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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.12.2001
Aktenzeichen: 3 Ws 497/01
Rechtsgebiete: BtMG, StGB, StPO


Vorschriften:

BtMG § 35
BtMG § 36 Abs. 1-4
BtMG § 36 Abs. 5 Satz 1
StGB § 56 a bis g
StPO § 453 Abs. 1 Satz 1
StPO § 453 Abs. 2 Satz 1
StPO § 453 Abs. 2 Satz 2
StPO § 462 a
1. Die Sonderzuständigkeit des Prozessgerichts für die Entscheidung über eine Reststrafaussetzung nach erfolgter Zurückstellung der Strafvollstreckung zwecks Durchführung eines Drogentherapie (§ 36 Abs. 5 Satz 1 BtMG) erstreckt sich nicht auf die Anordnungen zur Dauer der Bewährungszeit und zur Ausgestaltung sowie Führung der Bewährungsaufsicht (§§ 56a bis g StGB).

2. Die durch ein unzuständiges Gericht getroffenen Anordnungen gemäß §§ 56a bis g StGB sind "gesetzwidrig" im Sinne von § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Ws 497/01 3 Ws 1/02 3 Ws 2/02

In der Strafsache

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat der 3. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., den Richter am Oberlandesgericht von B. und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. R. am

18. Dezember 2001

auf die Beschwerden der Verurteilten gegen die in dem Beschluss der 1. Strafkammer des Landgerichts Wuppertal vom 1. Oktober 2001 zu Ziffer 1., zweiter Halbsatz (Auferlegung einer Folgebehandlung), sowie zu Ziffer II. und III. getroffenen Entscheidungen nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtenen Entscheidungen werden aufgehoben.

Gründe:

Durch Urteil vom 8. Juni 2000 - rechtskräftig seit dem 16. Juni 2000 - verhängte die 1. große Strafkammer des Landgerichts Wuppertal gegen die Verurteilte wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Nachdem die Verurteilte einen Teil der Strafe in der JVA Köln verbüßt hatte, wurde sie am 21. September 2000 aufgrund einer Zurückstellungsmaßnahme gemäß § 35 BtMG zwecks Durchführung einer stationären Drogentherapie aus der Haft entlassen.

Durch Beschluss der 1. Strafkammer des Landgerichts Wuppertal vom 1. Oktober 2001 ist die noch nicht verbüßte Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden. Ferner hat das Landgericht die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt, die Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihr die "Auflage" erteilt, eine "bereits begonnene Folgebehandlung in Essen mindestens bis zum 30.11.2001 fortzusetzen". Gegen diesen Beschluss wendet sich die Verurteilte mit der als "sofortige Beschwerde" bezeichneten Schrift ihrer Verteidigerin vom 15. Oktober 2001.

Mangels näherer Eingrenzung des Angriffsziels ist die Rechtsmittelschrift im Sinne einer Anfechtung aller für die Verurteilte mit beschwerender Wirkung versehenen Beschlussteile - mithin sämtlicher gemäß §§ 36 Abs. 4 BtMG, 56 a bis d StGB getroffenen "Folgeanordnungen" zur Strafaussetzung - auszulegen. Die insoweit als einfache Beschwerden (§ 453 Abs. 2 Satz 1 StPO) zulässigen Rechtsmittel sind begründet, da die Strafkammer als Gericht des ersten Rechtszuges für die angefochtenen Entscheidungen im vorliegenden Fall nicht zuständig war und der diesbezüglich vorliegende Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften die Annahme einer "Gesetzwidrigkeit" der getroffenen Anordnungen im Sinne von § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO rechtfertigt (vgl. LR-Wendisch, StPO, 25. Auflage, § 453 Rn. 25).

Ist die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zwecks Durchführung einer Drogentherapie zurückgestellt worden, so weist § 36 Abs. 5 Satz 1 BtMG die in den Absätzen 1 bis 3 dieser Regelung aufgelisteten Entscheidungen über die Anrechnung der Behandlungsdauer auf die Strafzeit und über die Aussetzung der nach erfolgter Anrechnung noch nicht verbüßten Restfreiheitsstrafe dem Gericht des ersten Rechtszuges zu. Die insoweit getroffene Sonderregelung zur Zuständigkeit bezieht sich indes nicht auf die in § 36 Abs. 4 BtMG genannten "Folgeanordnungen" zur Dauer der Bewährungszeit und zur Ausgestaltung sowie Führung der Bewährungsaufsicht (§§ 56a bis g StGB). Insoweit verbleibt es vielmehr nach inzwischen einhelliger Ansicht bei der in § 462a StPO niedergelegten allgemeinen Zuständigkeitsregelung für nachträgliche Entscheidungen zur Bewährungsaufsicht im Sinne der §§ 453 StPO, 56a bis g StGB (vgl. BGHSt 37, 338; BGH NStZ-RR 96, 56 und NStZ 01, 110; BGH Beschluss v. 9. Mai 2001, 2 ARs 101/01; OLG Düsseldorf Beschluss v. 25. Oktober 2000, 2 Ws 297/00; Körner, BtMG, 5. Auflage, § 36 Rn. 71; Weber BtMG, § 36 Rn. 106).

Über die im vorliegenden Fall erforderlichen Anordnungen zur Dauer der Bewährungszeit und zur näheren Ausgestaltung der Bewährungsaufsicht (Erteilung von Auflagen oder Weisungen, Bewährungshilfe) hatte hiernach nicht die 1. Strafkammer des Landgerichts Wuppertal als Gericht des ersten Rechtszuges, sondern die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln zu befinden. Die Verurteilte befand sich bei Erlass des landgerichtlichen Urteils in zwei weiteren Verfahren unter Bewährungsaufsicht (Ziffer 3 und 4 des Bundeszentralregisterauszugs). Mit dem Beginn ihrer Strafhaft in der JVA Köln am 16. Juni 2000 wurde daher aufgrund des Konzentrationsprinzips (§ 462a Abs. 4 Satz 1 und 3 StPO) die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln für die Überwachung der Strafaussetzung zur Bewährung aus allen Verurteilungen zuständig. Hierbei ist es - aufgrund der Regelung zur allgemeinen Fortsetzungszuständigkeit gemäß § 462a Abs. 1 Satz 2 StPO - auch nach der Entlassung der Verurteilten aus der Strafhaft geblieben.

Die angefochtenen Entscheidungen des Landgerichts waren deshalb aufzuheben. Da bislang noch nicht feststeht, welche Anordnungen zur Dauer und Ausgestaltung der Bewährungsaufsicht gemäß §§ 36 Abs. 4 BtMG, 56 a bis d StGB zu treffen sind, ist eine Entscheidung über die Kosten der Beschwerden nicht veranlasst. Sie wird das Gericht zu treffen haben, das in der Sache zu entscheiden hat.

Ende der Entscheidung

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