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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.11.2001
Aktenzeichen: 3 Wx 256/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
BGB § 242
Wird ein älteres Gebäude, das hinsichtlich des Trittschallschutzes heutigen Anforderungen nicht entspricht, später in Wohnungseigentum aufgeteilt und gilt im Zeitpunkt der Teilung die DIN-Norm 4109, so ist diese Norm beim Ausbau einer Dachgeschosswohnung zu beachten.

Verbleiben dennoch Trittschallbeeinträchtigungen, deren Ursache in dem - aus heutiger Sicht - mangelhaft trittschallgeschützten Gemeinschaftseigentum liegt, so können die übrigen Wohnungseigentümer von dem ausbauenden Eigentümer nicht verlangen, dass er das Gemeinschaftseigentum verbessert.

Spricht nach sachverständigen Feststellungen eine Vermutung für den vorgenannten Ursachenzusammenhang und kann letzte Gewissheit allenfalls durch weitere, umfangreiche und kostenaufwendige bautechnische Untersuchung mit erheblicher Zerstörung von Sondereigentum erlangt werden, dann ist eine solche Beweiserhebung nicht gerechtfertigt, wenn sie das Maß des Zumutbaren überschreitet.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 256/01

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 - 4 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 31.07.2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G..., des Richters am Oberlandesgerichts von W... und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. K...

am 12.11.01

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1 - 4 tragen die Gerichtskosten der weiteren Beschwerde.

Wert: 100.000,00 DM.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 - 10 bilden die eingangs näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anlage besteht aus zwei Wohnhäusern, erbaut im Jahre 1963 in einfacher Bauweise. Sie sind Teil einer Siedlung, in der früher englische Soldaten mit ihren Familien wohnten. Sie besitzen ein Kellergeschoss, ein Erdgeschoss, ein Obergeschoss sowie ein Dachgeschoss, das früher als Trockenraum genutzt wurde. Im Jahre 1993 fand die Aufteilung der Häuser in Wohnungseigentum statt. Zugleich wurde in der Teilungserklärung gestattet, die Teileigentumseinheiten Nr. 5 und Nr. 10 - dabei handelt es sich um die über dem jeweiligen 1. Obergeschoss befindlichen Dachböden - zu Wohnzwecken auszubauen. § 6 der Teilungserklärung vom 17.12.1993 lautet auszugsweise:

"1. Der Dachboden Nr. 5 und Nr. 10 befindet sich derzeit noch in einem unausgebauten Zustand.

2. Die Teileigentümer Nr. 5 und Nr. 10 sind berechtigt, auf eigene Kosten und unter Beachtung der polizeilichen, baubehördlichen sowie statischen Bestimmungen folgende Maßnahmen durchzuführen:..."

Der Beteiligte zu 5. baute nach Erwerb (26. September 1994) in den Jahren 1995 bis 1997 die beiden Dachböden zu zwei Wohnungen aus. Die im Hause ... gelegene Wohnung Nr. 10 veräußerte er an die Beteiligten zu 10, die am 3. Dezember 1997 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurden.

Die Decke zwischen Obergeschoss und Dachgeschoss besteht - von unten nach oben gesehen - aus einer Putzschicht von 1,5 cm, 16 cm Stahlbeton, einer Mineralfaserdämmung und Zementestrich. Beim Ausbau der Dachböden zur Wohnung versah der Beteiligte zu 5. in seiner Wohnung (Nr. 5) Schlaf- und Kinderzimmer mit Teppichböden, die übrigen Räume mit Keramikböden. In der Wohnung Nr. 10 stattete er die Küche mit einem Keramikboden, Schlaf- und Kinderzimmer mit Teppichböden und die übrigen Räume mit Laminat aus. Die Nutzungsänderung und die von dem Beteiligten zu 5. durchgeführten Umbaumaßnahmen sind vom Bauordnungsamt der Stadt Wuppertal am 28.11.1994 genehmigt worden.

Die Umbaumaßnahmen haben zu verschiedenen Verfahren und Streitigkeiten zwischen dem Beteiligten zu 5. und den übrigen Miteigentümern geführt. Die Beteiligten zu 1 - 4 und 6 - 9 haben im vorliegenden Verfahren beantragt,

dem Beteiligten zu 5. - entsprechend den heutigen Anforderungen - aufzugeben, einen der DIN-Norm 4109 (1989) entsprechenden Trittschallschutz einzubauen, dergestalt, dass der Norm-Trittschallpegel von 53 dB nicht überschritten wird.

Der Beteiligte zu 5. ist diesem Begehren entgegengetreten und hat geltend gemacht, seinem Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung habe der erforderliche Schallschutznachweis des Statikers beigelegen; danach seien die erforderlichen Schallschutzwerte sogar überschritten. Wenn der Trittschallschutz unzureichend sei, könne dies seine Ursache darin haben, dass das Gemeinschaftseigentum von Anfang an nicht ordnungsgemäß hergestellt worden sei, weil man eben zur damaligen Zeit noch nicht so gebaut habe, wie es den heutigen Anforderungen entspreche.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen M... und nach dessen Anhörung dem Antrag der Antragsteller entsprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass von den Dachgeschosswohnungen Trittschallbelästigungen über das Maß des Hinzunehmenden hinaus ausgingen, dass jedoch nicht sicher festgestellt werden könne, ob dies darauf zurückzuführen sei, dass das Gebäude von Anfang nicht ordnungsgemäß errichtet wurde oder ob der Beteiligte zu 5. die Bodenbeläge nicht ordnungsgemäß verlegt habe; da der Beteiligte zu 5. sich jedoch mit weiteren erforderlichen Untersuchungen nicht einverstanden erklärt habe, gehe diese Beweisvereitelung zu seinen Lasten.

Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 5. hat das Landgericht die angefochtene Entscheidung abgeändert und den Antrag der Antragsteller zurückgewiesen. Die Antragsteller zu 1 - 4 haben sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Im einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).

Das Landgericht hat am 07.06.2001 die Wohnungseigentumsanlage in Augenschein genommen und ebendort die Verhandlung vom selben Tage durchgeführt, bei der die Beteiligten zu 1, 2, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 anwesend bzw. vertreten waren, ferner die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller und des Antragsgegners und - jedenfalls zeitweise - die Beteiligten zu 4 vertreten waren. Die Kammer hat bei der Augenscheinseinnahme festgestellt, dass das Begehen der Wohnung des Beteiligten zu 5. durch eine ca. 90 kg schwere Person, die flache Schuhe trug, in der darunter liegenden Wohnung der Beteiligten zu 2. (W...) kaum zu hören war; erst das Begehen dieser Wohnung durch eine ca. 60 kg schwere Person mit Schuhen, die 6 cm hohe Absätze hatten, war hier wie auch in der unter der Dachgeschosswohnung Nr. 10 liegenden Wohnung der Beteiligten zu 4 (S...) deutlich wahrnehmbar, wobei in der betreffenden Obergeschosswohnung Stille herrschte. Darüber hinaus gaben die Bewohner bzw. Eigentümer der Obergeschosswohnung an, Geräuschbeeinträchtigungen ergäben sich auch durch Stühlerücken, den Aufenthalt mehrerer Personen, Laufen durch die Wohnung, Geräusche einer elektrischen Schreibmaschine und Geräusche in der Küche, wenn z. B. etwas falle. Die Kammer hat des weiteren festgestellt, dass auch das Begehen der Obergeschosswohnungen in den Erdgeschosswohnungen zu hören war und zwar in etwa gleicher Lautstärke wie das Begehen der Dachgeschosswohnungen. Auch die Bewohner der Erdgeschosswohnungen berichteten ausweislich des landgerichtlichen Vermerks vom 07.06.2001 von sonstigen aus den Obergeschosswohnungen dringenden Geräuschen, wenn etwa Kinder durch die Wohnung liefen oder die elektrische Heizung über den Boden gezogen werde.

Aufgrund dessen hat das Landgericht zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Antragsteller hätten keinen Anspruch darauf, dass der Beteiligte zu 5. schalldämmende Maßnahmen in den Wohnungen Nr. 5 und 10 durchführt. Die durchgeführten Ermittlungen hätten ergeben, dass von den Dachgeschosswohnungen keine das unvermeidliche Maß übersteigenden Nachteile für die übrigen Miteigentümer, insbesondere die Eigentümer der Obergeschosswohnungen, ausgehen. Angesichts der festgestellten allgemeinen Hellhörigkeit der beiden Häuser, die sich im übrigen daraus ergebe, dass die Bewohnerin der den Beteiligten zu 10. gehörenden Eigentumswohnung bekundete, auch sie höre Geräusche, und zwar nicht nur aus den Obergeschosswohnungen, sondern aus dem ganzen Hause, könnten die aus dem Dachgeschoss dringenden Geräusche nicht als wesentliche Beeinträchtigungen angesehen werden, sondern nur als solche, die die Schwelle des Ortsüblichen, das heißt, der in den Häusern herrschenden Schallverhältnisse allenfalls ganz geringfügig überschritten. Dass der Trittschallschutz der Böden der Dachgeschosswohnungen die heute gültigen Normanforderungen (Normtrittschallpegel von 53 dB) nicht erfülle, sich vielmehr bei den vom Sachverständigen durchgeführten Messungen Werte von 64 bzw. 63 dB ergeben hätten, rechtfertige eine andere Beurteilung nicht. Insbesondere sei der Beteiligte zu 5. nicht verpflichtet, abweichend von den im übrigen Haus herrschenden Trittschallverhältnissen die Böden dem heutigen Schallschutzstandard entsprechend dergestalt herzurichten, dass der Normtrittschallpegel von 53 dB nicht überschritten wird. Denn wenn an einem Altbau Wohnungseigentum begründet werde, bestimme der bei Aufteilung bestehende Zustand den Standard; ein einzelner Wohnungseigentümer sei nicht verpflichtet, durch nachträgliche Maßnahmen den bestehenden Schallschutz zu verbessern.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Auszugehen ist von § 6 der Teilungserklärung. Danach hatte der Beteiligte zu 5. beim Ausbau des Dachgeschosses die "polizeilichen, baubehördlichen sowie statischen Bestimmungen", zu beachten. Das hat er getan. Die Baugenehmigung vom 28.11.1994 liegt vor. Der zugrunde liegende Bauantrag enthielt auch den erforderlichen Schallschutznachweis. Dieser war weder von der Behörde noch von dem im vorliegenden Verfahren tätigen Sachverständigen beanstandet worden. Der Sachverständige M... hat bei seiner Anhörung in der Sitzung vom 20.09.2000 erklärt, er habe sich den Schallschutznachweis soeben noch einmal an Hand der Gerichtsakte "überschlagsmäßig" angesehen, dabei sei ihm kein Rechenfehler aufgefallen. Da der Nachweis bzgl. des Trittschalls nur knapp eine groß bedruckte Seite umfasst (Bl. 406 R.), kann angenommen werden, dass Fehler, wenn sie denn vorhanden gewesen wären, einem diplomierten Sachverständigen für Schallschutz auch bei überschlägiger Prüfung aufgefallen wären. Im übrigen hat der Sachverständige, nachdem er am 20.10.1998 in der Dachgeschosswohnung des Hauses Nr. 49 zwei Trittschallmessungen durchgeführt hatte - vom Küchenboden mit Keramikbelag senkrecht in das Wohn-Esszimmer der darunter liegenden Obergeschosswohnung und vom Estrich des Wohnzimmers in das darunter liegende Arbeitszimmer der Obergeschosswohnung - und nachdem die zweite Messung auf der Prüffläche ohne Oberboden zu einem ähnlich schlechten Ergebnis geführt hatte, nämlich 63 dB im Vergleich zu 64 dB, in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.10.1998 ausgeführt, der mangelhafte Trittschallschutz sei wohl offensichtlich nicht durch den Ausbau verursacht, sondern offensichtlich Folge des alten Bodenaufbaus.

Diese Feststellung fügt sich in den Rahmen dessen, was die Kammer am 07.06.2001 ermittelt hat. Die allgemeine Hellhörigkeit der Häuser, der Umstand, dass die Schallbelästigungen aus dem Dachgeschoss in den Obergeschosswohnungen in etwa gleicher Lautstärke zu vernehmen sind wie diejenigen aus dem Obergeschoss in den Erdgeschosswohnungen, legt die Vermutung nahe, dass eine etwa mangelhafte Verlegung des Bodenbelags im Dachgeschoss nicht Ursache des Trittschalls ist. Das Landgericht hat in Anlehnung an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 05.05.1994 (NJW-RR 1994, 1497) zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beteiligte zu 5. nicht verpflichtet war, Maßnahmen zur Verbesserung des bestehenden Schallschutzes durchzuführen.

Das Landgericht hat die tatsächlichen Verhältnisse ausreichend aufgeklärt. Insbesondere sind weitere bautechnische Untersuchungen wie vom Sachverständigen M... in seinem "Zwischenbericht" vom 15.03.2000 vorgeschlagen und von den Antragstellern gewünscht bei der gegebenen Sachlage nicht notwendig. Derartige Untersuchungen würden voraussichtlich einen Aufwand von mindestens 100.000,00 DM erfordern. Die Bodenflächen der Dachgeschosswohnung der Beteiligten zu 5. und 10. wären nach Einschätzung des Sachverständigen M... bis auf die Rohdecke abzubrechen und anschließend neu herzustellen. Ein solcher Aufwand übersteigt das Maß des Zumutbaren. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 04.07.2001 (3 Wx 120/01) auf die grundsätzlich anzuerkennende Opfergrenze hingewiesen, die sich aus der Treuepflicht der Wohnungseigentümer untereinander ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Nr. 1 WEG. Für die Anordnung von Kostenerstattung bestand aus Billigkeitsgründen kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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