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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.04.2003
Aktenzeichen: 3 U 49/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 463
BGB § 476 a. F.
Die Standzeit eines gebrauchten Kraftfahrzeugs von drei oder mehr Jahren stellt einen Fehler der Sache dar, den der Verkäufer dem Käufer ungefragt zu offenbaren hat.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 49/02

Verkündet am 16. April 2003

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26.03.2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G..., des Richters am Oberlandesgericht von W... und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 14.11.2002 abgeändert.

Die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 5.802,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab 07.09.2002 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges der Marke Mitsubishi, Typ Sigma, amtl. Kennzeichen OB-..., Fahrzeug-Ident-Nr.: JMBSRF16APY000886.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte. Von den in zweiter Instanz entstandenen Kosten tragen der Kläger 3 %, die Beklagte 97 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen gebrauchten PKW Mitsubishi Sigma. Der Kläger kaufte dieses Fahrzeug am 07.08.2001 unter Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen zum Preise von 10.206 DM von der Beklagten. Zusätzlich wurde ihm eine Garantie "Pro-Gar" für 469 DM verkauft. Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug bei der Übergabe im Oktober 2001 107.000 km.

Die Beklagte selbst hatte das Fahrzeug mit Kaufvertrag vom 11.05.1998 gekauft. Es war ihr am 28.08.1998 mit dem Kilometerstand von 107.000 km übergeben worden. Seitdem hatte das Fahrzeug bis zur Übergabe an den Kläger auf dem Hof der Beklagten gestanden.

Der Kläger hat vorgetragen, einige Zeit nach der Übergabe des Fahrzeugs sei es zu technischen Schwierigkeiten gekommen, so dass im Februar 2002 zwei Einspritzdüsen hätten erneuert werden müssen. Hierfür habe er gemäß Rechnung des Autohauses K... vom 14.02.2002 559,85 € bezahlt. Auch nach der Reparatur laufe der Motor weiterhin unrund. Die Beklagte habe die dreijährige Standzeit des Fahrzeugs arglistig verschwiegen. Die aufgetretenen Probleme im Bereich der Einspritzdüsen seien auf die lange Standzeit zurückzuführen. Auch habe die Beklagte vor der Veräußerung keine Generalüberholung des Pkw vorgenommen; sie habe keine Tankreinigung durchgeführt und den Zahnriemen nicht gewechselt, was bei einem Stand von 100.000 km erforderlich sei.

Der Kläger hat unter Anrechnung eines Nutzungsvorteils in Höhe von 274,72 DM (0,67 % des Kaufpreises pro gefahrene 1.000 km) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 5.877,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges der Marke Mitsubishi Typ Sigma, amtliches Kennzeichen OB-..., Fahrgestellt-ldent.-Nr.: JMBSRF 16APY000886, sowie

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat geltend gemacht, es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach sich der Zustand eines Pkws durch eine längere Standzeit wesentlich verschlechtere. Außerdem habe sie vor der Veräußerung den Pkw generalüberholt und alle notwendigen Reparaturarbeiten durchgeführt, wie sich aus der internen Rechnung vom 10.09.2001 ergebe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung wiederholt und ergänzt der Kläger sein früheres Vorbringen. Die Klageerweiterung von 458,22 € hat er im Senatstermin zurückgenommen.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach seinen in erster Instanz gestellten Anträgen zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet, dass die behaupteten Mängel im Bereich der Einspritzdüsen auf Verschmutzungen des Tanks und diese wiederum auf die lange Standzeit zurückzuführen seien. Sie behauptet, bei der Erneuerung der Benzinpumpe sei der Tank ausgebaut und entleert worden. Eine Tankreinigung sei nicht erforderlich gewesen, da das Fahrzeug mit Superbenzin betrieben werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die derzeitige Laufleistung des Fahrzeugs hat der Kläger im Senatstermin mit 112.652 km angegeben, was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

Die Beklagte ist gemäß § 463 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 5 EGBGB zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet. Der vereinbarte Gewährleistungs-ausschluss ist gemäß § 476 BGB a.F. unwirksam, da die Beklagte einen Fehler arglistig verschwiegen hat. Die Standzeit des Fahrzeugs von mehr als drei Jahren stellt einen Fehler der Sache dar (vgl dazu AG Rottweil DAR 99, 369 sowie Reinking/Eggert, 7. Aufl. Rdnr. 1893). Denn üblicherweise birgt eine derart lange Standzeit die Gefahr technischer Standschäden wie z. B. Korrosionsschäden, Rostbildung im Tank, Beeinträchtigung der Benzinzufuhr zum Motor mit der Folge eines unrunden Motorlaufs u.s.w.. Es kann insoweit auf die in der oben angegebenen Amtsgerichtsentscheidung zitierten Sachverständigenäußerungen verwiesen werden, welche grundsätzlicher Art und von dem dort streitgegenständlichen Fahrzeug unabhängig gemacht worden sind (a.a.O. S. 370). Der Käufer eines Gebrauchtwagens rechnet nicht damit, dass dieser drei Jahre oder länger auf einem Hof gestanden hat. Mögliche Standzeitschäden sind aber von erheblicher Bedeutung für den Kaufentschluss. Der Verkäufer ist daher verpflichtet, eine solch lange Standzeit dem Käufer ungefragt zu offenbaren, was hier unstreitig nicht geschehen ist.

Die Offenbarungspflicht entfällt vorliegend nicht etwa deshalb, weil die Beklagte vor der Veräußerung das Fahrzeug überprüft und einige Mängel beseitigt hat. Es kann offenbleiben, ob eine wirkliche Generalüberholung die Gefahr von Standschäden hätte entfallen lassen können. Jedenfalls hat eine Generalüberholung nicht stattgefunden. Aufgrund der gemäß interner Rechnung vom 10.09.01 durchgeführten Arbeiten konnte nicht sicher davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug die lange Standzeit unbeschadet überstanden hatte und - beispielsweise - keine Rostbildung im Tank entstanden war. Mit Standzeitschäden musste die Beklagte nach wie vor rechnen, weshalb ihr Schweigen als arglistig zu bewerten ist. Dass die Beklagte über die von ihr vorgelegte interne Rechnung hinaus weitere Arbeiten an dem Fahrzeug vorgenommen hat, ist nicht plausibel dargelegt. Das gilt auch für ihre Behauptung, wegen des Betriebs mit Superbenzin könnten keine Ablagerungen im Tank entstehen.

Nach allem hat die Beklagte - Zug um Zug - den Kaufpreis zurückzuzahlen, wozu auch der Preis für die "Pro-Car"-Garantie gehört. Abzusetzen sind die vom Kläger gezogenen Gebrauchsvorteile. Der Senat geht gemäß § 287 ZPO von einer derzeitigen Laufleistung von 112.652 km aus, wie vom Kläger behauptet. Diese Laufleistung kann insbesondere auch im Hinblick auf die in der Akte befindliche Rechnung des Kfz-Betriebes S... als richtig angenommen werden; denn danach wies das Fahrzeug am 13.12.02 auch nur einen Kilometerstand von 111.397 aus.

Zur Berechnung der Gebrauchsvorteile wendet der Senat die gängige, bei Rein-king/Eggert a.a.O. Rdnr. 2016 wiedergegebene Formel an: Kaufpreis dividiert durch die bei Übergabe zu erwartende Restlaufleistung, wobei die Restlaufleistung auf der insoweit unbestrittenen Angabe des Klägers beruht, die durchschnittliche Leistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges betrage 250.000 km. Es ergibt sich damit folgende Berechnung: 10.675 DM : 143.000 km = 0,07465 DM pro Kilometer. Für die gefahrenen 5.652 km hat sich der Kläger demnach 421,92 DM anrechnen zu lassen, d.i. 215,73 €.

Nach § 463 a.F. ist der Kläger, der Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt, so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätte. Bei ordnungsgemäßer Erfüllung hätte der Kläger ein gleiches Fahrzeug ohne dreijährige Standzeit erhalten. Er hätte dann auch nicht die Reparaturkosten gemäß der Rechnung vom 14.02.02 in Höhe von 559,85 € aufwenden müssen, vorausgesetzt, diese sind kausal auf die lange Standzeit zurückzuführen. Der Senat geht davon aus, dass dieser Kausalzusammenhang besteht, weil die ausweislich der Rechnung durchgeführten Arbeiten sich in das Bild fügen, das sich aus der Liste typischer Standzeitgefahren (vgl. AG Rottweil a.a.O.) ergibt.

Die Klageforderung ist folglich in Höhe von 5.458,04 € (= 10.675 DM) abzüglich 215,73 € zuzüglich 559,85 € = 5.802,16 € begründet. Im Übrigen ist sie - soweit nicht zurückgenommen - unbegründet.

Der Feststellungsantrag ist begründet gemäß § 298 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert: vom 20.12.02 bis 25.03.03: 6.335,65 €. ab 26.03.03: 5.877,43 €.

Ende der Entscheidung

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