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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.01.2000
Aktenzeichen: 2b Ss (OWi) 290/99 - (OWi) 2/00 I
Rechtsgebiete: DSchG NW, OWiG


Vorschriften:

DSchG NW § 5
DSchG NW § 9 Abs. 1 lit. A
DSchG NW § 41 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2
OWiG § 17 Abs. 3
DSchG NW §§ 5, 9 Abs. 1 lit. a, 41 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2; OWiG § 17 Abs. 3

1. Zur Feststellung von Verstößen gegen Denkmalschutzvorschriften durch bauliche Änderungen bzw. Erneuerungen an einem in einem unter Denkmalschutz gestellten Straßenbereich gelegenen Wohngebäude, wenn dort das "äußere Erscheinungsbild der Straßenrandbebauung" denkmalgeschützt ist.

2. Bei dem sog. "Düsseldorfer Bußgeldrahmen", der der "Vereinheitlichung der Ahndungsbeträge für Ordnungswidrigkeiten" durch Veränderungen von Baudenkmälern dienen soll, handelt es sich lediglich um eine verwaltungsinterne Regelung, die für Gerichte nicht verbindlich ist. Maßgeblich für die gerichtliche Bußgeldzumessung sind auch im Falle der Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen über den Denkmalschutz die in § 17 Abs. 3 OWiG genannten Kriterien.

OLG Düsseldorf, 1. Senat für Bußgeldsachen, Beschluß vom 19.01.2000 - 2b Ss (OWi) 290/99 - (OWi) 2/00 I -


OBERLANDESGERICHT DÜSSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss (OWi) 290/99 - (OWi) 2/00 I 904 Js 387/99 StA Düsseldorf

In der Bußgeldsache

gegen

aus Ratingen, geboren am 13. Juni 1934 in Düsseldorf,

wegen Verstoßes gegen das Denkmalschutzgesetz NW

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröter und die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Stüttgen am 19. Januar 2000 auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ratingen vom 17. Juni 1999 nach Anhörung des Betroffenen und der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen "wegen vorsätzlicher Ordnungswidrigkeit nach § 9 Abs. 1 a) i.V.m. § 5 Abs. 2 DSchG NW i.V.m. §§ 3 und 5 Denkmalbereichssatzung (DBS) i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DSchG NW" eine Geldbuße von 20.000,-- DM festgesetzt.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobene Verfahrensrüge braucht deshalb der Senat nicht einzugehen.

I.

1.

Das Amtsgericht hat folgendes festgestellt:

"Der Betroffene ist Eigentümer des Gebäudes Poststraße in Ratingen. Dieses Gebäude befindet sich in dem gemäß § 5 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz NW geschützten Denkmalbereich "Oben östliche Poststraße"....

Von seiten der Unteren Denkmalbehörde wurde am 04.06.1998 festgestellt, daß der Betroffene folgende Maßnahmen an dem Objekt durchgeführt hatte bzw. im Begriff war, diese durchzuführen, die zwischenzeitlich allerdings abgeschlossen sind:

1. Erneuerung der Dacheindeckung mit grauen Betondachsteinen

2. Abtragen von 2 Kaminzügen

3. Verkürzen des noch vorhandenen Kaminzuges und Einbau zweier Stahlrohre

4. Verkleiden der Dachgauben mit Schiefer

5. Erneuerung von zwei Dachflächenfenstern

6. Abdeckung der Brandmauer zu dem Gebäude P str. 54 mit einem Zinkblech, vorher Abdeckung durch Dachziegel

7. Einbau von Entlüftungsziegeln.

Obwohl der Betroffene von der Unteren Denkmalbehörde aufgefordert wurde, für diese geplanten bzw. teilweise durchgeführten Maßnahmen die Erlaubnis einzuholen, lehnte er dies ab und führte diese Maßnahmen durch."

Ferner ist in dem Urteil festgestellt:

"Wesentliches Charakteristikum sind unter anderem die Art und Gliederung der Fenster sowie die kleinteilige Pfanneneindeckung. Dieses Charakteristikum wurde speziell mißachtet bei der Neueindeckung durch großformatige andersfarbige Betondachsteine anstatt der roten Ton Doppelmuldenziegel. Die Abdeckung der Brandmauer zu dem Nebengebäude erfolgte nicht mehr durch Dachziegel, sondern aus Zinkblech. Das erneuerte Dachfenster ist einflügelig."

Diese Feststellungen tragen die erfolgte Verurteilung des Betroffenen wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1a) i.V.m. § 5 Abs. 2 DSchG NW i.V.m. §§ 3 und 5 der Satzung für den Denkmalbereich "Östliche Poststraße" in der Stadt Ratingen vom 13. Juni 1988 i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DSchG NW zumindest in dem erfolgten Umfang nicht.

2.

Nach § 3 der Satzung für den Denkmalbereich "Östliche Poststraße" in der Stadt Ratingen ist geschützt das "äußere Erscheinungsbild der Straßenrandbebauung", das u.a. gekennzeichnet ist durch

- "die Dachausbildung (einheitliche Traufhöhe, Traufständigkeit zum Teil mit Mansarddachformen, Zwerchgiebeldachausbildungen und Dachgauben, kleinteilige Pfanneneindeckung und teilweise Naturschiefereindeckung)".

Nach § 5 der bezeichneten Satzung gelten im räumlichen Geltungsbereich der Satzung die Vorschriften des DSchG NW, und im örtlichen Geltungsbereich der Satzung unterliegen Änderungen und Abbruch von baulichen Anlagen oder Teilen baulicher Anlagen sowie Nutzungsänderungen der Erlaubnispflicht.

a)

In dem angefochtenen Urteil wird als Verstoß gegen § 5 der Satzung zunächst die Erneuerung der Dacheindeckung mit grauen Betondachsteinen aufgeführt. Die weiteren Ausführungen des Urteils deuten zwar darauf hin, daß die frühere Dacheindeckung aus roten Ton-Doppelmuldenziegeln bestand und damit eine erlaubnispflichtige Änderung i.S.d. § 5 der Satzung vorgenommen worden ist.

Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob die Neueindeckung sich auch auf die Vorderseite des Gebäudes bezieht und durch sie das geschützte "äußere Erscheinungsbild der Straßenrandbebauung" beeinträchtigt wird. Für die Beurteilung der Schwere eines evtl. Verstoßes und als Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung bedarf es auch näherer Feststellungen, ob und in welchem Ausmaß die Neueindeckung nach Farbe und Format der verlegten Ziegel von der Eindeckung der Nachbarhäuser abweicht.

Auch für die Rechtsfolgenentscheidung ist bedeutsam, in welchem Ausmaß gegebenfalls das äußere Erscheinungsbild durch die Neueindeckung verletzt wird.

b)

Als weiterer Verstoß wird das Abtragen von zwei Kaminzügen angeführt. Kaminzüge gehören jedoch nicht zur "Dachausbildung" und sind in § 3 der Satzung auch unter der näheren Bezeichnung der geschützten Dachmerkmale anders als z.B. Dachgauben nicht erwähnt.

Der Abbruch der Kaminzüge beinhaltet zwar einen Teilabbruch baulicher Anlagen i.S.d. § 5 der Satzung. Jedoch gilt die Erlaubnispflicht nur für den sachlichen Geltungsbereich des § 3 der Satzung und die durch ihn geschützten Bauteile, zu denen die Kaminzüge nicht zählen.

C)

Ferner wird ein Verstoß in dem Verkürzen des noch vorhandenen Kaminzuges und dem Einbau zweier Stahlrohre gesehen.

Abgesehen davon, daß - wie ausgeführt - Kaminzüge nicht zu den geschützten Elementen der Dachausbildung zählen, bedeutet der Einbau der Stahlrohre schon deshalb keinen Verstoß gegen §§ 3 und 5 der Satzung, da hierdurch - soweit ersichtlich - das geschützte äußere Erscheinungsbild nicht verletzt wird. Zudem ist der Einbau von Stahlrohren bei Installation einer modernen Niedertemperaturheizung zur Vermeidung eines Versottens der Kamine durch Kondenswasser in der Regel unerläßlich.

d)

Ebenso ist nicht ersichtlich, inwieweit in dem Verkleiden der Dachgauben mit Schiefer eine unzulässige bauliche Veränderung liegt. Abgesehen davon, daß insoweit der vorherige Zustand nicht festgestellt und nicht ausgeführt ist, daß die Veränderungen im Bereich des äußeren Erscheinungsbildes der Straßenrandbebauung vorgenommen wurden, entspricht die Naturschiefereindeckung nach § 3 Abs 1 der Satzung durchaus dem geschützten äußeren Erscheinungsbild.

e)

Als weiterer Verstoß gegen die Erlaubnispflicht wird die Erneuerung von zwei Dachflächenfenstern angeführt. Eine Erneuerung baulicher Anlagen ist nach § 5 der Satzung aber nicht erlaubnispflichtig, sondern nur die Änderung. Daß die erneuerten Dachflächenfenster nicht den früheren entsprechen und deshalb eine Veränderung vorliegt, ist in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Darüber hinaus ist auch nicht ausgeführt, daß die Erneuerungen im Bereich des äußeren Erscheinungsbildes der Straßenrandbebauung vorgenommen wurden.

f)

Auch soweit indem Abdeckung der Brandmauer zu dem Gebäude Poststraße 54 mit Zinkblech anstelle der früheren Abdeckung mit Dachziegeln eine genehmungspflichtige Veränderung i.S.d. § 5 der Satzung gesehen wird, fehlt es an der Feststellung, daß diese Maßnahme im geschützten Bereich des äußeren Erscheinungsbildes der Straßenrandbebauung vorgenommen wurde. Der von der Straße her nicht sichtbare Bereich der Rückfronten ist, wie sich aus der nach § 3 der Satzung geschützten und nach § 3 Abs. 2 i. V. m. Anlage 2 fotografisch dokumentierten "historischen Fassadengliederung und Farbgebung (Fensteröffnungen, Erkerausbildungen, Gesimsgliederungen, Pflasterunterteilungen und sonstige Stuckelemente)" sowie der Art und Gliederung der Fenster und Hauseingangstüren ergibt, nicht geschützte hier vorgenommene Änderungen unterliegen nicht der Erlaubnispflicht.

g)

Der Einbau von Lüftungsziegeln stellt neben der als Verstoß gegen §§ 3 und 5 der Satzung gewerteten erlaubnispflichtigen gesamten Neueindeckung des Daches keinen selbständigen weiteren Verstoß dar. Im übrigen ist nicht festgestellt, daß die bei einer hinterlüfteten Innenisolierung unerläßlichen Lüftungsziegel das Erscheinungsbild in erheblicher Weise stören. Denn eine erlaubnisbedürftige Veränderung liegt nur dann vor, wenn der Zustand von dem früheren erheblich abweicht und sich negativ auswirkt.

h)

In der Aufstellung der durchgeführten Baumaßnahmen auf Seite 3 des Urteils ist der im Bußgeldbescheid aufgeführte Einbau eines neuen Gaubenfensters ohne Mittelteilung nicht enthalten. Gleichwohl heißt es auf Seite 4 des Urteils, das erneuerte Dachfenster sei einflügelig. Infolgedessen ist nicht erkennbar, ob hierin ein Verstoß gegen die Erlaubnispflicht gesehen worden ist. Sollte das der Fall sein, so ist für die neue Verhandlung und Entscheidung zu beachten, daß die nach § 3 der Satzung geschützte "Art und Gliederung der Fenster" auch nur für das äußere Erscheinungsbild der Straßenrandbebauung und damit für die Fenster der Fassade gilt. Wo sich die Dachgaube mit dem erneuerten Fenster befindet, ist in dem Urteil nicht festgestellt.

Aufgrund der ergänzungsbedürfigen Feststellungen war das Urteil mit den Feststellungen in vollem Umfang aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

II.

Bei der Bußgeldbemessung wird das Amtsgericht in der neuen Verhandlung folgendes zu beachten haben:

Die Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 20.000,-- DM hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Die Höhe des festzusetzenden Bußgeldes richtet sich nach dem sogenannten Düsseldorfer Bußgeldrahmen. Nimmt man alleine die Veränderungen des Daches, die nach den Angaben des Betroffenen einen Aufwand von 47.000,00 DM erforderten, beträgt die Geldbuße allein 30.000,-- DM, da diese Maßnahme nicht erlaubnisfähig ist. Hier käme möglicherweise die Sonderheit hinzu, daß eine Wiederherstellung des bisherigen Zustandes nach § 27 Denkmalschutzgesetz nicht verlangt wird. Da aber nach dem Bußgeldkatalog der Betroffene keinen Gewinn aus der Ersparung der Wiederherstellungskosten ziehen soll, wird ein Bußgeld nach der Höhe der fiktiven Wiederherstellungskosten plus 25% als Ahndungsbetrag festgesetzt. Nimmt man allein an Wiederherstellungskosten lediglich 10.000,00 DM für die Auswechselung der Dachziegeln, wobei noch Gerüstkosten und dergleichen hinzukommen, so ist nach der Anwendung dieser Auslegung eine Geldbuße von mindestens 20.000,00 DM zu errechnen. Dabei würden die übrigen Veränderungen, die der Betroffene vorgenommen hat, noch vernachlässigt. Wenn also insgesamt an Geldbuße 20.000,00 DM festgesetzt wird, so ist hiermit der Betroffene mehr als gut bedient, da diese Geldbuße sich am unteren Rahmen dessen bewegt, was hier verhängt werden kann."

Danach hat sich das Amtsgericht bei der Bemessung der von ihm verhängten Geldbuße ausschließlich auf den sog. "Düsseldorfer Bußgeldrahmen" gestützt und - wie sich aus der Begründung ergibt - hieran gebunden gefühlt. Bei dem Bußgeldrahmen handelt es sich um eine verwaltungsinterne, der "Vereinheitlichung der Ahndungsbeträge für Ordnungswidrigkeiten" dienende Regelung, die bei Veränderungen von Baudenkmälern im wesentlichen auf die Kosten der Veränderung und die Wiederherstellungskosten als Bemessungsgrundlagen für das Bußgeld abstellt. Für die Gerichte ist dieser Bußgeldrahmen nicht nur nicht verbindlich, sondern sie haben die Bußgelder in Ausübung des ihnen eingeräumten Ermessens im Einzelfall auf der Grundlage der in § 17 Abs. 3 OWiG genannten wesentlichen Zumessungskriterien festzusetzen, nämlich der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, des den Betroffenen treffenden Vorwurfs und seiner wirtschaftlichen Verhältnisse. Dazu zählen bei Verstößen gegen das Denkmalschutzgesetz NW insbesondere auch der Grad der Gefährdung des geschützten Denkmals durch die vorgenommenen Veränderungen. Da das Amtsgericht erkennbar von dem ihm eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht und die Zumessungskriterien des § 17 Abs. 3 OWiG nicht berücksichtigt hat, sind seine Zumessungserwägungen rechtsfehlerhaft.

Die Aufhebung des Urteils beruht auf §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353 StPO; die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz folgt aus §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 354 Abs. 2 StPO.

Die nach § 79 Abs. 6 OWiG mögliche Zurückverweisung der Sache an dieselbe Abteilung ges Amtsgerichts hält der Senat nicht für angezeigt.



Ende der Entscheidung

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