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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.01.2001
Aktenzeichen: 2b Ss (OWi) 348/00 - (OWi) 122/00 I
Rechtsgebiete: OWiG, BKatV


Vorschriften:

OWiG § 17 Abs. 3
BKatV § 2 Abs. 2 Satz 2
1) Uneinsichtigkeit ist kein hinreichender Grund zur Erhöhung der Geldbuße.

2) Der Vorwurf einer beharrlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ist bei der ersten Wiederholung nicht gerechtfertigt, wenn das Verschulden bei der früheren Begehung gering war. Liegt die wegen eines früher begangenen Verkehrsverstoßes verhängte Geldbuße unter dem Regelsatz, so spricht alles dafür, daß das damals erkennende Gericht nur ein geringes Verschulden des Betroffenen festgestellt hat.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss (OWi) 348/00 - (OWi) 122/00 I 903 Js 896/00 StA Düsseldorf

In der Bußgeldsache

wegen Geschwindigkeitsüberschreitung

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht N und die Richter am Oberlandesgericht und Dr. S auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ratingen vom 7. September 2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

am 22. Januar 2001

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Ratingen zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 200,00 DM festgesetzt und ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt.

Hiergegen wendet der Betroffene sich mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt..

II.

Soweit der Betroffene den Schuldspruch angreift, ist das Rechtsmittel unbegründet. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils zur äußeren und inneren Tatseite tragen den Schuldspruch. Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 91 Abs. 2, 99 StVO, 29 StVG, BKatV Nr. 5.3 begangen hat. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerdebegründung hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 und 3 StPO).

III. Sachlich-rechtliche Fehler enthalten jedoch die Ausführungen des Amtsgerichts zur Bemessung des Bußgeldes und zur Verhängung des Fahrverbotes.

1.

a) Bei der Festsetzung der Geldbuße hat das Amtsgericht auch das Verhalten nach der Tat berücksichtigt. Insoweit hat es ausgeführt, der Betroffene habe eine Vertagung der Hauptverhandlung mit der wahrheitswidrigen Behauptung provoziert, dass er im Dezember 1998 vom Amtsgericht Lünen von dem Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h freigesprochen worden sei. Tatsächlich könne kein Zweifel daran bestehen, dass der Betroffene genau gewusst habe, dass er verurteilt worden sei, da das Urteil in seiner Gegenwart verkündet wurde und er gleichzeitig Rechtsmittelverzicht erklärte.

b) Die Erwägungen sind rechtsfehlerhaft.

(1) Bei der Zumessung der Geldbuße kann zwar auf der Grundlage von § 17 Abs. 3 OWiG auch das Verhalten des Täters nach der Ordnungswidrigkeit in Betracht gezogen werden (KK-Steindorf, OWiG, 2. Aufl. München 2000, § 17 Rdn. 73 m.w.N.). Zulässiges Verteidigungsverhalten darf aber nicht erschwerend berücksichtigt werden (BGH NStZ 1987, 171; OLG Düsseldorf DAR 1999, 223). Im, Rahmen seiner Verteidigung hat der Betroffene nicht nur das Recht, die zur Last gelegte Tat zu leugnen; ihm ist es auch unbenommen, etwaige Vorverurteilungen in Abrede zu stellen. Daher kann ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn das Gericht zur Überprüfung der registrierten Taten, die Hauptverhandlung vertagen und Akten beiziehen muss.

(2) Auch seine Uneinsichtigkeit ist kein hinreichender Grund zur Erhöhung der Geldbuße. Denn die Uneinsichtigkeit des Betroffenen darf im Rahmen der Bußgeldzumessung nur erhöhend berücksichtigt werden, wenn das Prozessverhalten auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit und die Gefahr zukünftiger Rechtsbrüche schließen lässt (OLG Düsseldorf VRS 87, 213, 216; 78, 440, 441; OLG Koblenz OLGSt OWiG § 17 Nr. 10; Göhler, OWiG, 12. Aufl. München 1998, § 1.7 Rdn. 26a m.w.N.). Dies hat das Amtsgericht hier aber nicht festgestellt.

2.

a) Bezüglich des Fahrverbotes wird in den Urteilsgründen zunächst festgestellt, dass das Amtsgericht den Betroffenen in der Hauptverhandlung auf § 2 Abs. 2 BKatV hingewiesen habe. Im übrigen hat das Amtsgericht sich insoweit auf die Erwägung beschränkt, dass dieses nach § 2 Abs. 1 BKatV zu verhängen und auf 2 Monate zu bemessen sei, weil der Betroffene wider besseren Wissens bei seiner Behauptung geblieben sei, dass eine Vorverurteilung nicht vorliege.

b) Auch diese Begründung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

(1) Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BKatV sind nicht erfüllt. Die Bestimmung verweist in ihrer Ziff. 1 auf den Tatbestand der Nummer 5.3 BKatV in Verbindung mit der Tabelle a des Anhangs. Aus der Tabelle ist zu ersehen, dass wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h außerorts, wie sie hier dem Betroffenen zur Last fällt, kein Regel-Fahrverbot in Betracht kommt.

(2) Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV sind zwar erfüllt, denn der Betroffene ist vor weniger als einem Jahr wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 26 km/h bereits einmal zu einer Geldbuße verurteilt worden. § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV besagt allerdings allein, dass in einem solchen Fall, die Verhängung eines Fahrverbotes "in der Regel in Betracht kommt". Ebenso wenig wie § 2 Abs. 1 BKatV enthebt § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV das Gericht der Verpflichtung zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG in dem konkreten Einzelfall erfüllt sind. Die BKatV schränkt nur den Begründungsaufwand ein (BGH DAR 1997, 450, 451; BGHSt 38, 125, 136; BVerfG DAR. 1996, 196, 198; OLG Düsseldorf VRS 90, 191, 192; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl. München 1999, § 25 Rdn. 15 b m.w.N.). Das Gericht muss also im Falle des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV prüfen, ob Umstände vorliegen, die die erneute Pflichtverletzung nicht als "beharrlichen" Verstoß im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG erscheinen lassen. Die Urteilsgründe müssen auch zu erkennen geben, dass das Gericht sich der Möglichkeit, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, bewusst war (BGHSt 38, 125, 136 zu den Anforderungen des insoweit gleichlautenden § 2 Abs. 1 BKatV). Wenn Anhaltspunkte für ein Abweichen von der Regel vorliegen, müssen sich die Urteilsgründe auch darüber verhalten.

Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Ihm ist nicht zu entnehmen, dass das Gericht die Möglichkeit, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, in Betracht gezogen hat. Das Amtsgericht hätte sich überdies mit der im Dezember 1998 abgeurteilten Ordnungswidrigkeit näher auseinandersetzen müssen. Denn die in diesem Verfahren für eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts festgesetzte Geldbuße legt es nahe, dass das damals erkennende Gericht bezüglich dieser Pflichtverletzung nur von einem geringen Verschulden des Betroffenen ausgegangen ist. Der Vorwurf einer beharrlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ist aber bei der ersten Wiederholung nicht gerechtfertigt, wenn das Verschulden bei der früheren Begehung gering war (OLG Hamm DAR 1991, 392; BayObLG NZV 1989, 35; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl. München 1999, § 25 StVG Rdn. 15 m.w.N.).

(3) Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass das Amtsgericht auf ein Fahrverbot von zwei Monaten erkannt hat. Wenn von einem Regelfall im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV auszugehen ist, so sieht die BKatV dafür nur ein Fahrverbot von einem Monat vor. Für die Erhöhung ist ein ausreichender Grund nicht dargetan. Soweit das Amtsgericht auf die Uneinsichtigkeit des Betroffenen abstellt, kann auf das zu III. 1. Gesagte Bezug genommen werden.

IV. Die teilweise Aufhebung des Urteils beruht auf § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353 StPO. Die Zurückverweisung der Sache im Umfang der Urteilsaufhebung an die Vorinstanz folgt aus § 79 Abs. 6 OWiG. Der Senat hat von der weiteren Möglichkeit, in der Sache selbst zu entscheiden, keinen Gebrauch gemacht, da nicht auszuschließen ist, dass die Hauptverhandlung neue weitere, für die Rechtsentscheidung bedeutsame Ergebnisse erbringt.

Ende der Entscheidung

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