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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: 3 Wx 79/01
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 910
WEG § 13
WEG § 14
Das gemäß § 910 BGB im Falle des Überhangs gegebene Selbsthilferecht des Eigentümers ist Im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

In der Wohnungseigentumssache

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 16.02.01 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, des Richters am Oberlandesgericht von Wnuck-Lipinski und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Krautter am 27.06.01

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2. tragen die Gerichtskosten der 3. Instanz und die den übrigen Beteiligten in diesem Rechtszug notwendig entstandenen aussergerichtlichen Kosten.

Wert: 2000,00 DM

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind Mitglieder der eingangs näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Eigentumsanlage ist terrassenförmig ausgestaltet. Die Terrasse der Beteiligten zu 1., die versetzt über der Terrasse der Beteiligten zu 2. angeordnet ist, wird an einer Seite durch Pflanzkübel begrenzt, in denen sich mehrere Tannen und sonstige Pflanzen befinden, unter anderem eine Edeltanne (vgl. die Lichtbilder Bl. 8 d. A.). Diese Edeltanne hing teilweise über, und zwar in den Luftraum Über der Terrasse der Beteiligten zu 2., wie diese vorgetragen haben. Die Beteiligten zu 2. haben die Edeltanne beschnitten.

Die Beteiligte zu 1. hat geltend gemacht, die Beteiligten zu 2. hätten am 26.06.1998 auch den ca. 1,40 m nach oben gewachsenen Hauptast der Edeltanne abgeschnitten. Sie hat auf Grund dessen Schadensersatz verlangt und weiter beantragt, dass den Beteiligten zu 2. aufgegeben wird, es zu unterlassen, aus den über ihrer Terrasse liegenden Pflanzkübeln der Beteiligter zu 1. wachsende Pflanzen zu beschneiden.

Die Beteiligten zu 2. haben vorgetragen, es seien lediglich überhängende Äste, aber nicht der nach oben weisende Hauptast abgeschnitten worden. Im übrigen stehe ihnen ein Selbsthilferecht nach § 910 BGB zu, da die Benutzung ihrer Terrasse beeinträchtigt gewesen sei. Eine vorherige Fristsetzung gegenüber der Beteiligten zu 1. sei entbehrlich gewesen.

Das Amtsgericht hat die Beteiligten zu 2. verpflichtet, an die Beteiligte zu 1. DM 1.000,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 20. November 1998 zu zahlen. Darüber hinaus hat es den Beteiligten zu 2. bei Androhung eines Ordnungsgeldes bis 50.000,00 DM, hilfsweise Ordnungshaft, für jeden Fall der Zuwiderhandlung, aufgegeben, es zu unterlassen, aus den über ihrer Terrasse liegenden Pflanzencontainern der Beteiligten zu 1. wachsende Pflanzen zu beschneiden, sofern diese nicht in erheblichem Maße über die Pflanzencontainer zur Terrasse der Beteiligten zu 2. hinauswachsen und diese beeinträchtigen.

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist vom Landgericht nach Ortsbesichtigung, mündlicher Verhandlung mit den Beteiligten und Anhörung des Zeugen B zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2., mit der sie geltend machen, sie hätten lediglich einen Seitentrieb der Tanne abgeschnitten; im übrigen sei § 910 BGB entgegen der Ansicht der Kammer im Wohnungeigentumsrecht anwendbar.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).

Das Landgericht hat ausgeführt: Die Beteiligte zu 1. habe gegen die Beteiligten zu 2. einen Anspruch auf Zahlung von 1.000,00 DM aus § 823 Abs. 1 BGB. Die Beteiligten zu 2. hätten das Eigentum der Beteiligten zu 1. widerrechtlich und schuldhaft verletzt. Nach den vom Amtsgericht und von der Kammer durchgeführten Ermittlungen stehe fest, dass der Beteiligte zu 2. den nach oben gewachsenen Hauptast der in einem Pflanzentrog auf der Terrasse der Beteiligten zu 1. befindlichen Edeltanne selbst abgeschnitten habe. Das sei rechtswidrig gewesen. Ein Selbsthilferecht habe den Beteiligten zu 2. nicht zugestanden, § 910 BGB sei vorliegend nicht anwendbar. Mit dem für eine Wohnungseigentümergemeinschaft in besonderer Weise geltenden Rücksichtnahmegebot sei es nicht vereinbar, dass ein Eigentümer eigenmächtig Pflanzen eines anderen Eigentümers beschneidet. Gegen die vom Amtsgericht auf 1.000,00 DM bezifferte Höhe des Anspruchs der Beteiligten zu 1. habe keiner der Beteiligten Einwendungen erhoben. Der Unterlassungsanspruch beruhe auf § 1004 BGB. Die Wiederholungsgefahr folge bereits daraus, dass der Beteiligte zu 2. in dem von der Kammer durchgeführten Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.02.01 ausdrücklich erklärt habe, er halte sich nach wie vor für berechtigt, Äste zu entfernen.

Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand. Soweit die Beteiligten zu 2. mit der weiteren Beschwerde vortragen, sie hätten lediglich einen Seitentrieb der Tanne abgeschnitten, ist dem nicht zu folgen. Für den Senat als Rechtsbeschwerdegericht sind die vom Landgericht festgestellten Tatsachen, der Sachverhalt zur Zeit des Erlasses der landgerichtlichen Entscheidung maßgebend; eine Nachprüfung tatsächlicher Verhältnisse in der dritten Instanz ist ausgeschlossen. Die Tatsachenwürdigung ist nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht, bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze und den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (Keidel/Kuntze/Winkler FGG 14. Auflage § 27 Randnummer 42). Ausweislich des landgerichtlichen Vermerks über den Ortstermin vom 15.02.01 hat der Beteiligte zu 2. bei diesem Termin erklärt, er habe einen Ast der Edeltanne abgeschnitten, der nach oben gezeigt habe; den Schnitt habe er hinter der Gabelung mehrerer Äste vorgenommen, so wie es sich aus der von seinem Verfahrensbevollmächtigten vorgelegten Skizze (Bl. 256 d. A.) ergebe; nach seiner Auffassung habe es sich aber nicht um den eigentlichen Hauptast der Tanne gehandelt. Die Kammer hat bei der Inaugenscheinnahme der Edeltanne eine Schnittstelle wie diejenige auf dem Foto Blatt 8 d. A. festgestellt. Eine zweite Schnittstelle wurde an der Tanne nicht gefunden. Die Schlußfolgerung des Landgerichts, dass es sich bei dem von dem Beteiligten zu 2. abgeschnittenen Ast um den nach oben gewachsenen Hauptast gehandelt habe, weil jeglicher Anhaltspunkt dafür fehle, dass es neben diesem Ast noch einen weiteren nach oben weisenden Ast gegeben habe, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Ein Rechtfertigungsgrund für diese Verletzung des Eigentums der Beteiligten zu 1. ist nicht gegeben. In Betracht käme hier nur § 910 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem Nachbargrundstück herüberhängende Zweige - nach Fristsetzung und ergebnislosem Fristablauf - abschneiden, wenn die Zweige die Benutzung seines Grundstücks beeinträchtigen. Dieses Selbsthilferecht ist allerdings, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, im Wohnungseigentumsrecht nicht, auch nicht entsprechend anwendbar. Wie der Wortlaut des § 13 WEG zeigt, hat der Gesetzgeber des Wohnungseigentumsgesetzes dem Wohnungseigentümer nicht sämtliche Rechte zugesprochen, die ein Eigentümer nach § 903 BGB hat. Während letzterer andere von jeder Einwirkung auf sein Eigentum ausschließen kann, kann der Wohnungseigentümer bezüglich der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile andere nur "von Einwirkungen" ausschließen. Daraus ist zu entnehmen, dass der Wohnungseigentümer in mancher Hinsicht stärkere Beschränkungen hinnehmen muss als der Alleineigentümer eines Hauses; dies wird in der Literatur als Folge des "intensivierten Nachbarschaftsverhältnisses" angesehen, das zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft herrscht (vergleiche dazu Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Auflage § 13 Randnummer 158; Weitnauer WEG 8. Auflage § 13 Randnummer 2; Paulick AcP 152, 420, 432). Dem entsprechend unterliegt ein Wohnungseigentümer hinsichtlich seines Sondereigentums gewissen Duldungspflichten, die sich insbesondere aus § 14 Nr. 3 WEG ergeben. Gegen Beeinträchtigungen des Sondereigentums durch einen anderen Wohnungseigentümer ist die Anrufung des Gerichts nach § 43 WEG erforderlich (Bärmann/Pick/Merle a.a.O. Randnummer 82). Das Wohnungseigentumsgericht entscheidet über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer bezüglich des Sondereigentums und der insoweit bestehenden Gebrauchsregelungen.

Abgesehen davon kann die Bepflanzung einer Terrasse unter Umständen auch das Gemeinschaftseigentum beeinträchtigen, beispielsweise hinsichtlich der Optik, eventuell auch der Substanz des Gebäudes. Auch insoweit kann ein einzelner Wohnungseigentümer Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche beim Wohnungseigentumsgericht geltend machen; denn eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums berührt immer auch das Sondereigentum (Niedenführ/Schulze; WEG, 5. Aufl., § 43 Randnummer 21). Es können aber auch die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss nach § 15 Abs. 2 WEG festlegen, in welcher Weise die Bepflanzung von im Sondereigentum stehenden Terrassen vorgenommen werden darf (BayObLG Beschluss vom 17.12.93, 2 ZBR 105/93).

Vorliegend fehlt es offenbar an einer einschlägigen Regelung, sei es in der Teilungserklärung oder durch Vereinbarung bzw. durch Beschluss (auf den Streitfall anzuwendende Gebrauchsregelungen sind auch nicht in den mit der weiteren Beschwerde zitierten Wohnungseigentümerbeschlüssen aus 1980 und 1989 enthalten). Es kann auch nicht festgestellt werden, dass auf einen Antrag der Beteiligten zu 2. nach §§ 43 WEG, 1004 BGB, wenn er denn gestellt worden wäre, eben dieselbe Maßnahme der Beteiligten zu 1. auferlegt worden wäre, die vorliegend von den Beteiligten zu 2. im Wege der Selbsthilfe getroffen worden ist. Eine Entscheidung auf Beseitigung einer Beeinträchtigung lautet regelmäßig auf Vornahme geeigneter Maßnahmen; die Wahl der Maßnahme obliegt dann dem Schuldner und ist vom Gläubiger erst in der Zwangsvollstreckung zu treffen (Palandt/Bassenge 59. Aufl. § 1004 Randnummer 26).

Nach allem ist die rechtswidrige und schuldhafte Eigentumsverletzung durch die Beteiligten zu 2. rechtsfehlerfrei festgestellt worden.

Bezüglich des Unterlassungsanspruchs ist den Ausführungen der Kammer nichts hinzuzufügen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 und 2 WEG. Die Erstattungsanordnung entspricht der Billigkeit, weil die Beteiligten zu 2. nach den übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen von der Aussichtslosigkeit ihres Rechtsmittels hätten überzeugt sein können.

Ende der Entscheidung

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