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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.04.2000
Aktenzeichen: 3 Wx 465/99
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 25
Die Feststellung, dass in einer Wohnungseigentümerversammlung ein Mehrheitsbeschluss zustande gekommen ist, setzt voraus, dass die Anzahl der Ja-Stimmen ermittelt wird; die Feststellung der Anzahl der Nein-Stimmen und der Stimmenthaltungen reicht nicht aus.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

3 Wx 465/99 19 T 220/99 LG Düsseldorf 40 II 50/98 WEG AG Ratingen

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2), 9), 28) und 29) gegen den Beschluß der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 22. November 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Krautter und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Schütz

am 3. April 2000

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des dritten Rechtszuges tragen die Beteiligten zu 2), 9),28) und 29) als Gesamtschuldner.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 44.160,10 DM.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 36) war bis zum 31.12.1998 zur Verwalterin der o. a. Wohnungseigentümergemeinschaft bestellt worden. Am 16.10.1998 fand eine Versammlung der Wohnungseigentümer statt, in der zu TOP 6 entschieden werden sollte, ob die Beteiligte zu 36) weiter als Verwalterin tätig sein sollte. Bei der Abstimmung der 25 anwesenden stimmberechtigten Wohnungseigentümer stellt der Geschäftsführer der Beteiligten zu 36), der die Versammlung leitete, zunächst acht Stimmenthaltungen und sodann acht Nein-Stimmen fest. Da er - irrtümlich - annahm, es seien nur noch sieben Stimmen für eine Fortsetzung der Verwaltertätigkeit möglich, fragte er nicht mehr, wer für eine erneute Bestellung der Beteiligten zu 36) stimme. Er wiederholte lediglich die Feststellung der Enthaltungen und der Nein-Stimmen, wobei er wieder jeweils acht Stimmen zählte. Danach teilte er den versammelten Wohnungseigentümern als Abstimmungsergebnis mit, daß die Beteiligte zu 36) nicht erneut zur Verwalterin für die Zeit ab 01.01.1999 bestellt worden sei.

Die mit Datum vom 23.10.1998 vom Geschäftsführer der Beteiligten zu 36) erstellte Niederschrift über die Versammlung vom 16.10.1998 verzeichnet zu TOP 6 unter der Überschrift "Ausübung der Verwaltertätigkeit ab 01.01.1999" u. a.:

"Da keine anderen Verwaltungsangebote vorliegen, wird darüber abgestimmt, ob die GmbH auch weiterhin die Verwaltertätigkeit ab 01.01.1999 ausüben soll.

Abstimmungsergebnis:

9 Ja-Stimmen

8 Nein-Stimmen

8 Stimmenthaltungen

Zur Überprüfung des Abstimmungsergebnisses wird die Abstimmung ein zweites Mal durchgeführt. Das Ergebnis bleibt unverändert bestehen. Damit ist die für fünf Jahre weiterhin zum Verwalter bestellt."

In einem Schreiben an die Wohnungseigentümer wies die Beteiligte zu 36) unter Beifügung der Niederschrift über die Versammlung darauf hin, "nach nachträglicher Auszählung bei der Erstellung des Protokolls sei unter TOP 6 leider bei der Auszählung der Ja-Stimmen ein Fehler aufgetreten. Danach hätten für die Wiederwahl der nicht sieben, sondern neun Eigentümer gestimmt".

Die Beteiligte zu 1) hat mit am 16.11.1998 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben zunächst beantragt, den zu TOP 6 gefaßten Beschluß der Eigentümerversammlung vom 16.10.1998 für ungültig zu erklären. Zuletzt hat sie die Feststellung begehrt, bei der Eigentümerversammlung vom 16.10.1998 sei zu TOP 6 "Ausübung der Verwaltertätigkeit ab 01.01.1999" nicht beschlossen worden, daß die GmbH für fünf Jahre ab dem 1.Januar 1998 zum Verwalter bestellt wurde Ferner hat sie eine dahingehende Berichtigung des Protokolls der Versammlung vom 16.10.1998 beantragt.

Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben.

Die Beteiligten zu 2), 9), 28) und 29) haben sofortige Beschwerde eingelegt. Sie haben die Auffassung vertreten, die Niederschrift gebe das Ergebnis des zu TOP 6 gefaßten Beschlusses richtig wieder. Das - irrtümlich - in der Versammlung anders bekannt gegebene Ergebnis sei irrelevant, denn es sei für alle Beteiligten klar gewesen, daß der Versammlungsleiter nur die Stimmen falsch ausgezählt habe.

Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde wenden sich die Beteiligten zu 2), 9), 28) und 29) unter Wiederholung ihres Vorbringens gegen die Entscheidung des Landgerichts. Mit Rücksicht darauf, daß auch nach Auffassung des Landgerichts unstreitig die Mehrheit der Wohnungseigentümer für die Verlängerung der Bestellung der Beteiligten zu 36) votiert habe, sei für die von der Beteiligten zu 1) begehrte Feststellung kein Raum.

Die Beteiligte zu 1) ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften (§ 27 FGG).

1)

Das Landgericht ist zutreffend von der Zulässigkeit des zuletzt gestellten Feststellungsantrages ausgegangen. Die Beteiligte zu 1) begehrt eine rechtskraftfähige Entscheidung darüber, daß am 16.10.1998 keine erneute Bestellung der Beteiligten zu 36) zur Verwalterin für die Zeit ab 01.01.1999 erfolgt ist. Ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung ist gegeben, denn die Beteiligte zu 36) und die Beschwerdeführer gehen davon aus, daß ein gültiger Beschluß über die Verwalterbestellung in der Versammlung gefaßt worden ist.

2)

Zur Sache hat das Landgericht ausgeführt, in der Versammlung vom 16.10.1998 sei ein wirksamer Beschluß zu TOP 6 nicht zustande gekommen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung des Landgerichts in der Versammlung vom 16.10.1998 habe - was zwischen den Beteiligten unstreitig sei - die Mehrheit der Wohnungseigentümer für die Bestellung der Beteiligten zu 36) zur Verwalterin votiert.

Nach den verfahrensrechtlich fehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen sowohl des Amtsgerichts als auch des Landgerichts ist in der Versammlung vom 16.10.1998 vom Versammlungsleiter bei der Abstimmung zu TOP 6 lediglich die Zahl der Enthaltungen und der Nein-Stimmen ermittelt und mit jeweils acht festgestellt worden. Dagegen ist gerade nicht durch Befragung die Anzahl der Ja-Stimmen und eine eventuelle Stimmenmehrheit ermittelt worden. Hierauf hatte die Beteiligte zu 1) bereits in ihrer Antragsschrift und in ihrem Schriftsatz vom 08.03.1999 ausdrücklich hingewiesen. Diesem Vorbringen waren die Antragsgegner lediglich mit dem allgemeinen Hinweis auf den Inhalt der nachträglich erstellten Niederschrift über die Versammlung begegnet.

Diese Feststellungen der Vorinstanzen lassen die Annahme, eine Mehrheit der Wohnungseigentümer habe für eine erneute Bestellung der Beteiligten zu 36) votiert, nicht zu. Das vom Versammlungsleiter praktizierte Abstimmungsverfahren rechtfertigt lediglich die Schlußfolgerung, eine Mehrheit von neun gegen acht Stimmen sei möglich gewesen, nicht aber den Schluß, eine Mehrheit von einer Stimme habe bestanden.

Es kann nämlich nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die restlichen neun Wohnungseigentümer, die weder mit nein gestimmt, noch sich der Stimme enthalten hatten, der erneuten Bestellung sämtlich zugestimmt hätten. Denkbar ist nämlich, daß einer (oder auch mehrere) eine Stimme nicht abgegeben, sich also nicht geäußert hätte (vgl. BGH in WE 1989, 50 zur Berechnung der Stimmenmehrheit unter Berücksichtigung der Stimmenthaltungen).

Die vom Versammlungsleiter durchgeführte Abstimmung war unzureichend. Ein wirksamer Beschluß kommt nur zustande, wenn in der Versammlung eine Stimmenmehrheit in der Form gegeben ist, daß die Anzahl der Ja-Stimmen die der Nein-Stimmen übersteigt. Eine dahingehende Feststellung kann nur getroffen werden, wenn die Zahl der Ja-Stimmen exakt ermittelt ist. Eine bloße Schlußfolgerung - wie hier - reicht dazu nicht aus.

Eine in der Wohnungseigentümerversammlung unterbliebene Ermittlung der Ja-Stimmen und die Feststellung der Anzahl dieser Stimmen kann auch nicht in der Form nachgeholt werden, daß im nachhinein ermittelt wird, wie die Wohnungseigentümer, die in der Versammlung weder mit nein gestimmt noch sich der Stimme enthalten haben, abgestimmt hätten.

Liegt somit ein Beschluß der Wohnungseigentümer für eine erneute Bestellung der Beteiligten zu 36) schon mangels einer entsprechenden mehrheitlichen Willensäußerung der Wohnungseigentümer nicht vor - was der Versammlungsleiter in der Versammlung selbst verkündet hat -, so kann die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage (vgl. Bärmann/ Seuss, Praxis des Wohnungseigentums, 4. Aufl., Seite 554; Staudinger/Bub BGB 12. Aufl., Rn. 165 ff. zu § 23 WEG m.w.N.; Staudinger-Wenzel § 43 WEG Rn. 36; Bärmann/Pick/Merle § 23. Rn. 36; OLG Hamm OLGZ 1979, 296 f.; OLGZ 1990, 180, 183; BayObLG ZMR 1998, 643; WE 1998, 511; DWE 1999, 35), ob es für das Zustandekommen eines Beschlusses auf die tatsächlich vorhandene Mehrheit der Stimmen oder auf die gegenteilige Feststellung und Verkündung des Abstimmungsergebnisses (und seine Protokollierung in der Niederschrift) ankommt, dahinstehen, denn einer der Feststellung und Verkündung des Abstimmungsergebnisses in der Versammlung der Wohnungseigentümer widersprechende "Protokollierung" kann jedenfalls keine konstitutive Wirkung für das Zustandekommen eines Beschlusses beigemessen werden.

Die Vorinstanzen haben demgemäß zu Recht festgestellt, daß die Beteiligte zu 36) in der Versammlung vom 16.10.1998 unter TOP 6 nicht erneut zur Verwalterin für die Zeit ab 01.01.1999 bestellt worden ist.

3)

Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des Landgerichts auch, soweit die Kammer den Antrag auf Berichtigung der Niederschrift über die Eigentümerversammlung zu TOP 6 für zulässig und begründet erachtet hat. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird insoweit Bezug genommen.

4)

Die Kostenentscheidung folgt aus 47 WEG. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten hat der Senat keinen Anlaß gesehen.

Ende der Entscheidung

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