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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 21.09.1999
Aktenzeichen: 2b Ss (OWi) 223/99-(OWi) 84/99 I
Rechtsgebiete: BauO NW 1995


Vorschriften:

BauO NW 1995 § 2 Abs. 2
BauO NW 1995 § 63 Abs. 1
BauO NW 1995 § 84 Abs. 1 Nr. 13
§ 2 Abs. 2 BauO NW 1995 § 63 Abs. 1 BauO NW 1995 § 84 Abs. 1 Nr. 13 BauO NW 1995

Die Nutzung einer baulichen Anlage (hier: eines Wohngebäudes) ohne Genehmigung und die von der erteilten Genehmigung abweichende Nutzung einer solchen Anlage sind erst seit dem Inkrafttreten der BauO NW 1995 am 01. 01. 1996 als Ordnungswidrigkeit verfolgbar. Bis dahin handelte ordnungswidrig nur, wer eine bauliche Anlage ohne Genehmigung oder abweichend von dieser errichtete, änderte oder abbrach.

OLG Düsseldorf Beschluß 21.09.1999 - 2b Ss (OWi) 223/99-(OWi) 84/99 I - 910 Js 1231/98 StA Düsseldorf


wegen Verstoßes gegen die Bauordnung NW

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S. und die Richter am Oberlandesgericht S. und die Richter am Oberlandesgericht S. und S. auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 21. Dezember 1998 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. September 1999 beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Neuss zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen "wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 63, 84 BauO NW" zu 50.000 DM Geldbuße verurteilt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gerügt wird. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückzuverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Soweit der Betroffene beanstandet, das Amtsgericht habe nicht über den Vorwurf in dem Bußgeldbescheid vom 27. April 1998, sondern über den in dem früheren - und zurückgenommenen - Bescheid vom 20. März 1998 verhandelt, verweist der Senat auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 28. Juli 1999, die dem Betroffenen bekanntgemacht worden ist. Auf die Verfahrensrügen des Betroffenen braucht nicht eingegangen zu werden, weil das Rechtsmittel mit der Sachrüge Erfolg hat.

II.

1. Den Feststellungen zufolge sind der Betroffene und seine Ehefrau zu je 1/2 Miteigentümer eines Hausgrundstücks in D.-Z. Das Mehrfamilienhaus wurde in ihrem Auftrag errichtet und war im August 1994 fertiggestellt. In dem angefochtenen Urteil heißt es weiter:

"Ein ca. 60 m² großer Teil des Kellers war ... laut beantragter und am 3. 5. 1993 erteilter Baugenehmigung der Stadt D. als Sauna-, Hobby- und Trockenräume zu nutzen. Im Schlußabnahmeschein vom 23. 8. 1994 wies die Stadt D. den Betroffenen und seine Ehefrau darauf hin, daß im Keller keine separate Wohnung entstehen dürfe ... In Kenntnis des Inhalts der Baugenehmigung und des Verbotes, im Keller des Hauses ... eine Wohnung zu schaffen, vermieteten der Betroffene und seine Ehefrau mit schriftlichem Mietvertrag der ... Zeugin ... mit Wirkung ab 1. 1. 1995 im Keller dieses Hauses auf 60 m² eine Wohnung, bestehend aus Küche, Diele, Bad und zwei Zimmern. Dabei wurden der Trockenraum als Kinderzimmer, der Saunaraum als Bad und der Hobbyraum nach baulicher Trennung als Küche und Wohn-/Schlafraum mietweise zur Verfügung gestellt. Der vereinbarte Mietzins betrug 900 DM, wobei der Betroffene sich mit monatlichen Mietzahlungen der Zeugin - später der Stadt D. - von 750 DM zufrieden gab."

2. Das Amtsgericht hat ersichtlich die BauO NW 1995 (GVBl. NW 1995, 218) angewendet und die Ahndung als Ordnungswidrigkeit damit begründet, daß der Betroffene "für die von ihm vorgenommene Nutzungsänderung der Kellerräume als Wohnung ... keine Genehmigung" gehabt und das gewußt habe. Das ist rechtsfehlerhaft, weil die ungenehmigte Nutzungsänderung bis zum 31. Dezember 1995 nicht als Ordnungswidrigkeit geahndet werden konnte.

a) Die Nutzungsänderung einer baulichen Anlage - hier: eines Gebäudes, § 2 Abs. 2 BauO NW 1995 - bedarf gemäß § 63 Abs. 1 BauO NW 1995 der Genehmigung. Die BauO NW 1995 ist nach deren § 90 Abs. 1 Satz 1 am 1. Januar 1996 in Kraft getreten. Seither handelt nach § 84 Abs. 1 Nr. 13 BauO NW 1995 ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine bauliche Anlage ohne Genehmigung oder abweichend davon (unter anderem) nutzt.

b) Nutzungsänderungen waren gemäß § 80 Abs. 1 BauO NW 1970 und § 60 Abs. 1 BauO NW 1984 schon seit 1970 genehmigungspflichtig. Nach den früheren Bußgeldvorschriften, § 101 Abs. 1 Nr. 3 BauO NW 1970 und § 79 Abs. 1 Nr. 7 BauO NW 1984, handelte aber nur ordnungswidrig, wer eine bauliche Anlage ohne Genehmigung oder abweichend davon errichtete, änderte oder abbrach. Das Wort "nutzt" war im Gesetzestext noch nicht enthalten. Eine ungenehmigte Änderung der Nutzung war deshalb keine Ordnungswidrigkeit (OLG Hamm BRS 33, Nr. 130 = MDR 1979, 603; OLG Hamm, Beschluß vom 10. März 1988 - 3 Ss (OWi) 1824/87 -; Thiel/Rößler/Schuhmacher, Baurecht in NRW [Stand Nov. 1993], § 79 BauO NW 1984 Rdnr. 11; Boeddinghaus-Hahn/Schulte, BauO NW [Stand März 1994], § 79 BauO NW 1984 Rdnr. 18). Die "bedauerliche Lücke im Gesetz" (Thiel/Rößler/Schuhmacher a. a. O.) ist erst seit 1. Januar 1996 durch Aufnahme des Tatbestandsmerkmals "nutzt" in § 84 Abs. 1 Nr. 13 BauO NW 1995 geschlossen (vgl. Gädtke/Böckenförde/Temme/Heintz, BauO NW, 9. Aufl. [1998], § 84 BauO NW 1995 Rdnr. 01).

3. Den Feststellungen des Amtsgerichts zufolge waren die Küche und der Wohn-/Schlafraum "nach baulicher Trennung" aus dem Hobbyraum hervorgegangen. Damit kommt in Betracht, daß der Betroffene schon nach § 79 Abs. 1 Nr. 7 BauO NW 1984 ordnungswidrig gehandelt hat, indem er eine bauliche Anlage ohne Genehmigung oder abweichend davon errichtet oder geändert hat. Insoweit ist der Sachverhalt noch weiter aufzuklären. Sollte festgestellt werden, daß der Betroffene den Tatbestand des § 79 Abs. 1 Nr. 7 BauO NW 1984 erfüllt hat, wird bei der Festsetzung der Rechtsfolge zu berücksichtigen sein, daß die Vorschriften über das Errichten oder Ändern baulicher Anlagen in erster Linie der Gefahrenabwehr dienen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NW 1995).

III.

Nach § 79 Abs. 3 und 6 OWiG, §§ 353, 354 Abs. 2 StPO ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Eine Zurückverweisung an dieselbe Abteilung erschien dem Senat nicht sachdienlich.

Für den Fall einer erneuten Verurteilung des Betroffenen wird das Amtsgericht bei der Festsetzung der Geldbuße die Ausführungen unter IV. in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 28. Juli 1999 zu berücksichtigen haben.

Ende der Entscheidung

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