfolgs maßgeblich.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2a Ss 338/00 - 84/00 II 152 Js 60/00 StA Duisburg

In der Strafsache

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz u.a.

hat der 2. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S..., den Richter am Oberlandesgericht B... und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. R... am

13. Dezember 2000

auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 71. kleinen Strafkammer des Landgerichts Duisburg vom 8. August 2000 nach Anhörung des Beschwerdeführers und der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Dinslaken hat den Angeklagten durch Urteil vom 4. Mai 2000 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von einem Jahr für deren Neuerteilung angeordnet. Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten ist durch das angefochtene Urteil der 71. kleinen Strafkammer des Landgerichts Duisburg verworfen worden.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg. Das zulässige und begründete Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

I.

Das Landgericht hat aufgrund der zum Schuldspruch in Rechtskraft erwachsenen Feststellungen des Amtsgerichts für erwiesen erachtet, daß der Angeklagte den Zeugen Ö... auf dessen Veranlassung mit einem zu diesem Zweck angemieteten Pkw in die Niederlande fuhr, damit der Zeuge dort Drogen erwerben konnte. Nachdem man die durch den Zeugen Ö... in den Niederlanden im Beisein des Angeklagten gekauften Betäubungsmittel auf der Fahrerseite des Mietwagens im Fußraum verstaut hatte, chauffierte der Angeklagte den Zeugen Ö... über die Grenze ins Bundesgebiet. Bei einer anschließenden Kontrolle des Pkw durch Beamte des Hauptzollamtes Duisburg auf dem Gelände der Raststätte H widersetzte sich der Angeklagte seiner Festnahme durch Schläge und Tritte gegen die einschreitenden Beamten.

Das Landgericht hat sich bei der Bemessung der Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz zu Gunsten des Angeklagten an dem für minder schwere Fälle geltenden Strafrahmen des § 30 Abs. 2 BtMG orientiert und hierzu ergänzend folgendes ausgeführt:

"Eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 31 BtMG hat die Kammer nicht vorgenommen. Der Angeklagte hat zwar den anderweitig verfolgten Ö... belastet und dadurch über seinen eigenen Tatbeitrag hinausgehende Angaben gemacht. Diese Angaben des Angeklagten sind aber von seinem Bestreben geprägt, das Gewicht seines eigenen Tatbeitrages durch die Belastung des Mittäters Ö... herunterzuspielen, denn mit seinen belastenden Äußerungen über Ö... wollte sich der Angeklagte zugleich sozusagen entlasten."

Unter Einbeziehung der für die Widerstandsleistung verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Monaten hat das Landgericht die eingangs bereits erwähnte Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Die ferner angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis ist im angefochtenen Urteil mit der Erwägung begründet worden, der Angeklagte habe sich durch die Tat "auch als zum Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich ungeeignet erwiesen".

II.

Diese Strafzumessungserwägungen des Landgerichts sind in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.

1.

Die Strafrahmenwahl für den Verstoß des Angeklagten gegen das Betäubungsmittelgesetz beruht auf einer unzutreffenden Ausübung des tatrichterlichen Ermessens zur Frage einer etwaigen Strafmilderung gemäß § 31 BtMG.

Ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ist das Landgericht erkennbar davon ausgegangen, daß der Angeklagte zutreffende Angaben über Art und Ausmaß der Tatbeteiligung des Zeugen Ö... gemacht und hierdurch im Sinne von § 31 Nr. 1 BtMG wesentlich zu einer über seinen eigenen Tatbeitrag hinausgehenden Aufdeckung der Tat beigetragen hat. Wie sich aus den übrigen Ausführungen ergibt, hat die Kammer dieses Aussageverhalten des Angeklagten einer Strafmilderung indes nicht für würdig befunden, weil es davon ausging, daß der Angeklagte durch die Aufdeckung des fremden Tatbeitrags nur zur strafmildernden Bewertung seiner eigenen, eher untergeordneten Tatbeteiligung beitragen wollte und mithin ausschließlich im eigenen Verteidigungsinteresse gehandelt hat. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft. Da § 31 Nr. 1 BtMG nach seinem Sinn und Zweck allein auf Art, Umfang und Gewicht des objektiven Aufklärungserfolgs abstellt, darf der Tatrichter bei der Ausübung seines Ermessens im Rechtsfolgenbereich der Vorschrift die Strafmilderung nicht davon abhängig machen, daß das Aussageverhalten des Täters in subjektiver Hinsicht von Schuldeinsicht und Reue (vgl. hierzu Weber., BtMG, § 31 Rn. 117) oder auch nur von einer "altruistischen Aufklärungsmotivation" getragen ist. Andernfalls wäre die Anwendbarkeit des § 31 Nr. 1 BtMG - entgegen der gesetzgeberischen Motivation - gerade in den Fällen einer Offenbarung der Haupttatbeiträge durch untergeordnete Gehilfen in Frage gestellt.

Auf der fehlerhaften Ermessensausübung zu § 31 BtMG beruht das angefochtene Urteil, denn es ist nicht auszuschließen, daß die Strafkammer im Falle einer zutreffenden Anwendung der Vorschrift den über § 49 Abs. 2 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 2 BtMG zugrundegelegt hätte und auf dieser Basis zu einer milderen Einsatzstrafe gelangt wäre.

2.

Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts sind ferner auch insoweit rechtsfehlerhaft, als sie im Hinblick auf eine etwaige Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten mangels jeglicher Ausführungen nicht erkennen lassen, ob der Tatrichter von dem ihm gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB zustehenden Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat.

3.

Die für eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Absatz 1 StGB erforderliche Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen ist im angefochtenen Urteil nicht ausreichend dargelegt.

Zwar kommt die Anordnung einer Maßregel nach § 69 StGB grundsätzlich nicht nur bei Verkehrsverstößen im engeren Sinne, sondern auch bei einer strafbaren Verletzung anderer Rechtsgüter unter mißbräuchlichem Einsatz eines Kraftfahrzeugs in Betracht (BGHSt 5, 179ff.; BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3; BGH NStZ 92, 586 und NStZ 97, 494, 495). Ein nur einmaliges oder nur vorübergehendes, lediglich situationsbedingtes Fehlverhalten läßt jedoch für sich allein noch nicht den Schluß auf die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu (BGH NStZ-RR 97, 197, 198; OLG Düsseldorf NJW 97, 535). Deren Feststellung erfordert vielmehr bei Delikten außerhalb des in § 69 Absatz 2 StGB beschriebenen Katalogs eine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit, soweit sie in der Tat zum Ausdruck gekommen ist (BGH NStZ 97, 494, 495 und NStZ-RR 97, 197, 198; Tröndle/Fischer, StGB, 49. Auflage, § 69 Rn. 9b-d).

Diese Gesamtwürdigung läßt das angefochtene Urteil vermissen. Der Angeklagte hat zwar ein Fahrzeug zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge genutzt, wurde hierbei aber in Bezug auf den Drogenumsatz nur als Handlanger des Zeugen Ö... tätig, der ihn zu der Tat auch veranlaßt hatte. Den landgerichtlichen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, daß der Angeklagte Kontakte zur Drogenszene unterhält, einschlägig vorbelastet ist oder in der Vergangenheit bereits irgendeine Straftat unter Ausnutzung seiner Fahrerlaubnis begangen hat. Ob daher der mißbräuchliche Einsatz des Pkw bei der Begehung des hier zur Rede stehenden Delikts Ausdruck eines nur einmaligen, die Entziehung der Fahrerlaubnis für sich allein noch nicht rechtfertigenden Fehlverhaltens ist oder in einer den Eignungsmangel begründenden Weise persönlichkeitsadäquaten Charakter trägt, läßt sich aufgrund der insoweit lückenhaften Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht beurteilen.

III.

Die hiernach erforderliche Aufhebung und Zurückverweisung gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO umfaßt das gesamte Urteil einschließlich der Entscheidung zur Einzelfreiheitsstrafe wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, denn der Senat vermag nicht auszuschließen, daß die Strafzumessung in Bezug auf diese Tat durch die Rechtsfehler bei den Erwägungen zum Rechtsfolgenausspruch im übrigen beeinflußt wurde.

Ende der Entscheidung

Zurück